11612 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Finanzausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024)
Die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 20. November 2024 im Nationalrat eingebracht und auszugsweise wie folgt begründet:
„Hauptgesichtspunkte des Antrags:
Der vorliegende Initiativantrag soll die bisher bestehende Möglichkeit der Sicherstellung „aus Beweisgründen“ in Folge des Erkenntnisses des VfGH vom 14.12.2023, G 352/2021, einem grundlegenden und den Anforderungen des VfGH entsprechenden Rechtsrahmen zuführen und zu einer Stärkung von Beschuldigten- und Opferrechten sowie zu einer Erhöhung der Effizienz und Beschleunigung von Ermittlungsverfahren führen sowie auf Basis von Erfahrungen und Reformvorschlägen aus dem Bereich der Staatsanwaltschaften betreffend den Bereich der Cyberkriminalität und unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung und Literatur beruhende legistische Anpassungen vornehmen.
I. Allgemeiner Teil
I. Änderungen in Folge des Erkenntnisses des VfGH vom 14.12.2023, G 352/2021
Nach dem Erkenntnis des VfGH vom 14.12.2023, G 352/2021, mit dem er die Bestimmungen der § 110 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 StPO sowie § 111 Abs. 2 StPO, wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK mit Ablauf des 31.12.2024 als verfassungswidrig aufgehoben hat, variieren – abhängig von der durch die konkrete gesetzliche Ausgestaltung bewirkten Intensität des Eingriffes – die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die neu zu schaffenden Regelungen. Im Lichte des vom VfGH dargestellten beweglichen Systems und des von ihm insoweit dem Gesetzgeber zugestandenen Gestaltungsspielraums sowie der im Begutachtungsverfahren geäußerten Bedenken werden Neuregelungen vorgeschlagen, die das öffentliche Interesse an der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten mit den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen gegeneinander abwägt und entsprechend in Ausgleich bringt, dabei jedoch die gesetzlichen Leitungs- und Kontrollbefugnisse der Staatsanwaltschaft klarstellt und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung berücksichtigt. Dadurch sollen auch Aspekte, die derzeit nicht gesetzlich geregelt sind, abgebildet werden:
- Einführung einer neuen Ermittlungsmaßnahme für die „Beschlagnahme von Datenträgern und Daten“, die eine vorherige gerichtliche Entscheidung auf Begründung einer Sicherstellung über Datenträger und Daten zum (Ermittlungs-)Zweck der Auswertung (iSd § 115i StPO) verlangt. Dadurch sollen im Sinne des Erkenntnisses des VfGH Fälle der Sicherstellung von Gegenständen generell von jenen von Datenträgern, die potentiell sensible Daten enthalten, sowie von Daten getrennt und diese an eine vorherige richterliche Kontrolle geknüpft werden. Den Praxisbedürfnissen Rechnung tragend soll zudem die vom Erkenntnis des VfGH unberührt gebliebene Möglichkeit der Sicherstellung von Datenträgern zu anderen (materiellen) Zwecken (§ 110 Abs. 1 StPO) weiterhin möglich sein. Ebenso soll die Sicherstellung von Daten, die bloß ein punktuelles Bild über das Verhalten von Betroffenen ermöglichen, wie insbesondere solchen, die mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlich oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden, weiterhin möglich sein; diese sollen – wie bisher – iSd § 91 Abs. 2 dritter Fall StPO ausgewertet werden können. In allen übrigen Fällen ist eine gerichtliche Beschlagnahme von Datenträgern und Daten erforderlich, für die folgende Vorgaben gelten:
- Erhöhung der Begründungspflicht für die Anordnung der Staatsanwaltschaft und die gerichtliche Entscheidung durch Anlehnung an andere bereits bestehende Ermittlungsmaßnahmen (etwa Auskunft von Daten einer Nachrichtenübermittlung nach §§ 135 ff StPO). Die zusätzlich vorgeschlagene Verpflichtung der Einschränkung durch Umschreibung der Datenkategorien und Dateninhalte, die zu beschlagnahmen sind, und in Bezug auf welchen Zeitraum dies zu erfolgen hat, soll bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht erforderlich sein. Die auf Ebene der Einzelfallprüfung stattzufindende Verhältnismäßigkeitsprüfung sowohl durch die Staatsanwaltschaft im ersten Schritt als auch durch den Richter bzw. die Richterin im entscheidenden Schritt soll letztlich zielgerichtet eine klare Abwägung ermöglichen.
- Ausdrückliche gesetzliche Verankerung der Möglichkeit der Beschlagnahme auch von Daten, die in anderen (externen) Speicherorten als einem Datenträger gespeichert sind, soweit auf sie von diesem aus zugegriffen werden kann. Damit sollen sämtliche Fälle umfasst werden, die aufgrund der technischen Entwicklung eine Auslagerung der Speicherkapazitäten vom Datenträger erlauben (z. B. Cloud-Computing, Server) und auf die vom beschlagnahmten Datenträger aus zugegriffen werden kann.
