7452 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit

über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 8. Mai 2003 ausgesprochen, dass § 21 AKG, der türkische Arbeitnehmer vom passiven Wahlrecht ausschließt, gemeinschaftsrechtswidrig ist. Auf Grund dieses Urteils erkannte der VfGH in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 2003 die Wahl zur Vollversammlung der Arbeiterkammer Vorarlberg 1999 als rechtswidrig.

Im Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich hat der EuGH am 16. September 2004 schließlich entschieden, dass

         1. der Ausschluss von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Mitgliedstaaten der EU oder des EWR vom passiven Wahlrecht zu den Arbeiterkammern dem Gemeinschaftsrecht widerspricht und

         2. der Ausschluss von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Drittstaaten, mit denen ein Abkommen in Bezug auf die Nicht-Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen besteht, vom passi­ven Wahlrecht zu den Betriebsräten und zu den Arbeiterkammern ebenfalls dem Gemeinschaftsrecht widerspricht.

Aus diesen Gerichtsentscheidungen ergibt sich folgende Rechtslage:

Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes oder Staatsangehörige eines Staates, mit dem die Gemeinschaft ein Abkommen geschlossen hat, das den Grundsatz der Nichtdiskriminierung der rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus diesem Staat regelt, sind sowohl zum Betriebsrat als auch zur Vollversammlung der Arbeiterkammer - bei Erfüllung der sonstigen Wählbarkeitsvoraussetzungen - passiv wahlberechtigt.

Die gemeinschaftsrechtskonforme Anwendung des § 21 AKG wurde bei den letzten Arbeiterkammerwahlen 2004 mittels eines Erlasses des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an die Hauptwahlkommissionen  sichergestellt.

Allerdings genügt die gemeinschaftsrechtskonforme Anwendung nationaler Bestimmungen, die vom Wortlaut her gemeinschaftsrechtswidrig sind, nicht. Notwendig ist vielmehr eine ausdrückliche Änderung gemeinschaftsrechtswidriger nationaler Regelungen, wie sie mit dem gegenständlichen Initiativantrag vorgesehen ist.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates dehnt das passive Wahlrecht auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, aus und trägt damit auch den entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Europäischen Sozialcharta (Art. 5) sowie aus Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (Übereinkommen Nr. 87) Rechnung.

Die Änderung soll mit 1. Juli 2005 wirksam werden. In Bezug auf Betriebsratswahlen ist dabei auf das Datum der Wahlausschreibung (§ 55 Abs. 2 ArbVG) abzustellen.

Über die Öffnung des passiven Wahlrechts auch auf nicht-österreichische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinaus soll in § 21 Z 2 AKG die bisher enthaltene Wählbarkeitsvoraussetzung, wonach eine mindestens 2-jährige Beschäftigung in einem die Arbeiterkammerzugehörigkeit begründenden Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis in einem Bezugszeitraum von 5 Jahren vorliegen muss, geändert werden. Sachlicher Hintergrund der Anforderung des § 21 Z 2 ist es, bei einer Wahlwerberin bzw. einem Wahlwerber eine gewisse Kenntnis des Arbeitslebens und dessen Rahmenbedingungen vorauszusetzen, wobei dies aber nicht unbedingt daran geknüpft wird, dass jemand eine gewisse Zeitspanne in seiner Tätigkeit arbeiterkammerzugehörig war.

 

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates am 19. Dezember 2005 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die Bundesräte Sissy Roth-Halvax, Mag. Susanne Neuwirth und Helmut Wiesenegg.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2005 12 19

                   Helmut Wiesenegg              Wolfgang Schimböck

       Berichterstatter           Vorsitzender