11568 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Justizausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024 – BRÄG 2024)
Die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 13. Juni 2024 im Nationalrat eingebracht und – auszugsweise – wie folgt begründet:
„Allgemeiner Teil
Hauptgesichtspunkte des Vorschlags:
Mit dem vorliegenden Vorschlag für ein Berufsrechts-Änderungsgesetz 2024 sollen verschiedene Probleme in den Berufsrechten der Notare/Notarinnen und Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen gelöst werden.
1. Änderungen der Notariatsordnung:
1.1. Die Österreichische Notariatskammer hat aus Anlass des Jubiläums „150 Jahre Notariatsordnung“ eine Evaluierung des notariellen Berufsrechts mit dem Ziel einer „Verbesserung der Zukunftsfähigkeit des Berufsstandes“ vorgenommen. Die mit dem Notariat eingehend erörterten Ergebnisse dieser Evaluierung bilden den Ausgangspunkt für die vorgeschlagenen Änderungen der Notariatsordnung.
Nach diesen soll etwa künftig schon im Stadium der Eintragung von Berufsanwärterinnen und Berufsanwärtern in das Verzeichnis der Notariatskandidaten zusätzliches Augenmerk auf deren persönliche Eignung und sozialen Fähigkeiten gelegt werden. Ferner sollen die persönliche Weiterentwicklung und der Erwerb von weiteren Qualifikationen in Hinkunft auch bei der Gesamtbetrachtung/-bewertung der Ernennungskriterien zur Notarin bzw. zum Notar eine noch stärkere Rolle spielen, die bloße „Zeitkomponente“ der Dauer der praktischen Verwendung soll (nach entsprechend langjähriger Erfahrung in der notariellen Tätigkeit) weniger Gewicht erhalten. Dem Aspekt der Zukunftsfähigkeit des österreichischen Notariats sollen zusätzliche Möglichkeiten für Zusammenschlüsse von Notaren/Notarinnen und Notariatskandidaten/Notariatskandidatinnen in Notar-Partnerschaften sowie im Bereich der Dauersubstituten Rechnung tragen; dadurch kann der zunehmenden Komplexität und Internationalisierung der Rechtsmaterien künftig zielgerichtet durch eine stärkere Nutzung von Synergieeffekten und die Bündelung fachlicher Kompetenzen begegnet werden.
Verschiedene weitere der vorgeschlagenen Änderungen der Notariatsordnung greifen Anregungen aus der notariellen Praxis auf. Ein Beispiel dafür ist die vorgeschlagene Eröffnung der Möglichkeit der Beiziehung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten als weitere Begleitmaßnahme zur in den letzten Jahren verstärkt ermöglichten „Digitalisierung der notariellen Tätigkeiten“.
Mit dem Vorschlag erfolgt gleichzeitig eine sprachliche Aktualisierung veralteter, heute als diskriminierend erlebter Begrifflichkeiten in der Notariatsordnung.
1.2. Mit dem BRÄG 2020, BGBl. I Nr. 19/2020, wurde der Österreichischen Notariatskammer in § 140a Abs. 2 Z 8 NO eine Richtlinienkompetenz zu den bei der Aufsicht im Bereich der Verhinderung von Geldwäscherei (§ 165 StGB) und Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) entsprechend § 154 NO zu beachtenden Grundsätzen und einzuhaltenden Vorgehensweisen eingeräumt. Dahinter stand und steht die Überlegung, dass gerade die Aufsicht in diesem wichtigen Bereich ein hohes Maß an Übersicht über die sich insofern auf europäischer, internationaler und nationaler Ebene ergebenden Entwicklungen und identifizierten Risiken erfordert, um darauf angemessen reagieren und die gebotenen Aufsichtsmaßnahmen zweckmäßig daran ausrichten zu können. Da die Österreichische Notariatskammer dem Bereich der Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung seit jeher großes Augenmerk widmet – als Beispiele seien hier die Einbindung der Österreichischen Notariatskammer in die Arbeiten zur Erstellung einer Nationalen Risikoanalyse (§ 3 FM-GwG) oder die von der Österreichischen Notariatskammer für die Standesangehörigen erstellten (und laufend aktualisierten) Empfehlungen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genannt – und folglich über ein hohes Maß an Kompetenz in diesen Belangen verfügt, war die Normierung einer dahingehenden Richtlinienkompetenz ein sinnvoller und zweckmäßiger Schritt, um die im Rahmen der Aufsicht zu beachtenden Grundsätze und einzuhaltenden Vorgehensweisen näher zu determinieren und so ein entsprechend akkordiertes Aufsichtsregime in diesem Bereich sicherzustellen.
