11588 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verkehr

über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2024 betreffend ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) betreffend den elektronischen Frachtbrief

Allgemeines:

Das Zusatzprotokoll über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) betreffend den elektronischen Frachtbrief vom 20. Februar 2008 (im Folgenden: Zusatzprotokoll) hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B‑VG nicht erforderlich ist. Da durch das Zusatzprotokoll keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt werden, bedarf es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Das Zusatzprotokoll ist in englischer und französischer Sprache authentisch. Dem Nationalrat werden die authentische englische und französische Sprachfassung sowie die Übersetzung ins Deutsche zur Genehmigung vorgelegt.

Grund des Beitritts:

Das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) betreffend den elektronischen Frachtbrief vom 20. Februar 2008 zielt darauf ab, die CMR (Abkürzung des französischen Titels Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route) um die Möglichkeit der Ausstellung eines elektronischen Frachtbriefs zu ergänzen und regelt, welche Anforderungen zu erfüllen sind, damit ein elektronischer Frachtbrief dieselbe Beweiskraft hat und dieselben Wirkungen entfaltet, wie ein Frachtbrief in Papierform.

Bei der CMR handelt es sich um ein multilaterales völkerrechtliches Übereinkommen zur Vereinheitlichung der zivilrechtlichen Vorschriften im internationalen Straßengütertransport. Das Übereinkommen wurde 1956 in Genf abgeschlossen, von Österreich 1960 ratifiziert und ist 1961 in Kraft getreten (BGBl. Nr. 138/1961).

Nach Art. 4 der CMR wird der Beförderungsvertrag in einem Frachtbrief festgehalten. Zwar berührt das Fehlen oder die Mangelhaftigkeit eines Frachtbriefs weder den Bestand noch die Gültigkeit des Beförderungsvertrags, doch ist ein Frachtbrief Voraussetzung für das Erreichen bestimmter Rechtsfolgen nach der CMR (vgl. zB Art. 12 Abs. 1 iVm Abs. 5 lit. a, Art. 24, Art. 26 CMR). Beim CMR-Frachtbrief handelt es sich grundsätzlich um ein Papierdokument. Dies ergibt sich einerseits aus der Entstehungszeit des Übereinkommens (vgl. Jesser-Huß in MüKoHGB5, CMR Art. 5 Rz. 13) und andererseits aus einzelnen Bestimmungen der CMR. So werden in Art. 5 CMR drei zu unterzeichnende Ausfertigungen genannt, denen verschiedene Funktionen zukommen.

In der Transportpraxis erfolgte eine zunehmende Entwicklung weg von papiergebundenen Transportdokumenten hin zum elektronischen Datenaustausch (vgl. Jesser-Huß in MüKoHGB5, CMR Art. 5 Rz. 15). Dieser Umstand wurde bei der Konzeption bzw. Revision verschiedener transportrechtlicher Übereinkommen berücksichtigt. Um die Jahrtausendwende wurden daher für die Verkehrsträger Eisenbahn, Flugzeug und Binnenschiff in den einschlägigen internationalen Übereinkommen Bestimmungen (Art. 6 § 9 CIM, Art. 4 Abs. 2 MÜ, Art. 1 Nr. 8 CMNI) für den Einsatz elektronischer Frachtbriefe aufgenommen (vgl. Teutsch in Thume (Hrsg.), CMR-Kommentar3, Art. 5 Rz. 17).

Nachdem das Sekretariat der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) 2002 im Rahmen eines Vermerks (Anhang zum Dokument A/CN.9/WG.IV/WP.94, Abs. 86 bis 104) Bestimmungen der CMR identifiziert hatte, die der Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel entgegenstehen, wurde nach Verhandlungen im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) im Jahr 2008 das Zusatzprotokoll betreffend den elektronischen Frachtbrief (die sogenannte „e-CMR“) abgeschlossen. Österreich hat das Zusatzprotokoll weder unterzeichnet noch ratifiziert. Gemäß seinem Art. 7 steht das Zusatzprotokoll Vertragsparteien der CMR, die Mitgliedstaaten der UNECE sind, zum Beitritt offen, wobei der Beitritt durch Hinterlegung einer Urkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen erfolgt.

