11550 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft
über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Juli 2024 betreffend einen Staatsvertrag zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Verbesserung des Hochwasserschutzes am Rhein von der Illmündung bis zum Bodensee
Der Staatsvertrag zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Regulierung des Rheins von der Illmündung bis zum Bodensee hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Er hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Staatsvertrages im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da der Staatsvertrag in Art. 16 auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.
Mit dem vorliegenden Staatsvertrag soll – zusammengefasst – der Hochwasserschutz am Rhein von der Illmündung (Rheinkilometer 65.0) bis zum Bodensee (Rheinkilometer 91.0) insbesondere durch Erhöhung der Abflusskapazität von 3.100 m³/s (100-jährliches Hochwasser/HQ100) auf 4.300 m³/s (300-jährliches Hochwasser/HQ300) ausgebaut werden. Es wird von einer Bauzeit von 20 Jahren ausgegangen. Die kalkulierten Kosten (inklusive Risikokosten, einer angenommenen Teuerung von 2 % und Mehrwertsteuer) liegen bei ca. 2,1 Milliarden Euro. Die Nettokosten werden von der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu gleichen Teilen getragen.
Die mit der Umsetzung des vorliegenden Staatsvertrages verbundenen Vorteile können wie folgt zusammengefasst werden:
- Die Abflusskapazität des Gerinnes wird durchgehend auf 4.300 m³/s erhöht und die Hochwassersicherheit im Rheintal dadurch erheblich verbessert.
- Die teilweise über 100 Jahre alten Hochwasserschutzdämme werden auf der gesamten Strecke entweder neu gebaut oder saniert und damit an den aktuellen Stand der Technik angepasst.
- Auch im Fall von Extremereignissen (Abfluss über 4.300 m³/s) wird durch die Schaffung von Entlastungsstellen die Bauwerksicherheit sichergestellt und werden Dammbrüche verhindert. Dadurch wird das Schadenspotential bei Extremereignissen stark reduziert.
- Mit der vorgesehenen Geschiebebewirtschaftung an drei Standorten können eine dynamische Stabilität der Flusssohle erreicht und die Geschiebefrachten an den natürlichen Zustand angeglichen werden. Die Geschiebeentnahmen sichern zusammen mit der Begrenzung des Bewuchses und dem Lettenabtrag auf den Vorländern den langfristig erforderlichen Abflussquerschnitt.
- Der natürliche Verlauf des Flusses wird so weit als möglich wiederhergestellt. Es werden eine standortgerechte Ufervegetation und ein vielfältiger Lebensraum für Flora und Fauna geschaffen. Die durchschnittliche Breite des dynamischen Mittelgerinnes wird von ca. 70 m auf ca. 210 m verdreifacht. In sogenannten Kernlebensräumen werden dynamische Gerinnebreiten von über 300 m geschaffen. Dadurch wird der ökologische Zustand des Rheins grundlegend verbessert und das gute ökologische Potential erreicht.
- Der Rhein wird auf der betroffenen Strecke als Erholungsraum deutlich aufgewertet und das Naturerlebnis gesteigert.
- Bei den Bauarbeiten anfallender Boden und weiteres geeignetes Material kann für landwirtschaftliche Bodenverbesserungsprojekte außerhalb des Projekts zur Verfügung gestellt werden. Damit wird ein bedeutender Beitrag zum Erhalt der landwirtschaftlichen Produktionsfähigkeit und Bodenfruchtbarkeit geleistet. Das verbleibende Vorland und die Dammflächen werden zukünftig extensiv bewirtschaftet.
Im Folgenden wird auf die Hintergründe und den Regelungsinhalt des Staatsvertrages näher eingegangen:
Ausgangslage aufgrund der bisherigen Staatsverträge:
Vor der Regulierung des Rheins kam es im Rheintal immer wieder zu verheerenden Hochwasserereignissen und stellten zudem die ständigen Laufverlagerungen des Rheins eine permanente Bedrohung für die Kulturlandschaft und die regionale Nahrungsmittelversorgung dar.
Vor diesem Hintergrund schlossen die Republik Österreich und die Schweizerische Eidgenossenschaft zur Regulierung des Rheins bereits drei Staatsverträge, nämlich den Staatsvertrag vom 30. Dezember 1892 zwischen Österreich-Ungarn und der Schweiz über die Regulierung des Rheins von der Illmündung stromabwärts bis zur Ausmündung desselben in den Bodensee, RGBl. Nr. 141/1893, den Staatsvertrag vom 19. November 1924 der Republik Österreich mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Regulierung des Rheines von der Illmündung bis zum Bodensee, BGBl. Nr. 436/1925 und den Staatsvertrag vom 10. April 1954 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Regulierung des Rheines von der Illmündung bis zum Bodensee, BGBl. Nr. 178/1955 (im Folgenden: Staatsverträge 1892, 1924 und 1954).
