Die österreichische EU-Präsidentschaft 2006

 

 

 

 

 

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

 

23. November 2005

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                                                                                                                                                                                     Seite

 

Einleitung: Die EU-Präsidentschaft   ……............…………………………..…..…………….……............…………………………..…..…………….

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Erster Teil: Die Zukunft Europas

 

             Die Verfassungsdebatte   ……………………………………………………….....……...……………………………………………………….....……...

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             Die Wertedebatte   .............................................................................................................. .............................................................................................................

4

             Die Erweiterungsdebatte   ……………………………………...………………...…..…..……………………………………...………………...…..…..

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Zweiter Teil: Europäische Innenpolitik – Die Ausgestaltung des europäischen Projekts

 

             Arbeitsplätze und Wachstum für Europa   …...………………………………………......…...………………………………………......

7

             Gleichstellung von Mann und Frau   …………....……………………......…………………………………………....……………………......

14

             Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen   ………………………………………..…………..……………………......

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             Freiheit, Sicherheit und Recht   ……………………....……………………......………………………………..…………..……………………......

19

             Bildung und Kultur   ………………………………..…………...……………………......………………………………..…………..……………………......

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             Sparsamkeit und Effizienz: Die Finanzen der Europäischen Union   ………...……...…..………...……...…..

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Dritter Teil: Europäische Außenpolitik

 

             Außenpolitik   …………………….....…………………………………………..……......…………………….....…………………………………………..……......

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             Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik   ……….………...........………..…..……….………...........…….…..…..

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             Entwicklungspolitik   ……………………………………………..…………………......……………………………………………..……………………....

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             Handelspolitik   .................................................................................................................. ..................................................................................................................

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Einleitung

 

Die EU-Präsidentschaft

 

 

 

1.                  Am 1. Jänner 2006 übernimmt Österreich für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. In dieser Funktion wechseln sich die EU-Mitgliedstaaten in einer vorgegebenen Reihenfolge ab. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen größeren und kleineren Ländern. Alle nehmen gleichberechtigt an diesem Rotationssystem teil: Derzeit übt das Vereinigte Königreich die Präsidentschaft aus, darauf folgen wir, dann Finnland, Deutschland, Portugal, Slowenien usw. Im ersten Halbjahr 2019 ist schließlich wieder Österreich an der Reihe, nach 1998 und 2006 dann zum dritten Mal.

 

2.                  Die EU-Präsidentschaft auszuüben ist eine Dienstleistung an Europa. Während des ersten Halbjahrs 2006 werden Österreicherinnen und Österreicher in einer Vielzahl von EU-Gremien den Vorsitz übernehmen: auf politischer Ebene im Europäischen Rat und im Ministerrat, auf Beamtenebene in rund 250 Ausschüssen und Arbeitsgruppen. Insgesamt werden Österreicherinnen und Österreicher während dieser sechs Monate etwa 2000 EU-Sitzungen leiten. Sie werden in dieser Zeit aber auch die EU nach außen vertreten, für sie auf Gipfeltreffen und in internationalen Konferenzen sprechen und ganz allgemein Gesicht und Stimme Europas in der Welt sein.

 

3.                  Österreich wird sich bemühen, als Ratsvorsitz eng und vertrauensvoll mit all seinen europäischen Partnern zusammenzuarbeiten. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Beziehungen zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament ist mittlerweile zu einem gleichberechtigten europäischen Mitgesetzgeber neben dem Rat geworden. Es ist heute ein wertvoller und unentbehrlicher Partner für den erfolgreichen Abschluss legislativer und politischer Vorhaben jeder Präsidentschaft.

 

4.                  Inhaltlich wurden die strategischen Eckpunkte für unseren Vorsitz im Mehrjährigen Strategieprogramm 2004 - 2006 des Europäischen Rats festgelegt. Davon ausgehend werden Österreich und Finnland, die beiden Präsidentschaften des kommenden Jahres, ein detailliertes gemeinsames Arbeitsprogramm für 2006 erstellen. In diesem Jahresarbeitsprogramm werden sich die folgenden übergreifenden Zielsetzungen finden:

 

·           Arbeitsplätze und Wachstum in Europa schaffen.

·           Das spezifisch europäische Lebensmodell absichern und weiter entwickeln.

·           Das Vertrauen der Bürger in das europäische Projekt neu festigen.

·           Europa als starken und verlässlichen Partner in der Welt beweisen.

 

Dieses Weißbuch soll zeigen, wie die österreichische Präsidentschaft in den verschiedenen Politikbereichen der EU diese vier Zielsetzungen verwirklichen will.

 

5.                  Sämtliche Informationen zur österreichischen Präsidentschaft werden auf der österreichischen Präsidentschaftswebsite www.eu2006.at abrufbar sein.

 


 

 

Erster Teil

 

Die Zukunft Europas

 

 

 

6.                  Die Europäische Union hat die größte Erweiterung ihrer Geschichte erfolgreich vollzogen. Die zehn neuen Mitgliedstaaten haben ihren selbstverständlichen Platz in unserer großen Friedensgemeinschaft gefunden. Die Union verfügt heute über eine kaum zu überbietende innere Vielfalt. Sie steht aber auch vor der Frage, wie sich dieses ungeheure Potential am besten nutzen lässt. Wie schwierig es oft ist, darauf Antworten zu geben, zeigen die Debatten um Verfassung, Werte und Erweiterung der Union.

 

 

Die Verfassungsdebatte

 

7.                  Am 29. Oktober 2004 wurde in Rom der Vertrag über eine Verfassung für Europa unterzeichnet. In Österreich sprachen sich im Mai 2005 National- und Bundesrat mit großen Mehrheiten für die Ratifizierung aus. Insgesamt haben die Parlamente von bisher 13 EU-Mitgliedstaaten dem Verfassungsvertrag zugestimmt. Allerdings haben sich in Frankreich und den Niederlanden die Wähler in Referenden gegen die Ratifizierung ausgesprochen.

 

8.                  Vor diesem Hintergrund haben die Staats- und Regierungschefs im Juni 2005 eine Reflexionsphase vereinbart, die in den EU-Mitgliedstaaten zu einer intensiven öffentlichen Debatte genutzt werden soll. Wir bemühen uns, den Sorgen der Bürgerinnen und Bürgern, die sich vor dem Hintergrund der Globalisierung um den Erhalt des europäischen Lebensmodells drehen, wieder vermehrt Raum zu geben. Es geht darum, das Vertrauen zu den politischen Entscheidungsträgern der Union von neuem zu stärken. Unter österreichischer Präsidentschaft soll dann Bilanz über den Stand der Verfassungsdebatte gezogen und über das weitere Vorgehen entschieden werden.

 

9.                  In Österreich wurde die Öffentlichkeit schon sehr frühzeitig in diese Phase des Nach- und Vordenkens eingebunden – mit den Initiativen „Europa hört zu“ (auf den Websites von Bundeskanzleramt und Außenministerium) und „Zukunft Europa“ (auf www.zukunfteuropa.at). Damit wollen wir einerseits gezielt zu- und hinhören, was die Menschen bewegt und andererseits profunde Informationen bieten. Auf den Websites gibt es die konkrete Möglichkeit, Ideen und Anregungen zu deponieren.

 

 

Die Wertedebatte

 

10.               In einem engen Zusammenhang zur künftigen Verfasstheit der Union steht die Frage nach ihren Werten. Dazu zählen vor allem die Menschenrechte, aber auch Fragen wie die Bürgernähe und Verständlichkeit der Union.

 

11.               Größere Bürgernähe besteht auch darin, Wege zu finden, gesetzliche Regelungen in Europa so nahe wie möglich bei den Bürgerinnen und Bürgern zu treffen. Dazu wird im ersten Halbjahr 2006 – aufbauend auf einer Initiative der Niederlande und Großbritanniens – eine Subsidiaritätskonferenz in Österreich stattfinden. Diese wird auch eine stärkere Rolle der nationalen Parlamente in der europäischen Integration diskutieren.

