11717 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 geändert wird

Hauptgesichtspunkte des Beschlusses:

Das Regierungsprogramm 2025–2029 enthält zu „Wirtschaft und Infrastruktur“ unter der Überschrift „Genehmigungsbeschleunigung AVG-Großverfahren“ mehrere Punkte zur Novellierung des Großverfahrens gemäß den §§ 44a ff des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991. Dabei werden einige Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 – UVP G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, ausdrücklich als Vorbild angeführt.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst Erfahrungen aus der Praxis zum Großverfahren im Hinblick auf Potenziale zur Beschleunigung und Strukturierung des Verfahrens eingeholt. Insbesondere erfolgte ein Austausch mit Vertretern des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft und des Bundesministeriums für Innovation, Mobilität und Infrastruktur zu ihren Erfahrungen mit dem Verfahren nach dem UVP G 2000, das in der Praxis den häufigsten Fall für die tatsächliche Anwendung des Großverfahrens nach dem AVG darstellt.

Auf dieser Grundlage sollen einige Änderungen zur Beschleunigung und besseren Strukturierung des Großverfahrens nach dem AVG erfolgen. Dabei sollen insbesondere jene Bestimmungen des UVP G 2000, die sich in der Praxis bewährt haben, ins AVG übernommen werden. Darüber hinaus soll die Schwelle für den Einstieg ins Großverfahren niedriger angesetzt werden, um mehr Verfahren einbeziehen zu können, in denen die typischen Probleme eines Großverfahrens (dazu AB 1167 XX. GP, 24 ff) auftreten.

Ein im Zuge der Debatte im Ausschuss des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:

„Unter unveränderter Beibehaltung der Regelung über die Beiziehung von Amtssachverständigen im geltenden § 52 Abs. 1 AVG soll die Heranziehung nichtamtlicher Sachverständiger erleichtert werden. Die nach geltender Rechtslage in § 52 Abs. 2 und 3 AVG normierten Voraussetzungen für die Heranziehung nichtamtlicher Sachverständiger sollen in einem neuen Abs. 2 mit drei alternativen Tatbeständen zusammengefasst werden. Nichtamtliche Sachverständige sollen nach der neuen Rechtslage in drei Fällen herangezogen werden können, nämlich wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen (Z 1; dies entspricht dem geltenden § 52 Abs. 2 erster Fall AVG), wenn es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist (Z 2; dies entspricht dem geltenden § 52 Abs. 2 zweiter Fall AVG) oder wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist, die Heranziehung von der Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat (vgl. die entsprechende Formulierung in § 76 Abs. 1 erster Satz AVG), angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten (Z 3; dies entspricht dem geltenden § 52 Abs. 3 AVG).

Hintergrund der vorgeschlagenen Änderung ist, dass in Lehre und Rechtsprechung gewisse Unklarheiten über das Verhältnis zwischen § 52 Abs. 2 und 3 AVG bestehen (insbesondere wegen des einleitenden Halbsatzes des Abs. 3; siehe dazu ausführlich Enengel-Binder in Altenburger/Wessely [Hrsg.], AVG Kommentar [2022] § 52 AVG Rz. 129 ff und Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 [Stand 1.7.2005, rdb.at] Rz. 36 ff; vgl. aus der Rechtsprechung VwGH 26.9.2002, 2000/06/0075, einerseits und zB VwGH 28.4.2004, 2001/03/0128; 25.5.2021, Ra 2020/06/0256 Rz. 19, andererseits). Nach der neuen Rechtslage soll die Heranziehung nichtamtlicher Sachverständiger gemäß der Z 3 jedenfalls unabhängig davon möglich sein, ob die Voraussetzungen der Z 1 oder der Z 2 vorliegen oder nicht.

