7133 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgerichtlichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 - StEG 2005)

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, dass die Ersatzpflicht des Bundes für die durch eine gesetzwidrige oder ungerechtfertigte strafgerichtliche Anhaltung oder eine strafgerichtliche Verurteilung erlittenen vermögensrechtlichen Nachteile derzeit im Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz  aus dem Jahre 1969 (StEG 1969) geregelt ist. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes widersprechen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aber teilweise der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK). Österreich ist an die Urteile dieses Gerichtshofs gebunden und verpflichtet, sie – gegebenenfalls auch durch eine Anpassung der Rechtsordnung – zu befolgen.

Die Mängel des geltenden Rechts sollen zum Anlass genommen werden, das strafrechtliche Entschädigungsrecht neu zu gestalten. Der Ersatzanspruch aufgrund einer strafgerichtlichen Anhaltung wird konventionskonform ausgestaltet. Zudem hat die geschädigte Person künftig Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens, also auf ein „Schmerzengeld“ für den Verlust der persönlichen Freiheit. Weiter wird das Verfahren drastisch vereinfacht: Die geschädigte Person soll unmittelbar die Zivilgerichte anrufen können, ohne dass sie zuvor eine positive Entscheidung der Strafgerichte herbeiführen muss.

Der Reformbedarf wird zum Anlass genommen, mit dem gegenständlichen Beschluss das strafrechtliche Entschädigungsrecht insgesamt neu zu gestalten. Dem Geschädigten soll es in Hinkunft – nach Durchführung eines außergerichtlichen Aufforderungsverfahrens – frei stehen, sich sogleich an das Zivilgericht zu wenden und seine Ansprüche einzuklagen. Dabei kann er auch Verfahrenshilfe beantragen und erhalten. Das bisher einem Zivilprozess vorgeschaltete strafrechtliche Verfahren über die Anspruchsvoraussetzungen und die Ausschließungsgründe (§ 6 StEG 1969) soll dagegen beseitigt werden. Mit der damit verbundenen Konzentration der Anspruchstellung auf die Zivilgerichte soll das Verfahren im Interesse aller Beteiligten beschleunigt werden. Gleichzeitig wird damit auch der Judikatur des EGMR zu den Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 1 MRK Rechnung getragen. Letztlich ist es zweckmäßig, zur Entscheidung über den im Kern zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch einen anderen Zweig der Gerichtsbarkeit als die Strafgerichte zu berufen.

Darüber hinaus soll die Rechtsposition des Geschädigten hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe verbessert werden. Vor allem ist hier die Anspruchsvoraussetzung der Verdachtsentkräftung nach einem freisprechenden Erkenntnis zu erwähnen. Die derzeit geltende Regelung widerspricht nicht nur in Teilen der MRK, sondern hat den Betroffenen aufgrund der damit verbundenen Beweislastverteilung in der Praxis häufig große Probleme bereitet und die Durchsetzung ihrer Ansprüche verhindert. Das Erfordernis der vollständigen Verdachtsentkräftung nach einem Freispruch soll daher entfallen. Es wäre aber nicht sachgerecht, eine Entschädigung in allen anderen Fällen der Einstellung des Verfahrens quasi automatisch ohne nähere Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu gewähren. Vielmehr bedarf es eines Instrumentariums, mit dem unangemessenen und unbilligen Ergebnissen begegnet werden kann. Zu denken ist hier an Fälle, in denen die uneingeschränkte Zuerkennung einer Ersatzleistung etwa im Hinblick auf eine zunächst „drückende“ Beweislage oder bei Vorliegen schwerwiegender Haftgründe unverständlich wäre. Derartigen unangemessenen Entschädigungsansprüchen soll mit einer – bisher im Gesetz nicht vorgesehenen – „differenzierten Ermessensklausel“ begegnet werden.

Die dargestellten Maßnahmen erforderten im geltenden StEG 1969 umfangreiche Änderungen. Angesichts dessen und im Hinblick auf die grundlegende Neuorientierung dieses Rechtsbereichs ist es sinnvoll, das geltende Recht nicht durch eine bloße Novelle zu ändern, sondern ein neues (Eingriffs-) Haftungsgesetz zu erlassen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2004 11 03

Johanna Auer    Johann Giefing

    Berichterstatterin           Vorsitzender