11695 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Oktober 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsverfassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden

Arbeitsverhältnisse haben die Erbringung von Arbeitsleistungen gegen Entgelt zum Inhalt. Sie werden durch schriftlichen oder mündlichen Arbeitsvertrag begründet. Das wesentliche Merkmal eines Arbeitsvertrages ist vor allem die persönliche Abhängigkeit der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers. Merkmale der persönlichen Abhängigkeit sind insbesondere: die Einordnung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers in den betrieblichen Organisationsablauf, eine vorgegebene Arbeitszeit, ein zugewiesener Arbeitsort, eine festgelegte Arbeitsabfolge, die Bindung an Weisungen der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers sowie die laufende Kontrolle durch die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber.

Die persönliche Abhängigkeit als Wesensmerkmal eines Arbeitsverhältnisses wird aber zunehmend der Realität der Arbeitsbeziehungen nicht mehr gerecht. Durch den wirtschaftlichen, technischen und arbeitsorganisatorischen Wandel in der Arbeitswelt kommt der Unterordnung unter eine vorgegebene Arbeitsstruktur eine tendenziell geringere Bedeutung zu. Vertragsverhältnisse, die früher als Arbeitsvertrag ausgestaltet waren, werden nunmehr häufig als freier Dienstvertrag formuliert.

Der freie Dienstvertrag ist im Arbeitsrecht gesetzlich nicht geregelt. Der freie Dienstvertrag wird nach hA insbesondere charakterisiert durch:

-       die Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen ohne persönliche Abhängigkeit im Sinn einer Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin;

-       die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu gestalten und die selbst gewählte Gestaltung auch jederzeit wieder zu ändern;

-       das Fehlen von laufenden Kontrollen und von Bindung an bestimmte Arbeitszeiten oder an jene persönlichen Weisungen, die für den Arbeitsvertrag prägend sind; sowie

-       die Vereinbarung einer generellen Vertretungsbefugnis.

Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen oder nicht.

Der freie Dienstvertrag ist kein Arbeitsvertrag iSd §§ 1151 ff ABGB, sodass diese Bestimmungen nicht unmittelbar anwendbar sind und grundsätzlich nur die allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungen des ABGB gelten. Jene arbeitsrechtlichen Normen, die vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers geprägt sind und den/die sozial Schwächere/n schützen sollen, gelangen auf freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer somit nicht zur Anwendung.

In Art. 1 (Änderung des ABGB) sollen nunmehr Kündigungsregelungen für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer geschaffen werden. Anders als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tragen freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer bestimmte Aspekte des Unternehmerrisikos.

In Art. 2 (Änderung des ArbVG) soll hingegen die Möglichkeit der Anwendung von Kollektivverträgen auf freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG geschaffen werden.

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) erfasst in § 4 Abs. 4 freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer als Personen, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen. Das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz hat diese Definition für die Ausgestaltung des Geltungsbereiches übernommen; das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch hinsichtlich der Bestimmungen betreffend den Dienstzettel für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer und das Arbeiterkammergesetz hinsichtlich der Arbeiterkammerzugehörigkeit. Freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG sind zudem in das Insolvenzentgeltsicherungsgesetz einbezogen, auch einzelne Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes sind auf freie Dienstnehmerinnen nach § 4 Abs. 4 ASVG anzuwenden.

Kollektivverträge sind bisher nicht auf freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer anzuwenden. Im aktuellen Regierungsprogramm wurde daher vereinbart, dass die Möglichkeit der Anwendung von Kollektivverträgen auf freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer geschaffen werden soll. Durch die Einbeziehung freier Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG in den Anwendungsbereich der Kollektivverträge können für diese Personengruppe nunmehr Mindeststandards festgelegt werden, die die Beschäftigung auf Basis solcher Vertragsverhältnisse und somit die Umgehung arbeitsrechtlicher Bestimmungen weniger attraktiv machen.

Mit der Novelle soll nunmehr in Umsetzung des Regierungsprogrammes für die Kollektivvertragsparteien die Möglichkeit geschaffen werden, auch für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG Kollektivverträge abzuschließen.

Die Änderungen sollen in Art. 3 für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft nachvollzogen werden.

Ein im Zuge der Debatte im Ausschuss des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:

Zu Artikel 1 Z 1 bis 3 (§§ 1159 Abs. 6, 1164a Abs. 1 und 1503 Abs. 29 ABGB)

Die vorgeschlagene Änderung in § 1159 Abs. 6 erster Satz ABGB stellt klar, dass von dieser Bestimmung freie Dienstverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG erfasst sind und von beiden Vertragsparteien nach Maßgabe dieser Bestimmung unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist und eines Kündigungstermins gekündigt werden können. Weiters wird textlich verdeutlicht, dass die Rechte, die freien Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer auf Grund dieses Absatzes zustehen, durch den freien Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden können.

