8766 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

Damit der am 13. Dezember 2007 von den Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnete Vertrag von Lissabon (kurz: VvL) in Kraft treten konnte, war eine Ratifikation durch alle 27 Mitgliedstaaten erforderlich. Im Zuge des irischen Referendums am 12. Juni 2008 sprach sich jedoch die Mehrheit der Abstimmenden gegen die Ratifikation des Vertrags durch Irland aus. Im Rahmen der Tagung des ER am 11./12. Dezember 2008 informierte der irische Premierminister über die Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des VvL in Zusammenhang mit der Steuerpolitik, Fragen der Familien- und Sozialpolitik und der Ethik sowie der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hinsichtlich der traditionellen Neutralitätspolitik Irlands. Der ER kam schließlich – gegen Zusage der irischen Regierung, die Ratifizierung des VvL bis zum Ende der Amtszeit der damaligen Kommission anzustreben – überein, den genannten Anliegen Rechnung zu tragen. Dementsprechend nahm der ER die Gewährung rechtlicher Garantien zu den drei folgenden Punkten in Aussicht:

• Durch den VvL erfolgt für keinen Mitgliedstaat irgendeine Änderung in Bezug auf den Umfang und die Ausübung der Zuständigkeiten der Union im Bereich der Steuerpolitik.

• Der VvL berührt nicht die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Mitgliedstaaten und somit weder die traditionelle Neutralitätspolitik Irlands noch die Verpflichtungen der meisten anderen Mitgliedstaaten.

• Es wird gewährleistet, dass die Bestimmungen der irischen Verfassung betreffend das Recht auf Leben, die Bildung und die Familie weder von dem Umstand, dass der VvL der Charta der Grundrechte der EU einen Rechtsstatus zuweist, noch von den Bestimmungen dieses Vertrags zum Bereich Justiz und Inneres in irgendeiner Weise berührt werden.

Die im Europäischen Rat (ER) vereinigten Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sind auf ihrer Tagung am 18./19. Juni 2009 übereingekommen, dass sie im zeitlichen Konnex mit dem nächsten Beitrittsvertrag dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ein Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon (VvL) beifügen werden.

Ziel des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates ist die Ratifikation des Protokolls zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon zur Einlösung der beim ER am 18./19. Juni 2009 in Zusammenhang mit dem negativen Ausgang des ersten irischen Referendums zum Vertrag von Lissabon an Irland gegebenen politischen Zusage.

Durch den gegenständlichen Staatsvertrag werden die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert. Sein Abschluss bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 2 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Gemäß Art. 50 Abs. 4 B-VG ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.

Die Beschlüsse des Nationalrates sowie des Bundesrates bedürfen gemäß Art. 50 Abs. 4 B-VG jeweils der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Der Nationalrat hat anlässlich der Beschlussfassung im Gegenstand beschlossen, dass gemäß Artikel 49 Absatz 2 B-VG die bulgarische, dänische, englische, estnische, finnische, französische, griechische, irische, italienische, lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische, rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische und ungarische Sprachfassung durch Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten kundzumachen sind.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 17. Juli 2012 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Dr. Magnus Brunner.

An der Debatte beteiligten sich die Bundesräte Franz Wenger und Franz Perhab.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Dr. Magnus Brunner gewählt.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 Ziffer 2 B‑VG iVm Artikel 50 Absatz 4 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Wien, 2012 07 17

                            Dr. Magnus Brunner                                                          Georg Keuschnigg

                                   Berichterstatter                                                                       Vorsitzender