 

12.               Bereits Ende 2003 haben das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission vereinbart, den europäischen Gesetzgebungsprozess zu verbessern. Die Bemühungen um ein besseres europäisches Regelwerk („Better Regulation“) wollen bürokratische Auflagen abbauen. Sie sollen zu effizienteren und transparenteren Regeln führen, was für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung wichtig ist. Außerdem sollen alle künftigen Rechtsakte schon bei der Ausarbeitung auf ihre Folgen untersucht und der durch sie verursachte administrative und finanzielle Aufwand damit möglichst gering gehalten werden. Übrig bleiben sollen möglichst einfache Rechtsakte, die einen echten europäischen Mehrwert bringen. In den vergangenen Monaten haben diese Arbeiten eine neue Dynamik erfahren. Die Kommission hat im September 2005 beschlossen, auf eine Reihe geplanter neuer Rechtsakte zu verzichten. „Better Regulation“ ist ein wesentlicher Schwerpunkt der derzeitigen britischen EU-Präsidentschaft. Österreich wird diese Bemühungen im kommenden Jahr weiterführen.

 

13.               Im Jahr 2006 sollen die Verhandlungen über das Mandat der neuen Menschenrechtsagentur der EU abgeschlossen werden. Sie wird aus der bisherigen EU-Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hervorgehen und ihren Sitz ebenfalls in Wien haben. Die Menschenrechtsagentur soll ihre Arbeit am 1. Jänner 2007 aufnehmen und ein Kompetenzzentrum der EU für Menschenrechtsfragen sein.

 

14.               Mit der europäischen Identität und den europäischen Werten wird sich im Jänner 2006 in Salzburg auf Initiative des Bundeskanzlers eine internationale Konferenz befassen. Sie wird unter dem Titel „Sound of Europe“ stehen. Rund 250 Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Kunst und Medien werden daran teilnehmen.

 

 

Die Erweiterungsdebatte

 

15.               Am 25. April 2005 wurden in Luxemburg die Beitrittsverträge mit Rumänien und Bulgarien unterzeichnet. Beide Länder bereiten sich derzeit auf ihre EU-Mitgliedschaft vor und müssen dafür noch eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Ihre Beitrittsvorbereitungen werden von der Europäischen Kommission laufend eingehend überprüft. Sollte die Kommission zum Schluss kommen, dass eines der beiden Länder die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt zum 1. Jänner 2007 nicht erfüllt, kann sie eine Verschiebung um ein Jahr vorschlagen. Die letzte Entscheidung liegt dann beim Ministerrat, der unter österreichischer Präsidentschaft einen entsprechenden Beschluss zu treffen hätte.

 

16.               Am 3. Oktober 2005 wurden in Luxemburg die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei eröffnet. Für beide Kandidatenländer begann noch im Oktober der so genannte Screening-Prozess. Dabei geht die Europäische Kommission mit den Kandidaten den gesamten Rechtsbestand der Union durch, um in allen der insgesamt 35 Verhandlungskapitel mögliche Probleme für die folgenden eigentlichen Beitrittsverhandlungen zu identifizieren. Die ersten Berichte darüber werden unter österreichischer Präsidentschaft vorliegen. Auf deren Grundlage wird der Ministerrat mit einstimmigem Beschluss über die Eröffnung der entsprechenden Verhandlungskapitel entscheiden.

 

17.               Unter österreichischer Präsidentschaft könnte auch der Grundsatzbeschluss gefasst werden, ob die EU mit Mazedonien Beitrittsverhandlungen aufnimmt. Mazedonien hat am 22. März 2004 einen Beitrittsantrag gestellt. Am 9. November 2005 hat die Kommission ihre Stellungnahme („Avis“) dazu abgegeben.

 

18.               Der Europäische Rat hat bereits wiederholt, zuletzt im Juni 2005, erklärt, dass alle Balkanstaaten eine „europäische Perspektive“ besitzen, also die Möglichkeit eines EU-Beitritts haben, sofern sie die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllen. Österreich hat diese Politik stets unterstützt. Wir sind überzeugt, dass die Zukunft aller Länder des Westbalkans in der Europäischen Union liegt.

 


 

 

Zweiter Teil

 

Europäische Innenpolitik:

Die Ausgestaltung des europäischen Projekts

 

 

 

Arbeitsplätze und Wachstum für Europa

 

19.               Arbeitsplätze und Wachstum zu fördern, ist derzeit die vordringlichste Aufgabe europäischer Politik, auf nationaler ebenso wie auf EU-Ebene. Alle Umfragen zeigen, dass die Menschen gerade hier besondere Erwartungen in die Europäische Union setzen. Diese dürfen nicht enttäuscht werden. Für die österreichische Präsidentschaft bedeutet das verstärkte Anstrengungen im Bereich der europäischen Strategie für Wachstum und Beschäftigung.

 

20.               Diese Strategie („Lissabon-Strategie“) wurde im März 2000 verabschiedet. Ihr Ziel ist es, die EU bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Da es sich um einen Zuständigkeitsbereich handelt, in dem die EU nur koordinierende Kompetenzen hat, bedarf es zur Verwirklichung der „Lissabon-Strategie“ nicht nur der Beschlüsse auf EU-Ebene, sondern in besonderem Maße auch der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in den zahlreichen in ihre Verantwortung fallenden Politikbereichen.

 

21.               Die Lissabon-Strategie umfasst Empfehlungen zu so entscheidenden Themen wie Innovation, Unternehmertum, Forschung, Umwelt, Bildung und Wissen sowie bessere Rechtsetzung. In all diesen Bereichen sind die Mitgliedstaaten aufgerufen, Maßnahmen zu setzen, um Beschäftigung und Wirtschaftswachstum zu verbessern.

 

22.               In den vergangenen Jahren wurden zwar schon beachtliche Fortschritte auf dem Weg zu den Lissabon-Zielen erzielt. Es wurde aber auch deutlich, dass diese Fortschritte zu langsam erfolgen und dass die bisher beschlossenen Maßnahmen einer Neuausrichtung bedürfen.

 

23.               Um den Anstrengungen zur Erreichung der Ziele neue Impulse zu geben, beschloss der Europäische Rat im Juni 2005 neue „integrierte Leitlinien“ für die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, um in erster Linie Wachstum und Beschäftigung voranzutreiben. Bis Mitte Oktober 2005 wurden von den Mitgliedstaaten nationale Reformpläne vorgelegt; diese enthalten Programme zur Verbesserung der Wirtschaftsleistung. Die Europäische Kommission wird eine Analyse dieser nationalen Programme vornehmen und dem Europäischen Rat unter österreichischem Vorsitz einen Bericht darüber vorlegen. Der Europäische Rat wird darüber im März 2006 beraten und allenfalls neue Vorgaben verabschieden.

 

Falls erforderlich können auch die integrierten Leitlinien, an denen sich die Reformprogramme der Mitgliedstaaten orientieren, angepasst werden. Teil der Reformprogramme ist auch der „Europäische Jugendpakt“, der vor allem auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf abzielt. Während der österreichischen Präsidentschaft werden die die zuständigen Ministerinnen und Minister bei einer Konferenz in Bad Ischl gemeinsam mit Jugendlichen aus allen Mitgliedstaaten darüber beraten und auch das Thema der Anerkennung der informellen und nicht-formalen Bildung erörtern.

 

24.               Im Rahmen der Lissabon-Strategie ist es ein Anliegen der österreichischen Präsidentschaft, die Rahmenbedingungen für Unternehmen weiter zu verbessern und so eine solide Grundlage für mehr und höherwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Um Forschung und Innovation ihre zentrale Rolle zu sichern, wird die österreichische Präsidentschaft danach trachten, Beschlüsse des Rats für neues Wissen, stärkeres Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Steigerung der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Gleichzeitig ist es das Ziel der Präsidentschaft, die sozialen Sicherungssysteme effizienter zu machen und mit den wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Prozessen besser zu koordinieren.