Die Akzeptanz des Zusatzprotokolls zeigt sich anhand von mittlerweile bereits 34 Vertragsstaaten (zum aktuellen Stand siehe https://treaties.un.org/pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XI-B-11-b&chapter=11&clang=_en). Zu diesen gehören neben der überwiegenden Anzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch die Schweiz, das Vereinigte Königreich sowie eine Reihe von osteuropäischen und zentralasiatischen Staaten. Insgesamt haben bereits mehr als die Hälfte der CMR-Vertragsstaaten auch das Zusatzprotokoll ratifiziert bzw. sind diesem beigetreten.

Auch in Österreich wurde die Bedeutung des Zusatzprotokolls für die Transportwirtschaft von verschiedenen Akteuren bekräftigt und für eine Anpassung des geltenden Rechtsrahmens plädiert. Auf Unionsebene wurde zudem die Verordnung (EU) Nr. 2020/1056 über elektronische Frachtbeförderungsinformationen, ABl. Nr. L 249 vom 31.07.2020 S. 33 (im Folgenden: eFTI-VO), erlassen, die Behörden ab 30 Monate nach Inkrafttreten des ersten delegierten Rechtsakts oder Durchführungsrechtsakts (Art. 5 Abs. 1 eFTI-VO) dazu verpflichtet, über zertifizierte Plattformen übermittelte digitale Frachtdokumente der betroffenen Unternehmen zu akzeptieren.

Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung und der Ziele der genannten Verordnung, Verwaltungsaufwand zu vermindern, Kosten einzusparen und negative Umwelteinflüsse zu verringern (dazu insbesondere ErwGr. 3 eFTI-VO), erscheint auch eine Anpassung der Rahmenbedingungen im Zivilrechtsbereich angezeigt, um nunmehr einen Gleichklang zwischen den Bereichen Unternehmer–Behörde und Unternehmer–Unternehmer herzustellen. Dies soll durch den Beitritt zum Zusatzprotokoll geschehen. Ein Festhalten an der bestehenden Rechtslage würde den durch die eFTI-VO verfolgten Zielen entgegenstehen.

Während der Einsatz elektronischer Frachtdokumente unter der aktuellen Rechtslage nur unter Inkaufnahme von Rechtsunsicherheit erfolgen kann, schaffen die Bestimmungen des Zusatzprotokolls einen Rahmen, der es Unternehmern ermöglicht, mit digitalen Dokumenten auf zivilrechtlicher Ebene dieselbe Beweiskraft und dieselben Wirkungen zu erreichen, wie dies mit papiergebundenen Frachtdokumenten der Fall ist. Dies trägt den Entwicklungen der Praxis Rechnung, bietet Unternehmern einen Anreiz dafür, freiwillig zusätzliche Prozesse zu digitalisieren und ermöglicht dadurch auch eine Einsparung von Papier.

Da diese Ziele durch einen Beitritt Österreichs zum Zusatzprotokoll vergleichsweise einfach erreicht werden können, sollte Österreich nunmehr seinen Beitritt erklären.

Inhalt des Zusatzprotokolls:

Neben dem in seinem Titel angeführten elektronischen Frachtbrief enthält das Zusatzprotokoll auch Bestimmungen über elektronische Mitteilungen und den Frachtbrief ergänzende elektronische Unterlagen und schafft dadurch Regelungen für die elektronische Kommunikation bei Frachtverträgen, die der CMR unterliegen. Die Bestimmungen sind ausführlicher als in den anderen transportrechtlichen Übereinkommen. Trotzdem sind sie bewusst allgemein gehalten, um generell die elektronische Darstellung technologieneutral zu ermöglichen und zu vermeiden, durch zu detaillierte Regelungen hinderlich für weitere Entwicklungen zu sein (Saive, Der „neue“ eCMR-Frachtbrief, RdTW 5/2021, S. 88). Auf Vorschlag von UNCITRAL wurde auch eine Einheitlichkeit mit vergleichbaren Rechtsvorschriften angestrebt, etwa mit dem Modellgesetz für elektronischen Handel oder dem Übereinkommen über die Verwendung elektronischer Mitteilungen in internationalen Verträgen (vgl. Stellungnahme von UNCITRAL zum Entwurf des Zusatzprotokolls, Informelles Dokument 1 zur 99. Sitzung der UNECE-Arbeitsgruppe Straßenverkehr).

Art. 1 definiert die wesentlichen Begriffe des Zusatzprotokolls. Art. 2 Abs. 1 schafft die Rechtsgrundlage dafür, den CMR-Frachtbrief sowie alle Aufforderungen, Angaben, Weisungen, Verlangen, Vorbehalte oder anderen Mitteilungen, die im Rahmen eines Beförderungsvertrags nach der CMR erfolgen, als elektronische Mitteilung auszustellen, sofern die Anforderungen des Zusatzprotokolls eingehalten werden.

