7523 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus
über den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2006 betreffend einen Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Tschechischen Republik, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Republik Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Republik Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union sowie Protokoll samt Anhängen, Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht samt Anhängen und Schlussakte
Allgemeines
Das Beitrittsvertragswerk orientiert sich inhaltlich weitgehend an jenem
über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der
Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik
Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der
Slowakischen Republik zur Europäischen Union im Jahr 2004 (vgl. BGBl. III Nr.
20/2004). Es finden sich daher im Vertragswerk eine Reihe von Artikeln, die
denselben Wortlaut mit den Artikeln aus dem Beitrittsvertrag mit den zehn neuen
Mitgliedsstaaten aufweisen. Es gibt ein einziges Vertragswerk, das beide
beitretenden Staaten einschließt.
Das Vertragswerk umfasst den Beitrittsvertrag, das Beitrittsprotokoll und
Anhänge bzw. die Beitrittsakte und Anhänge sowie die Schlussakte samt
Erklärungen. Neu daran ist das Beitrittsprotokoll samt Anhang, weil zwischen
dem Szenario der Anwendbarkeit des Vertrags über eine Verfassung für Europa am
Tag des Beitritts und dem Szenario der Nichtanwendbarkeit des Verfassungsvertrags
unterschieden werden muss. Dieser Differenzierung wird Rechnung getragen durch
die Referenz im ersten Fall auf das Beitrittsprotokoll, und im letzten Fall auf
die Beitrittsakte, welche beide Bestandteile des Beitrittsvertrags sind.
Protokoll und Akte regeln im Wesentlichen identische Vertragsinhalte auf der
Basis von unterschiedlich gültigem Primärrecht zum Zeitpunkt des Beitritts. Der
wesentlichste Unterschied zwischen dem Beitrittsprotokoll und der Beitrittsakte
liegt in materiell-rechtlicher Hinsicht in den unterschiedlichen Bestimmungen
über die Zusammensetzung der Organe der Europäischen Union und den
Beschlussfassungserfordernissen in diesen Institutionen. Hingegen sind die
Bestimmungen über die aufgrund des Beitritts von zwei neuen Mitgliedsstaaten
vorzunehmenden technischen Anpassungen des Sekundärrechts und die Bestimmungen
über die Übergangsmaßnahmen, wie sie insbesondere in den Artikeln 3, 4, 19, 20,
21 und 23 der Beitrittsakte, in den Artikeln 3, 4, 16, 17, 18 und 20 des
Beitrittsprotokolls sowie in den Anhängen I bis IX des Beitrittsprotokolls und
der Beitrittsakte normiert sind, in materieller Hinsicht identisch. Es ist
festzuhalten, dass der Beitrittsvertrag Primärrecht bildet und daher den
höchsten Rang im EU-Recht aufweist. Änderungen des Beitrittsvertrags können
daher grundsätzlich nur im Rahmen der Vertragsrevision gemäß Artikel 49
vorgenommen werden. Auch darf in die Beitrittsakte bzw. das Beitrittsprotokoll,
deren rechtlicher Status sich vom Beitrittsvertrag herleitet (Art. 1 Abs. 2 bzw.
Art. 2 Abs. 2 des Beitrittsvertrags), grundsätzlich nur im Wege einer
Vertragsrevision eingegriffen werden. Beim Beitrittsvertrag handelt sich um
einen einzigen Vertrag für beide Länder. Wie die bisherigen Beitrittsverträge
sieht der vorliegende Beitrittsvertrag ein Zieldatum für das Inkrafttreten vor,
nämlich den 1. Jänner 2007. Im Unterschied zu den bisherigen Beitrittsverträgen
sehen Artikel 4 Absatz 2 Unterabsätze 3 und 4 des Beitrittsvertrags die
Möglichkeit der Verschiebung des Inkrafttretens des Beitrittsvertrages für
einen oder beide Staaten auf den 1. Jänner 2008 vor, ungeachtet der
Hinterlegung der erforderlichen Ratifikationsurkunden. Letztere Regelung
ermöglicht, dass die Entscheidung über die Inanspruchnahme dieser
Verschiebungsklausel bereits zu einem Zeitpunkt während der Ratifikationsphase
fallen kann. Voraussetzung für die Beitrittsverschiebung ist ein entsprechender
Beschluss des Rates gemäß Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 bzw. 4 des
Beitrittsvertrags in Verbindung mit Artikel 39 der Beitrittsakte bzw. des
Beitrittsprotokolls. Für den Fall der Anwendbarkeit des Verfassungsvertrags
verweist Artikel 1 Absatz 3 des Beitrittsvertrags auf das Beitrittsprotokoll,
dessen Bestimmungen Bestandteil des Beitrittsvertrags sind. Das Protokoll über
die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens zur
Europäischen Union und die Anpassungen der Verträge auf denen die Union beruht,
besteht aus 61 Artikeln und den Anhängen I bis IX. Für den Fall der
Nichtanwendbarkeit des Verfassungsvertrags am Tag des Beitritts verweist
Artikel 2 Absatz 2 hinsichtlich der Aufnahmebedingungen und der erforderlichen
Anpassungen der die Union begründenden Verträge auf die Akte, deren
Bestimmungen Bestandteil des Beitrittsvertrags ist. Die Beitrittsakte besteht wie
das Beitrittsprotokoll aus 61 Artikeln und den Anhängen I bis IX.