 

Beschäftigungs- und Sozialpolitik

 

25.               Die Beschäftigungs- und Sozialpolitik wird eines der Kernthemen der Frühjahrstagung des Europäischen Rats im März 2006 sein. Die österreichische Präsidentschaft wird ihren Schwerpunkt auf die Beschäftigung legen. Im Sinne ihrer größtmöglichen Einbeziehung in den erneuerten Lissabon-Prozess wird vor diesem Frühjahrsgipfel ein Treffen mit den europäischen Sozialpartner stattfinden.

 

26.               Österreich wird bestrebt sein, unter seiner Präsidentschaft die Verhandlungen über die Arbeitszeitrichtlinie abzuschließen. Darüber hinaus werden neue Vorschläge der Kommission zur Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz erwartet und weiter verfolgt werden. Da 2006 das Europäische Jahr der Mobilität von Arbeitnehmern ist, wird auch der Koordination der Sozialversicherungssysteme und der Mitnahme von betrieblichen Pensionsansprüchen über Grenzen hinweg große Aufmerksamkeit geschenkt werden.

 

27.               Weiters wird erstmals die Übergangsfrist für die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit überprüft werden; sie beschränkt seit der EU-Erweiterung 2004 für den Großteil der Bürgerinnen und Bürger der neuen mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten den Zugang zum Arbeitsmarkt in den meisten alten EU-Ländern. Übergangsregelungen gelten auch hinsichtlich der Entsendung von Arbeitskräften durch Unternehmen der neuen Mitgliedstaaten zur Erbringung von Dienstleistungen in Österreich und Deutschland in bestimmten Sektoren. Die Kommission wird voraussichtlich Anfang 2006 dem Rat einen Bericht über die Funktionsweise der Übergangsregelung vorlegen. Jene „alten“ Mitgliedstaaten, die Übergangsregelungen eingeführt haben, müssen bis zum 1. Mai 2006 bekannt geben, ob sie ihre nationalen Maßnahmen zur Beschränkung des Arbeitsmarktzugangs zunächst für weitere drei Jahre weiterführen wollen, für Österreich und Deutschland gilt dies auch für die Übergangsregelungen für die Entsendung von Arbeitskräften im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit. Österreich wird von dieser Möglichkeit, die Übergangszeit in beiden Bereichen zu verlängern, Gebrauch machen.

 

28.               Die Arbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten verlangt nach einer Schwerpunktaktion, um soziale Ausgrenzung zu verhindern. Dieser Herausforderung wird die österreichische Präsidentschaft Rechnung tragen. Die neue Sozialagenda der EU gibt diesem Punkt zusätzliche Aufmerksamkeit.

 

29.               Österreich wird die Straffung der Koordinierungsprozesse im Sozialbereich – soziale Eingliederung, Modernisierung der Altersversorgung, Gesundheit und Langzeitpflege – vorbereiten. Dabei werden auch Querschnittsziele wie „Gender Mainstreaming“ (Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche politische Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft) und Zugang zum Arbeitsmarkt mit umfasst werden. Die Straffung der Prozesse wird zur Modernisierung der Sozialschutzsysteme und zur besseren Verzahnung mit wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Prozessen beitragen. Die ersten gemeinsamen Ziele für den Sozialschutz sollen am Frühjahrsgipfel im März 2006 verabschiedet werden. Dieser Sozialschutzprozess soll neben der erneuerten Lissabon-Strategie als eigenständiger Prozess erhalten bleiben, um die Wichtigkeit der sozialen Fragen zu betonen und ihnen stärkeres Gewicht zu geben. Während der österreichischen Präsidentschaft werden die Sozialministerinnen und Sozialminister dieses Thema bei ihrem informellen Ratstreffen in Villach beraten.

 

30.               Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf Gesellschaft und Familie sind eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Unter österreichischem Vorsitz wird mit einer hochrangigen Expertenkonferenz mit dem Titel „Demografische Herausforderungen – Familie braucht Partnerschaft“ der Diskussionsprozess auf EU-Ebene weiter fortgesetzt. Die Konferenz soll die innerfamiliäre Partnerschaft und die Beziehungen zwischen Familie und Arbeitswelt beleuchten und den diesbezüglichen Know-How-Transfer zwischen den Mitgliedstaaten fördern.

 

Forschung und Binnenmarkt

 

31.               Forschung ist heute unbestritten einer der wichtigsten Motoren für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand und gleichzeitig damit eine wesentliche Säule der Lissabon-Strategie. Um ihre Ziele zu erfüllen, bedarf die Union eines deutlichen  Ausbaus der öffentlichen und privaten Investitionen in Forschung und Innovation.

 

Ziel des österreichischen Ratsvorsitzes ist es, das Jahr 2006 zu einem Jahr der zukunftsweisenden Entscheidungen in der europäischen Forschungsförderung zu machen, wobei der zeitgerechte Abschluss des 7. EU-Rahmenprogramms für Forschung, Technologie und Entwicklung im Vordergrund stehen wird.

 

Eine der wesentlichsten Neuerungen wird die Einrichtung einer europäischen Forschungsförderungsorganisation im Bereich der Grundlagenforschung bilden, die sich ausschließlich an den Kriterien der Exzellenz und des europäischen Wettbewerbes der Besten orientieren soll.

 

Gemeinsam mit der Europäischen Kommission wird die österreichische Präsidentschaft wesentliche Akzente in den Bereichen Sicherheitsforschung, Weltraumanwendungen und Nachhaltigkeit setzen sowie Maßnahmen vorschlagen, um den Anteil von Frauen in der europäischen Forschung deutlich zu erhöhen.

 

32.               Österreich anerkennt die wichtige Rolle der Wettbewerbspolitik, die den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt fördert und zur Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt beiträgt. Jede Präsidentschaft veranstaltet einen „Wettbewerbstag“, der Gelegenheit für einen Gedankenaustausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern von Wettbewerbsbehörden, Wirtschaft- und Industrieministerien, Gerichtshöfen, Unternehmen sowie Anwaltskanzleien und Wissenschaftseinrichtungen bietet. Österreich und Finnland überlegen, diese Veranstaltung gemeinsam abzuwickeln.

 

33.               Die Dienstleistungsrichtlinie soll innerhalb Europas die Erbringung von Dienstleistungen über die Grenzen hinweg erleichtern. Sie ist unerlässlich für die Vollendung des Binnenmarkts sowie für die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und spielt eine wichtige Rolle für die Verwirklichung der Lissabon-Ziele. Dienstleistungen machen etwa 70 % des Pro-Kopf-Einkommens und der Arbeitsplätze für die Menschen in der Union aus. Den wirtschaftlichen Auswirkungen der Richtlinie muss daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Gleichzeitig werden aber ihre sozialen Auswirkungen und Verbraucherschutzinteressen nicht aus den Augen verloren. Österreich wird besonders darauf achten, dass durch die Richtlinie Sozial- und Lohndumping nicht möglich werden.

 

Tourismus

 

34.               Der für die österreichische Wirtschaft herausragenden Stellung des Tourismus wird auch während des Ratsvorsitzes Rechnung getragen. Österreich wird im Rahmen der Verbesserung von Wachstum und Beschäftigung die Rolle des Tourismus betrachten und die Tourismusminister der 25 EU-Mitgliedsstaaten, der Beitrittskandidaten, der EWR- und EFTA-Staaten sowie der Westbalkan-Staaten einladen, im Rahmen einer Tourismusministerkonferenz im März 2006 Zukunftsthemen zu diskutieren.

 

Verkehr

 

35.               Österreich sieht im Verkehrsbereich Straßenverkehrssicherheit und Binnenschifffahrt als seine Prioritäten. Eine Verkehrsministerkonferenz in Bregenz wird sich Anfang März mit Straßenverkehrssicherheit befassen, um eine gemeinschaftliche Politik voranzutreiben, deren erklärtes Ziel mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer ist. Auch eine stärkere polizeiliche Zusammenarbeit im Bereich Straßenverkehrssicherheit ist geplant.

