Anlage

 

Begründung

des Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Allgemeine Pensionsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2006 – SVÄG 2006)

Mit dem Gesetzesbeschluss des Nationalrates sollen die bestehenden Regelungen über die Schwerarbeitspension in der Weise modifiziert werden, dass in Hinkunft auf das Vorhandensein von 120 Schwerarbeitsmonaten innerhalb der letzten 20 Jahre vor dem Pensionsstichtag abgestellt wird.

 

Ferner soll ein Leistungsabschlag von 1,8 % pro Jahr des vorzeitigen Pensionsantrittes (gegenüber 4,2 % im „Normalfall“) zur Anwendung kommen.

Schließlich soll das Anfallsalter für die Schwerarbeitspension nach § 4 Abs. 3 APG nicht durch eine Verringerung (um einen Monat je vier Schwerarbeitmonate) ermittelt werden, sondern (bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen) ab Vollendung des 60. Lebensjahres gebühren.

 

Diese Neuregelung schließt viele Versicherte, die schwer gearbeitet haben, von vorgesehenen Leistungen oder von anderen pensionswirksamen Begünstigungen in Verbindung mit Schwerarbeit aus. Davon betroffen sind vor allem Frauen und Personen, die eine Invaliditätspension in Anspruch nehmen müssen. Dazu kommen noch Versicherte, die zwar früher über lange Zeit Schwerarbeit geleistet haben, aber keine 120 Beitragsmonate der Schwerarbeit in den letzten 20 Jahren vor dem Stichtag erwerben konnten.

 

Laut Aussagen der Pensionsversicherungsanstalt werden unter diesen Voraussetzungen mittelfristig jährlich lediglich 1.500 Personen Schwerarbeitsleistungen in Anspruch nehmen können. Bezogen auf die 82.000 neu zuerkannten Eigenpensionen des Jahres 2005 ergibt das einen Anteil von 1,8 %. Damit ist die Bundesregierung von ihrem ohnehin bescheidenen Ziel, 5 % der neuen Eigenpensionen aus dem Titel Schwerarbeit zu gewähren, weit entfernt.

 

Für Frauen gibt es auch durch diese Neuregelung der Schwerarbeit weiterhin keinen Pensionsantritt aufgrund der Schwerarbeitsregelung bis zum Jahr 2024, da ein Pensionsantritt frühestens mit 60 vorgesehen ist.

Für Frauen gilt weiter nur die ungünstigere Schwerarbeitsregelung der Pensionsreform 2003, das heißt, dass man als Frau 40 Beitragsjahre (inklusive Zeiten des Wochengeldbezuges und 60 Monate der Kindererziehung) in der Pensionsversicherung erwerben und zusätzlich mehr als die Hälfte davon Schwerarbeitsmonate nachweisen muss. Hat beispielsweise eine Frau Arbeitslosenzeiten und/oder Krankengeld von der Krankenkasse bezogen, hat sie keine Chance aufgrund der Schwerarbeitsregelung mit 55 in Pension zu gehen.

 

Die Schwerarbeitsregelung der Pensionsharmonisierung, die einen Pensionsantritt frühestens mit 60 vorsieht und somit für Frauen bis 2024 irrelevant ist, tritt hingegen bereits 2007 in Kraft und ermöglicht Männern ab diesem Zeitpunkt einen vorzeitigen Pensionsantritt aufgrund von Schwerarbeit. Für Frauen kommt von 2007 bis 30.6.2010 keine Schwerarbeitsregelung zum Tragen. Aber auch ab dem 1.7.2010 werden kaum Frauen von der Schwerarbeitsregelung der Pensionsreform 2003 profitieren. Da der Verordnungstext tendenziell eher ArbeiterInnen erfasst, die aber seltener als Angestellte die Anspruchsvoraussetzungen für die so genannte „Hacklerregelung“ erfüllen, ist davon auszugehen, dass auch ab dem 1.7.2010 kaum Frauen unter die Schwerarbeitsregelung fallen werden. Im Klartext bedeutet das, dass Frauen, die 40 Beitragsjahre erreichen, eher nicht unter die Verordnung fallen und Frauen, die unter die Verordnung fallen, eher nicht 40 Beitragsjahre erwerben.