Auf Grundlage dieser Staatsverträge wurden insbesondere zwei Durchstiche geschaffen (Fussacher Durchstich und Diepoldsauer Durchstich), um das Sohlgefälle durch Verkürzung der Rheinstrecke zu erhöhen. Zudem wurde ein gegliedertes und deutlich größeres Abflussprofil geschaffen, bestehend aus einem mit Wuhrdämmen eingegrenzten Mittelgerinne sowie daran anschließenden breiten Vorländern und äußeren Hochwasserschutzdämmen. Zur Verhinderung der Verlandung bei der Mündung des Rheins in den Bodensee wurde zudem das Flussbetts des Rheins weiter in den Bodensee erstreckt („Vorstreckung“), sodass das Geschiebe und die Schwebstoffe des Rheins weiter in die Tiefenzonen des Bodensees geleitet werden. Insgesamt wurde damit ein System geschaffen, welches das Rheintal auf der genannten Strecke vor einem 100-jährlichen Abflussereignis (HQ100), dies entspricht 3.100 m3/s, schützt.
Zur Umsetzung der Rheinregulierung wurde mit den genannten Staatsverträgen eine gemeinsame Organisation geschaffen. Zentrales Organ ist die Gemeinsame Rheinkommission (GRK), die aus vier Mitgliedern besteht, wobei jeder Vertragsstaat zwei Mitglieder bestellt. Der GRK obliegt die Ausführung der Rheinregulierung und die Leitung aller damit in innerem Zusammenhang stehenden Angelegenheiten. Zur Unterstützung sind der GRK noch ein Zentralbüro und je eine österreichische und eine schweizerische Rheinbauleitung unterstellt. In ihrer Gesamtheit wird die gemeinsame Organisation als Internationale Rheinregulierung (IRR) bezeichnet (im Staatsvertrag aus 1954 auch „Internationales Rheinregulierungsunternehmen“).
Veranlassung für einen neuen Staatsvertrag:
Derzeit ist das Rheintal unterhalb der Illmündung durch die auf Grundlage der bisherigen Staatsverträge ausgeführten Hochwasserschutzmaßnahmen gegen 100-jährliche Hochwasserereignisse gesichert. Die Dämme entsprechen den damaligen Planungsgrundsätzen und wurden in der Vergangenheit instandgehalten sowie erforderlichenfalls bautechnisch verbessert.
Seit Abschluss der bisherigen Staatsverträge haben sich die Rahmenbedingungen und die Anforderungen an den Hochwasserschutz jedoch in verschiedener Hinsicht geändert.
Zum einen ist das Risiko gestiegen, weil nach aktuellen Prognosen in Zukunft häufiger mit extremen Hochwasserereignissen zu rechnen ist. Diese Entwicklung zeigte sich bereits an den europaweiten Hochwasserereignissen von 1999, 2002 und 2005. Es wurden auch neue Risiken – wie zum Beispiel in Bezug auf die Erdbebensicherheit – erkannt.
Zum anderen ist auch das Schadenspotential wesentlich gestiegen. Das Rheintal hat sich nämlich sowohl wirtschaftlich als auch im Hinblick auf die Bevölkerungszahl stark entwickelt. Mit rund 300.000 Einwohnern beidseitig des Rheins ist es heute zu einem eigenständigen Wirtschafts- und Lebensraum herangewachsen.
Nach vorliegenden Studien müsste bei einem 300-jährlichen Hochwasserereignis (HQ300) im Rheintal, dies entspricht 4.300 m3/s, von zahlreichen Todesopfern und Sachschäden in der Größenordnung von 13,5 Milliarden Schweizer Franken ausgegangen werden.
Vor diesem Hintergrund haben die Regierung der Republik Österreich und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) die GRK mit der Prüfung beauftragt, wie der Hochwasserschutz im Rheintal verbessert werden kann.
Auf Veranlassung der GRK wurde durch die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich von 2007 bis 2011 eine Machbarkeitsprüfung durchgeführt. Diese kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit eine Kapazitätserhöhung auf 4.300 m3/s durch flussbautechnische Maßnahmen sowohl notwendig als auch technisch umsetzbar ist.