- Einführung einer Nichtigkeitssanktion von Ergebnissen einer Auswertung, wenn die Ermittlungsmaßnahme nicht rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde.
- Die vorgeschlagene Neugestaltung der gesetzlichen Voraussetzungen und Durchführungsbestimmungen verbunden mit einer Gliederung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten in mehrere Phasen soll zu einer erhöhten Transparenz beitragen und eine stärkere rechtliche Determinierung, insbesondere der Beteiligungsmöglichkeiten von Beschuldigten und Opfern bei der Selektion von erheblichen Tatsachen, von Informationspflichten der Behörden an alle betroffene Personen und somit einen erhöhten Rechtsschutz gewährleisten.
- Schaffung einer Transparenz durch strenge Dokumentation der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme von der Phase der (technischen) Aufbereitung von Daten bis zur Phase der (inhaltlichen) Auswertung von Daten.
- Die Phase der Aufbereitung von Daten unter Einhaltung forensischer Standards soll die – sofern überhaupt erforderlich – Entsperrung von Speichermedien (z. B. Datenträger, Cloudspeicher, Server), die Sicherung von Daten (allenfalls samt Wiederherstellung gelöschter Daten) in Form einer Originalsicherung (der Rohdaten) des gesamten Datenbestandes sowie die Erstellung einer Arbeitskopie (eine Kopie der Originalsicherung, anhand derer die konkrete forensisch-technische Aufbereitung durch die Kriminalpolizei bzw. die Staatsanwaltschaft erfolgt) umfassen.
- Auf die Originalsicherung und Arbeitskopie, deren Verwahrung zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Aufbereitungs- und Auswertungsprozesse und der Integrität der Daten erforderlich ist, soll ausschließlich im Fall einer (neuerlichen) richterlichen Entscheidung zugegriffen werden können, was auch durch eine entsprechende Verwahrung sowie Schutz vor unbefugter Einsichtnahme oder Veränderung sicherzustellen ist. Die Arbeitskopie dient der Umsetzung des Ergebnisses der Datenaufbereitung iSd gerichtlichen Entscheidung (in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum, die keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Daten erfordern. Die Kriminalpolizei bzw. die Staatsanwaltschaft, die für die technische Umsetzung Hilfskräfte hinzuziehen oder Sachverständige beauftragen kann, hat anhand der Arbeitskopie die Aufbereitung der Daten durchzuführen, das Ergebnis der Datenaufbereitung herzustellen und einen Aufbereitungsbericht zu erstellen. Durch die strenge Dokumentation der einzelnen Schritte soll gewährleistet werden, dass die Arbeitskopie ausschließlich für die Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung verwendet wird und der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft eine Einsichtnahme nur in jene Daten zukommt, die in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum der gerichtlichen Bewilligung entsprechen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass ein im Vergleich zur derzeitigen Praxis weit geringerer Datensatz den eigentlichen strafrechtlichen Ermittlungen zugrunde liegt, wodurch auch die Betroffenheit jener Personen, deren Datensätze und Daten von einer Beschlagnahme betroffen sind, deutlich gemindert wird. Zugleich ermöglicht der Aufbereitungsbericht eine nachprüfende Kontrolle, ob die gerichtliche Entscheidung in diesem Umfang richtig und vollständig umgesetzt wurde.
- Die Phase der Auswertung von Daten soll daher nur mehr diesen begrenzten Datenbestand umfassen, der als Ergebnis der Datenaufbereitung gewonnen wurde. Die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft haben diesen Datenbestand sodann im Rahmen der gerichtlichen Bewilligung auf erhebliche Tatsachen zu untersuchen, wobei sie auch Suchparameter zum Zweck der Auswertung festlegen können. Um die Transparenz der (konkreten) Auswertung zu gewährleisten, müssen die Ergebnisse und gegebenenfalls die Suchparameter im Akt dokumentiert werden. Zusätzlich soll ausdrücklich auch Beschuldigten und Opfern das Recht eingeräumt werden, weitere Suchparameter zu beantragen, womit zum einen die Waffengleichheit iSd Art. 6 EMRK hergestellt wird und zum anderen Opferschutzinteressen Rechnung getragen wird. Jene Personen, deren Datenträger und Daten beschlagnahmt wurden, sollen überdies die Möglichkeit haben, in das Ergebnis der Datenaufbereitung Einsicht zu nehmen. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass es sich um den eigenen (aufbereiteten) Datenbestand handelt, zweckmäßig, um u.a. die Waffengleichheit mit den Strafverfolgungsbehörden herzustellen; andere (Mit-)Beschuldigte und Opfer sollen hingegen aufgrund des unverhältnismäßigen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre einer anderen Person nicht das Recht haben, in das Ergebnis der Datenaufbereitung Einsicht zu nehmen. Ein Ausgleich soll jedoch dadurch geschaffen werden, dass sie die Möglichkeit haben sollen, Suchparameter zu beantragen und auf diese Weise gegebenenfalls weitere erheblichen Tatsachen zu ermitteln.