 

InvaliditätspensionistInnen, die Schwerarbeit geleistet haben, sind auch im gegenständlichen Entwurf von jeder Schwerarbeitsregelung ausgeschlossen. Es ist zu bedenken, dass immerhin zwei Drittel der ArbeiterInnen schon vor dem 60. Lebensjahr eine Invaliditätspension in Anspruch nehmen müssen. Die Begünstigung der Schwerarbeit in der Pensionsberechnung sollte daher nicht über reduzierte Abschläge für eine bestimmte Pensionsart, sondern über einen höheren Steigerungs(Konto-)prozentsatz für alle SchwerarbeiterInnen erfolgen. Die geplante Abschlagsbegünstigung innerhalb des Verlustdeckels hat einerseits im „Altrecht“ keinerlei Auswirkungen und schließt anderseits BezieherInnen von Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, die Schwerarbeit geleistet haben, von Begünstigungen aus. Es erscheint daher nicht zuletzt auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht erforderlich, die Entschädigung für die kürzere Lebensdauer und niedrigere Lebensqualität von SchwerarbeiterInnen über höhere Steigerungsprozentsätze zu regeln.

 

Eine große Gruppe von Versicherten, die ebenfalls von den Begünstigungen der Schwerarbeitsregelungen ausgeschlossenen ist, sind die vor 1955 geborenen Männer, die zwar die Voraussetzungen für eine Schwerarbeitspension erfüllen, aber keine Vorteile von den niedrigeren Abschlägen haben. Ihnen wird der Eindruck vermittelt, dass die geringeren Abschläge von 1,8 % auch zu geringeren Pensionsverlusten führen. Die Wahrheit ist jedoch, dass die geringeren Abschläge deshalb keine Auswirkung auf die Pension haben, weil aufgrund der Pensionsreform 2003 der Maximalverlust im Ausmaß des Verlustdeckels auch unabhängig von der Höhe der Abschläge erreicht wird. Auch hier zeigt sich die Notwendigkeit, Pensionsvorteile allen einzuräumen, die schwer gearbeitet haben. So ist sachlich nicht nachvollziehbar, weshalb Versicherte mit beispielsweise 30 Schwerarbeitsjahren und 43 Versicherungsjahren keinerlei Ausgleich für ihre Schwerarbeitszeiten erhalten sollen.

 

Eine Auswertung der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zeigt, dass jährlich etwa 1.700 Bauarbeiter zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr die Bauwirtschaft verlassen. Die Auswertung verdeutlicht auch, dass eine beträchtliche Anzahl von Bauarbeitern zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr zwar insgesamt deutlich mehr als 10 Schwerarbeitsjahre vorweisen, aber die Anforderung von 10 Schwerarbeitsjahren in den letzten 20 Jahren nicht erfüllen können. Diese Menschen von den Begünstigungen der Schwerarbeitsregel auszuschließen, obwohl vielfach die Pensionsversicherungsanstalt die Schwerarbeitszeit anerkennen würde, benachteiligt nicht nur Versicherte, die jahrzehntelang Schwerarbeit geleistet haben, sondern ist auch verfassungsrechtlich bedenklich.

In der Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes bemängelt dieser das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung für die Rahmenfrist.

 

Die Begünstigung von Schwerarbeit im Pensionsrecht sollte darüber hinaus nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen, sondern nach dem Verursacherprinzip durch einen Sonderbeitrag der Dienstgeber finanziert werden. Von einem derartigen Dienstgeberbeitrag wäre vor allem eine gesundheitspolitisch präventive Wirkung, aber auch eine wünschenswerte Vereinfachung des Vollzugs der Schwerarbeitsregelung zu erwarten.

 

Aus all den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.