 

36.               Mitte Februar 2006 wird in Wien eine hochrangige Konferenz zur europäischen Binnenschifffahrt stattfinden. In einer verstärkten Nutzung der Binnenwasserstraßen sieht Österreich ein wichtiges Instrument, um dem immer weiter anwachsenden Schwerverkehr auf unseren Straßen entgegenzuwirken und die Umwelt zu schonen. Die Harmonisierung technischer Vorschriften soll zudem zu mehr Sicherheit führen.

 

37.               Darüber hinaus wird Österreich eine Reihe von innovativen und für den Bürger wichtigen Gesetzesvorhaben weiter verfolgen. Dazu zählen das 3. Eisenbahnpaket (insbesondere die Stärkung der Passagierrechte), die Rechte von Flugpassagieren mit eingeschränkter Mobilität, verschiedene Maßnahmen im Bereich Luftverkehrssicherheit, die Außenbeziehungen im Luftverkehr sowie die Umsetzung des europäischen Satellitenprogramms „Galileo“.

 

38.               Falls die Eurovignetten-Richtlinie über die Bemautung des Schwerverkehrs auf der Straße nicht wie geplant unter britischer Präsidentschaft abgeschlossen werden kann, wird es an Österreich liegen, die schwierige Vermittlung zwischen Rat und Europäischem Parlament zu leiten.

 

39.               Voraussichtlich noch im Laufe des Jahres 2005 wird die Europäische Kommission mehrere weitere Gesetzesvorschläge im Bereich Luftverkehr und Seeverkehr (unter anderem zur Stärkung der Sicherheit) vorlegen, die möglicherweise unter unserer Präsidentschaft zu behandeln sein werden.

 

Gesundheit und Verbraucherschutz

 

40.               Die österreichische Präsidentschaft wird die neue Gemeinschaftsstrategie zu Gesundheits- und Verbraucherschutz weiter verfolgen und zusammen mit dem Europäischen Parlament die Beratungen zum Vorschlag für ein Gemeinschaftsaktionsprogramm fortführen. Ebenso werden die Arbeiten zum neuen Vorschlag für den Verbraucherkredit mit dem Ziel einer weitgehenden Absicherung der Konsumenten weitergeführt. Der Verbraucherschutz insgesamt soll durch die Überprüfung der einschlägigen Richtlinien gestärkt werden.

 

41.               Die Präsidentschaft wird außerdem die Arbeiten an einer Reihe von weiteren Gesundheitsthemen fortsetzen, wie der Verordnung über Arzneimittel für den Gebrauch in der Kinderheilkunde, der Gewebezüchtung, der Gesetzgebung über medizinische Erzeugnisse sowie der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel und den Zusatz von Vitaminen und Mineralien zu Lebensmitteln. Weitere Schwerpunkte sind HIV/Aids und Grippevorsorge. Die Frage der mentalen Gesundheit, Diät und physische Aktivität werden das Herzstück von Gesundheitsförderung und -vorbeugung darstellen. Ein Augenmerk wird auch auf die Erwachsenendiabetes und Frauengesundheit gelegt werden.

 

 

Gleichstellung von Mann und Frau

 

42.               Die österreichische Präsidentschaft wird die Umsetzung der Erklärung und Aktionsplattform von Peking weiter verfolgen und die Entwicklung von Indikatoren für den nun zu analysierenden Bereich Frauen und Gesundheit erarbeiten. Die Aktionsplattform war das Ergebnis der 4. Weltfrauenkonferenz von 1995 mit dem Ziel, Gender-Anliegen in eine Vielfalt von Lebensbereichen einfließen zu lassen.

 

43.               Auch gilt es, die Debatte über den Verordnungsvorschlag zur Errichtung des Instituts für Gleichstellungsfragen weiterzuführen und im Hinblick auf das Jahr 2007, dem Europäischen Jahr der Gleichstellung, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament so weit wie möglich voranzutreiben. Ziel des Instituts, das 2007 operativ sein soll, ist die Unterstützung der Kommission und der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, die Förderung der Geschlechtergleichstellung und die Sensibilisierung der EU-Bürgerinnen und -Bürger für Gleichstellungsfragen.

 

44.               Das Los der Frauen nach bewaffneten Konflikten und in Friedenseinsätzen ist ein österreichischer Schwerpunkt in allen internationalen Foren (UNO, EU und Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Die einstimmig angenommene Sicherheitsratsresolution 1325 (2000) über Frauen, Frieden, Sicherheit forderte die Einbindung von Frauen in alle Phasen eines Friedensprozesses und die Berücksichtigung von Frauenanliegen in Friedensmissionen. Als EU-Präsidentschaft wird sich Österreich in den einzelnen Gremien für eine gemeinsame Position der EU-Mitgliedstaaten zur Verankerung dieser Vorgaben bei internationalen Friedenseinsätzen verstärkt engagieren.

 

45.               Die 50. Tagung der UN-Frauenstatuskommission wird im Frühjahr 2006 in New York ein neues Mehrjahres-Arbeitsprogramm verabschieden, das zehn Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking und kurz nach dem Weltgipfel 2005 die Themen für die internationale Debatte im Frauenrechtsbereich für die nächsten Jahre festlegen wird. Die österreichische EU-Präsidentschaft wird in diesem Zusammenhang folgende Schwerpunkte setzen: Umsetzung der Aktionsplattform von Peking, Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele mit Gender-Perspektive, stärkerer Menschenrechtsfokus, Gewalt gegen Frauen, Frauen und bewaffnete Konflikte.

 

 

Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen

 

46.               Die Konsolidierung der in den letzten Jahren reformierten Gemeinsamen Agrarpolitik ist eine Priorität für die österreichische Präsidentschaft. Der europäischen Landwirtschaft muss ein klares Signal der Stabilität und Verlässlichkeit in diesem Politikbereich gegeben werden. Es ist anzuerkennen, dass aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre über die zukünftigen Herausforderungen der Gemeinsamen Agrarpolitik ein Denkprozess initiiert werden konnte.

 

47.               Eine besondere Priorität für die österreichische Präsidentschaft bildet die Einbeziehung des europäischen Agrarmodells in die Lissabon-Strategie. Die reformierte Gemeinsame Agrarpolitik trägt zu mehr Beschäftigung und Wachstum bei, da durch sie die Wettbewerbsfähigkeit und Marktorientierung erhöht wird. Sie unterstützt weiters Innovation, fördert den Umweltschutz und bringt Stabilität für den ländlichen Raum.

 

48.               Des Weiteren werden unter österreichischer Präsidentschaft der Bericht der Europäischen Kommission über die Koexistenz gentechnisch veränderter Organismen diskutiert und hierzu eine Konferenz unter Einbindung sämtlicher Stakeholder in Wien abgehalten. Die österreichische Präsidentschaft wird einen besonderen Schwerpunkt auf die Prävention von Tierkrankheiten und Tierseuchen legen. Bereits die britische Präsidentschaft hat die Reform der Zuckermarktordnung auf ihrer Agenda.

 

49.               Im ersten Halbjahr werden die Arbeiten über nachhaltige Forstbewirtschaftung weiter geführt. Die Diskussion der EU-Forststrategie steht dabei im Vordergrund.

 

50.               Schließlich werden unter österreichischer Präsidentschaft die Beratung über die Schaffung eines neuen europäischen Fischereifonds und über die gemeinschaftlichen Finanzmittel für die Umsetzung der Gemeinsamen Fischereipolitik fortzuführen sein.

 

51.               Ziel der 2001 verabschiedeten Nachhaltigkeitsstrategie der EU ist es sicherzustellen, dass Wirtschaftswachstum, soziale Integration und Umweltschutz Hand in Hand gehen. Die Strategie konzentriert sich auf die sechs Bereiche Klimaänderungen, öffentliche Gesundheit, Armut und soziale Ausgrenzung, demografische Veränderungen, Management der natürlichen Ressourcen sowie Mobilität und Verkehr. Die österreichische Präsidentschaft wird bestrebt sein, neben dem Umweltrat auch andere Ministerratsformationen in die Umsetzung der Strategie einzubeziehen, damit die Prinzipien der Nachhaltigkeit in möglichst vielen Politiken berücksichtigt werden.