Daraufhin wurde bis 2016 eine umfassende Variantenuntersuchung durchgeführt und resultierend aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen 2018 ein „Generelles Projekt“ erstellt. Im Sinne einer partizipativen Projektentwicklung wurden unter anderem Behörden, Gemeinden, Bevölkerung, Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer, Interessenvertretungen und NGOs im Rahmen von Informationsveranstaltungen, Besprechungen und Einladungen zur Stellungnahme zum Projekt eingebunden.
Bei der Ausarbeitung des Projektes wurden neben den Erfordernissen des Hochwasserschutzes auch die Erfordernisse der Nachhaltigkeit, des Gewässerschutzes und der natürlichen Ressourcen beachtet (siehe dazu auch noch unten).
Zudem wurde das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Projekts sowohl mit der in der Schweiz (EconoMe) als auch mit der in Österreich (KNU) üblichen Methode ermittelt. Die Auswertung nach EconoMe ergab einen Wert von 3,14, was bedeutet, dass das Risiko mit jedem investierten Schweizer Franken um 3,14 Schweizer Franken sinken wird. Die Kosten-Nutzen-Bewertung nach KNU ergab einen Wert von 2,59. Der durch das Projekt erzielte Nutzen übersteigt daher klar die erforderlichen Kosten, weshalb das Projekt als wirtschaftlich sinnvoll und erforderlich zu beurteilen ist.
Ablauf der Staatsvertragsverhandlungen und Entwicklung des Genehmigungsprojektes:
Der notwendige Ausbau des Hochwasserschutzes im Rheintal auf eine Abflusskapazität von 4.300 m3/s kann nicht auf die Regelungen der bisherigen Staatsverträge 1892, 1924 und 1954 gestützt werden.
Den Regierungen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft war bewusst, dass die Herstellung eines verbesserten Hochwasserschutzes im Rheintal eine Aufgabe beider Staaten ist, die am zweckmäßigsten und effektivsten gemeinsam umzusetzen ist. Zudem ist davon auszugehen, dass die Staaten vom Ausbau des Hochwasserschutzes in etwa im selben Ausmaß profitieren und auch die Kosten für den Ausbau in beiden Staaten in etwa gleich hoch sind. Daher soll der vorgesehene Ausbau des Hochwasserschutzes als „Gemeinsames Werk“ im Rahmen eines neuen Staatsvertrages unter Anknüpfung an und in Fortentwicklung der alten Staatsverträge erfolgen, wobei die Kosten – wie dies auch in den alten Staatsverträgen vorgesehen war – von beiden Staaten jeweils zu gleichen Teilen getragen werden.
Das ausgearbeitete Projekt nach dem damaligen Planungsstand wurde im April 2020 an die Regierungen der beiden Staaten übermittelt. Bei ersten Besprechungen und Konsultationen zeigte sich jedoch, dass die Planungen noch zu vervollständigen sind, eine aktuelle Kostenschätzung zu erstellen ist und die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Abschluss eines neuen Staatsvertrages abgeklärt werden müssen. Vor diesem Hintergrund wurden unverzüglich informelle Gespräche zwischen der Österreichischen Republik und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Abklärung dieser Fragen aufgenommen.
Nachdem mit Vollmacht des österreichischen Bundespräsidenten vom 5. August 2021 (auf Vorschlag der österreichischen Bundesregierung) und Beschluss des schweizerischen Bundesrates vom 11. August 2021 die Verhandlungsvollmachten/Verhandlungsmandate zur Aufnahme von Staatsvertragsverhandlungen erteilt worden waren, begannen im Oktober 2021 die offiziellen Staatsvertragsverhandlungen.
Im Rahmen der Staatsvertragsverhandlungen war auch die Einbindung weiterer Bundesstellen (auf österreichischer Seite ua. Bundesministerium für Finanzen, Finanzprokuratur, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten/Völkerrechtsbüro, Bundesministerium für Justiz; auf schweizerischer Seite Direktion für Völkerrecht, Parlamentsdienste, Eidgenössische Steuerverwaltung, Eidgenössische Finanzverwaltung, Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, Bundesamt für Justiz), des Landes Vorarlbergs bzw. des Kantons St.Gallen und externer Experten erforderlich.
