7392 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit

über den Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend  Unterstützung der Bemühungen des Oberösterreichischen und des Niederösterreichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (144/A(E)-BR/2005)

Die Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen haben am 21. Juli 2005 den Entschließungsantrag betreffend Unterstützung der Bemühungen des Oberösterreichischen und des Niederösterreichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleistungsrichtlinie eingebracht und wie folgt begründet:

Der Oberösterreichische Landtag hat folgenden Antrag beschlossen:

„Am EU-Gipfel von Lissabon im Juni 2000 wurde vereinbart, dass die Politik der EU einer sektoralen Liberalisierung jeweils einzelner öffentlicher Dienstleistungsbereiche fortgesetzt werden soll. Seither sind Vorstöße zur Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs, einer Marktöffnung des Wassersektors und zuletzt auch betreffend sozialer Dienstleistungen unternommen worden.

Zeitgleich aber gibt es den Versuch der Europäischen Kommission, durch eine einzige Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt nicht mehr Sektor für Sektor vorzugehen, sondern praktisch alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse weitgehend zu liberalisieren, wovon auch die Leistungen der Daseinsvorsorge betroffen wären. Dieser Antrag wendet sich nicht gegen das grundsätzliche Ziel eines Richtlinienvorschlages, im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, weil sich im gemeinsamen Binnenmarkt auch Chancen für heimische Betriebe ergeben.

Da sich der Vorschlag aber nicht mit den ausdrücklichen Zielen der Lissabon-Strategie deckt (effiziente Verschränkung der Wirtschafts-, Umwelt-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik), sondern als zentrales Ziel Dienstleistungen ohne Rücksichtnahme auf Unternehmen und Arbeitsplätze liberalisieren will, ist vorweg eine ausdrückliche Ausnahme der Leistungen der Daseinsvorsorge zu fordern und das uneingeschränkte Herkunftslandprinzip in der vorliegenden Form abzulehnen.

Dieses Prinzip sagt aus, dass künftig für Erbringer(innen) einer Dienstleistung weitgehend nur noch die Gesetze und Vorschriften ihres EU-Herkunftslandes gelten sollen und nicht wie bisher die Rechtsnormen vor Ort. 

Das bedeutet konkret unter anderem,

*      die hohen österreichischen Standards - zum Beispiel bei Berufsausbildung, beim Einkommen, bei Qualität der Dienstleistung oder bei arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen - werden in Frage gestellt,

*      zur Umgehung hoher Anforderungen im eigenen Staat wird es möglich, über den Umweg einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat (der solche Anforderungen nicht stellt), die Dienstleistung zu niedrigeren Standards auszuführen,

*      für inländische Anbieter, die sich an hohe Qualitäts-, Sozial-, Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards halten, wird es einen erheblichen Wettbewerbsnachteil geben,

*      Behörden wird zudem die Möglichkeit genommen, von unternehmerischen Tätigkeiten überhaupt Kenntnis zu erlangen;

*      die Verfolgung von Gesetzesverstößen eines EU-Dienstleisters wäre nicht dem Land, in dem die Dienstleistung erbracht wird, sondern den Behörden seines Herkunftslandes zu übertragen.

Derzeit laufen die Beratungen im Europäischen Parlament und auf Ratsebene. Im Interesse der österreichischen Arbeitnehmer(innen) und Unternehmer(innen) sollte jetzt darauf hingearbeitet werden, dass die Dienstleistungsrichtlinie in der vorliegenden Form nicht beschlossen wird.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass gemäß Art. 5 des LVG über die Beteiligung des Landes Oberösterreich an der Europäischen Integration der Oö. Landtag seinen Standpunkt zu einem Vorhaben im Rahmen der Europäischen Integration äußern kann, welchen die Landesregierung bei der Darlegung des Landesstandpunktes gegenüber dem Bund zu berücksichtigen hat.“

Ebenso hat der Niederösterreichische Landtag einen Antrag zu diesem wichtigen Thema beschlossen, der wie folgt lautet:

„Die niederösterreichische Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung mit dem Ersuchen heranzutreten, bei den Verhandlungen des Rates auf allen Ebenen den vorliegenden Vorschlag der Kommission betreffend einer Richtlinie über die Dienstleistungen im Binnenmarkt in der vorliegenden Form abzulehnen.

Weiters soll die Bundesregierung aufgefordert werden, sich für die Umsetzung folgender Maßnahmen im Zusammenhang mit der vorliegenden Dienstleistungsrichtlinie einzusetzen:

1.      Es soll in der Richtlinie über die Dienstleistungen im Binnenmarkt klar gestellt werden, dass Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, so genannte Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, insbesondere Gesundheits- und Sozialdienstleistungen, die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft, Bildung und Kultur ausgenommen sind.

2.      Eine durch die schrankenlose Einführung des Herkunftsland-Prinzips bewirkte ‚InländerInnendiskriminierung’, die zum einen durch geringere Befähigungsnachweise aus dem Herkunftsland zu einer Diskriminierung der heimischen Dienstleister führt, zum anderen zu einer weit reichenden Rechtsunsicherheit auf Seiten der Leistungsempfänger führt, soll hintangehalten werden.

3.      Es sollen keine Maßnahmen gesetzt werden, die zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand und damit zu erhöhten Kosten führen, insbesondere soll einem aufwendigen neuem System von Informationspflichten und Qualitätssicherungsmaßnahmen wie in der vorliegenden Form nicht zugestimmt werden.

4.      Ausreichend lange Übergangsbestimmungen und Fristen sollen vorgesehen werden, damit für die innerstaatliche Rechtsumsetzung genügend Zeit vorhanden ist.

5.      Die Bestimmungen der Entsenderichtlinie für die im Zusammenhang mit der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen entsendeten Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer sollen vollständig aufrechterhalten werden.“

Der Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit hat diesen Antrag in seiner Sitzung am 11. Oktober 2005 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Wolfgang Schimböck.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 32 Absatz 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates ist ein Ausschussbericht über den Verlauf der gegenständlichen Verhandlungen zu erstatten.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde Bundesrat Dr. Karl-Heinz Dernoscheg gewählt.

Wien, 2005 10 11

Dr. Karl-Heinz Dernoscheg          Sonja Zwazl

       Berichterstatter      Stv. Vorsitzende