Zu § 52 Abs. 2 erster Fall AVG hat der Verwaltungsgerichtshof judiziert, dass Amtssachverständige nur insoweit „zur Verfügung“ stehen, als sie von der Behörde, der sie beigegeben sind, „auch tatsächlich [...] zur Verfügung gestellt werden (können)“ (VwGH 26.9.2002, 2000/06/0075, mit Hinweis auf die Erkenntnisse VwSlgNF 9370 A/1977 – in dem ausdrücklich auf die Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG Bezug genommen wird – und VwGH 17.9.1996, 95/05/0231). Eine Feststellung der Behörde, dass „eine Zurverfügungstellung [von Amtssachverständigen] innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nicht möglich sei“, wurde von ihm in diesem Zusammenhang für ausreichend erachtet. In der Lehre wurde daraus der Schluss gezogen, dass Amtssachverständige, deren Heranziehung innerhalb der Entscheidungsfrist (Enengel-Binder in Altenburger/Wessely § 52 AVG Rz. 118) oder innerhalb eines angemessenen Zeitraumes (Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 Rz. 34) voraussichtlich nicht möglich ist, nicht im Sinn des § 52 Abs. 2 AVG „zur Verfügung stehen“. Dieses Verständnis liegt auch der vorgeschlagenen Z 1 zugrunde.

Die Heranziehung nichtamtlicher Sachverständiger gemäß der Z 3 soll immer möglich sein, wenn der Antragsteller dies anregt, die Kosten einen von ihm bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten (vgl. zur Kostentragung durch den Antragsteller bis zu diesem Betrag § 53a iVm. § 76 Abs. 1 AVG) und dadurch eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung zu erwarten ist. Letzteres wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die der Behörde beigegebenen Amtssachverständigen wegen ihrer Auslastung nicht beigezogen werden können (vgl. VwGH 27.6.2017, Ro 2015/10/0045 Rz. 21 ff), dies im Verfahrensakt entsprechend dokumentiert wird (vgl. zB VwSlgNF 18.192 A/2011 zur Verfügbarkeit im Sinn des § 52 Abs. 2 AVG) und die Behörde andernfalls ihrer Entscheidungspflicht (insbesondere jener gemäß § 73 Abs. 1 AVG) voraussichtlich (aus der Perspektive des Zeitpunktes der Bestellung des nichtamtlichen Sachverständigen; VwGH 14.9.2004, 2001/10/0089) nicht nachkommen könnte. Unter den genannten Voraussetzungen soll die Behörde einen nichtamtlichen Sachverständigen heranziehen können, ohne vorher prüfen zu müssen, ob ihr (gemäß der vorgeschlagenen Z 1) ein Amtssachverständiger einer anderen Behörde zur Verfügung steht (vgl. zum geltenden § 52 Abs. 2 AVG zB VwGH 25.5.2021, Ra 2020/06/0256 Rz. 18; zur Anwendung auf die Verwaltungsgerichte vgl. zB VwGH 30.4.2020, Ra 2019/12/0082 Rz. 43 ff mwN). Die Behörde soll jedoch nach wie vor nicht verpflichtet sein, der Anregung des Antragstellers zu entsprechen; auch die Entscheidung, ob ein nichtamtlicher Sachverständiger zu bestellen ist, und die Auswahl des konkreten Sachverständigen sollen weiterhin im Handlungs- bzw. Auswahlermessen der Behörde bleiben. Die Notwendigkeit der amtswegigen Prüfung von Ausschließungsgründen durch die Behörde (zB durch ausdrückliche Befragung der als Sachverständiger in Betracht gezogenen Person) und das Ablehnungsrecht der Parteien gemäß § 53 Abs. 1 AVG sollen ebenfalls unberührt bleiben.

Auf Grund der vorgeschlagenen Änderung des § 52 Abs. 2 bis 4 AVG sind schließlich legistische Anpassungen in § 39a Abs. 1 AVG und in § 76 Abs. 1 AVG erforderlich.

Gemäß § 17 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, ist der neue § 52 Abs. 2 AVG auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anzuwenden.“

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 2. Dezember 2025 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Sandra Lassnig.

Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Klara Neurauter, MMag. Elisabeth Kittl, BA und Mag. Franz Ebner.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Sandra Lassnig gewählt.


Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2025 12 02

                                 Sandra Lassnig                                                              Mag. Franz Ebner

                                  Berichterstatterin                                                                      Vorsitzender