Seitens der IRR wurde bereits zum „Generellen Projekt“ eine Kostenschätzung erstellt. Im Sinne einer bestmöglichen und transparenten Kostenermittlung wurde dazu eine „Zweitmeinung“ zweier externer Planungsbüros zur Plausibilisierung dieser Kostenschätzung eingeholt, auf deren Grundlage von der IRR eine aktualisierte Kostenermittlung erstellt wurde.
Sowohl in Österreich als auch in der Schweiz beteiligen sich die vom Ausbau des Hochwasserschutzes profitierenden Gebietskörperschaften Land Vorarlberg und Kanton St.Gallen an den Kosten. Diesbezüglich werden gesonderte innerstaatliche Vereinbarungen bzw. Regelungen getroffen.
Gemeinsames Werk:
Mit dem gegenständlichen Staatsvertrag soll die Umsetzung und die Erhaltung des „Gemeinsamen Werks“, nämlich der Ausbau der Rheinstrecke von der Illmündung (Rheinkilometer 65.0) bis zum Bodensee (Rheinkilometer 91.0), insbesondere durch Erhöhung der Abflusskapazität von 3.100 m3/s (100-jährliches Hochwasser/HQ100) auf 4.300 m3/s (300-jährliches Hochwasser/HQ300), geregelt werden.
Die dafür erforderlichen Maßnahmen werden überwiegend zwischen den bereits bestehenden Hochwasserschutzdämmen auf Flächen umgesetzt, die sich im Besitz der öffentlichen Hand (Republik Österreich/Öffentliches Wassergut bzw. Rheinunternehmen als öffentlich‑rechtliche Anstalt des Kantons St.Gallen) befinden. Eine Ausnahme bildet der Bereich der Frutzmündung, wo der rechtsseitige Hochwasserschutzdamm ins Hinterland abgerückt und der Ehbach verlegt wird; hier werden die erforderlichen Flächen von der Republik Österreich (Öffentliches Wassergut) im Tauschweg von Dritten erworben.
Zwischen den Hochwasserschutzdämmen wird das Mittelgerinne des Rheins durch Entfernung der bestehenden Buhnen, Mittelwuhren und Ufersicherungen deutlich verbreitert. Auf dem Großteil der Strecke bleibt zur Sicherung des Dammfußes ein Mindestvorlandstreifen von je 15 m Breite entlang der Dämme bestehen. Zusätzliches Vorland bleibt hauptsächlich im Bereich von Schutzzonen für Grundwasserfassungen und in der oberen Hälfte der betroffenen Strecke erhalten.
Die bestehenden, überwiegend mehr als 100 Jahre alten Hochwasserschutzdämme sind im Aufbau inhomogen und entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik. Bei der Umsetzung des Gemeinsamen Werks werden die Dämme deshalb abschnittsweise abgetragen und mit lokalem Material neu hergestellt oder umfassend saniert (Teilneubau). Die Umsetzung wird in insgesamt vier Bauabschnitten erfolgen, wobei die Arbeiten an den einzelnen Abschnitten grundsätzlich gestaffelt, zum Teil aber auch überschneidend durchgeführt werden. Soweit dies zur Gewährleistung der Erdbebensicherheit erforderlich ist, werden Untergrundverbesserungen vorgenommen. Die Höhe der Dämme wird im Vergleich zu den bestehenden Dämmen nur in lokal begrenzten Bereichen erhöht.
Mit vier Entlastungsstellen wird die Bauwerksicherheit auch im Fall eines Extremhochwassers mit einer Abflussmenge über 4.300 m³/s sichergestellt. An diesen Stellen wird das Wasser abhängig von der Abflussmenge auf Flächen mit möglichst geringem Schadenspotential abgeleitet, sodass es zu keinem katastrophalen Versagen der Bauwerke kommt.
Zur Vermeidung von Auswirkungen auf das Grundwasser im Rheintal ist – soweit erforderlich – am luftseitigen Dammfuß eine Drainage vorgesehen. Bei niedrigen Abflüssen wird das Drainagewasser in die Gewässer im Hinterland eingeleitet, bei größeren Abflüssen wird das Drainagewasser zurück in den Rhein gepumpt. So kann sichergestellt werden, dass es trotz Sohlenanhebung und größerer Breite des Rheins nicht zu einem Grundwasseranstieg außerhalb der Rheindämme kommt.
Darüber hinaus ergibt sich durch die Umsetzung des Gemeinsamen Werks auch neues Potential für die Freizeit- und Erholungsnutzung. Beidseitig des Rheins können die für Hochwasserintervention, Instandhaltung und Pflege notwendigen Wege auf der Dammkrone, auf einer Berme oder im Vorland künftig als Radwege genutzt werden. Zudem werden im Dammbereich mögliche Aufenthaltsplätze geschaffen.
