11707 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Oktober 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden
Die Abgeordneten Rudolf Silvan, Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß, Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 24. September 2025 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Zu Art. 1 Z 1 (§ 2 Z 10):
Durch die vorgeschlagene Änderung soll klargestellt werden, dass Einrichtungen für Menschen mit Behinderung („Einrichtungen der Behindertenhilfe“, „Einrichtungen der Teilhabe“) nicht unter die Definition einer Einrichtung der Pflege im Sinne des GTelG 2012 fallen. Sie sind somit keine ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter und dadurch weder zur Speicherung des Pflegesituationsberichts gemäß § 13 Abs. 3 Z 6 verpflichtet, noch berechtigt, überhaupt auf ELGA zuzugreifen.
Hintergrund dieser Änderung ist, dass Einrichtungen für Menschen mit Behinderung keine Pflegeeinrichtungen im klassischen Sinn sind und der Fokus viel mehr auf soziale Teilhabe, statt auf medizinischer Pflege liegt. Es besteht die Gefahr, dass durch eine pauschale Zuordnung zur Pflege der Eindruck entsteht, dass es sich bei Menschen mit Behinderung um medizinisch betreute Personen mit Pflegebedarf handelt. Diese medizinische Sicht von Behinderung widerspricht dem sozialen Modell von Behinderung, das die Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK) bildet.
Zu Art. 1 Z 2 (§ 26 Abs. 19):
Diese Bestimmung soll das Inkrafttreten regeln.
Zu Art. 2 Z 1 (§ 31d Abs. 3 Z 3):
Der Betrieb des Zugangsportals soll nach geplanter Integration in das Gesundheitsportal (vgl. ErlRV 2310 BlgNR XXVII. GP, 19) nicht mehr durch den Dachverband der Sozialversicherungsträger im übertragenen Wirkungsbereich wahrgenommen werden. Aufgrund der damit einhergehenden erheblichen technischen Änderungen ist eine entsprechende Übergangsfrist notwendig. Diese Übergangsfrist soll verlängert werden.
Zu Art. 2 Z 2 (§ 813):
Diese Bestimmung soll das Inkrafttreten regeln.“
Ein im Zuge der Debatte im Ausschuss des Nationalrates eingebrachter und beschlossener gesamtändernder Abänderungsantrag wurde – auszugsweise – wie folgt begründet:
„Der gegenständliche Antrag gründet auf dem Ministerialentwurf 38/ME, der vom 29. Juli bis 9. September 2025 dem allgemeinen Begutachtungsverfahren unterzogen wurden.
Durch den gegenständlichen Antrag sollen im Gesundheitstelematikgesetz 2012 sozialversicherungsrechtlich relevante Bestimmungen zum ‚EU-Rezept‘ und zur EU-Patientenkurzakte verankert werden. Hintergrund dieser Bestimmungen ist – neben den Aspekten der Behandlungskontinuität und der Patient/innen-Sicherheit – die Fälschungssicherheit von in Österreich ausgestellten EU-Rezepten sowie der Abbau bürokratischer Hürden, womit auch der Prozess der Kostenerstattung von im Ausland eingelösten Verschreibungen erleichtert wird (Übersetzungen von Handelsnamen, Bestätigung der Abgabe, etc.). Ebenso betreffen die gegenständlichen Bestimmungen zu einem hohen Grad Pensionist/innen, die vielfach regelmäßig urlaubs- oder wohnortbedingt Verschreibungen im EU-Ausland einlösen müssen und insbesondere vom Übersetzungsservice innerhalb des Systems „MyHealth@EU“ profitieren können. Hintergrund der EU-Patientenkurzakte ist die Erleichterung der Anamnese durch Gesundheitsdiensteanbieter bei der Behandlung von Patient:innen anderer Herkunftsstaaten, insbesondere hinsichtlich etwaigen Sprachbarrieren.
Am 5. März 2025 wurde die Verordnung über den europäischen Gesundheitsdatenraum (Verordnung (EU) 2025/327 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2025 über den europäischen Gesundheitsdatenraum sowie zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU und der Verordnung (EU) 2024/2847; ABl. L, 2025/327) veröffentlicht (aufrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32025R0327).
Der Europäische Raum für Gesundheitsdaten ist einer der Eckpfeiler der europäischen Gesundheitsunion (siehe die Mitteilung der Kommission vom 11.11.2020 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Schaffung einer europäischen Gesundheitsunion: Die Resilienz der EU gegenüber grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren stärken, COM[2020] 724 final) und stellt den ersten gemeinsamen EU-Datenraum in einem spezifischen Bereich dar, der aus der EU-Datenstrategie hervorgeht (siehe dazu die Mitteilung der Kommission vom 19.2.2020 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Datenstrategie, COM[2020] 66 final).