- Darüber hinaus wird vorgeschlagen, auch sämtlichen betroffenen Personen – sohin auch sonstigen Personen, deren Daten (mit)gesichert, ausgelesen, aufbereitet und letztlich ausgewertet wurden – das Recht einzuräumen, in das (als erhebliche Tatsache eingestufte und daher zum Ermittlungsakt genommene) Ergebnis der Auswertung insoweit einzusehen, als ihre Daten betroffen sind. Zu diesem Zweck sollen – vergleichbar der Überwachung von Nachrichten – die Personen über dieses Recht informiert werden, sofern ihre Identität bekannt ist oder ohne besonderen Verfahrensaufwand feststellbar ist und auf ihren Antrag oder von Amts wegen Ergebnisse der Auswertung vernichtet werden, wenn sie für ein Strafverfahren nicht von Bedeutung sein können oder als Beweismittel nicht verwendet werden dürfen. Gleiches gilt auf Antrag des bzw. der Beschuldigten, der bzw. die damit eine (partielle) Datenlöschung erreichen kann.
- Die vorgeschlagene Regelung für Zufallsfunde kann aufgrund der vorgeschlagenen Vorgehensweise (insb. Zugriff auf die Originalsicherung oder Arbeitskopie nur bei einer – erneuten – gerichtlichen Entscheidung) ausschließlich die Phase der Auswertung von Daten in Bezug auf das Ergebnis der Datenaufbereitung betreffen. Darüber hinaus gehende Daten können davon per se nicht betroffen sein, weil den Strafverfolgungsbehörden ein rechtmäßiger Zugriff darauf durch den Bewilligungsumfang verwehrt ist.
- Ergänzend soll im Sinne der Anforderungen des VfGH eine (zusätzliche) unabhängige Aufsicht dadurch verankert werden, in dem die Befugnisse der bzw. des langjährigen und bewährt in der Strafrechtspflege tätigen Rechtsschutzbeauftragten der Justiz auch in Bezug auf die neue vorgeschlagene Ermittlungsmaßnahm ausgebaut werden sollen. Seine bzw. ihre vorgeschlagenen besonderen Befugnisse erfordern nicht nur die gesetzliche Verankerung von Informations-, Auskunfts- und Akteneinsichtsrechten, sondern zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle auch die Zurverfügungstellung der zu seiner bzw. ihrer Tätigkeit notwendigen Sach- und Personalressourcen, wobei die Unabhängigkeit insbesondere auch dadurch sichergestellt werden soll, dass die bei ihr bzw. ihm tätigen Personen, sofern sie Aufgaben nach § 115l oder § 147 StPO besorgen, nicht auch bei einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft tätig sein dürfen. Neben juristischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird dabei auch an technische Expertinnen bzw. Experten zu denken sein, die ihn bzw. sie etwa bei der Kontrolle unterstützen können, ob die Aufbereitung von Daten oder die Auswertung von Daten hinsichtlich eines Zeitraumes der gerichtlichen Entscheidung tatsächlich entspricht. Darüber hinaus soll der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz Zutrittsrechte in Räume haben, in denen Originalsicherungen, Arbeitskopien, Datenträger und Ergebnisse der Datenaufbereitung aufbewahrt werden und die Aufbereitung von Daten vorgenommen wird. Der Jahresbericht des bzw. der Rechtsschutzbeauftragte über seine bzw. ihre Tätigkeit und Wahrnehmungen im Rahmen seiner bzw. ihrer Aufgabenerfüllung soll künftig auch die neue Ermittlungsmaßnahme umfassen.
Die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit entspricht den für Ermittlungsmaßnahmen generell üblichen Maßstäben. Verantwortlicher gemäß § 36 Abs. 2 Z 8 DSG im Bereich der Strafjustiz ist die zuständige Behörde, die über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Demgegenüber ist Auftragsverarbeiter nach § 36 Abs. 2 Z 9 DSG jene Behörde, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet. Bedient sich nun die Staatsanwaltschaft zur Durchführung einer Analyse einer (zuständigen) Spezialabteilung im Bundesministerium für Inneres, so bleibt die Staatsanwaltschaft Verantwortlicher der Datenverarbeitung. Die unterstützende Einheit wird zum Auftragsverarbeiter. Ersucht daher die Staatsanwaltschaft darum, eine bestimmte Ermittlungshandlung durchzuführen, welche die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat (etwa die Auswertung sichergestellter Daten), ist die Kriminalpolizei als Auftragsverarbeiterin anzusehen (vgl. Kristoferitsch/Bugelnig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 74 Rz 32 und 38), datenschutzrechtlich verantwortlich ist die jeweilig zuständige Staatsanwaltschaft.