 

52.               Das 6. Umweltaktionsprogramm mit den wichtigsten Umweltzielen der EU läuft von 2002 bis 2012. Zur Halbzeit im Jahr 2006 soll eine Überprüfung stattfinden. Die Kommission wird dazu in den nächsten Monaten zur Umsetzung des 6. Umweltaktionsprogramms sieben thematische Strategien in den Bereichen Luftqualität, Bodenqualität, Pestizide, Meeresumwelt, Abfall, Erhalt von natürlichen Ressourcen und städtische Umwelt vorlegen.

 

53.               Österreich wird sich während der Präsidentschaft besonders den Themen Luftqualität und städtische Umwelt widmen. Die Luftstrategie enthält eine Einschätzung der Auswirkung bisher umgesetzter Maßnahmen auf Gesundheit und Vegetation, neue Ziele für die Verbesserung der Luftqualität bis 2020, mögliche Maßnahmen in verwandten Politikbereichen zur Minderung der Luftschadstoffemissionen bei Energie, Verkehr und Landwirtschaft. Die Strategie zur städtischen Umwelt geht auf eine Initiative des Europäischen Parlaments zurück. Ihre Ziele sind die Verbesserung der Umwelteffizienz und der Lebensqualität in städtischen Gebieten, die Gewährleistung eines gesunden Lebensumfeldes für die Stadtbewohner in Europa und die Stärkung des ökologischen Beitrags zur nachhaltigen städtischen Entwicklung. Gleichzeitig werden wirtschaftliche und soziale Fragen berücksichtigt.

 

54.               Das Kyoto-Protokoll, das rechtlich verbindliche Klimaziele international festlegt, ist im Februar 2005 in Kraft getreten. Die Vorarbeiten für die Weiterführung des internationalen Klimaprozesses nach dem Auslaufen der Kyoto-Vereinbarungen im Jahr 2012 müssen schon jetzt in Angriff genommen werden. Daher genießt die Klimapolitik schon während der britischen Präsidentschaft hohe Priorität. Unter dem österreichischen EU-Vorsitz finden im Mai 2006 wichtige Sitzungen der Unterorgane der UN-Klimarahmen­konvention in Bonn statt.

 

55.               Die Europäische Kommission hat Anfang 2004 einen Aktionsplan für Umwelttechnologien verabschiedet. Damit sollen Technologien, die sich durch Innovation, Wachstum und nachhaltige Entwicklung auszeichnen, gefördert werden. Der informelle Umweltministerrat unter österreichischem Vorsitz, der in Eisenstadt und Rust stattfinden wird, wird sich unter anderem mit der Frage der gesteigerten Verbreitung von Umwelttechnologien befassen.

 

56.               Österreich wird während seiner Präsidentschaft seine betont kritische Haltung gegenüber der Nutzung der Kernenergie als Energiequelle weiterhin vertreten. Kernenergie ist eine risikoreiche und nicht nachhaltige Energiequelle. Darüber hinaus ist das Problem der Endlagerung nicht gelöst, sondern belastet nachfolgende Generationen.

 

57.               Die Rechtlage der Europäischen Union sieht vor, dass die Wahl der Energiequelle der jeweiligen nationalen Entscheidung der Mitgliedstaaten obliegt. Entscheidet sich ein Land für die Nutzung der Kernenergie, müssen jedoch ein höchstmögliches Sicherheitsniveau eingehalten werden. Darauf wird Österreich während seiner Präsidentschaft besonders achten. Österreich tritt für die Erarbeitung EU-weiter Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke ein.

 

58.               Noch unter britischer Präsidentschaft wird eine politische Einigung zu einem auf dem Vorsorgeprinzip aufbauenden Regelungskonzept für gefährliche Chemikalien angestrebt. Kernziele des Richtlinienvorschlags mit der Kurzbezeichnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals) sind die Einführung der Neuverteilung der Verantwortlichkeiten im Umgang mit Chemikalien sowie die Errichtung einer Europäischen Chemikalienagentur in Helsinki. Abhängig vom Stand der Arbeiten am Ende der britischen Präsidentschaft wird Österreich die Arbeiten in dieser Frage vorantreiben.

 

59.               Die 8. Vertragsstaatenkonferenz des Abkommens über biologische Vielfalt (Biodiversität), die wichtigste internationale Konferenz im Umweltbereich während der österreichischen Präsidentschaft, findet im März 2006 in Brasilen statt. Bis zum Jahre 2010 soll weltweit die Rate des Verlustes an biologischer Vielfalt signifikant reduziert werden. Diese Zielsetzung wurde im Jahre 2002 bei der 6. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt festgelegt. Für Österreich stellt das 2010-Ziel die wichtigste Zielsetzung im Bereich biologischer Vielfalt für die kommenden Jahre dar.

 

60.               Die EU-Wasserrahmenrichtlinie bildet eine breite Klammer über Detailfragen zu Wasser. Ein von der Kommission vorgelegter Richtlinien-Vorschlag zu prioritären Stoffen auf der Basis der Wasserrahmenrichtlinie wird Ende 2005 erwartet. Dabei werden Qualitätsziele und emissionsbegrenzende Maßnahmen für Stoffe erarbeitet, die die Gewässer besonders schädigen. Österreich wird sich, nach einem Vorschlag der Kommission, auch weiter mit dem Hochwasserschutz beschäftigen.

 

61.               Österreich wird sich bemühen, Veranstaltungen während der EU-Präsidentschaft umweltgerecht und nachhaltig auszurichten („Greening the Presidency“).

 

 

Freiheit, Sicherheit und Recht

 

62.               Im so genannten Haager Programm hat der Europäische Rat 2004 die Prioritäten für die Schaffung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die nächsten fünf Jahre festgelegt. Das Programm fördert die Zusammenarbeit in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Straf- und Zivilrecht, Asyl- und Visapolitik sowie in der Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität. Außenpolitisch sieht es die Ausdehnung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts auf die Nachbarn der EU vor. Österreich wird während seiner Präsidentschaft die bisherigen Fortschritte bei der Umsetzung des Haager Programms sowie des dazu ausgearbeiteten Aktionsplans überprüfen und gegebenenfalls an aktuelle Veränderungen anpassen.

 

63.               Die Zusammenarbeit in Strafsachen wird insbesondere in den Bereichen des Informationsaustausches, der organisierten Kriminalität und des Datenschutzes weiter verstärkt werden. Österreich hat gemeinsam mit Finnland und Schweden eine Initiative zur Überstellung verurteilter Personen in den Heimatstaat zum Strafvollzug eingebracht, was die Resozialisierung fördern wird. Die Arbeiten daran werden unter österreichischer Präsidentschaft fortgesetzt und nach Möglichkeit abgeschlossen werden. Während des Ratsvorsitzes wird es dazu auch ein Treffen des Europäischen Justiziellen Netzes in Graz geben.

 

64.               Durch die Anschläge in London am 7. Juli 2005 ist die Terrorismusbekämpfung innerhalb der EU erneut in den Mittelpunkt gerückt. Die Justiz- und Innenministerinnen und –Minister verabschiedeten in ihrer Sondersitzung im Juli 2005 eine Erklärung zur Bekämpfung des Terrorismus, die eine Liste von mehr als 30 voranzutreibenden Maßnahmen enthält und eine beschleunigte Weiterführung der schon beschlossenen Aktivitäten einmahnt. Österreich wird diese Schwerpunkte während seiner Präsidentschaft fortführen.

 

65.               Um das Problem des Terrorismus an der Wurzel zu packen, wird Österreich ein Hauptaugenmerk auf die langfristige Strategie und den Aktionsplan gegen Radikalisierung und Rekrutierung von Terroristen legen. Schwerpunkt ist die Förderung des interreligiösen und des interkulturellen Dialogs, was Thema einer international besetzten Konferenz in Wien sein wird. Weiters muss die Finanzierung des Terrors unterbunden werden. Dafür wird die Umsetzung der 2005 beschlossenen 3. Geldwäscherichtlinie vorrangig voran­getrieben werden.

