9687 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Finanzausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Finanzausgleichsgesetz 2017 erlassen wird sowie das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Finanzausgleichsgesetz 2001, das Finanzausgleichsgesetz 2005, das Finanzausgleichsgesetz 2008, das Umweltförderungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden und das Bedarfszuweisungsgesetz aufgehoben wird

Hauptgesichtspunkte des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates:

1. Reform des Finanzausgleichs:

Am 7. November 2016 haben sich die Vertreter der Gebietskörperschaften auf den Finanzausgleich ab dem Jahr 2017 geeinigt und in einem „Paktum“ festgehalten, welches die Grundlage für den vorliegenden Gesetzentwurf bildet. Stärker als bei früheren Finanzausgleichsverhandlungen waren die Verhandlungen vom Ziel geprägt, die finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften grundlegend zu ändern, wobei als Reformthemen insbesondere die Aufgabenorientierung und eine verstärkte Abgabenautonomie der Länder und Gemeinden diskutiert wurden.

Mit dem neuen Finanzausgleich ist die Einführung von Aufgabenorientierung und Abgabenautonomie und damit ein erster Schritt für einen grundlegenden Systemwandel gelungen. Weitere erfolgreich abgeschlossene Reformthemen sind die Weiterführung bzw. Neuregelung von Kostendämpfungspfaden in den Aufgabenbereichen Gesundheit und Pflege, ein umfassendes Spekulationsverbots und einheitliche Obergrenzen für die Übernahme von Haftungen je Gebietskörperschaftsebene, neue Instrumente für strukturschwache Gemeinden sowie ein Klimaschutzkoordinations- und verantwortlichkeitsmechanismus. Mit Benchmarking und Spending Reviews wurden neue Instrumente für Verwaltungsreformen vereinbart, und nicht zuletzt wurde beschlossen, unter Berücksichtigung der Arbeiten des Österreich-Konvents eine Bundessstaatsreform vorzubereiten.

2. Aufgabenorientierung:

Aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht kann die Vorgabe des § 4 F‑VG als Auftrag zur Aufgabenorientierung angesehen werden, weil der Finanzausgleich als Gesamtpaket „mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung“ übereinzustimmen und sich somit an den Aufgaben der Gebietskörperschaften zu orientieren hat. Dieser Vorgabe wird die derzeitige Verteilung der Ertragsanteile zwar gerecht, allerdings zum Teil nur in pauschaler Art und Weise. Es ist daher erforderlich, die allgemeinen Schlüssel wie insb. der abgestufte Bevölkerungsschlüssel und die diversen Fixschlüssel im Sinne einer konkreten Aufgabenorientierung durch treffsichere aufgabenbezogene Kriterien zu ersetzen.

Ab 1. Jänner 2018 wird als Einstieg in die konkrete Aufgabenorientierung die Verteilung der Ertragsanteile der Gemeinden teilweise durch eine aufgabenorientierte Verteilung ersetzt, und zwar im Bereich der Elementarbildung (Kinder bis sechs Jahre), und werden die Ertragsanteile der Gemeinden insoweit anhand von im Vorhinein festzulegenden quantitativen und qualitativen Parametern (wie z.B. Qualitätskriterien) verteilt werden.

Der zweite Schritt folgt mit dem Pflichtschulbereich: Bis 1. September 2018 wird die Aufgabenorientierung im Bereich Pflichtschule (sechs bis fünfzehn Jahre) einvernehmlich vorbereitet und als weiteres Pilotprojekt ab 1.1.2019 umgesetzt.

Sowohl Höhe der nach diesen Parametern zu verteilenden Ertragsanteile als auch die konkreten Parameter selbst werden im Detail in einer Verordnung der Bundesregierung festgelegt werden (§ 15 FAG 2017).

Diesen beiden bereits konkreten ersten Schritten sollen weitere folgen, wobei in Aussicht genommen ist, ab dem Jahr 2020 bzw. 2021 weitere, noch zu vereinbarende Aufgabenbereiche aufgabenorientiert zu gestalten.

3. Abgabenautonomie

Der steuerrechtliche Gestaltungspielraum vor allem der Länder ist ausgesprochen gering. Berücksichtigt man, dass die Feuerschutzsteuer als eine der wichtigeren Landesabgaben bundesgesetzlich geregelt ist und daher auch für diese Abgabe dem Bund die Abgabenhoheit zukommt, verbleiben als Erträge der Länder aus Landesabgaben lediglich 323 Mio. Euro, das sind nur 1,6 % ihrer Einnahmen aus dem Finanzausgleich (ohne Wien, Basis 2014).

