6170 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

B e r i c h t

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2000 betreffend ein Bundesgesetz über den Fonds für freiwillige Leistungen der Republik Österreich an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes (Versöhnungsfonds-Gesetz)

Mit diesem Gesetzesbeschluss des Nationalrates wird der ,Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit (Versöhnungsfonds)’ eingerichtet. Er hat das Ziel, durch eine freiwillige Geste der Republik Österreich gegenüber natürlichen Personen, die durch das nationalsozialistische Regime zu Sklaven- oder Zwangsarbeit auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich gezwungen wurden, einen Beitrag zu Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit zu leisten.

Dazu hat der Verfassungsausschuss des Nationalrates folgende allgemeine Erklärung abgegeben:

,Das nationalsozialistische Regime hat in seiner unvorstellbar menschenverachtenden Ausformung unendlich viel Leid über millionen von Menschen gebracht. Österreich, das am 13. März 1938 von Hitler-Deutschland besetzt wurde, hat in den Kriegsjahren als Staat nicht existiert. Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass unter den größten Verbrechern des nationalsozialistischen Regimes auch Österreicher waren.

Holocaust, aber auch Sklaven- und Zwangsarbeit waren Ausdruck einer grausamen Missachtung der Menschenrechte und bedeutete Deportation von Menschen aller Altersgruppen, ihre Entrechtung, Versklavung, Misshandlung, Verletzung ihrer Menschenwürde und in vielen Fällen ihre Vernichtung durch Arbeit. Viele der Betroffenen haben sich in ihrem späteren Leben vom Trauma der Verschleppung nie mehr befreien können.

Bundeskanzler Dr. Vranitzky betonte am 8. Juli 1991 im Nationalrat die Mitverantwortung Österreichs, indem er ein Bekenntnis ,zu allen Daten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen’ ablegte.

Bundespräsident Dr. Klestil verwies auf die moralische Mitverantwortung Österreichs, in dem er anlässlich seiner Rede in Jerusalem am 15. November 1994 ausführte: ,Heute wissen wir Österreicher, dass das Eingeständnis der vollen Wahrheit zu lange auf sich warten ließ: Wir wissen, dass wir oft nur davon gesprochen haben, dass Österreich als erster Staat seine Freiheit und Unabhängigkeit an den Nationalsozialismus verlor – aber viel zu selten auch darüber, dass manche der ärgsten Schergen der NS-Diktatur Österreicher waren. Kein Wort der Entschuldigung könnte je den Schmerz über den Holocaust aus dem Gedächtnis löschen – namens der Republik Österreich verbeuge ich mich vor den Opfern von damals.’

Aus Anlass des 50. Jahrestages der Wiedererrichtung der Republik Österreich wurde der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus eingerichtet, um an das unermessliche Leid zu erinnern, das der Nationalsozialismus über millionen von Menschen gebracht hat, und der Tatsache zu gedenken, dass auch Österreicher an diesen Verbrechen beteiligt waren. Dieser Fonds erbringt Leistungen als Geste der Anerkennung erlittenen Unrechts an österreichische Opfer des Nationalsozialismus.

Nach der Einrichtung des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus im Jahr 1995 hat die österreichische Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Klima und Vizekanzler Dr. Schüssel den Weg der Aufarbeitung der öster

 

reichischen Vergangenheit durch die Einsetzung der Historikerkommission der Republik Österreich 1998 konsequent fortgesetzt.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel betonte in seiner Regierungserklärung am 9. Februar 2000: ,Wenn wir über die Zukunft der Jugend reden, dann müssen wir ihr auch etwas ganz Wesentliches mit auf den Weg geben: das Wissen um die Geschichte dieses Landes. Österreichs NS-Vergangenheit erfordert eine besonders wache und kritische Auseinandersetzung und die notwendige Sensibilität für die Strukturen und Mechanismen des nationalsozialistischen Unrechtssystems. Dieses Wissen und die Sensibilität müssen wir künftigen Generationen als Mahnung für die Zukunft weitergeben. Einige wichtige Schritte wurden in den letzten Jahren bereits gesetzt.

Jetzt geht es darum, dass die Bundesregierung im Lichte des Zwischenberichtes der Österreichischen Historikerkommission die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter unter Berücksichtigung der Verantwortung der betroffenen Unternehmen rasch entschädigt. Die neue Bundesregierung wird darauf drängen, dass die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter so schnell wie möglich zu ihrem Recht kommen.’