Dies setzt freilich gleichzeitig voraus, dass die Österreichische Notariatskammer über entsprechend aussagekräftige und möglichst aktuelle Informationen verfügt, die eine solche zielgerichtete, an den spezifischen Risikofaktoren der notariellen Tätigkeit orientierte Ausrichtung des Aufsichtsregimes in diesem Bereich ermöglichen. Angesichts der von den Notarinnen und Notaren bei ihrer Tätigkeit zu führenden Register bietet sich an, die in den Registern von diesen notwendigerweise zu machenden Angaben um eine Kategorie zu erweitern, die eine Einordnung der bzw. Rückschlüsse auf die Risikogeneigtheit der einzelnen Geschäftsfälle ermöglicht. Die Festlegung entsprechender berufsspezifischer Faktoren für ein potenziell geringeres oder höheres Risiko von Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung oder – nunmehr neu – der Nichtumsetzung und Umgehung gezielter finanzieller Sanktionen im Zusammenhang mit Proliferationsfinanzierung, zu denen in den Registern dann (gegebenenfalls) entsprechende Angaben zu machen sind, hat in den von der Österreichischen Notariatskammer zu erlassenden Richtlinien zu erfolgen (§ 109a Abs. 6 und § 140a Abs. 2 Z 8 NO). Bei diesen Festlegungen sind zum einen die Anlagen II und III zum FM-GwG (die ihrerseits eine – nicht erschöpfende – Aufzählung von Faktoren und möglichen Anzeichen für ein potenziell geringes bzw. erhöhtes Risiko von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung enthalten) zu berücksichtigen, zum anderen sind auch Angaben im Kontext der von den Notarinnen und Notaren nach § 36a Abs. 3 und dem neu vorgeschlagenen § 36a Abs. 5 NO individuell vorgenommenen Risikobewertungen vorzusehen.
In den Registern, die jeweils um entsprechende Rubriken bzw. Eintragungsmöglichkeiten zu erweitern sind, sind von den Notarinnen und Notaren dann entsprechende Angaben zu diesen durch die Richtlinien näher determinierten Risikofaktoren und -aspekten zu machen. Diese Eintragungen sollen nach der von der Österreichischen Notariatskammer vorgeschlagenen Konzeption in der Folge Eingang in den sogenannten statistischen Ausweis finden, den die Notarinnen und Notare über die von ihnen im Lauf eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen und über ihre Amtshandlungen als Gerichtskommissäre gegenüber der Notariatskammer zu erstatten haben. Auch insofern sind die dazu auf der Grundlage des § 140a Abs. 2 Z 8 NO erlassenen Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer – diesfalls der „Richtlinie der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch die Notare“ – entsprechend anzupassen, um diese zusätzlichen Informationen in geordneter Form auch der für die Aufsicht über die Notarinnen und Notare primär zuständigen Notariatskammer und dann in weiterer Folge auch der Österreichischen Notariatskammer (die ihrerseits nach § 140a Abs. 2 Z 9 NO der Bundesministerin für Justiz eine nach Kammersprengeln geordnete Gesamtübersicht der statistischen Ausweise zu übermitteln hat) zukommen zu lassen.
1.3. Schließlich bedingt eine jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Anpassungen (auch) in der Notariatsordnung: Die mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 5. Oktober 2022 zu G 173/2022-14 erfolgte Aufhebung einer Wortfolge in § 20 lit. a RAO erfordert angesichts der insofern im Ergebnis gleichen Rechtslage auch eine entsprechende Änderung im notariellen Berufsrecht.
2. Änderungen im Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter:
Über Vorschlag des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags sollen im rechtsanwaltlichen Disziplinarrecht die Instrumente der disziplinarrechtlichen Strafverfügung und der gekürzten Erkenntnisausfertigung neu eingeführt werden. Die Regelungen orientieren sich dabei an den bewährten Bestimmungen der StPO zum Mandatsverfahren (§ 491 StPO) und zur gekürzten Urteilsausfertigung (§ 270 Abs. 4 StPO) unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des disziplinarrechtlichen Verfahrens. Diese Maßnahmen sollen zu einer merklichen Entlastung der Disziplinarräte der Rechtsanwaltskammern und ihrer Mitglieder führen, dies unter Beibehaltung sämtlicher rechtsstaatlicher Garantien und unter Beachtung der Verfahrensrechte der Disziplinarbeschuldigten.