Zur langfristigen Sicherstellung des Hochwasserschutzes bzw. zur Gewährleistung des erforderlichen Gerinnequerschnittes ist eine differenzierte Geschiebebewirtschaftung erforderlich. Derzeit wird das anfallende Geschiebe am Beginn der Vorstreckung aus dem Rhein entnommen. Zukünftig ist eine Verteilung auf drei Geschiebeentnahmestellen vorgesehen: oberhalb der Illmündung, im Bereich Diepoldsau und bei der heutigen Geschiebeentnahme am Beginn der Vorstreckung. Zudem wird ein Mindestabflussquerschnitt definiert, welcher künftig von Gehölz freigehalten wird.
Durch die Gerinneverbreiterung und den Aushub für die Ufersicherungen fallen in der Bauphase vor allem Schluff und Sand, abschnittsweise auch Kies an. Dieses Material wird in erster Priorität für die Umsetzung des Gemeinsamen Werks wiederverwendet. Geeignetes Material für Bodenverbesserungen kann bei Bedarf für Bodenverbesserungsprojekte auf Zwischenlagern zur Verfügung gestellt werden. Ein Teil wird mit dem Rhein in den Bodensee abgeschwemmt.
Berührte Infrastrukturbauwerke:
Durch das Gemeinsame Werk werden Infrastrukturbauwerke Dritter, wie etwa Brücken, Grundwasserfassungen (Brunnen) und Strom- und Gasleitungen berührt, die teilweise abgebrochen, versetzt oder an die Anforderungen des Hochwasserschutzes angepasst werden müssen. Die Maßnahmen werden von den Eigentümern bzw. in deren Auftrag durchgeführt.
Auf der Strecke des Gemeinsamen Werks queren mehrere Brücken den Rhein. An neun Brücken müssen die Fundamente zur Gewährleistung der Standsicherheit angepasst werden. Durch die Veränderung der Sohlenlage und den höheren Bemessungsabfluss müssen zwei davon zusätzlich angehoben werden.
Mehrere Grundwasserfassungen befinden sich derzeit innerhalb der Hochwasserschutzdämme; einige von ihnen müssen durch die Betreiber verlegt oder neu gebaut werden. Es wird sichergestellt, dass die Trinkwasserversorgung auch während der Bauzeit gewährleistet ist.
Ökologie:
Aufgrund der starken Regulierung weist der Rhein auf der betroffenen Strecke nach den Angaben im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan 2021 derzeit lediglich ein ökologisch mäßiges oder schlechteres Potential auf.
Sowohl die österreichische als auch die schweizerische Gesetzgebung sieht bei wasserbaulichen Eingriffen in Gewässer spezifische Umweltziele vor:
In Österreich ist für den Rhein als erheblich veränderten Wasserkörper das „gute ökologische Potenzial“ gemäß § 30a Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. 215/1959 idgF, zu erreichen. In der Schweiz müssen die in Art. 37 Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer der Schweiz vom 24.01.1991 (SR 814.20; Gewässerschutzgesetz, GSchG) und Art. 4 Bundesgesetz über den Wasserbau (SR 721.100) definierten Ziele erreicht werden. Dies sind die bestmögliche Wiederherstellung des natürlichen Verlaufs, die naturnahe Gestaltung, die Schaffung von Lebensraum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt sowie das Gedeihen einer standortgerechten Ufervegetation.
Zur Erreichung der genannten Ziele ist mit dem Gemeinsamen Werk auch eine wesentliche Deregulierung des Rheins geplant. Dies wird erreicht, indem der Rhein in drei Abschnitten („Meiningen-Koblach“, „Kriesern-Mäder“ und „Viscose/Widnau“) derart aufgeweitet wird, dass Kernlebensräume mit großen, dynamischen Gewässerbreiten bis 380 m entstehen. Zudem wird auch in den Strecken zwischen den Kernlebensräumen eine wesentlich größere Fließgewässerdynamik zugelassen.
In den Kernlebensräumen werden sich Bereiche mit Auwald ausbilden und in der aquatischen Zone können sich natürliche Strukturen wie z. B. Flussinseln, Nebengewässer und Stillwasserzonen entwickeln. Die Kernlebensräume fungieren als Besiedlungsquellen für ober- und unterhalb liegende Flussabschnitte. Sie helfen mit ihrer Strahlwirkung, die Vernetzung zwischen Rhein und Bodensee zu gewährleisten.
