11567 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Außerstreit­gesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2024 – GB-Nov 2024)

Hauptgesichtspunkt des Beschlusses

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit seiner Entscheidung vom 6. April 2021, EGMR 5434/17, Liebscher/Österreich, ausgesprochen, dass Österreich im Anlassfall das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt hat, weil die mit dem Fall befassten Gerichte für die Frage der Veröffentlichung des Scheidungsvergleichs in der Urkundensammlung des Grundbuchs keine Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers einerseits und den Zwecken der Öffentlichkeit des Grundbuchs, also dem Interesse des Staates und des Rechtsverkehrs an der Richtigkeit, Genauigkeit und (auch nachträglichen) Überprüfbarkeit von Grund­buchseintragungen andererseits vorgenommen haben. Eine solche Interessenabwägung konnten die Gerichte nach geltendem Recht bisher auch nicht vornehmen, weil das Grundbuchsrecht derzeit weder eine solche Interessenabwägung noch eine Entscheidung über eine Beschränkung des Anspruchs auf Einsicht in die Urkundensammlung vorsieht. Der Oberste Gerichtshof hat aber in seinem Beschluss vom 30.3.2022, 8 Ob 3/22g, aufgrund eines Lückenschlusses ausgesprochen, dass ­ trotz fehlender gesetzlicher Grundlage ­ das Grundbuchsgericht sich nach Einsicht in den gesamten Scheidungsfolgenvergleich mit der Veröffentlichung einer Teilausfertigung in der Urkundensammlung begnügen kann, um dem Grundrecht des Antragstellers oder der Antragstellerin auf Schutz persönlicher Daten im Sinn des Art. 8 EMRK Rechnung zu tragen. Darüber hinaus haben Vertragsverfasser und Vertragsverfasserinnen damit begonnen, Geheimhaltungsinteressen möglichst schon an der Quelle, nämlich bei der Formulierung der Eintragungsgrundlagen zu berücksichtigen.

Dennoch hat Österreich nun die Entscheidung des EGMR auch durch eine explizite gesetzliche Regelung in seine nationale Rechtsordnung umzusetzen. Diese Umsetzungspflicht geht über den konkreten Einzelfall hinaus und umfasst auch generelle Maßnahmen des Staates, um künftige gleichartige Konventionsverletzungen hintanzuhalten.

In den §§ 6b und 6c des Grundbuchsumstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 550/1980, in der Fassung des Beschlusses, sollen daher Bestimmungen einerseits über die Beschränkung der Einsicht in Urkunden in der Urkundensammlung eingeführt werden, die bestimmte Daten des Privat- oder Familienlebens enthalten, und andererseits Beschränkungen der Aufnahme von bestimmten Urkunden in die Urkunden­sammlung vorgesehen werden.

Der allgemein anwendbare antragsgebundene verfahrensrechtliche Lösungsansatz in § 6b greift einerseits Vorschläge auf, die in der wissenschaftlichen Diskussion de lege ferenda vorgebracht (s. Rassi, EF Kurz gesagt, EF-Z 2021, 161) und in verfassungskonformer Interpretation für das geltende Recht bereits vertreten wurden (s. Rechberger, Grundbuch und verfassungskonforme Interpretation, NZ 2021, 692). Er entspricht im Kern auch dem, was der OGH zu 8 Ob 3/22g judiziert hat. Der Beschluss berücksichtigt darüber hinaus, dass die Antragsteller oder die Antragstellerinnen im Grundbuchsverfahren nicht notwendigerweise mit den in ihren Geheimhaltungsinteressen betroffenen Personen ident sind. Anderer­seits soll in ganz bestimmten Fällen, in denen vermehrt mit solchen Anträgen zu rechnen wäre, von vorn­herein eine amtswegige Erstellung von gesonderten Ausfertigungen und eine antragsunabhängige Beschränkung der Aufnahme von gewissen öffentlichen Urkunden in die Urkundensammlung vorgesehen werden (§ 6c Abs. 2).

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 9. Juli 2024 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Klara Neurauter.

An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates Stefan Schennach.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Klara Neurauter gewählt.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2024 07 09

                               Klara Neurauter                                                     MMag. Elisabeth Kittl, BA

                                  Berichterstatterin                                                                       Vorsitzende