11572 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Justizausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird
Die Abgeordneten Lukas Hammer, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 13. Juni 2024 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Zu Ziffer 1 (§ 30 Abs 1 Z 4):
Statt des Singulars ist der Plural zu verwenden.“
Ein im Zuge der Debatte im Plenum des Nationalrates eingebrachter und beschlossener gesamtändernder Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:
„Viele Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen wollen ihren Balkon oder ihre Terrasse für die Anbringung von Photovoltaikanlagen nützen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und ihre Stromrechnung zu entlasten.
Wenn dadurch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentümerinnen möglich ist, ist das aber nur mit Zustimmung aller anderen zulässig; diese Zustimmung kann unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich ersetzt werden.
Mit diesem Entwurf sollen Erleichterungen bei der Erlangung der Zustimmung geschaffen werden, indem in bestimmten Fällen eine Zustimmung schon dann als erteilt gilt, wenn die anderen Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen ordnungsgemäß verständigt werden und niemand der geplanten Maßnahme widerspricht (§ 16 Abs. 5).
Überdies sollen die Voraussetzungen für die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung gelockert werden (§ 16 Abs. 2 Z 2).
Zu Z 1 (§ 16 Abs. 2)
Wenn bei einer beabsichtigten Änderung nach § 16 auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden sollen, dann muss die Änderung nach § 16 Abs. 2 Z 2 entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers bzw. der Wohnungseigentümerin dienen, damit eine nicht erteilte Zustimmung gerichtlich ersetzt werden kann. Bei bestimmten, im zweiten Satz von § 16 Abs. 2 Z 2 angeführten „privilegierten“ Änderungen gelten diese Voraussetzungen jedenfalls als erfüllt.
Im Fall der Anbringung von Photovoltaikanlagen werden allgemeine Teile in Anspruch genommen, regelmäßig auch bei der Anbringung von „Balkonkraftwerken“, soweit diese am Balkongeländer montiert werden sollen.
Wenn die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen für die Anbringung einer Photovoltaikanlage nicht erlangt werden kann, ist eine der Voraussetzungen für eine gerichtliche Ersetzung dieser Zustimmung demnach, dass die geplante Änderung entweder der Übung des Verkehrs entspricht oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers bzw. der Wohnungseigentümerin dient. Es ist aber nicht geklärt, in welchen Fällen im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen werden kann.
Diese Unklarheit soll in einem Teilbereich dadurch beseitigt werden, dass das Anbringen bestimmter Photovoltaikanlagen in § 16 Abs. 2 Z 2 als privilegierte Änderung verankert wird. Diese Privilegierung soll für Photovoltaikanlagen gelten, die ein Wohnungseigentümer bzw. eine Wohnungseigentümerin im Rahmen einer Änderung nach § 16 am Balkon oder an der Terrasse seines bzw. ihres Wohnungseigentumsobjekts anbringen möchte und deren Zweck die Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts ist. Hinsichtlich des Anbringungsorts ist die Privilegierung also auf Bereiche eingeschränkt, die ausschließlich von dem änderungswilligen Wohnungseigentümer bzw. der änderungswilligen Wohnungseigentümerin genutzt werden können. Überdies setzt die Privilegierung voraus, dass die Photovoltaikanlage nicht größer dimensioniert ist, als es die Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts erfordert. Unter diesem Aspekt unverhältnismäßig große Anlagen sollen von der Privilegierung ebenso wenig erfasst sein wie Anlagen, die etwa an Allgemeinflächen am Dach angebracht werden sollen.
Die Privilegierung besteht im Übrigen nur, „sofern der Anschluss an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar ist“. Diese bereits jetzt in § 16 Abs. 2 Z 2 für bestimmte Maßnahmen bestehende Einschränkung kann die Errichtung einer Photovoltaikanlage etwa dann von einer Privilegierung ausnehmen, wenn bereits eine Gemeinschaftsanlage besteht.
Wenn diese Anforderungen vorliegen, soll bei Photovoltaikanlagen die Erfüllung der Voraussetzungen „der Übung des Verkehrs entsprechend“ bzw. „dem Interesse des Wohnungseigentümers dienend“ nicht im Einzelfall geprüft werden müssen.
Die gerichtliche Ersetzung einer nicht erteilten Zustimmung setzt – wie bei allen privilegierten Änderungen – auch bei Photovoltaikanlagen zudem nach § 16 Abs. 2 Z 1 voraus, dass die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer bzw. Wohnungseigentümerinnen zur Folge hat. Durch diese Anforderungen ist gewährleistet, dass trotz der Privilegierung auch die Interessen der anderen gewahrt bleiben. Diese Anforderungen können einer gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung beispielweise im Zusammenhang mit der Blendwirkung der Photovoltaikpaneele oder im Zusammenhang mit der Belastung der Leitungskapazitäten entgegenstehen. Auch auf die in § 16 Abs. 2 Z 1 explizit genannte Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses wird bei Photovoltaikanlagen Bedacht zu nehmen sein.