 

66.               Ein stark begünstigendes Element für die Verbreitung der organisierten Kriminalität ist die Korruption. Zur ihrer effizienten Unterbindung ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in ganz Europa notwendig. Zu diesem Zweck bereitet die österreichische Präsidentschaft einen Rechtsakt zur Errichtung eines Anti-Korruptions-Netzwerkes vor, das die bestehende Zusammenarbeit der nationalen Stellen verbessern wird.

 

67.               Durch den am 27. Mai 2005 in Prüm in der Eiffel (Deutschland) unterzeichneten umfassenden Polizeikooperationsvertrag zwischen Österreich, Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden hat Österreich eine Vorreiterrolle im Bereich des Informationsaustauschs inne. Österreich wird auch 2006 für die Verstärkung der Polizeikooperation eintreten.

 

68.               Bei der Umsetzung des EU-Drogen-Aktionsplans 2005 – 2008 wird für Österreich ein Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Staaten liegen, die Hauptproduzenten von Kokain sind. Im März 2006 wird dafür ein hochrangiges Treffen des Kooperations- und Koordinationsmechanismus in Drogenfragen, an dem neben den EU-Mitgliedstaaten 33 lateinamerikanische und karibische Staaten teilnehmen, in Wien stattfinden.

 

69.               Durch den Abbau der Binnengrenzen und die Errichtung der gemeinsamen Außengrenze wurde eine gemeinsame Lösung für Asyl- und Migrationsfragen innerhalb der EU-Grenzen notwendig. Derzeit laufen die Arbeiten für ein gemeinsames Asylsystem bis zum Jahr 2010, welche von der österreichischen Präsidentschaft fortgesetzt werden. Besondere Beachtung werden ein vereinheitlichtes Asylverfahren mit einem einheitlichem Rechtsstatus für diejenigen, denen Asyl gewährt wird, und die Einrichtung von gemeinsamen Asylantragsstellen finden. Zur Bekämpfung der illegalen Migration möchte Österreich die Arbeiten an der Rückführungspolitik illegal aufhältiger Personen durch Anreize für eine freiwillige Rückkehr oder Abkommen mit Drittstaaten über wirksame Abschiebung beschleunigen. Gleichzeitig wird die österreichische Präsidentschaft mit den Arbeiten an einer Europäischen Visastrategie, d. h. einheitlichen Kriterien für die Vergabe von Einreisevisa, beginnen.

 

70.               Der Beginn der Schengen-Evaluierungen auf technischer Ebene – also die Überprüfung, ob die neuen Mitgliedstaaten die Kriterien für eine umfassende Inkraftsetzung des Schengener Besitzstandes erfüllen – ist für Anfang Jänner 2006 vorgesehen. Österreich hat sich in Abstimmung mit den britischen und finnischen Vorsitzen bereit erklärt, während seiner Präsidentschaft eine vergleichsweise größere Zahl an Evaluierungen zu übernehmen. Insbesondere wird eine größere Anzahl von Missionen zur Evaluierung der Polizeikooperation, des Datenschutzes, der See-, Land und Flughafengrenzen durchgeführt.

 

71.               Die Zusammenarbeit in Zivilsachen muss weiter vertieft werden, zumal dieser Bereich viele europäische Bürgerinnen und Bürgern und die Unternehmen direkt betrifft. Das Hauptaugenmerk ist dabei weiterhin auf die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und den Zugang zur Justiz in Europa gerichtet. Daneben werden die Bemühungen zur Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts in den Bereichen Erb- und Testamentsrecht, Scheidungsrecht, Vertragsrecht und auf dem Gebiet des Schadenersatzes fortgeführt. Ein weiteres Ziel ist die Schaffung eines vereinfachten und zeitsparenden Gerichtsverfahrens für eine EU-weit vollstreckbare Entscheidung über unbestrittene Forderungen und solche mit geringem Streitwert. Dazu wird Österreich die Arbeiten für eine Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens sowie Bagatellverfahrens weiterführen.

 

72.               Bei der außenpolitischen Komponente des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wird Österreich den Schwerpunkt auf die Europäische Nachbarschaftspolitik und den Westbalkan setzen. Für diese Staaten hat Österreich ein partnerschaftliches Konzept entwickelt, in dessen Rahmen eine Reihe von Arbeitsgruppen tagt. Sie sind die Fundamente für eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Migration, Schlepperei, Menschenhandel, Terrorismus, Korruption, organisierte Kriminalität, Menschenrechte und Demokratisierung. Bei der abschließenden Ministerkonferenz am 4. und 5. Mai 2006 in Wien soll eine gemeinsame Erklärung zu diesen Themen angenommen werden.

 

 

Bildung und Kultur

 

73.               Die Qualität und Effizienz der Bildungssysteme ist in einer wissensbasierten Gesellschaft die grundlegende Voraussetzung für sozialen Zusammenhalt, aktive Bürgerschaft und das Erreichen von mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa. Im Rahmen der Lissabon-Strategie ist es ein wichtiges Anliegen, diese strategischen Ziele im Bereich der Bildung weiterhin zu fördern. Der österreichische Ratsvorsitz wird den – auf die 27 nationalen Zwischenberichte der Länder zu „Bildung und Ausbildung 2010“ aufbauenden – „Zweiten Gemeinsamen Zwischenbericht 2006“ erarbeiten und strebt an, diesen in einer verdichteten Form dem Europäischen Rat im März 2006 zu übermitteln.

 

74.               Ziel der österreichischen Präsidentschaft ist es, die (vom Abschluss des EU-Budgets abhängigen) Verhandlungen für das neue integrierte europäische Bildungsprogramm „Lebenslanges Lernen“ im Rat und mit dem Europäischen Parlament so engagiert zu führen, dass ein gemeinsamer Standpunkt erreicht wird. Dieses neue Programm vereinigt unter einer gemeinsamen Programmstruktur die Programme Comenius (Schulbildung), Erasmus (Hochschulbildung und Weiterbildung), Leonardo da Vinci (Berufsbildung) Grundtvig (Erwachsenenbildung) sowie das Querschnittsprogramm und das Programm Jean Monet. Darüber hinaus werden unter österreichischer Präsidentschaft auch die nationalen Strategien zum lebensbegleitenden Lernen weiterentwickelt. Lebenslanges Lernen soll nicht nur auf den Bildungs- und Ausbildungsbereich beschränkt sein: Das EU-Programm „Jugend in Aktion“ bietet auch im außerschulischen Bereich durch Jugendaustausch und grenzüberschreitenden Freiwilligendienste viele Möglichkeiten der informellen und nicht formalen (Weiter-)Bildung. Es wird voraussichtlich unter österreichischem Vorsitz beschlossen werden, sodass es mit Jahresbeginn 2007 in Kraft treten kann.

 

Besondere Bedeutung haben die Förderung der Mobilität durch die Europäische Qualitätscharta für Mobilität sowie die Entwicklung des Europäischen Qualifikationsrahmens. Dieser wird die Transparenz zwischen den Bildungssystemen der einzelnen Mitgliedstaaten wesentlich erhöhen und die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen erleichtern. Der Europäische Indikator für Fremdsprachenkompetenz sowie die Förderung jener Schlüsselkompetenzen, die jede Bürgerin und jeder Bürger zur persönlichen Weiterentwicklung, zur sozialen und beruflichen Integration und zur Entwicklung von unternehmerischen Fähigkeiten in einer Wissensgesellschaft benötigt, sind weitere Schwerpunkte der österreichischen Präsidentschaft.

 

75.               Der österreichische Vorsitz wird zudem zur Öffnung der Aus- und Fortbildungssysteme für Drittstaaten beitragen. Das Hauptaugenmerk des österreichischen Engagements liegt dabei auf den Westbalkanländern. Zugleich wird die Erneuerung der bestehenden Kooperationsprogramme im Bereich der Hochschul- und Berufsbildung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den USA bzw. Kanada angestrebt.