II. Stärkung der Beschuldigten- und Opferrechte sowie Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung
1. Der Stärkung der Beschuldigtenrechte dient dabei insbesondere die Neuregelung bei Beginn und Beendigung des Ermittlungsverfahrens. Durch die vorgeschlagene Beseitigung von „Vorfeldermittlungen“ iSd § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO als Schwelle zum Beginn des Ermittlungsverfahrens und die Einbeziehung von im 1. Teil der StPO verorteten Handlungen sollen derzeit bestehende Rechtsschutzdefizite während der (mitunter längerdauernden) Phase der „Vorfeldermittlungen“, deren Umfang durch die Rechtsprechung zudem in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet wurde, beseitigt werden. Es soll gesetzlich klargestellt werden, dass ein Ermittlungsverfahren gegen angezeigte Personen bereits dann eingeleitet wird, wenn und sobald die Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei aufgrund einer Anzeige oder eines Verdachts tätig werden, und damit auch der europarechtlich gebotene Zustand (vgl. S. 41) (wieder) hergestellt werden. Davon ausgenommen sollen lediglich Erkundigungen zur Klärung bleiben, ob auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass ein Sachverhalt einem gesetzlichen Tatbild entspricht (§ 91 Abs. 3 StPO). Damit soll der Kriminalpolizei in einem eng definierten Bereich (in der Regel nach einem Geschehen unmittelbar vor Ort) ebenso wie der Staatsanwaltschaft (im Regelfall bei Eingaben im Hinweisgebersystem; § 2a Abs. 6 StAG) auch weiterhin das Verlangen von Auskunft und das Entgegennehmen einer Mitteilung von einer Person möglich sein, ob überhaupt eine Straftat vorliegt; gegen eine Person gerichtete Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden sollen jedoch in jedem Fall ein Ermittlungsverfahren auslösen. Damit soll die Rechtssicherheit erhöht werden, weil die Unklarheit, ob eine Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bereits ein Ermittlungsverfahren auslöst, entfällt. Gegenüber der geltenden Rechtslage werden dadurch (mit Ausnahme der weiterhin bestehenden engen Möglichkeit von Erkundigungen nach § 91 Abs. 3 StPO) zwar im Fall eines Tätigwerdens von Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft Personen früher als Verdächtiger bzw. Verdächtige erfasst, allerdings wird ihr Rechtsschutz deutlich erhöht: so sollen ihnen künftig ab jeglichem Tätigwerden einer Strafverfolgungsbehörde – anders als derzeit – auch alle Verfahrensgarantien und Beschuldigtenrechte (wie etwa das Recht auf Akteneinsicht oder auf Einspruch wegen Rechtsverletzung) zustehen und – entsprechend der Intention des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, – (wieder) eine Verrechtlichung des Ermittlungsverfahrens erreicht werden. Ein Schutz vor der anlasslosen Einleitung eines Strafverfahrens besteht auch weiterhin, weil Ermittlungsverfahren auslösende Ermittlungen weiterhin nur bei Vorliegen eines Anfangsverdachts zulässig sind.
Dem bzw. der Angeklagten soll zudem auch richtlinienkonform die Möglichkeit eingeräumt werden, am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof teilzunehmen.
2. Auch die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung dienen infolge der dadurch bedingten Verfahrensverkürzung letztlich der Stärkung der Beschuldigtenrechte. Die Arbeitsgruppe im Projekt „Qualitätssicherung und Effizienz im Ermittlungsverfahren“ sprach sich betreffend die Höchstdauer von Ermittlungsverfahren (§ 108a StPO) überwiegend gegen die Einführung eines neuen Einstellungsgrunds der langen Verfahrensdauer und für die Beibehaltung des geltenden § 108a StPO mit der Abänderung aus, dass die Einstellung nur auf Antrag möglich sein und die Berechnung der Fristen beschuldigtenbezogen erfolgen sollte. Im Zusammenhang mit der amtswegig vorzunehmenden Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens konstatierte der Wahrnehmungsbericht von Vizekanzler und Bundesminister für Justiz a.D. DDr. Clemens Jabloner einen sich daraus ergebenden hohen Verwaltungsaufwand durch die erforderliche Kalendierung von Akten, die Vorlage an das Gericht und die Abgabe einer Stellungnahme. Er sprach sich dafür aus, den Verwaltungsaufwand durch eine antragsgebundene Ausgestaltung zu verringern. Die Staatsanwaltschaft müsste dann nicht von sich aus an das Gericht herantreten, sondern der Beschuldigte würde die Möglichkeit einer entsprechenden Antragstellung in die Hand bekommen. Dies könnte dadurch ausgeglichen werden, dass die normierte Höchstdauer von drei auf zwei Jahre herabgesetzt wird.
