8188 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz erlassen wird

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates beruht auf einem Selbständigen Antrag des Justizausschusses des Nationalrates, den dieser gemäß § 27 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz in inhaltlichem Zusammenhang mit den dort geführten Beratungen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem NS-Unrechtsurteile aufgehoben werden (NS-Aufhebungsgesetz), gestellt hat.

Dieser Antrag war ua wie folgt begründet:

„Der vorliegende Initiativantrag soll die Intention des Anerkennungsgesetzes vom 7.7.2005 (BGBl. I Nr. 86/2005 (AnerkennungsG 2005)), gerichtliche Verurteilungen mit typisch nationalsozialistischem Unrecht aufzuheben, erneut aufgreifen und derzeit noch bestehende Lücken schließen. Dieses Ziel soll im Wege einer umfassenden Neuregelung erreicht werden, indem der Umfang der rückwirkenden Aufhebung gerichtlicher Entscheidungen mit typisch nationalsozialistischem Unrecht (§ 1) und für eine Rehabilitierung (§ 4) klargestellt bzw. erweitert werden soll. Der Ansatz, wo möglich keine Einzelprüfung vorzusehen, sowie der Ausspruch von Achtung und Mitgefühl sollen aus dem Anerkennungsgesetz 2005 übernommen werden, wobei jedoch vorgeschlagen wird, dass dieser Ausspruch von der Republik Österreich als Ganzes zum Ausdruck gebracht wird.

Das Anerkennungsgesetz 2005 hat zum Ziel, durch den Bezug auf das Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 (StGBl. Nr. 48/1945) mit der dazu ergangenen Verordnung (StGBl. Nr. 155/1945) und die Befreiungsamnestie 1946 (BGBl. Nr. 79/1946), die unverändert in Geltung stehen, alle Verurteilungen gegen Österreicher in die Urteilungsaufhebung einzubeziehen, welche Gerichte unter der nationalsozialistischen Herrschaft gegen Österreicher ausgesprochen haben und daher als Ausdruck typisch nationalsozialistischen Unrechts zu betrachten sind. Die rückwirkende Aufhebung der dadurch erfassten Verurteilungen soll festgestellt werden; eine gesonderte amtswegige Prüfung und Feststellung sieht das Anerkennungsgesetz nicht mehr vor.

In Artikel I § 2 spricht das Anerkennungsgesetz 2005 sowohl den Opfern derartiger Unrechtsurteile, insbesondere den Opfern der nationalsozialistischen Militärjustiz, als auch den Opfern der politischen Verfolgung, den aus ihrer Heimat Vertriebenen, allen Kriegsopfern und Widerstandskämpfern und deren Familien Achtung und Mitgefühl aus.

Der gewählte Ansatz stellt eine wesentliche Verbesserung dar, allerdings wird die Generalklausel wieder durch den Verweis auf das Gesetz von 1945 (samt Verordnung) und auf das Gesetz von 1946 auf die in diesen Vorschriften erwähnten Situationen eingeschränkt. Diese beiden Gesetze erfassen nämlich nur taxativ umschriebenen Bereich von NS-Rechtsvorschriften bzw. nur Urteile der Militär- und SS-Gerichte. Nicht von diesen Gesetzen erfasst sind insbesondere:

         - Strafurteile der Sonder- und Standgerichte (diese werden - unzutreffend - in die      Befreiungsamnestie 1946 hineingelesen);

         -     Strafurteile des Volksgerichtshofs;

         - Strafurteile der Oberlandesgerichte (soweit diesen im Rahmen der Zuständigkeit des             Volksgerichtshofs die Strafsachen abgetreten worden sind);

         -     Verurteilungen wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen;

         -     Anordnungen von Zwangssterilisierungen insbesondere durch Erbgesundheitsgerichte sowie     auch Anordnungen von Zwangsabtreibungen;

         -     solche gerichtliche Entscheidungen gegen Nicht-Österreicher, die auf - aus heutiger Sicht -            inländischem Gebiet ausgesprochen worden sind.

Dadurch hat auch das Anerkennungsgesetz 2005 zwar viele, letztlich aber nicht alle NS-Unrechtsentscheidungen erfasst, womit letztlich auch das angestrebte Ziel, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, nicht vollständig erreicht worden ist. Das Anerkennungsgesetz 2005 kann insbesondere nicht so weit ausgelegt werden, dass es über die beiden verwiesenen Gesetze hinaus die Nichtigkeit aller Verurteilungen der genannten Art bewirkt. Derzeit behelfen sich die Gerichte mit einer analogen Anwendung der bestehenden Gesetze auf darin nicht ausdrücklich genannte Fälle.

Der vorliegende Initiativantrag soll diese Lücken schließen.“

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 3. November 2009 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Günther Kaltenbacher.

An der Debatte beteiligten sich die Bundesräte Edgar Mayer und Dr. Franz Eduard Kühnel sowie mit beratender Stimme Bundesrat Stefan Schennach.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Günther Kaltenbacher gewählt.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2009 11 03

                           Günther Kaltenbacher                                                          Monika Kemperle

                                   Berichterstatter                                                                        Vorsitzende