8881 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des EU-Ausschusses
über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend KOM (2011) 897 endg. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (67819/EU XXIV.GP)
Der EU-Ausschuss hat das gegenständliche Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG in seiner Sitzung am 19. Dezember 2012 in Verhandlung genommen.
Im Zuge der Debatte haben die Bundesräte Edgar Mayer und Stefan Schennach sowie Bundesrätin Monika Mühlwerth einen Entschließungsantrag gemäß § 23 Absatz 1 GO-BR betreffend Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (67819/EU XXIV.GP) eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Der EU-Ausschuss hat dem Vorschlag für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe am 1. Februar 2012 einstimmig eine Subsidiaritätsrüge erteilt. In der Rüge wurde betont, dass der Vorschlag insbesondere das Recht auf kommunale Selbstverwaltung unterlaufe, zu deren Achtung sich die Europäische Union in den Verträgen bekannt hat. Außerdem entstünde durch den Vorschlag ein Liberalisierungsdruck in Bereichen der Daseinsvorsorge, die nicht mit anderen Wirtschaftsbereichen vergleichbar sind.
Am 26. September 2012 hat die Europäische Kommission in einem an verschiedene Nichtregierungsorganisationen des Wassersektors gerichteten Schreiben diese Befürchtungen bestätigt und sich für eine Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung ausgesprochen, sobald mit dem vorliegenden Vorschlag hierfür ein passender Rechtsrahmen geschaffen wurde.
Aus diesem Grund hat der EU-Ausschuss den Vorschlag am 30. Oktober 2012 erneut in Verhandlung genommen und die Europäische Kommission in einer einstimmig verabschiedeten Mitteilung aufgefordert, ihren Vorschlag zurückzuziehen, „um eine umfassende Überprüfung der tatsächlichen Notwendigkeit des Vorschlags sowie dessen Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung zu ermöglichen“. Es liegen zahlreiche Stellungnahmen und Positionierungen vor, die auch der Europäischen Kommission bekannt sein dürften, in denen das Rechtsprojekt in toto abgelehnt wurde und auch immer noch wird. Selbst die Ziele, die die Europäische Kommission mit diesem Entwurf verfolgt, werden nicht erreicht: Der viel propagierte Bürokratieabbau findet nicht statt, da die Konzessionsausschreibungen sehr komplex sind und nur mit sehr spezifischem Fachwissen und hohem Aufwand möglich sind und somit große und weltweit tätige Unternehmen stark bevorzugen.
Die Struktur der kommunalen Wasserversorgung in Österreich hat sich über viele Jahrzehnte bewährt und garantiert die zuverlässige Belieferung der österreichischen Bürgerinnen und Bürger mit hochwertigem Trinkwasser zu bezahlbaren Preisen. Die Wasserqualität wird ständig überwacht und ist nachgewiesener Maßen flächendeckend sehr hoch. Einer Liberalisierung des Wassersektors, die die Wasserversorgung allein den Regeln des Marktes unterwirft und dem kommunalen Aufgabenbereich der Daseinsvorsorge entzieht, ist im Interesse des Allgemeinwohls und des Ressourcenschutzes entschieden entgegenzutreten.
Der Wassersektor ist durch Ortsnähe gekennzeichnet und eine klassische kommunale Aufgabe. So besteht zum Beispiel im Fall der Wasserversorgung bei einer bloßen Ausrichtung an den wirtschaftlichen Erfolg die Gefahr, dass der Ressourcenschutz, die Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten sowie die Instandhaltung und Erneuerung der Leitungsnetze und Speicheranlagen in den Hintergrund treten. Der Bundesrat lehnt die Pläne der Europäischen Kommission, die Trinkwasserversorgung in Europa für den Wettbewerb mit Privaten zu öffnen, aus all diesen Gründen klar ab. Die sichere Bereitstellung von sauberem und bezahlbarem Trinkwasser hat eine herausragende Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit und ist daher eine kommunale Pflichtaufgabe der Daseinsvorsorge, die von der öffentlichen Hand am besten erfüllt werden kann.“
Gemäß § 33 Abs. 1 GO-BR wurde beschlossen, die Auskunftspersonen Mag. Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Dr. Thomas Weninger, Österreichischer Städtebund, DI Dr. Wolfgang Zerobin, Magistrat der Stadt Wien sowie Mag. Alice Wagner, Arbeiterkammer Wien, zur mündlichen Äußerung einzuladen.
An der Debatte beteiligten sich nach den einleitenden Stellungnahmen von Mag. Richard Kühnel, Dr. Thomas Weninger, DI Dr. Wolfgang Zerobin, Mag. Alice Wagner und Dr. Josef Weidenholzer, Abgeordneter zum Europäischen Parlament, die Bundesräte und Bundesrätinnen Stefan Schennach, Ana Blatnik, Ewald Lindinger, Werner Stadler, Martin Preineder, Monika Mühlwerth und Cornelia Michalke.
Bei der Abstimmung wurde der von den Bundesräten Edgar Mayer und Stefan Schennach sowie Bundesrätin Monika Mühlwerth eingebrachte Entschließungsantrag gemäß § 23 Absatz 1 GO-BR betreffend Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (67819/EU XXIV.GP) mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Dr. Angelika Winzig gewählt.
Der EU-Ausschuss stellt nach Beratung des Vorhabens im
Rahmen der Europäischen Union gemäß
Art. 23e B-VG am 19. Dezember 2012 den Antrag, der Bundesrat wolle die
angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2012 12 19
Dr. Angelika Winzig Edgar Mayer
Berichterstatterin Vorsitzender