8745 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten

über den Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Muna Duzdar, Günther Köberl, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend der aktuellen Lage inhaftierter palästinensischer Abgeordneter (190/A(E)-BR/2012)

Die Bundesräte Mag. Muna Duzdar, Günther Köberl, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen haben am 31. Mai 2012 den Entschließungsantrag betreffend der aktuellen Lage inhaftierter palästinensischer Abgeordneter eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Mitglieder des österreichischen Bundesrates sprechen sich für die weltweite Achtung und Einhaltung menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Prinzipien aus. Das Recht auf persönliche Freiheit und auf ein faires Verfahren sind grundlegende Menschenrechte.

Abgeordnete sind vom Volk in eine Versammlung bzw. Parlament gewählte Personen. In den meisten Staaten genießen sie funktionelle Immunität, d.h. sie unterliegen nicht der Strafverfolgung in Bezug auf Handlungen in Ausübung ihrer Funktion, soweit nicht das Parlament der Aufhebung der Immunität zugestimmt hat.

Seit 1. Februar 2012 befinden sich 27 palästinensische Abgeordnete, Mitglieder des palästinensischen Legislativrates (PLC), in israelischer Haft, 24 dieser Abgeordneten befinden sich in israelischer Verwaltungshaft - ohne Anklage und Gerichtsverfahren-, darunter seit 19. Jänner 2012 auch der Parlamentspräsident Aziz DWEIK, der bereits zum zweiten Mal inhaftiert ist.

2008 erreichte die Zahl der inhaftierten Abgeordneten mit 48 - rund einem Drittel der Mitglieder - den Höchststand. Auch durch die Inhaftierung werden wichtige demokratische Entscheidungen bzw. die demokratische Entwicklung in Palästina behindert und ein wichtiger Teil des demokratischen Lebens lahm gelegt. Obgleich einige Mitglieder freigelassen wurden, wurden viele später wieder inhaftiert.

Die Mitglieder des palästinensischen Legislativrates wurden in freien Wahlen 2006 gewählt, welchen Israel verbindlich in den Osloer Abkommen zugestimmt hatte. Auf Drängen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union, demokratische Wahlen in den palästinensischen Gebieten abzuhalten, führte die Palästinensische Autonomiebehörde die Wahlen 2006 durch. Die aufgestellten politischen Parteien wurden zur Wahl zugelassen. Nichtsdestotrotz werden seit Mitte 2007 bis zum heutigen Tag demokratisch gewählte Mitglieder des Legislativrates inhaftiert, die überwiegende Mehrheit sitzt ohne Anklage und Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft. Insgesamt befinden sich derzeit mehr als 4.400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen, rund 300 davon befinden sich in administrativer Haft.

Nach Artikel 9 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) ist jeder Festgenommene bei seiner Festnahme über die Gründe der Festnahme zu unterrichten und die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen sind ihm unverzüglich mitzuteilen (Abs. 2). Jeder, der unter dem Vorwurf einer strafbaren Handlung festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, muss unverzüglich einem Richter vorgeführt werden und hat Anspruch auf ein Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung aus der Haft (Abs. 3). Jeder, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen ist, hat das Recht, ein Verfahren vor einem Gericht zu beantragen, damit dieses unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheiden und seine Entlassung anordnen kann, falls die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist (Abs. 4). Nach Artikel 14 IPBPR hat jeder wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte Anspruch darauf, bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten, das Recht, Fragen an die BelastungszeugInnen zu stellen oder stellen zu lassen und das Recht auf öffentliche Verhandlung vor einem Gericht.

Verwaltungshaft verstößt gegen das Recht auf persönliche Freiheit (Artikel 9) und auf ein faires Gerichtsverfahren (Artikel 14), wenn in Verwaltungshaft genommene Personen ohne Angabe von Gründen monatelang ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in staatlichem Gewahrsam gehalten werden. Gegen Verwaltungshäftlinge ergeht weder Anklage noch werden sie vor Gericht gestellt. Auch ist es möglich, beliebig oft neue Haftanordnungen auszustellen.

Um die Gründe für die Inhaftierung zu erfahren, scheint den Verwaltungshäftlingen vielfach nur die Möglichkeit offen, eine Berufungsverhandlung zu beantragen. Bis eine solche Verhandlung anberaumt wird, können Wochen, wenn nicht sogar Monate verstreichen. Die Beweislage wird in nicht-öffentlicher Sitzung geprüft und weder den Gefangenen selbst noch ihren VerteidigerInnen zur Kenntnis gebracht. Somit haben sie keine Möglichkeit, die Beweise anzufechten.“

 

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten hat diesen Antrag in seiner Sitzung am 26. Juni 2012 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Christoph Kainz.

An der Debatte beteiligten sich die Bundesräte Mag. Muna Duzdar, Monika Mühlwerth und Günther Köberl sowie mit beratender Stimme Bundesrat Efgani Dönmez, PMM.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Hohen Hause die Annahme des gegenständlichen Entschließungsantrages zu empfehlen.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Christoph Kainz gewählt.

<yDer Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 26. Juni 2012 den Antrag, die angeschlossene Entschließung anzunehmen.

Wien, 2012 06 26

                                Christoph Kainz                                                                 Günther Köberl

                                   Berichterstatter                                                                       Vorsitzender