Der Europäische Raum für Gesundheitsdaten soll unter anderem Einzelpersonen dabei unterstützen, die Kontrolle über ihre eigenen Gesundheitsdaten zu bewahren, indem deren Handlungskompetenz durch einen besseren digitalen Zugang zu ihren personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten sowie ihrer Kontrolle darüber sowohl im eigenen Land als auch auf EU-Ebene, und damit letztlich der freie Verkehr von Personen innerhalb der Union, unterstützt werden soll.
Dazu sieht die Verordnung ein Kapitel II zur Primärnutzung elektronischer Gesundheitsdaten vor, worunter die Verarbeitung personenbezogener elektronischer Gesundheitsdaten für die Erbringung von Gesundheitsdiensten zur Beurteilung, Erhaltung oder Wiederherstellung des Gesundheitszustands der natürlichen Person, auf die sich die Daten beziehen, einschließlich der Verschreibung, Abgabe und Bereitstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu verstehen ist.
Zur Erreichung dieser grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung werden die Mitgliedstaaten insbesondere dazu verpflichtet, Nationale Kontaktstellen für digitale Gesundheit einzurichten und zu benennen, und diese an die bestehende unionsweite Infrastruktur zum grenzüberschreitenden Austausch elektronischer Gesundheitsdaten ‚MyHealth@EU‘ anzubinden.
Im Rahmen dessen sind einige Arten elektronischer Gesundheitsdaten als Priorität für die Integration in den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten festgelegt worden, deren Implementierung für die Mitgliedstaaten in einem stufenweisen Prozess mit einer Übergangszeit ebenso verpflichtend ist.
Unter diese prioritären Datenkategorien grenzüberschreitender Services fallen mitunter elektronische Verschreibungen für Arzneimittel und deren elektronische Abgaben durch Apotheken ebenso wie die elektronische Patientenkurzakte. Mit dem „EU‑Rezept“ sollen sowohl in Österreich ausgestellte, elektronische Verschreibungen für in Österreich wohnhafte oder sozialversicherte Personen (siehe zur Definition im besonderen Teil zu Z 8) in Apotheken anderer Mitgliedstaaten eingelöst werden können (Österreich als Herkunftsmitgliedstaat), als auch in anderen Mitgliedstaaten ausgestellte, elektronische Verschreibungen für Personen des jeweiligen Mitgliedstaats in österreichischen öffentlichen Apotheken eingelöst werden können (Österreich als Behandlungsmitgliedstaat). Sozialversicherungsrechtliche Vorschriften bleiben davon gänzlich unberührt. Mit der EU-Patientenkurzakte sollen in einem ersten Schritt Patientenkurzakten von in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften oder sozialversicherten Personen im Rahmen einer Behandlung durch einen österreichischen Gesundheitsdiensteanbieter abgerufen werden können.
Diese Vorgaben des Europäischen Raums für Gesundheitsdaten für die Mitgliedstaaten werden erst mit Anwendbarkeit der Verordnung im März 2029 verpflichtend, dennoch sollen die Nationale Kontaktstelle für digitale Gesundheit als Infrastruktur sowie die Anwendungen EU‑Rezept und EU-Patientenkurzakte in Österreich schon vorzeitig implementiert werden. Grund dafür ist eine nur noch jetzt mögliche Kofinanzierung mit Mitteln der EU-Kommission aus dem Förderprogramm „EU4Health“. Der vorliegende Entwurf ist daher kein Vorschlag für einen Umsetzungsrechtsakt (da aufgrund der für den EHDS gewählten Rechtsform Verordnung sonst gegen das Transformationsverbot verstoßen würde), sondern ein rein inhaltlicher Vorgriff betreffend den mit dem EHDS ohnehin verpflichtend umzusetzenden Punkten der Nationalen Kontaktstelle für digitale Gesundheit, des EU-Rezepts und der EU-Patientenkurzakte. Diese (sowie andere) Punkte wurden von anderen Mitgliedstaaten der Union bereits auf Grundlage nationaler Rechtsakte umgesetzt, weshalb die Anbindung an MyHealth@EU bereits zum jetzigen Zeitpunkt Sinn ergibt.
