7595 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Juni 2006 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten samt Vorbehalt und Erklärung der Republik Österreich
Das gegenständliche im Rahmen des Europarates ausgearbeitete Übereinkommen sieht Regelungen für Opfer vorsätzlicher Gewalttaten sowie für die unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen, der infolge solcher Straftaten verstorbenen Opfer vor.
Das Übereinkommen normiert, dass diese Opfer durch den Staat zu entschädigen sind, in dessen Hoheitsgebiet die Straftat begangen wurde, soweit eine Entschädigung nicht in vollem Umfang aus anderen Quellen erhältlich ist. Die Entschädigung ist an Staatsangehörige von Vertragsstaaten dieses Übereinkommens und an Staatsangehörige aller Mitgliedstaaten des Europarates, die ihren ständigen Aufenthalt in dem Staat haben, in dessen Hoheitsgebiet die Straftat begangen worden ist, zu leisten. Die Vertragsparteien sind verpflichtet, näher bezeichnete Mindestentschädigungsleistungen zu erbringen.
Das Übereinkommen ist am 1. Februar 1988 objektiv in Kraft getreten und wurde bereits von 20 Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert. (Nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarates gemäß Art. 16 des Übereinkommens auch jeden Nichtmitgliedstaat des Europarates einladen, dem Übereinkommen beizutreten.)
Das Bundesgesetz vom 9. Juli 1972 über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen (Verbrechensopfergesetz - VOG), erfüllt zahlreiche wesentliche Grundsätze des Übereinkommens bereits seit Jahrzehnten, wobei die im Übereinkommen angeführten Entschädigungsleistungen schon in der Stammfassung des Verbrechensopfergesetzes vorgesehen waren.
Einer Ratifikation des Übereinkommens durch Österreich ist bislang ausschließlich entgegengestanden, dass das Verbrechensopfergesetz nur die Entschädigung von EU- bzw. EWR-Staatsangehörigen ermöglichte und somit Art. 3 des Übereinkommens nicht vollständig erfüllt war, da in Österreich geschädigte Drittstaatsangehörige bislang vom Verbrechensopfergesetz nicht umfasst waren.
Mit dem Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 2005 wurde das Verbrechensopfergesetz novelliert und die Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten, welche zur Etablierung eines gerechten und angemessenen innerstaatlichen Entschädigungssystems verpflichtet und den Zugang zur Entschädigung in grenzüberschreitenden Fällen erleichtert, umgesetzt. Zudem normiert der mit 1. Juli 2005 in Kraft getretene § 1 Abs. 7 VOG, dass allen Drittstaatsangehörigen Hilfe zu leisten ist, wenn die strafbare Handlung nach dem 30. Juni 2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben.
Auf Grund der Aufnahme dieser Regelung in das Verbrechensopfergesetz erfüllt Österreich nunmehr auch die Vorgaben des Übereinkommens hinsichtlich des anspruchsberechtigten Personenkreises, sodass einer Ratifikation des Übereinkommens durch Österreich nichts mehr entgegensteht.
In Anlehnung an die innerstaatliche Regelung muss Österreich allerdings anlässlich der Ratifikation des Übereinkommens einen Vorbehalt zu Art. 3 abgeben, dass das Übereinkommen für Personen, die nicht Unionsbürger oder Staatsangehörige von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, nur dann Anwendung findet, wenn die Straftat gegen sie nach dem 30. Juni 2005 in Österreich oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und wenn sie sich dort zum Tatzeitpunkt rechtmäßig aufgehalten haben.
Als zentrale Behörde im Sinne des Art. 12 soll das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Bundessozialamt) bestimmt werden, das bereits für die Durchführung des Verbrechensopfergesetzes zuständig ist. Anlässlich der Ratifikation des Übereinkommens wird Österreich eine diesbezügliche Erklärung abgeben.
Das gegenständliche Übereinkommen hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedurfte daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen.
Das Übereinkommen ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist. Das Übereinkommen wurde bereits durch das Verbrechensopfergesetz (BGBl. Nr. 288/1972 idgF) umgesetzt.
Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.
Der gegenständliche Staatsvertrag ist in englischer und französischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Im Beschluss des Nationalrates liegt gleichzeitig auch eine deutsche Übersetzung vor.
Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 4. Juli. 2006 in Verhandlung genommen.
In der sich an die Ausführungen der Berichterstatterin Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth anschließenden Debatte ergriff Bundesrat Franz Wolfinger das Wort.
Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Juli 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,
1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,
2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 B‑VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2006 07 04
Mag. Susanne Neuwirth Roswitha Bachner
Berichterstatterin Vorsitzende