Mit einer verstärkten Abgabenautonomie wird das Ziel verfolgt, Finanzierungs- und Ausgabenverantwortung im Vergleich stärker als bisher in einer Hand zu vereinen. Abgabenautonomie bedeutet unbestreitbar einen gewissen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für Steuerschuldner und ‑gläubiger, allerdings kann dieser zusätzliche Aufwand durch eine entsprechende Auswahl der Besteuerungsgegenstände, die sich einfach örtlich voneinander abgrenzen lassen, in einem angemessenen Rahmen gehalten werden.

Wohnbauförderungsbeitrag als ausschließliche Landesabgabe:

Da der Wohnbauförderungsbeitrag bereits derzeit weitgehend regional über die Gebietskrankenkassen eingehoben wird, eignet sich diese Abgabe ganz besonders für einen ersten Schritt bei der Abgabenautonomie. Darüber hinaus liegt die Wohnbauförderung in Gesetzgebung und Vollziehung in der Zuständigkeit und damit Verantwortung der Länder.

Als erster Schritt für mehr Abgabenautonomie der Länder wird daher der Wohnbauförderungsbeitrag mit Wirkung vom 1.1.2018 zu einer ausschließlichen Landesabgabe mit voller Autonomie für die Länder hinsichtlich des Tarifs. Um den Verwaltungsaufwand zu minimieren, wurde vereinbart, dass der Bundesgesetzgebung grundsätzlich die Gesetzgebung vorbehalten bleibt, die Landesgesetzgeber können hingegen die Höhe des Tarifs festlegen, und zwar ohne bundesgesetzliche Vorgabe einer Ober- oder Untergrenze.

Weitere Themen der Abgabenautonomie:

Das Thema Abgabenautonomie wird mit der Verländerung des Wohnbauförderungsbeitrags nicht abgeschlossen, es wurde vielmehr auch vereinbart, dass die Finanzausgleichspartner unter Beiziehung internationaler Experten die Zweckmäßigkeit einer verstärkten Abgabenautonomie und Optionen dafür prüfen werden. Geprüft werden soll auch eine allfällige Abschaffung des allgemeinen Einspruchsrechtes der Bundesregierung gemäß § 9 FV‑G 1948 sowie der Beschränkung bei der Findung neuer Abgaben gemäß § 8 Abs. 3 FV‑G 1948, die steuerliche Behandlung von Ländern und Gemeinden sowie eine Einhebung der Kommunalsteuer durch die Sozialversicherung. Diskutiert werden soll außerdem eine Stärkung der Abgabenautonomie der Gemeinden durch eine Reform der Grundsteuer.

4. Vereinfachung des Finanzausgleichsgesetzes:

Obwohl die Verteilung der Ertragsanteile bei den allermeisten gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach dem ungefähren Schüssel 2/3 Bund und 1/3 Länder und Gemeinden ausgesprochen einfach ist, gab es bisher ergänzend dazu komplizierte Detailregelungen, die den Vollzug des Finanzausgleichsgesetzes erschwerten und fehleranfällig machten. Zu diesen Detailregelungen gehörten auch diverse Schlüssel, die auf historischen Bezugsgrößen beruhten. Diese historischen Bezugsgrößen hatten zwar als Übergangsbestimmungen ihre Berechtigung, konnten aber aktuelle Entwicklungen nicht berücksichtigen; dazu gehören der Getränkesteuerausgleich, der Gemeinde-Werbesteuernausgleich, der Ausgleich für die Abschaffung der Selbstträgerschaft von Familienbeihilfen und die länder- und gemeindeweisen Kürzungen der Ertragsanteile aufgrund der Übernahme des Landespflegegeldes durch den Bund.

Im FAG 2017 wurden nunmehr alle entbehrlichen Vorausanteile und historisch entstandenen Detailregelungen entfernt und wird die Verteilung der Ertragsanteile radikal vereinfacht. Diese Vereinfachung wird sowohl im Verhältnis Bund-Länder-Gemeinden durch eine Anpassung der Anteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben als auch länderweise durch eine entsprechende Anpassung des Fixschlüssels bei der Bildung der Ländertöpfe auf Basis des Jahres 2016 neutralisiert.

5. Reform der Verteilung der Ertragsanteile der Gemeinden

Die im Vergleich zur alten Regelung größte Vereinfachung ist bei der Verteilung der Gemeinde-Ertragsanteile innerhalb der Länder auf die einzelnen Gemeinden vorgesehen, bei welcher die Anzahl der Kriterien auf drei reduziert wurde. Diese drei Kriterien sind ein länder- und größenklassenmäßig differenzierter Vorausanteil je Einwohner, ein Betrag je Nächtigung gemäß der Nächtigungsstatistik sowie der abgestufte Bevölkerungsschlüssel. Es entfallen somit bei der Verteilung der Gemeinde-Ertragsanteile der Unterschiedsbetrag zwischen Finanzbedarf und Finanzkraft (siehe dazu aber die Neuordnung des gemeindeweisen Finanzkraftausgleichs), der Getränkesteuerausgleich, die besonderen Schlüssel für die Werbeabgabe und damit auch der Gemeinde-Werbesteuernausgleich und die Abzüge für das ehemalige Landespflegegeld.