Auf dieser Basis und unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung und Literatur ist aus systematischen Gründen künftig eine Differenzierung zwischen § 108 StPO und § 108a StPO kaum mehr argumentierbar, weshalb eine Zusammenführung der beiden Bestimmungen vorgeschlagen wird. Durch die vorgeschlagenen Änderungen zum Antrag auf Einstellung sowie der Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens und deren Zusammenführung in einem neu gestalteten § 108 StPO sollen für Beschuldigte die in der praktischen Anwendung mit Unklarheiten behafteten Fristen für die Erhebung von Anträgen auf Einstellung entfallen. Zudem soll klargestellt werden, dass auch Anträge auf und die Einstellung von einzelnen Fakten zulässig sind, was zu einer Verschlankung und somit Beschleunigung des Verfahrens führen soll. Daran gebunden ist die Erwartung, dass diese erweiterte Reaktionsmöglichkeit auch zu einer Reduzierung jener Fälle führt, in denen die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens überhaupt erreicht oder überschritten wird.
Darüber hinaus soll ein Gericht im Rahmen der Prüfung eines Antrages auf Einstellung – unabhängig von einer allfälligen Überschreitung der Höchstdauer des Verfahrens – bei einer behaupteten Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 9 StPO) der Staatsanwaltschaft stets konkrete verfahrensbeschleunigende Maßnahmen auftragen können, wenn eine Verletzung des Beschleunigungsgebots festgestellt wurde und dadurch zu einer fokussierten Führung des Ermittlungsverfahrens beitragen; der bzw. die Beschuldigte soll nicht wie bisher diesbezüglich auf die (zusätzliche) Erhebung eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung angewiesen sein. Änderungen im Bereich der Fristenberechnung sollen ebenfalls zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen.
Dem Vorschlag von Bundesminister a.D. DDr. Jabloner folgend soll zudem die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von drei auf zwei Jahre herabgesetzt werden; überdies soll auch die allfällige Verlängerung des Verfahrens nicht mehr zwingend um die Dauer von zwei Jahren zu erfolgen haben, vielmehr soll das Gericht die Dauer einzelfallbezogen um bis zu zwei Jahre verlängern können, womit ebenfalls die Erwartung einer Verfahrensbeschleunigung einhergeht. An Stelle des Neubeginns der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens nach Fortführung oder Wiederöffnung soll überdies künftig die bereits begonnene Frist nach Wegfall der Einstellung bzw. Abbrechung weiterlaufen, was ebenfalls zu einer Verkürzung der Fristen und damit der Verfahrensbeschleunigung dienen soll.
Betreffend die Trennung von Verfahren soll einerseits klargestellt werden, dass die bislang bereits in § 27 StPO aufgezählten Gründe demonstrativer Natur sind, gleichzeitig soll als ein weiterer Grund für die Trennung von Verfahren die Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen (§ 1 Abs. 1 DSG) eines bzw. einer Beschuldigten ergänzt werden. Zur Stärkung der Beschuldigtenrechte soll Beschuldigten ein subjektives Recht auf Trennung von Verfahren eingeräumt und damit sichergestellt werden, dass das pflichtgebundene Ermessen einer Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) überprüfbar ist (§ 49 Abs. 1 StPO).
Darüber hinaus sollen Gerichte künftig im Rahmen der Rufbereitschaft im Fall der mündlichen Bewilligung einer Zwangsmaßnahme den wesentlichen Inhalt des Vorbringens der Staatsanwaltschaft sowie die Gründe für die Dringlichkeit in einem zum Ermittlungsakt zu nehmenden Amtsvermerk festzuhalten haben (§ 105 Abs. 3 StPO). Klargestellt werden soll zudem, dass eine Bewilligung von Zwangsmitteln im Rahmen der Rufbereitschaft oder des Journaldienstes nur erfolgen darf, wenn damit nicht bis zum Beginn der nächsten gerichtlichen Dienststunden zugewartet werden kann. Dementsprechend ist auch die Gültigkeit der gerichtlichen Bewilligung für die Anordnung der Staatsanwaltschaft eng zu befristen.