Die vorgeschlagene Implementierung des EU‑Rezepts und der EU-Patientenkurzakte in Österreich entspricht nicht zuletzt auch den nationalen Bestrebungen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens:
Bereits nach dem Regierungsprogramm 2020–2024 ‚Aus Verantwortung für Österreich“ sollen die Fortschritte der Digitalisierung auch im Gesundheitsbereich einen einfacheren und verbesserten Zugang zu medizinischen Leistungen ermöglichen und die Digitalisierung in Diagnose und Behandlung vorangetrieben werden. Ebenso ist im Regierungsprogramm 2025-2029 „Jetzt das Richtige Tun. Für Österreich“ die „verantwortungsvolle Umsetzung des Europäischen Raums für Gesundheitsdaten (EHDS) unter höchsten Sicherheitsstandards unter der Schirmherrschaft von Statistik Austria, Austrian Micro Data Center (AMDC) und Gesundheit Österreich (GÖG) und Einrichtung entsprechender Kontrollmechanismen (Berichte an das Parlament)“ vorgesehen, welche ebenso die Primärdatennutzung inkludiert.
Darüber hinaus beschloss der Ministerrat am 1. Juni 2023 die digitalen Ziele der Bundesregierung in Form des „Digital Austria Act – Für mehr Wohlstand, Sicherheit und neue Chancen durch Innovation“, in dessen Punkt 7.2. die Erweiterung des nationalen e-Rezepts um die grenzüberschreitende elektronische Verschreibung (ePrescription) und elektronische Abgabe (eDispensation) vorgesehen ist.
Im Juni 2024 wurde die „eHealth-Strategie Österreich“ (abrufbar unter: https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:6f5c5706-b2c4-48a2-8b6a-c7f72f9580e3/240806-eHealth-bf.pdf) beschlossen, wonach es mitunter möglich werden soll, grenzüberschreitende Leistungen für Bürger/innen anzubieten, wie z. B. die Möglichkeit, ein Rezept in jeder Apotheke innerhalb der EU einlösen zu können (siehe unter anderem die Maßnahme M3.11 zur Mitwirkung bei für die öffentlichen GTI relevanten EU-Initiativen).
Vor diesem Hintergrund soll mit dem vorliegenden Entwurf die Rechtsgrundlage für die grenzüberschreitenden Gesundheitsanwendungen EU‑Rezept und EU-Patientenkurzakte geschaffen werden. Die Verwendung des EU‑Rezepts und der EU-Patientenkurzakte liegt im (erheblichen) öffentlichen Interesse, welches sich insbesondere ergibt aus:
– der Sicherstellung der Kontinuität der Gesundheitsversorgung durch eine verbesserte, schnellere Verfügbarkeit medizinischer Informationen, die zu einer Qualitätssteigerung diagnostischer und therapeutischer Entscheidungen sowie der Behandlung und Betreuung führen,
– der Erhöhung der Patient/inn/en/sicherheit,
– der Steigerung der Prozess- und Ergebnisqualität von Gesundheitsdienstleistungen,
– der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung sowie
– der Stärkung der Patient/inn/en/rechte, insbesondere in Bezug auf die Verfügbarkeit ihrer elektronischen Gesundheitsdaten und ihre Kontrolle über diese Daten,
jeweils auf grenzüberschreitender Ebene.“
Ein im Zuge der Debatte im Nationalrat eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag war wie folgt begründet:
„Zu Ziffer 1:
Mit der vorgeschlagenen Änderung sollen Tageszentren aus der Definition von „ELGAGesundheitsdiensteanbieter“ ausgenommen werden: Während in stationären Einrichtungen und in mobilen Settings Pflege geleistet wird, sind der überwiegende Teil der Leistung in Tageszentren Tätigkeiten der Betreuung.
Zu Ziffer 2, 3, 5 und 6:
Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an die mit dem eingangs erwähnten Gesetzesantrag vorgeschlagene Änderung in § 12b Abs. 1.
Zu Ziffer 4:
Die vorgeschlagenen Änderungen in § 12b Abs. 3 (lit. a) und § 28 Abs. 3 (lit. c) sollen gemeinsam mit § 12b Abs. 1 in Kraft treten.“
Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 21. Oktober 2025 in Verhandlung genommen.
Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Sandro Beer.
Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.
An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Johanna Miesenberger, Margit Göll, Günther Ruprecht, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Gabriele Kolar, Ferdinand Tiefnig, MMag. Elisabeth Kittl, BA, Werner Gradwohl und Irene Partl.
Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, S, dagegen: F).
Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Sandro Beer gewählt.
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2025 10 21
Sandro Beer Mag. Isabella Theuermann
Berichterstatter Vorsitzende