Zu Z 2 (§ 16 Abs. 5)
Für bestimmte Fälle gilt die Zustimmung eines Wohnungseigentümers bzw. einer Wohnungseigentümerin zu nach § 16 geplanten Änderungen schon dann als erteilt, wenn er bzw. sie von der geplanten Änderung durch Übersendung auf die in § 24 Abs. 5 bestimmte Weise verständigt worden ist und der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widerspricht. In der Verständigung muss die geplante Änderung klar und verständlich beschrieben und müssen die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruchs genannt werden.
Derzeit ist eine solche „Zustimmungsfiktion“ für Photovoltaikanlagen (und Solarthermieanlagen) nur vorgesehen, wenn sie an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt angebracht werden sollen.
Von einer vergleichbaren Situation kann dann ausgegangen werden, wenn eine Photovoltaikanlage an einem Balkon oder an einer Terrasse angebracht werden soll, weil auch in diesen Fällen die für die Anbringung verwendete Fläche für die Nutzung durch andere Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentümerinnen nicht in Betracht käme.
Deshalb soll die Möglichkeit der Zustimmungsfiktion auf die Anbringung einer Photovoltaikanlage am Balkon oder an der Terrasse ausgedehnt werden. Freilich sind davon nur Balkone oder Terrassen erfasst, für die dem änderungswilligen Wohnungseigentümer bzw. der änderungswilligen Wohnungseigentümerin ein ausschließliches Nutzungsrecht zukommt. Darüber hinaus soll die Möglichkeit der Zustimmungsfiktion nur für solche Photovoltaikanlagen am Balkon bzw. an der Terrasse vorgesehen werden, die „steckerfertig“ sind und den Anforderungen für „Kleinsterzeugungsanlagen“ entsprechen. Davon sind die häufig als „Balkonkraftwerke“ bezeichneten Photovoltaikanlagen erfasst, die der Definition von „Kleinsterzeugungsanlagen“ im ElWOG 2010 entsprechen und die demnach eine Engpassleistung von weniger als 0,8 kW haben (§ 7 Abs. 1 Z 32a ElWOG 2010). Die im ElWOG 2010 vorgegebene Höchstgrenze von 0,8 kW darf pro Wohnungseigentumsobjekt – auch wenn mehrere solcher Anlagen (beispielsweise an mehreren Balkonen des Wohnungseigentumsobjekts) angebracht werden sollen – nicht überschritten werden, wenn eine Zustimmungsfiktion in Anspruch genommen werden soll. Gleichzeitig muss die Anlage „steckerfertig“ sein, also an eine – bereits vorhandene – Steckdose angesteckt werden können. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Anbringen von „Balkonkraftwerken“ mit diesen Einschränkungen im Regelfall keine Nachteile für die anderen Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen hat, sodass dafür die Möglichkeit der Zustimmungsfiktion geschaffen werden soll.
Für Photovoltaikanlagen, die nicht in einem ausschließlich dem jeweiligen Wohnungseigentümer bzw. der jeweiligen Wohnungseigentümerin zugeordneten Bereich errichtet werden sollen, soll die Möglichkeit einer Zustimmungsfiktion ebenso wenig bestehen wie für Anlagen, die nicht an eine vorhandene Steckdose angesteckt werden oder die die für Kleinsterzeugungsanlagen vorgesehenen Grenzen überschreiten. Grundsätzlich wäre es nämlich wünschenswert, wenn das gemeinschaftliche Dach durch eine Gemeinschaftsanlage genutzt wird, weshalb die Dachfläche nicht für Einzelanlagen einzelner Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentümerinnen „verbraucht“ werden sollte, und für eine solche Nutzung auch die notwendigen Leitungskapazitäten zur Verfügung stehen. Deshalb sollen die Nutzung solcher Flächen durch einzelne Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentümerinnen und das Anbringen größerer Anlagen durch einzelne nicht im Wege einer Zustimmungsfiktion im Besonderen gefördert werden. Soweit größere Anlagen aber am Balkon oder an der Terrasse angebracht werden sollen, wird die neu geschaffene Privilegierung bei der gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung nach § 16 Abs. 2 Z 2 in Anspruch genommen werden können.“
Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 9. Juli 2024 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs.
An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. Manfred Mertel, Michael Bernard, Andreas Arthur Spanring und Stefan Schennach.
Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, S, G, dagegen: F).
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs gewählt.
Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2024 07 09
Mag. Christine Schwarz-Fuchs MMag. Elisabeth Kittl, BA
Berichterstatterin Vorsitzende