 

76.               Das Ziel des österreichischen Ratsvorsitzes ist es, eine fortlaufende und nachhaltige Durchführung und Weiterbearbeitung des Arbeitsprogramms für Kultur 2005 – 2006 zu garantieren. Schwergewicht wird dabei auf dem Beitrag der Kultur zu Wachstum und Kohärenz im Rahmen der Lissabon Strategie und der Mobilität von künstlerischen Arbeiten und Kunstsammlungen sowie Ausstellungen gelegt werden.

 

77.               Die Europäische Kommission sollte bis Ende 2005 einen Vorschlag für die Änderung der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ vorlegen. Das Mitentscheidungsverfahren wird voraussichtlich ein langfristiger Prozess im Ministerrat und im Europäischen Parlament werden, und deshalb wird dieser Punkt zumindest bis Ende 2006 auf der Tagesordnung bleiben. Das Ziel der österreichischen Präsidentschaft wird sein, den Vorschlag und die Debatte zu beschleunigen.

 

78.               Im Dezember 2004 wurde von den für Sport verantwortlichen Regierungsmitgliedern eine „fortlaufende Agenda“ akzeptiert, um die Kontinuität der europäischen Sportpolitik zu erhalten, um eine bessere Qualität der Debatte zu sichern und um konkrete Ergebnisse der vorbereitenden Arbeit für die neuen EU-Aktivitäten im Sport zu erzielen. Das Ziel der österreichischen Präsidentschaft ist es, diesen vorbereitenden Prozess erfolgreich weiterzuführen und sicherzustellen, dass sich die konkreten Ergebnisse in den zukünftigen EU-Aktivitäten im Sport wieder finden. Der Schwerpunkt 2006 wird auf den Themen Sport und Gesundheit und der ehrenamtlichen Tätigkeit im Sport liegen.

 

 


Sparsamkeit und Effizienz: Die Finanzen der Europäischen Union

 

79.               Um ihre vielfältigen Aufgaben im Dienste der Menschen erfüllen zu können, benötigt die Europäische Union angemessene Budgetmittel. Sie muss aber mit dem Geld der europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sparsam umgehen, worauf gerade auch Österreich großen Wert legt.

 

80.               Den Rahmen für die jährlichen Budgets der Europäischen Union geben die so genannten Finanziellen Vorausschauen, die jeweils auf sieben Jahre angelegt sind. Sie werden zwischen dem Ministerrat (unter den Mitgliedstaaten ist in diesem Fall Einstimmigkeit erforderlich), dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission vereinbart.

 

81.               Derzeit wird die neue Finanzielle Vorausschau für die Jahre 2007 - 2013 verhandelt. Eine Einigung noch unter britischer Präsidentschaft wäre denkbar. In diesem Fall wären unter dem österreichischen Ratsvorsitz die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament zu führen. Sollte es im Dezember 2005 jedoch nicht zu einer politischen Einigung kommen, müsste sich der österreichische Vorsitz darum bemühen.


 

 

Dritter Teil

 

Europäische Außenpolitik

 

 

 

Außenpolitik

 

82.               Einen besonderen außenpolitischen Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft wird der Westbalkan darstellen. In einigen Ländern dieser Region stehen im kommenden Jahr wichtige Weichenstellungen an.

 

83.               Das erste Halbjahr 2006 wird voraussichtlich entscheidend für die Zukunft der Staatenunion Serbien und Montenegro sein. In Montenegro wurde für dieses Semester ein Unabhängigkeitsreferendum angekündigt. In diesem Zeitraum werden auch die Verhandlungen der EU über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen fortgesetzt werden. Durch eine verstärkte Anbindung von Serbien und Montenegro an die EU sind positive Auswirkungen auf die Stabilität Südosteuropas insgesamt zu erwarten. Daher hat Österreich großes Interesse an einem erfolgreichen Abschluss dieser Verhandlungen. Die EU erwartet außerdem die fortgesetzte volle Zusammenarbeit Serbiens und Montenegros mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien.

 

84.               Im Oktober 2005 hat der norwegische Botschafter Kai Eide als Sondergesandter des VN-Generalsekretärs einen Bericht vorgelegt, in dem die Aufnahme von Gesprächen über den künftigen Status des Kosovo empfohlen wird. Als nächsten Schritt hat Generalsekretär Annan Martti Ahtisaari zum Sondergesandten ernennen, der die Verhandlungen leiten wird. Eine Aufnahme der Gespräche noch vor Beginn der österreichischen Präsidentschaft ist sehr wahrscheinlich. Als EU-Vorsitz wird Österreich bemüht sein, seinen Beitrag für eine verstärkte Rolle der EU im Kosovo zu leisten.

 

85.               Nach den jüngsten Fortschritten im Reformprozess (Polizeireform, Reform der Streitkräfte) strebt die Kommission noch 2005 den Beginn von Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Bosnien und Herzegowina an. Österreich wird dieses Bestreben voll unterstützen. Während des österreichischen Vorsitzes ist mit Verhandlungen über ein solches Abkommen zu rechnen.

 

86.               Sofern die Verhandlungen mit Albanien über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen bis Ende 2005 abgeschlossen werden können, werden unter österreichischer Präsidentschaft die Unterzeichnung und der Beginn des Ratifizierungsprozesses folgen.

 

87.               Ziel der Europäischen Nachbarschaftspolitik der EU ist es, den Großteil der Länder Osteuropas und des Mittelmeerraums in eine gemeinsame Zone des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstands einzubeziehen. (Seit dem Europäischen Rat vom Juni 2004 umfasst die Europäische Nachbarschaftspolitik die Staaten Ukraine, Belarus, Moldau, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Syrien, Libanon, Israel, Jordanien, Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko sowie die Palästinensische Autonomiebehörde.) Die österreichische Präsidentschaft wird die weitere Annäherung der Nachbarstaaten an die EU im Rahmen dieser Politik fördern. Dies wird insbesondere durch die Umsetzung der Aktionspläne, die für jedes Land maßgeschneidert werden, und die Überprüfung der bisherigen Fortschritte geschehen. Ein wichtiges Anliegen der österreichischen Präsidentschaft wird auch die Vorbereitung eines neuen Finanzierungsinstruments für die Europäische Nachbarschaftspolitik sein, das ab 2007 greifen soll. Verstärkte Aufmerksamkeit wird auch dem Ablauf der ukrainischen Parlamentswahlen im März 2006 zuteil werden.

 

88.               In der Ukraine wurde nach den Präsidentschaftswahlen 2004 die stärkere Annäherung an die EU zum erklärten außenpolitischen Ziel. Dieses Ziel soll auch mittels des neuen Aktionsplans im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, der im Februar 2005 beschlossen wurde, erreicht werden. Die österreichische Präsidentschaft wird eine erste Bewertung der bis dahin erfolgten Umsetzung der Projekte dieses Aktionsplans prüfen. Im Frühjahr 2006 wird eine Tagung des Kooperationsrats EU-Ukraine in Brüssel stattfinden.

 

89.               In den Beziehungen zu Russland steht die Implementierung der beim EU-Russland-Gipfel vom Mai 2005 beschlossenen Wegskizzen für die „Vier Gemeinsamen Räume“ im Mittelpunkt. (Dabei handelt es sich um einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, einen Raum der inneren Sicherheit, Freiheit und Rechtstaatlichkeit, einen Raum der äußeren Sicherheit und einen Raum der Forschung, Bildung und Kultur.) Im Mai wird das halbjährliche Gipfeltreffen EU-Russland stattfinden. Dabei dürften vor allem die Umsetzung der Wegskizzen, eine intensivere Zusammenarbeit im Energie- und Umweltbereich, ein möglicher WTO-Beitritt Russlands und Überlegungen in Richtung einer Freihandelsperspektive behandelt werden.

 

90.               Die Unterstützung bei der Bewältigung bestehender Krisen in Zentralasien und der - trotz intensiver internationaler Bemühungen - seit Jahren ungelösten "eingefrorenen" Konflikte im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion (insbesondere Abchasien, Südossetien, Berg-Karabach und Transnistrien) wird weiter fortgeführt.

