11566 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Justizausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz erlassen wird und die Zivilprozessordnung, das Konsumentenschutzgesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – VRUN)
Hauptgesichtspunkte der Richtlinie 2020/1828 und des Beschlusses zur Umsetzung
1. Die Richtlinie (EU) 2020/1828 vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (im Folgenden kurz „Richtlinie 2020/1828“ oder „Verbandsklagen-Richtlinie“) wurde am 4.12.2020 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 409/1) veröffentlicht. Sie möchte sicherstellen, dass in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten wirksame prozessuale Mittel zur Verfügung stehen, um unerlaubte Praktiken, welche die Interessen einer großen Zahl von Verbrauchern bedrohen oder schädigen, zu beenden und für Verbraucher überdies in derartigen Konstellationen die Möglichkeit für Abhilfe in jeglicher Form schaffen. Sie weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass das Fehlen wirksamer Mittel zur Durchsetzung des dem Verbraucherschutz dienenden Unionsrechts auch zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen nicht gesetzestreuen und gesetzestreuen Unternehmern führen könne, die ihre Geschäftstätigkeit innerstaatlich oder grenzüberschreitend ausüben. Diese Verzerrungen können das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen.
Bereits mit der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen wurden Qualifizierte Einrichtungen in die Lage versetzt, Verbandsklagen zu erheben, die in erster Linie darauf abzielen, Verstöße gegen das Unionsrecht, welche die Kollektivinteressen der Verbraucher verletzen, zu unterbinden und zu verbieten. Allerdings konstatiert der Unionsgesetzgeber nunmehr, dass dabei die Probleme bei der Durchsetzung des Verbraucherrechts nicht in ausreichendem Maß angegangen worden seien. Um in einem zunehmend globalisierten und digitalisierten Markt besser vor unerlaubten Praktiken abzuschrecken und den Schaden für die Verbraucher zu verringern, müssen die Verbandsklageverfahren zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher dahingehend gestärkt werden, dass sie sowohl Unterlassungsentscheidungen als auch Abhilfeentscheidungen umfassen. Angesichts der zahlreichen erforderlichen Änderungen sei es angebracht, die Richtlinie 2009/22/EG aufzuheben und durch die vorliegende Verbandsklagen-Richtlinie zu ersetzen.
2. Vor diesem Hintergrund verfolgt die Richtlinie 2020/1828 die Zielsetzung, die Verbandsklageverfahren auf Unterlassungsentscheidungen und auf Abhilfeentscheidungen unionsweit in ihren Grundsätzen zu harmonisieren; dies war insbesondere aufgrund des Umstands bedeutsam, dass einige Mitgliedstaaten über keine Verbandsklageverfahren auf Abhilfeentscheidungen verfügten. Die Verbandsklagen-Richtlinie hält dazu fest, dass durch diese Situation das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmern in den Binnenmarkt und ihre Fähigkeit, auf diesem Markt tätig zu sein, verringert werde. Dies verzerre den Wettbewerb und beeinträchtige die wirksame Durchsetzung des Unionsrechts auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes.
Ausgehend von der Richtlinie 2009/22/EG soll die vorliegende Verbandsklagen-Richtlinie sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Verstöße abdecken, insbesondere, wenn die von einem Verstoß betroffenen Verbraucher in einem anderen Mitgliedstaat leben als dem Mitgliedstaat, in dem der zuwiderhandelnde Unternehmer niedergelassen ist (vergleiche ErwGr 20 der Richtlinie 2020/1828).
3. Mit dem vorgeschlagenen Beschluss sollen die beschriebenen Zielsetzungen und Vorgaben der Richtlinie 2020/1828 im nationalen Recht verwirklicht werden. Zu diesem Zweck sieht der Beschluss die Berechtigung für Qualifizierte Einrichtungen vor, im kollektiven Interesse von Verbrauchern Klagen auf Unterlassung (Beendigung und Verbot) und auf Abhilfe (Gestaltung sowie Leistung) gegen Unternehmer zu erheben.
4. Soweit der Beschluss Begriffe verwendet, die auch im normativen Text der Richtlinie 2020/1828 vorkommen, ist eine richtlinienorientierte Anwendung und Auslegung geboten; hierbei ist insbesondere auf die Begriffsbestimmungen in Art. 3 der Richtlinie 2020/1828 Bedacht zu nehmen.
Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 9. Juli 2024 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Klara Neurauter.
An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates Stefan Schennach.
Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, F, G, dagegen: S).
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Klara Neurauter gewählt.
Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2024 07 09
Klara Neurauter MMag. Elisabeth Kittl, BA
Berichterstatterin Vorsitzende