Genehmigungsverfahren
des Beitrittsvertrages
Bereits der
Abschluss des Staatsvertrages über den Beitritt Österreichs zur Europäischen
Union erfolgte auf Grund einer besonderen bundesverfassungsgesetzlichen
Ermächtigung, des Artikels I des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt
Österreichs zur Europäischen Union, BGBl. Nr. 744/1994. Auf Grund der
Sonderbestimmung des Artikels II dieses Bundesverfassungsgesetzes erübrigte
sich eine ausdrückliche Bezeichnung des Beitrittsvertrags oder einzelner seiner
Bestimmungen als „verfassungsändernd“. Analoge Regelungen enthalten das
Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrags von Amsterdam, BGBl. I
Nr. 76/1998, das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrags von
Nizza, BGBl. I Nr. 120/2001, und das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss
des Vertrags über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik
Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der
Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien
und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union, BGBl. I Nr. 53/2003,
sowie das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine
Verfassung für Europa, BGBl I Nr. 12/2005 (welcher noch nicht in Kraft getreten
ist). Durch die Beschlüsse des Parlaments über die Genehmigung des Beitritts
Österreichs zur Europäischen Union, des Vertrags von Amsterdam und des Vertrags
von Nizza sowie des Beitrittsvertrags mit den zehn neuen EU-Mitgliedern ist das
den Gegenstand dieser Verträge bildende EU-Recht nicht rangmäßig in das
österreichische Rechtsquellensystem eingeordnet worden. Da auch durch den
vorliegenden Beitrittsvertrag EU-Recht geändert werden soll, ergeben sich die
gleichen rechtstechnischen Probleme, wie sie sich bereits aus Anlass des
Beitritts Österreichs zur Europäischen Union und des Abschlusses der Verträge
von Amsterdam und von Nizza sowie des Beitrittsvertrags mit den zehn neuen
EU-Mitgliedern ergeben haben. Der Abschluss des vorliegenden Beitrittsvertrags
erfolgt daher ebenfalls auf Grund einer besonderen
bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung, wonach sowohl die Genehmigung durch
den Nationalrat als auch die Zustimmung durch den Bundesrat jeweils bei
erhöhtem Präsenz- und Konsensquorum (Zweidrittelmehrheit) zu beschließen
sind. Eine ausdrückliche
Bezeichnung als „verfassungsändernd“ des Vertrags oder einzelner seiner
Bestimmungen, durch die Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, ist im
Sinne des erwähnten Bundesverfassungsgesetzes nicht erforderlich. Auch eine
Beschlussfassung über eine Erlassung von Erfüllungsgesetzen kommt nicht in
Betracht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass künftige
Änderungen des Primärrechts (dies umfasst auch den vorliegenden
Beitrittsvertrag) entsprechend der oben geschilderten besonderen Vorgangsweise
vorgenommen werden müssten. Anders als der Vertrag über den Beitritt der
Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schwedens zur
Europäischen Union bedarf der vorliegende Beitrittsvertrag wie jener mit den
zehn neuen Mitgliedsstaaten vom 16. April 2003 keiner flankierenden Änderungen
des B-VG.
Finanzielle
Auswirkungen
Die unten stehenden Tabellen geben einen Überblick über die Leistungen des
EU-Haushaltes für Bulgarien und Rumänien und die hieraus erwachsenden
Auswirkungen auf Österreich. Insgesamt stehen für die beiden Länder in den
ersten drei Jahren nach Beitritt € 15,397 Mrd. an Verpflichtungen bzw. € 9,055
Mrd. an Zahlungen zur Verfügung. Die dargestellten Beträge stellen Obergrenzen
dar. Inwieweit diese Beträge ausgeschöpft werden, kann zum derzeitigen
Zeitpunkt nicht vorhergesagt werden. Bei einer vollen Ausschöpfung der zur
Verfügung stehenden Mittel für Bulgarien und Rumänien kann für Österreich eine
Mehrbelastung bei der Finanzierung des EU-Haushaltes in den ersten drei Jahren
von bis zu rund € 200 Mio. entstehen.


Hinsichtlich der
Kundmachung des Staatsvertrages hat der Nationalrat gemäß Art. 49
Abs. 2 B-VG beschlossen, dass dessen bulgarische, dänische, englische,
estnische, finnische, französische, griechische, irische, italienische,
lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische,
rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische und
ungarische Sprachfassungen dadurch kundzumachen
sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
aufliegen.
Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Gottfried Kneifel.
An der Debatte beteiligten sich die Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Gottfried Kneifel und Stefan Schennach.
Zum Berichterstatter für das Haus wurde Bundesrat Gottfried Kneifel gewählt.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,
1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,
2. dem Beschluss des Nationalrates betreffend den Abschluss des Staatsvertrages: Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Tschechischen Republik, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Republik Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Republik Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union sowie Protokoll samt Anhängen, Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht samt Anhängen und Schlussakte zur Europäischen Union im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Wien, 2006 05 09
Gottfried Kneifel Jürgen Weiss
Berichterstatter Vorsitzender