Ebenso kommen die vorgeschlagenen Änderungen im Gerichtssachverständigenwesen vor dem Hintergrund der dadurch intendierten Verfahrensbeschleunigung sowie der Sicherung der Qualität der Sachverständigengutachten dem bzw. der Beschuldigten zugute. Zunächst soll dem bzw. der Sachverständigen (wie auch Dolmetschern bzw. Dolmetscherinnen) künftig im Zuge seiner bzw. ihrer Bestellung eine angemessene Frist zu setzen sein, binnen der Befund oder Gutachten (bzw. Übersetzung) zu erstatten ist. Diese sollen im Zeitpunkt der Befassung bzw. Bestellung künftig nicht nur den Umstand aktueller Fristüberschreitungen bei bereits erfolgten gutachterlichen Beauftragungen in mehr als zehn Verfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht bekanntzugeben, sondern überdies –von wenigen Ausnahmen abgesehen – auch glaubhaft zu machen haben, dass für die Einhaltung der gesetzten Frist zur Gutachtenserstattung hinreichend vorgekehrt ist, anderenfalls sie nicht bestellt werden dürfen.
3. Darüber hinaus sollen mit dem Initiativantrag auch die jahrzehntelangen stetigen Verbesserungen im Bereich des Opferschutzes weiter fortgesetzt werden. So soll das bestens etablierte und international anerkannte Instrument der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung im Strafverfahren neuerlich ausgeweitet werden. Da für Minderjährige das Miterleben jeglicher Form von Gewalt und die neuerliche Konfrontation damit im Rahmen der Vernehmung bei der Polizei oder bei Gericht eine schwerwiegende psychische Belastung darstellen kann, die professioneller Unterstützung bedarf, soll der Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren künftig nicht mehr auf Minderjährige beschränkt sein, die Zeuginnen bzw. Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) waren, sondern allen Minderjährigen, die Zeuginnen bzw. Zeugen von Gewalt waren, zustehen. Opfer sollen zudem die Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten an eine durch die Bundesministerin für Justiz vertraglich mit der Wahrnehmung von Prozessbegleitung beauftragte Opferschutzeinrichtung (§ 66b Abs. 3 StPO) ihrer Wahl verlangen können, soweit dies zum Zweck einer Kontaktaufnahme und Beratung iZm der Inanspruchnahme von psychosozialer und/oder juristischer Prozessbegleitung erforderlich ist.
Im Bereich der Neuregelung bei Beginn und Beendigung des Ermittlungsverfahrens soll – anders als bisher – durch die Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Verfolgung ein gerichtlicher Rechtsschutz gegen das Absehen von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens für Personen, die Opfer der angezeigten Tat sein könnten, geschaffen werden. Überdies soll durch die massive Einschränkung zulässiger „Vorfeldermittlungen“ auch der Rechtsschutz für Opfer weiter ausgebaut werden, indem ihnen ab Tätigwerden von Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft (abgesehen vom Fall der Durchführungen von Erkundigungen nach § 91 Abs. 3 StPO) bereits die Opferrechte zukommen.
Darüber hinaus sollen in Privatanklageverfahren zur Erwirkung von Anordnungen nach § 135 Abs. 1a oder Abs. 2 Z 2 StPO zur Ausforschung des Täters (§ 71 Abs. 1 StPO) bei typischen „Hass-im-Netz-Delikten“ Opfern von Hass im Netz durch Klarstellungen zur Zuständigkeit bei der Akteneinsicht der Zugang zum Recht erleichtert und Zuständigkeitsprobleme vermieden werden. Darüber hinaus soll auch die durch das Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz (HiNBG, BGBl. I Nr. 148/2020) entfallene Klarstellung, dass in Privatanklageverfahren ein Ermittlungsverfahren nicht stattfindet, wieder in den Gesetzestext aufgenommen werden; eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden.
Für die Einbringung eines Fortführungsantrags sollen formale Voraussetzungen, die bei anderen Rechtsmitteln und Rechtbehelfen nicht vorgesehen sind und insbesondere für anwaltlich oft nicht vertretene Opfer eine große Hürde darstellen können, entfallen.
4. Letztlich sollen die vorgeschlagenen Änderungen auch zu einer Entlastung der Staatsanwaltschaften führen, die es ihnen erleichtern soll, sich auf die eigentliche Ermittlungstätigkeit zu fokussieren. So sollen durch den Entfall des § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO und die Ermöglichung nur sehr eingeschränkter, klar determinierter „Vorfeldermittlungen“ mitunter rechtlich komplexe Überlegungen, ob eine Tätigkeit bereits ein Ermittlungsverfahren auslösen kann, hinfällig werden. Ebenso soll das Vorgehen bei einer Einstellung eines Ermittlungsverfahrens durch Beseitigung von Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der beiden Ziffern des § 190 StPO entfallen. Eine gewisse Entlastung soll zudem mit der Umgestaltung der Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von einem amtswegigen Vorgehen der Staatsanwaltschaft zu einer Prüfung im Rahmen eines Antrags des bzw. der Beschuldigten auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens erfolgen.