Die Art. 3 und 4 beschreiben die Anforderungen des Zusatzprotokolls an den elektronischen Frachtbrief hinsichtlich Authentifizierung und Wahrung der Integrität. Ergänzend ist es nach Art. 5 Aufgabe der an der Ausführung des Beförderungsvertrags interessierten Parteien, sich über Details zur Umsetzung des elektronischen Frachtbriefs und sonstiger elektronischer Mitteilungen zu einigen und diese im elektronischen Frachtbrief zu bezeichnen.

Art. 2 Abs. 2 stellt klar, dass ein elektronischer Frachtbrief, der die in den Art. 3 bis 5 angeführten Anforderungen des Zusatzprotokolls erfüllt, einem CMR-Frachtbrief in Papierform hinsichtlich seiner Beweiskraft (siehe dazu Art. 9 CMR) und Wirkung (siehe dazu ua. Art. 12, 24, 26 CMR) gleichgestellt ist.

Art. 6 normiert ein Recht auf Ausstellung einer Empfangsbestätigung und auf bestimmte Auskünfte des Frachtführers.

Die Art. 7 bis 16 enthalten Schlussbestimmungen und richten sich daher anders als die Art. 1 bis 6 nicht an die Vertragsparteien des Beförderungsvertrags, sondern an die (künftigen) Vertragsparteien des Zusatzprotokolls. Die Bestimmungen entsprechen in weiten Teilen den Art. 42 ff CMR. Nach Art. 7 Abs. 3 iVm Abs. 1 des Zusatzprotokolls steht der Beitritt allen Mitgliedstaaten der UNECE offen, die Vertragsparteien der CMR sind, somit auch der Republik Österreich.

Auswirkungen des Beitritts:

Die CMR ist als ohne Erfüllungsvorbehalt beschlossener Staatsvertrag unmittelbar anwendbar. Sie gilt gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 für alle Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn nach dem Beförderungsvertrag der Ort der Übernahme und der Ablieferung des Gutes in unterschiedlichen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist.

Darüber hinaus hat Österreich die CMR gemäß § 439a UGB auch für Binnentransporte für anwendbar erklärt.

Auch das Zusatzprotokoll wäre im Fall eines Beitritts ohne Erfüllungsvorbehalt zu beschließen und unmittelbar anwendbar. Es tritt gemäß Art. 8 Abs. 2 für den beitretenden Staat neunzig Tage nach der Hinterlegung der Beitrittsurkunde in Kraft und ergänzt die CMR, indem es in Art. 2 Abs. 2 erklärt, dass ein elektronischer Frachtbrief, der dem Zusatzprotokoll entspricht, dem Frachtbrief nach der CMR gleichsteht. Durch den dynamischen Verweis in § 439a UGB, der auch geänderte Fassungen der CMR wie beispielsweise die Ergänzung durch das vorliegende Zusatzprotokoll abdeckt, ergänzt das Zusatzprotokoll auch den Rechtsrahmen für Binnentransporte.

Vom Beitritt unberührt bleiben jene Fälle, die bereits bisher nicht unter die Bestimmungen der CMR bzw. des § 439a UGB zu subsumieren waren. Das betrifft insbesondere den verbleibenden Restanwendungsbereich der §§ 425 ff UGB.

Der Beitritt erfordert keine weitergehenden legislativen Maßnahmen.

Finanzielle Auswirkungen:

Mit der Anwendbarkeit des Zusatzprotokolls entsteht kein Aufwand für die Budgets der zuständigen Ressorts, da die an der Ausführung des Beförderungsvertrags interessierten Parteien nach Art. 5 des Zusatzprotokolls für die Umsetzung des elektronischen Frachtbriefs verantwortlich sind. Der Beitritt Österreichs zum Zusatzprotokoll ist ein Baustein und Anreiz gegenüber den Unternehmen, die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse fortzusetzen und schafft den dafür erforderlichen Rechtsrahmen, begründet aber keine Verpflichtung zur Verwendung von digitalen Frachtdokumenten.

Der Ausschuss für Verkehr hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 9. Juli 2024 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Barbara Prügl.

Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.

An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Barbara Prügl gewählt.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2024 07 09

                                  Barbara Prügl                                                          Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross

                                  Berichterstattung                                                                      Vorsitzender