Auch auf den Strecken zwischen den Kernlebensräumen wird der Lebensraum im Fließgewässer so weit wie möglich aufgewertet und die Flusssohle verbreitert. Aufgrund der räumlichen Einschränkungen werden hier zusätzlich Maßnahmen in Form von Buhnen und Holzstrukturen eingesetzt. Sie fördern die Strukturvielfalt in den Zwischenstrecken und stärken deren Vernetzungsfunktion.
Auf diese Weise werden die ökologischen Funktionen des Rheins bestmöglich wiederhergestellt und die Verbindung mit dem Bodensee sichergestellt.
Die genaue Beschreibung des Gemeinsamen Werks findet sich in dem als technische Grundlage für den Staatsvertrag erarbeiteten „Technischen Bericht zum Gemeinsamen Werk“ (vgl. im Besonderen Teil zu Art. 2).
Organisation der Internationalen Rheinregulierung (IRR):
Nach den bestehenden Staatsverträgen obliegt der IRR derzeit nur noch die Instandhaltung der bestehenden Rheinregulierungswerke sowie die Fertigstellung und Instandhaltung der Vorstreckung. Die in den alten Staatsverträgen geschaffene Organstruktur ist, wie oben bereits dargestellt, vergleichsweise einfach und wenig differenziert.
Daher wird mit dem gegenständlichen Staatsvertrag eine gemeinsame Organisation mit dem gleichen Namen (Internationale Rheinregulierung), aber mit neuer Organisationsstruktur errichtet und ausdrücklich klargestellt, dass dieser Organisation Rechtspersönlichkeit zukommt. Die neue Organisation orientiert sich am bewährten Aufbau privatrechtlicher Gesellschaften. Die Kompetenzen der einzelnen Organe werden klar geregelt und es werden ausreichende Kontrollmechanismen geschaffen, die eine effektive, sparsame und zweckmäßige Umsetzung des Gemeinsamen Werks sicherstellen.
In diesem Sinn soll die IRR künftig über drei Organe verfügen, nämlich den Bilateralen Ausschuss als zentrales Leitungsorgan, die Geschäftsführung als operatives Ausführungsorgan und den Aufsichtsrat als Kontrollorgan.
Weitere Vorgehensweise und Zeitplan:
Die IRR wird die Genehmigung des Projektes nach den nationalen Bestimmungen beantragen.
In der Republik Österreich erfolgt ein vollkonzentriertes Genehmigungsverfahren nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl. Nr. 697/1993 idgF. In der Schweizerischen Eidgenossenschaft richtet sich das Genehmigungsverfahren für das Hochwasserschutzprojekt nach dem Wasserbaugesetz des Kantons St.Gallen, sGS 734.1 idgF. Aktuell wird im Kanton St.Gallen ein Gesetz erarbeitet, welches ein konzentriertes kantonales Verfahren für die Genehmigung des Gemeinsamen Werks vorsieht. Dieses Gesetz soll ab Jänner 2025 anwendbar sein.
In zeitlicher Hinsicht wird davon ausgegangen, dass der Baubeginn – nach Abschluss der Genehmigungsverfahren – frühestens am 1. Juli 2027 erfolgen kann. Der Bauabschluss nach 20-jähriger Bauzeit wäre demnach im Jahr 2047, wobei das Gemeinsame Werk auch noch die Überwachung der Bauwerke für etwa fünf Jahre nach Abschluss der Bauarbeiten, also voraussichtlich bis zum Jahr 2052, umfasst.
Nach Fertigstellung werden die Bauwerke auch weiterhin von den Vertragsstaaten gemeinsam erhalten, es sei denn die Vertragsstaaten beschließen einvernehmlich, dass fertiggestellte Teile des Gemeinsamen Werks an jenen Vertragsstaat übergeben werden, auf dessen Gebiet sie sich befinden. Ab diesem Zeitpunkt hätte der jeweilige Vertragsstaat alleine für die Erhaltung zu sorgen.
Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 9. Juli 2024 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA.
An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Stefan Schennach, Michael Bernard, Dr. Andrea Eder-Gitschthaler und Andreas Arthur Spanring.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen,
1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,
2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA gewählt.
Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag,
1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,
2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Wien, 2024 07 09
Elisabeth Wolff, BA Ferdinand Tiefnig
Berichterstatterin Vorsitzender