III. Darüber hinaus sollen mit dem gegenständlichen Initiativantrag auf Basis von Erfahrungen und Reformvorschlägen aus dem Bereich der Staatsanwaltschaften betreffend den Bereich der Cyberkriminalität (insbesondere der Sonderreferentinnen bzw. -referenten der Kompetenzstellen sowie Kontakt- und Verbindungsstellen Cybercrime im Rahmen des rezent etablierten Cybercrime-Qualitätszirkels im Bundesministerium für Justiz), Reformvorschlägen der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV) und unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung und Literatur sollen weitergehende legistische Anpassungen im Bereich der Sicherstellung, Beschlagnahme, Ausfolgung und (auch vorzeitigen) Verwertung vorgenommen werden. Damit soll zum einen Bedürfnissen der Praxis und der technischen Entwicklung Rechnung getragen werden, die Terminologie und Systematik der StPO in diesem Bereich vereinheitlicht und insgesamt zu einem moderneren und besseren Verständnis der Gesetzesbestimmungen als auch zu einer deutlichen Verbesserung der Rechtsposition der Opfer im Bereich der Entschädigung beigetragen werden.
Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll insbesondere von der bislang zum Teil bestehenden Gegenstandsbezogenheit der Bestimmungen über die Sicherstellung, Beschlagnahme, Ausfolgung und Verwertung abgegangen und das System breitflächig um (auch immaterielle) Vermögenswerten ergänzt werden. Unter einem soll in Umsetzung der Richtlinie 2024/1260/EU über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten, ABl. Nr. L 1260 vom 24.04.2024 S 1 (in weiterer Folge: Richtlinie 2024/1260/EU) – der Begriff der Vermögenswerte klar, umfassend und technologieneutral in die StPO eingeführt werden.
IV. Überdies sollen verschiedene in der strafprozessualen Praxis zu Tage getretene Problemstellungen gesetzlich geregelt bzw. klargestellt werden:
So soll eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht für die Bekanntgabe von personenbezogenen Daten aus einem Strafverfahren im Rahmen einer „Fallkonferenz Staatsschutz“ (§ 6a Abs. 1 SNG) geschaffen werden.
Trotz verfassungsrechtlich höherwertiger Absicherung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10a StGG) gegenüber dem Bankgeheimnis (§ 38 Abs. 2 Z 1 BWG) haben derzeit Kredit- und Finanzinstitute bei der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte (§ 116 StPO) mehr Rechtsschutz und Zugang zu personenbezogenen Daten aus einem Strafverfahren als Anbieter von Telekommunikationsdiensten bei der Überwachung von Nachrichten nach § 138 StPO. Diese Ungleichbehandlung soll behoben und der Schutz personenbezogener Daten der von der durch eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte betroffenen Personen gestärkt werden, indem künftig die verfahrensrechtlichen Bestimmungen für Kredit- und Finanzinstitute an die bereits seit Jahren geltenden Regelungen für Anbieter von Telekommunikationsdiensten angeglichen werden.
Darüber hinaus sollen für den Bereich der Staatsanwaltschaften mit der Ablöse der bisherigen „Einschau“ durch zwei gesonderte Systeme, nämlich die „Innenrevision“ einerseits und die „Nachschau“ andererseits, nach dem schon bewährten Modell im Gerichtsbereich im Rahmen der Aufsicht unterschiedlich risikogeneigte Bereiche auf zwei komplementäre Prüfkreise verteilt werden. Diese sollen in verschiedenen Intervallen zum Einsatz kommen und einen jeweils unterschiedlichen Fokus bei der Durchführung der Prüfung legen, womit ein wirksames und effizientes System zur Qualitätssicherung bei den Staatsanwaltschaften eingerichtet wird.
V. Schließlich sollen in Entsprechung der Zielsetzung, die letztinstanzlichen rechtskräftigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte in der Entscheidungsdokumentation Justiz zu veröffentlichen, eine allgemeine Veröffentlichungspflicht der rechtskräftigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte (§ 48a GOG) verankert und damit Entscheidungen der Gerichte besser zugänglich werden. Weiters sollen Spezialzuständigkeiten für Verfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum bei den Bezirksgerichten und Gerichtshöfen erster Instanz gesetzlich verankert werden.
VI. Die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der StPO hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens sollen auch für den Bereich des FinStrG nachvollzogen sowie Regelungen zum Verteidigungskostenersatz vorgeschlagen werden.