Am 15. Februar 2000 hat die österreichische Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Schüssel und Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer mittels Ministerratsbeschlusses die frühere Präsidentin der Oesterreichischen Nationalbank, Dr. Maria Schaumayer, als Regierungsbeauftragte mit der Führung der Verhandlungen über österreichische Leistungen an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich beauftragt. Ziel der Verhandlungen war es, durch freiwillige Leistungen Österreichs auf der Grundlage einer eigenständigen österreichischen Fondslösung einerseits einer moralischen Verpflichtung Österreichs gegenüber den Opfern der so genannten Sklavenarbeit und der Zwangsarbeit nachzukommen, die sich aus der Arbeitsleistung der Betroffenen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich ergibt und andererseits den Rechtsfrieden für die österreichische Wirtschaft auf den mittel- und osteuropäischen Märkten und dem amerikanischen Markt sicherzustellen. Dieser Lösungsansatz, der mit dem vorliegenden Gesetz verwirklicht werden soll, sieht ein Abwicklungsmodell für die österreichischen Leistungen vor, die den hochbetagten Opfern rasch und möglichst ungeschmälert zukommen sollen.

Die Leistungen nach diesem Bundesgesetz werden von der Republik Österreich auf freiwilliger Basis erbracht und setzten sich aus Beiträgen des Bundesbudgets, der Gebietskörperschaften, der österreichischen Wirtschaft und sonstigen Beiträgen zusammen. Aufgrund der Bestimmungen der Artikel 21 und 26 des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. Nr. 152/1955, bestehen keine Rechtsansprüche.

Die Regierungsbeauftragte Dr. Maria Schaumayer hat in intensiven Verhandlungen mit allen beteiligten Partnern und zuletzt bei der Versöhnungsfondskonferenz in der Wiener Hofburg am 16. und 17. Mai 2000, die unter dem Ko-Vorsitz des amerikanischen Vizefinanzministers Stuart Eizenstat stattfand, und an der Regierungsdelegationen aus der Republik Belarus, der Polnischen Republik, der Russischen Föderation, der Tschechischen Republik, der Ukraine und der Ungarischen Republik teilnahmen, grundsätzliche Zustimmung zu den wesentlichen Punkten der geplanten österreichischen Fondslösung für diese Leistungen erhalten.

Es ist beabsichtigt, mit den Regierungen der obgenannten mittel- und osteuropäischen Staaten und den Vereinigten Staaten von Amerika auf der Grundlage des vorliegenden Versöhnungsfonds-Gesetzes Regierungsübereinkommen abzuschließen, in denen sowohl die Rechtssicherheit für die österreichische Wirtschaft gesichert wird, als auch Vorkehrungen für die Abwicklung der Leistungen des geplanten österreichischen Versöhnungsfonds im Wege der in den mittel- und osteuropäischen Ländern bestehenden Versöhnungsstiftungen getroffen werden sollen.

Die österreichische Bundesregierung und der österreichische Nationalrat sind sich der Tatsache bewusst, dass die Leiden und Demütigungen der Opfer der Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, zu denen vor allem auch die Häftlinge in Konzentrations

 

lagern, die zur Arbeit gezwungen wurden (so genannte Sklavenarbeiter), und die zivilen Arbeitskräfte, die auf das Gebiet der heutigen Republik Österreich deportiert oder hier gegen ihren Willen festgehalten und zur Arbeit gezwungen wurden (Zwangsarbeiter), gehörten, mit Geldleistungen nicht gut zu machen sind.

Österreich anerkennt mit den auf der Basis des vorliegenden Gesetzes zu erbringenden, freiwilligen Leistungen das Leiden der Opfer der Sklaven- und Zwangsarbeit, die ausgenutzt wurden, um einen Beitrag zur damaligen Wirtschaft zu leisten, der in einigen Fällen noch heute nachvollziehbar ist. Für die Opfer war der Ort ihres Einsatzes Österreich, auch wenn es damals nicht existierte.