Mit der vorgeschlagenen Änderung des § 1164a Abs. 1 Z 9 wird nach Vorbild des § 2 Abs. 2 Z 12 AVRAG klargestellt, dass freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG über die für sie geltenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (Kollektivvertrag, Satzung, Mindestlohntarif) informiert werden.

Die Z 3 regelt nunmehr auch das Inkrafttreten der neu hinzugefügten Bestimmung des § 1164a Abs. 1 Z 9. Im Hinblick auf § 1164a Abs. 4 ABGB wird klargestellt, dass diese Änderung nur für nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmung neu abgeschlossene freie Dienstverträge mit freien Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG gilt.

Zu Artikel 2 Z 1 bis 4 (§§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 18 Abs. 3a sowie 272 Abs. 40 ArbVG):

Die Änderungen dienen zum einen der Bereinigung von Redaktionsversehen in der Regierungsvorlage, zum anderen der Klarstellung.

So soll in § 1 Abs. 1 ArbVG zur Vermeidung von Missverständnissen noch klarer zum Ausdruck kommen, dass freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG nur in den Geltungsbereich des 1. bis 3. Hauptstückes des I. Teiles des ArbVG einbezogen werden sollen.

Einbezogen werden sollen nur arbeitnehmerähnliche freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer. Der Geltungsbereich soll nicht auf freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer ausgedehnt werden, die gemäß § 4 Abs. 4 ASVG von der Versicherungspflicht ausgenommen sind. Dies betrifft beispielsweise Gewerbetreibende, die bereits gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG versichert sind.

Die Erfüllung kollektivvertraglicher Verpflichtungen durch Dienstgeberinnen und Dienstgeber freier Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer haben für sich betrachtet bei der Beurteilung, ob ein echter Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG vorliegt, außer Betracht zu bleiben.

Die Regierungsvorlage schränkt in § 18 Abs. 3 ArbVG den Umfang der Satzung eines Kollektivvertrages, der ursprünglich nur für klassische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 erster Satz abgeschlossen wurde, für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG ein. Danach darf die Satzung nur Regelungen zu Mindestentgelten und Mindestbeträgen für den Ersatz von Auslagen umfassen. In freien Dienstverträgen wird das Ausmaß der aufzuwendenden Arbeitszeit häufig nicht festgelegt. In Kollektivverträgen für klassische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hängen die Mindestentgelte jedoch von der jeweiligen Arbeitszeit ab und beziehen sich typischerweise auf eine Vollzeitbeschäftigung. Ohne arbeitszeitrechtlichen Bezug würden Satzungen in solchen Fällen ihren Zweck aber weitgehend verfehlen. Aus diesem Grund soll festgelegt werden, dass im Fall einer Satzung die kollektivvertraglichen Mindestentgelte für jene Arbeitsstunden gelten, die zur Erfüllung des freien Dienstvertrages tatsächlich aufgewendet werden müssen.

Die Regierungsvorlage regelt in § 270 Abs. 40 ArbVG, dass für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle bestehende gesetzliche Interessenvertretungen und freiwillige Berufsvereinigungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine ausdrückliche Prüfung dahingehend erfolgen soll, ob die Kollektivvertragsfähigkeit auch für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG vorliegt. Diese Regelung soll auch auf juristische Personen öffentlichen Rechts, denen die Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 7 ArbVG zukommt, Vereine, denen die Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 4 Abs. 3 ArbVG zuerkannt und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, denen die Kollektivvertragsfähigkeit mit Gesetz verliehen wurde, erstreckt werden. Auch diese sollen für bei ihnen beschäftigte freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer auf Arbeitgeberseite Kollektivverträge abschließen können.

Zu Artikel 3

Die Änderungen im ArbVG werden im LAG nachvollzogen.

Die Änderungen des § 1164a ABGB werden im LAG nicht nachvollzogen, da § 1164a ABGB auch für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft gilt.“

 

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 21. Oktober 2025 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Mag. Claudia Arpa.

Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrat Claudia Hauschildt-Buschberger mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Franz Ebner, Dr. Andrea Eder-Gitschthaler und Dr. Christoph Matznetter.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Mag. Claudia Arpa gewählt.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2025 10 21

                             Mag. Claudia Arpa                                                                Sandro Beer

                                  Berichterstatterin                                                                      Vorsitzender