3. Änderungen der Rechtsanwaltsordnung:
Einige punktuelle Änderungen sieht der Vorschlag schließlich auch im Bereich der Rechtsanwaltsordnung vor. Hervorzuheben sind daraus zum einen eine – der Entscheidung des EuGH vom 15. September 2022, Rs C-58/21, Rechnung tragende – Anpassung bei den Anspruchsvoraussetzungen für die rechtsanwaltliche Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung (wo künftig nur mehr auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft im Inland zu verzichten ist) und zum anderen eine Verdoppelung des Zeitraums (von zwölf auf 24 Monate), innerhalb dessen nach der Geburt eines Kindes, der Annahme eines minderjährigen Kindes an Kindes Statt oder der Übernahme eines minderjährigen Kindes in unentgeltliche Pflege die Entrichtung ermäßigter Beiträge zur Versorgungseinrichtung möglich sein soll.
4. Weitere Anpassungen des rechtsanwaltlichen und notariellen Berufsrechts an Vorgaben der Financial Action Task Force (FATF):
Die von der Financial Action Task Force (als wichtigstem internationalen Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäscherei, Terrorismusfinanzierung und Proliferationsfinanzierung) veröffentlichten Standards („International Standards on Combating Money Laundering and the Financing of Terrorism & Proliferation – The FATF Recommendations“) enthalten in Empfehlung 1 (unter anderem) die Vorgabe, dass sowohl die Mitgliedstaaten wie auch die einzelnen Verpflichteten (zu denen auch die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie die Notarinnen und Notare zählen) das Risiko der Nichtumsetzung und Umgehung gezielter finanzieller Sanktionen im Zusammenhang mit Proliferationsfinanzierung sowohl bewerten als auch mindern müssen. Zu diesem Zweck sind von den Verpflichteten entsprechende Strategien, Verfahren und interne Kontrollen zu implementieren. Der Umsetzung und Klarstellung dieser Anforderungen dienen die zu diesem Themenkreis in der Notariatsordnung, der Rechtsanwaltsordnung und dem Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vorgeschlagenen Regelungen, wobei auf das Ziel der Verhinderung von Proliferationsfinanzierung auch im Bereich der Aufsicht durch die Rechtsanwalts- bzw. Notariatskammern erhöhte Aufmerksamkeit zu richten ist.
5. Änderung des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes:
Die Änderung im Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens.
Beurteilung der Notwendigkeit der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz:
Bei den vorgeschlagenen Änderungen der Rechtsanwaltsordnung und des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter handelt es sich allesamt um Regelungen, die die Aufnahme des Berufs/den Zugang zum Beruf der Rechtsanwältin bzw. des Rechtsanwalts oder dessen Ausübung nicht beschränken. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 67/2021, kann daher unterbleiben.
Da der Beruf des Notars nach § 2 Abs. 4 der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom 30.9.2005 S. 22, in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU, ABl. Nr. L 345 vom 28.12.2013 S. 132, nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt und insofern auch das Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz nach dessen § 2 Abs. 1 nicht auf diesen Beruf anwendbar ist, besteht bereits aus diesem Grund keine Notwendigkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich der in der Notariatsordnung vorgeschlagenen Änderungen.“
Ein im Zuge der Debatte im Plenum des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:
„Bei nicht oder nur schwer vorlesbaren Beilagen zu Notariatsakten (beispielsweise Pläne, Zeichnungen, grafische Darstellungen, Registerabfragen, Bilanzen oder Verzeichnisse) soll es künftig ausreichen, dass diese – anstatt sie vorzulesen – den Parteien im Einzelnen zur Durchsicht vorgelegt werden (wobei dies im Notariatsakt entsprechend anzuführen ist). Dies setzt freilich voraus, dass für diese Beilagen überhaupt eine Verlesungspflicht besteht; eine solche gilt gemäß § 48 NO (nur) für „Beilagen, deren Inhalt von den Parteien zum Bestandteil ihrer Erklärungen in der Notariatsurkunde gemacht“ wurden. Dies wird mit dem ergänzenden Einschub „sofern deren Vorlesung erforderlich wäre“ klargestellt.“
Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 9. Juli 2024 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Klara Neurauter.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Klara Neurauter gewählt.
Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2024 07 09
Klara Neurauter MMag. Elisabeth Kittl, BA
Berichterstatterin Vorsitzende