Die Leistungen aus diesem Gesetz richten sich vorwiegend an diejenigen ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes, die aufgrund der zynischen ,NS-Hierarchie der Nationalitäten’ in der Zeit des NS-Regimes ein überdurchschnittlich schweres Schicksal und eine besondere Diskriminierung erlitten haben, wobei der Fonds allen Personen offen steht, deren Behandlung durch das NS-Regime den oben erwähnten unmenschlichen Behandlungen gleichkam. Eine Voraussetzung für die Leistung ist die territoriale Zuordnung zum Staatsgebiet der heutigen Republik Österreich.

Das österreichische Versöhnungsfondsgesetz wird Leistungen an Zwangsarbeiter in Industrie und Landwirtschaft erbringen und sieht dafür die Elemente der Deportation bzw. der Verweigerung der Rückkehr in das Heimatland, die schlechten Lebensbedingungen, im Falle der Zwangsarbeiter in der Industrie die haftmäßige Unterbringung oder ähnliche Freiheitsbeschränkungen, im Falle der Zwangsarbeit in der Landwirtschaft die Einschränkung der persönlichen Rechte oder die besonders strengen Disziplinärmaßnahmen als leistungsbegründend an. Diese Elemente treffen insbesondere auf die Angehörigen der früheren Sowjetunion (Ostarbeiter), Polen, Slowenen, Serben, Balten und Tschechen zu.

Darüber hinaus sollen auch Personen leistungsberechtigt sein, die dauernde schwere psychische oder physische Schäden als Resultat ihrer Sklaven- oder Zwangsarbeit davongetragen haben.

Desgleichen anerkennt Österreich auch seine Verantwortung für die Sklavenarbeiter, die auf seinem heutigen Staatsgebiet zur Arbeit gezwungen wurden und berücksichtigt dementsprechend österreichische Sklavenarbeiter und Opfer, die in KZ-ähnlichen Lagern zur Sklavenarbeit gezwungen wurden und von der Stiftung ,Erinnerung, Verantwortung und Zukunft’ der Bundesrepublik Deutschland nicht umfasst sind. Zu diesem Personenkreis gehören insbesondere auch ungarische Juden, die in den Jahren 1944 und 1945 von Ungarn in KZ-ähnliche Lager in der Umgebung von Wien deportiert wurden und im Großraum Wien zum Arbeitseinsatz kamen, und jene, die zum Bau des ,Südostwalls’ auf das Gebiet der heutigen Republik Österreich verbracht wurden, und in der oe. deutschen Stiftung keine Berücksichtigung finden würden.

Als besondere Opfergruppen bedenkt das Gesetz Kinder und Minderjährige, die ohne zur Arbeit gezwungen worden zu sein, mit einem oder beiden Elternteilen mitdeportiert wurden, sowie Zwangsarbeiterinnen, die Kinder in Ostarbeiterinnenentbindungsheimen zur Welt bringen mussten, wo Kinder oft unmittelbar danach zu Tode gebracht wurden, oder die zum Schwangerschaftsabbruch genötigt wurden.

Die Einbeziehung der in den mittel- und osteuropäischen Staaten (§ 7 Abs. 4) bestehenden Versöhnungsstiftungen dient der Effizienz und Sparsamkeit des Abwicklungsprozesses, wobei auf diese Weise auch vermieden wird, dass bereits registrierte, betagte Opfer erneut einen Antragstellungsprozess über sich ergehen lassen müssen, soferne ihre Unterlagen bereits in den Datenbanken der Stiftungen zur Verfügung stehen. Anträge aus allen anderen Ländern, wie auch Anträge nach § 2 Abs. 1 Z 3 (Härtefälle) werden direkt an den Fonds zu richten sein.

Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat ihre Bereitschaft bekundet, an der Erreichung des Rechtsfriedens in den Vereinigten Staaten mitzuarbeiten, der eine der Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Gesetzes ist. Die österreichische Wirtschaft hat

 

in vielfachen Erklärungen ihre Absicht bekundet, nach Erreichung des Rechtsfriedens in den Vereinigten Staaten ihren Beitrag zur Dotierung des Versöhnungsfonds zu leisten."

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2000 07 17

 

 

Alfred SCHÖLS Engelbert SCHAUFLER

Berichterstatter Vorsitzender

 

DER BUNDESRAT HAT BESCHLOSSEN:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2000 betreffend ein Bundesgesetz über den Fonds für freiwillige Leistungen der Republik Österreich an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes (Versöhnungsfonds-Gesetz), keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2000 07 19

 

 

 

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SCHRIFTFÜHRUNG PRÄSIDENT DES BUNDESRATES