So sollen § 201 FinStrG („Zu § 108“) und § 205 FinStrG („Zu den §§ 195, 196, 197b und 197c“) an den vorliegenden Initiativantrag angepasst werden. Darüber hinaus soll neben rein sprachlichen Änderungen (Umwandlung des als veraltet und diskriminierend eingestuften Begriffes „stumm“ in „hochgradig sprachbehindert“) § 228a FinStrG, der bis dato den Verteidigungskostenersatz in gerichtlichen Finanzstrafverfahren regelt, indem er auf den – mit Erkenntnis des VfGH vom 22.9.2022, G 90/2022 aufgehobenen – § 393 Abs. 2 StPO verweist, auch an das aktuelle Regime der StPO (§ 196a, § 393a StPO) angepasst und insofern auch hier der Stärkung der Beschuldigtenrechte Rechnung getragen werden.
VII. Im Justizbetreuungsagentur-Gesetz (JBA-G) ist eine geringfügige Erweiterung des Geschäfts- und Aufgabenbereiches der Justizbetreuungsagentur vorgesehen.
VIII. Im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) soll – in Präzisierung der verfassungsgesetzlichen Amtshilferegelung des Art. 22 B-VG – eine gemäß § 76 Abs. 4 StPO erforderliche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung geschaffen werden, um den Behörden eine ordnungsgemäße Vollziehung zu ermöglichen (vgl. OGH 10.12.2019, 11 Os 76/19i).
IX. Im Jugendgerichtsgesetz 1988 (JGG) wird eine punktuelle Anpassung an die neuen Bestimmungen über das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, die im Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 enthalten sind, insofern vorgeschlagen, als ein Verfolgungsantrag eines Privatbeteiligten ausgeschlossen werden soll.
Kompetenzgrundlage:
Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG („Strafrechtswesen“) und Art. 11 Abs. 2 B-VG („Verwaltungsverfahren“).
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
Keine.
Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:
§ 69 Abs. 3, § 109 Z 1 lit. a, § 109 Z 1a, § 110 Abs. 3, § 113 Abs. 2, § 114 Abs. 1, Abs. 1a und 2, § 115 Abs. 1, § 115e Abs. 2, § 367, § 379 und § 408 Abs. 2 StPO dienen der Umsetzung der Richtlinie 2024/1260/EU über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten, ABl. Nr. L 1260 vom 24.04.2024 S 1. § 115i StPO dient der Umsetzung der Richtlinie 2016/680/EU zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. Nr. L 119 vom 27.4.2016 S. 1. § 195 Abs. 2, § 197b und § 197c StPO dienen der Umsetzung der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI, ABl. Nr. L 315 vom 14.11.2012 S. 57. § 286 Abs. 1 und 2, § 294 Abs. 5, § 296 Abs. 3 und § 471 StPO dienen der Umsetzung der Richtlinie 2016/343/EU über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung im Strafverfahren, ABl. Nr. L 65 vom 11.03.2016 S. 1.“
Ein im Zuge der Debatte im Ausschuss des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:
„Zu Z 1 bis 3 und 7 bis 15:
Behebung von Redaktionsversehen.
Zu Z 4 (§ 108 Abs. 3):
Als geringfügigen Ausgleich zur mit dem Initiativantrag vorgeschlagenen Erweiterung, ab Tag 1 des Verfahrens einen Einstellungsantrag stellen zu können, soll die staatsanwaltliche Entscheidungsfrist in der Anfangsphase des Ermittlungsverfahrens leicht ausgeweitet werden, binnen derer die Staatsanwaltschaft gemäß § 103 Abs. 3 zweiter Satz vorzugehen hat.
Zu Ziffer 5 (§ 110 Abs. 3a):
Entsprechend Anregungen aus der Praxis soll die Sicherstellung punktueller Daten wie schon nach geltender Rechtslage (§ 110 Abs. 3 lit. d) von der Kriminalpolizei von sich aus durchgeführt werden können. Diese Befugnis bezieht sich auf punktuelle Daten, gleichwohl, ob es sich um mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommene Daten handelt oder nicht. Die Schranken des § 111 Abs. 2 zweiter Satz sollen auch hier gelten. Bei mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten aufgenommenen Daten, bei denen es sich etwa schon auf Grund des Umfangs um keine punktuellen (bzw. geringwertigen) Daten mehr handeln kann, ist nach § 110 Abs. 2 vorzugehen.
Zu Ziffer 6 (§ 115f Abs. 4):
Redaktionelle Anpassung an den Wortlaut des § 115f Abs. 1.“
Ein im Zuge der Debatte im Plenum des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:
„Behebung von Redaktionsversehen.“
Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 17. Dezember 2024 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA.
Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.
An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates MMag. Elisabeth Kittl, BA.
Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, S, G, dagegen: F).
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA gewählt.
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2024 12 17
MMag. Elisabeth Kittl, BA Christian Fischer
Berichterstatterin Vorsitzender