Diese Vereinfachung bei den Gemeinde-Ertragsanteilen wird durch eine größenklassenweise Neutralisierung und durch eine Übergangsregelung in Form einer „Dynamik-Garantie“ für jede Gemeinde begleitet.

Nach Simulationsberechnungen durch das Bundesministerium für Finanzen werden am Ende der Finanzausgleichsperiode nur mehr ein bis zwei Dutzend Gemeinden eine Aufstockung erhalten, wobei es sich entweder um Gemeinden mit seinerzeit hohen Aufkommen an Getränkesteuern aus Einkaufszentren, um einige kleine bis kleinste Fremdenverkehrsgemeinden und um Gemeinden mit einem seinerzeit hohen Aufkommen an Anzeigenabgabe handelt. Aber auch bei diesen Gemeinden wird die Übergangsregelung Mitte der 20er-Jahre ihre Notwendigkeit verlieren.

6. Neuordnung der Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel – interkommunale Zusammenarbeit

Die Verwendung der Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel wird neu geregelt. Diese Mittel werden einerseits um die bisherigen Mittel zur Finanzkraftstärkung gemäß § 21 FAG 2008 erweitert und andererseits werden Zwecke im FAG nun grundsätzlich definiert; die konkrete Umsetzung dieser Vorgaben wird auf Basis landesrechtlicher Regelungen zu erfolgen haben.

Die Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel werden von den Ländern für folgende Zwecke verwendet werden:

-              interkommunale Zusammenarbeit,

-              Unterstützung strukturschwacher Gemeinden,

-              Förderung von Gemeindezusammenlegungen,

-              landesinterner Finanzkraftausgleich,

-              Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände.

7. Klimaschutzkoordinations- und Verantwortlichkeitsmechanismus

Zur wirksamen Bekämpfung des Klimawandels hat sich die Konferenz der Vertragsparteien zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) auf ihrer 21. Konferenz in Paris im Dezember 2015 auf ein neues, globales Klimaschutzabkommen („Pariser Abkommen“) geeinigt. Dieses Abkommen sieht als Langfristziel die Begrenzung der Erderwärmung um weniger als 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten vor, wobei Anstrengungen unternommen werden sollen, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, verpflichten sich die Vertragsparteien des neuen Abkommens sobald wie möglich den globalen Höchststand an Emissionen (sogenanntes „peaking“) zu erreichen und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine Balance zwischen Emissionen und Senken von THG zu erzielen.

Zur konkreten Umsetzung der Ziele hat auch der Europäische Rat ein sogenanntes „Klima- und Energiepaket“ beschlossen. Dieses Paket besteht im Bereich der Emissionsreduktion aus zwei Kernelementen: Dem unionsweiten Emissionshandelssystem (EU Emissions Trading System; EU-ETS) einerseits und nationale Ziele der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen außerhalb des EU-ETS (sogenanntes „Effort sharing“) andererseits.

Für Österreich ist dabei im Effort sharing-Bereich – also in jenen Sektoren, die nicht vom EU-ETS erfasst sind – gemäß Entscheidung 406/2009/EG ein Reduktionsziel von 16% bis 2020 gegenüber 2005 verbindlich. Es ist dabei ein linearer Zielpfad mit jährlichen Zielen im Zeitraum 2013 bis 2020 einzuhalten.

Weitere Ziele für den Effort sharing-Bereich bis 2030 sind derzeit auf EU-Ebene in Ausarbeitung. Für Österreich bedeutet der Vorschlag der EK eine Reduktion der Treibhausgase um -36 % gegenüber 2005.

Um sicherzustellen, dass diese Ziele eingehalten werden und zu einem langfristigen Pfad zur Emissionsreduktion in Österreich beitragen, ist es erforderlich, dass die Gebietskörperschaften in ihren jeweiligen Kompetenzbereichen (ex ante) wirksame Klimaschutz-Maßnahmen setzen. Für den Fall, dass unionsrechtliche und völkerrechtliche Ziele mit den gesetzten Maßnahmen nicht eingehalten werden können, ist zudem (ex post) eine Regelung zur Kostentragung für den Ankauf von Klimaschutz-Zertifikaten zwischen den Gebietskörperschaften geboten.

 

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 19. Dezember 2016 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Mag. Michael Lindner.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Edgar Arwed Mayer, Mag. Reinhard Pisec, BA, Gerd Krusche, Dr. Heidelinde Reiter, Ingrid Winkler, Ewald Lindinger und Peter Oberlehner.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Mag. Michael Lindner gewählt.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2016 12 19

                           Mag. Michael Lindner                                                           Ewald Lindinger

                                   Berichterstatter                                                                       Vorsitzender