 

91.               Die transatlantischen Beziehungen sind für die EU in politischer, wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Hinsicht von zentraler Bedeutung. Die Union wird die beim letzten EU-USA-Gipfel im Juni 2005 angenommenen Erklärungen weiter umsetzen und den strategischen Dialog mit den USA erweitern und vertiefen.

 

92.               Das nächste Gipfeltreffen der EU mit den USA soll während der österreichischen Präsidentschaft stattfinden. In Vorbereitung auf diesen Gipfel werden Themen wie die Stärkung der Wirtschaftspartnerschaft, Terrorismusbekämpfung, Multilateralismus und Klimawandel sowie die gemeinsame Arbeit an der Lösung internationaler Konflikte und Krisen aktiv weiter verfolgt werden. Die Einbindung von Vertretern der Parlamente sowie der europäischen und amerikanischen Zivilgesellschaft stellt ein wichtiges Anliegen dar.

 

93.               Die Weiterführung der starken Partnerschaft zwischen der EU und Kanada, die in internationalen Fragen viele gemeinsame Sichtweisen und Ziele teilen, ist Österreich ein wichtiges Anliegen. Das im ersten Halbjahr 2006 in Kanada stattfindende Gipfeltreffen soll dafür genützt werden. Im Wirtschaftsbereich soll es 2006 nach Möglichkeit zum Abschluss eines Abkommens zur Förderung von Handel und Investition kommen.

 

94.               Unter österreichischer Präsidentschaft wird sich die EU bemühen, ihre strategische Partnerschaft mit Lateinamerika und der Karibik zu vertiefen. Dies bedeutet zum einen, dass die Verhandlungen mit dem Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) über ein Assoziationsabkommen vorangetrieben werden sollen. Zum anderen sollen mit der Andengemeinschaft und Zentralamerika vertiefende Gespräche geführt werden, die auch die Aufnahme von Verhandlungen über Assoziationsabkommen beinhalten könnten. Diese Abkommen sollen auch ein Freihandelsregime umfassen. Die Verhandlungen mit den karibischen Staaten über Wirtschaftliche Partnerschaftsvereinbarungen („Economic Partnership Agreements“) werden fortgeführt.

 

95.               Mitte Mai 2006 wird in Wien unter Vorsitz des Bundeskanzlers das IV. Gipfeltreffen der EU mit Lateinamerika und der Karibik stattfinden. Zu diesem Gipfel werden 60 ausländische Delegationen erwartet, womit dieses Treffen die größte Präsidentschaftsveranstaltung in Österreich 2006 sein wird. Zwischen den Teilnehmern soll es zu einer offenen und dynamischen Debatte über multilaterale, wirtschaftliche und soziale Fragen kommen. Am Rande des Gipfels sind auch Treffen der EU mit der Andengemeinschaft, der karibischen Gemeinschaft (Cariforum), dem Mercosur, Zentralamerika, Chile und Mexiko geplant. Es wird eine Reihe von Vorbereitungstreffen von Parlamentariern, Unternehmern und Vertretern der Zivilgesellschaft aus beiden Regionen geben. Eine eigene Tagung wird dem Drogen-Kooperationsmechanis­mus EU-Lateinamerika/Karibik gewidmet sein. Österreich wird einen besonderen Schwerpunkt im Bereich der Forschung setzen. Schließlich soll parallel zum Gipfel das erste Business-Treffen für führende Unternehmerpersönlichkeiten beider Regionen stattfinden.

 

96.               Die EU-Anstrengungen, zur Lösung der Krise im Nahen Osten beizutragen, werden auch durch die österreichische EU-Ratspräsidentschaft schwerpunktmäßig vorangetrieben werden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Nahost-Quartett zu, das neben der EU auch die UNO, die USA und Russland umfasst. Die Bemühungen um eine vollinhaltliche Umsetzung der Wegskizze („Roadmap“) mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung werden fortgesetzt.

 

Konkrete Herausforderungen an die EU ergeben sich aus dem israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen, der nur dann nachhaltig erfolgreich werden kann, wenn die Erwartungen der palästinensischen Bevölkerung auf wirtschaftlichen Wiederaufbau erfüllt werden. Für die israelische Seite bleibt entscheidend, dass der Rückzug zu einem Ende der Angriffe aus dem Gaza-Streifen führen muss. Eine durch faire und repräsentative Parlamentswahlen im Jänner 2006 legitimierte neue Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde wird daran gemessen werden, wie weit es ihr gelingen wird, Rechtsstaatlichkeit in allen Bereichen, insbesondere in der Durchsetzung ihres Gewaltmonopols und der Verhinderung von Anschlägen militanter Gruppen, überzeugend zu etablieren. Die EU wird auch bei dieser Gelegenheit ihre Instrumente der Stärkung demokratischer Prozesse (z. B. eine Wahlbeobachtungsmission) anbieten.

 

97.               Österreich hat sich stets für eine Politik des zielgerichteten Dialogs gegenüber dem Iran eingesetzt. Die Entwicklungen in diesem Land werden während der österreichischen EU-Präsidentschaft genau verfolgt werden, insbesondere auch in der Nuklearfrage. Neben dem Nuklearbereich ist für die EU ein Eingehen des Iran auf wichtige Anliegen der EU, wie Menschenrechte, Kampf gegen den Terrorismus und die Positionen zum Nahost-Friedensprozess, unabdingbar.

 

98.               Die EU strebt einen weiteren Ausbau der Beziehungen mit der Regierung und der Bevölkerung des Irak an. Ziel ist ein sicherer, stabiler und geeinter Irak, in dem Wohlstand und Demokratie herrschen, die Menschenrechte geachtet werden, der seine Hoheitsgewalt uneingeschränkt ausüben kann und der mit seinen Nachbarn und mit der Völkergemeinschaft konstruktiv zusammenarbeitet.

 

99.               Mit dem Golfkooperationsrat sollten bis zum Ende des ersten Halbjahres 2006 die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen abgeschlossen werden können.

 

100.           Die Bedeutung Asiens für die EU nimmt kontinuierlich zu. Die österreichische Präsidentschaft beabsichtigt, die intensiven Kontakte mit Asien weiter zu führen. Neben den regelmäßigen bilateralen Treffen wird zu diesem Zweck die Kooperation in multilateralen Foren von besonderer Bedeutung sein. Zur Verstärkung der euro-asiatischen Partnerschaft wird unter finnischer Präsidentschaft ein euro-asiatisches Gipfeltreffen stattfinden. Die Vorbereitung dieses Gipfels wird unter österreichischer Präsidentschaft unter anderem mit einem hochrangigen Beamtentreffen am 8./9. März 2006 in Wien beginnen. Am 8./9. April 2006 wird in Wien ein euro-asiatisches Finanzministertreffen stattfinden.

 

101.           Österreich wird sich während seiner Präsidentschaft für eine weitere Intensivierung des Dialogs mit Japan einsetzen. Die Grundlage dafür bildet der gemeinsame Aktionsplan EU-Japan aus dem Jahr 2001. Unter österreichischer Präsidentschaft wird ein Gipfeltreffen EU-Japan stattfinden.

 

102.           China ist bereits jetzt der zweitgrößte Handelspartner der EU. Den Beziehungen EU-China kommt jedoch nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht ein immer größerer Stellenwert zu. Österreich wird sich daher als EU-Präsidentschaft bemühen, die strategische Partnerschaft mit China weiter zu entwickeln. Auf ein umfassendes Rahmenabkommen sollte hingearbeitet werden, das die vertragliche Grundlage der Beziehungen EU-China bilden würde. Die Überprüfung des EU-Waffenembargos gegen China wird gemäß dem Beschluss des Europäischen Rates im Dezember 2004 fortgesetzt werden. Weitere Schwerpunkte werden der Dialog in Handelsfragen und Energiepolitik sowie in den Bereichen Menschenrechte, Soziales und Migration sein.

 

103.           Im Mai 2006 soll eine weitere Runde im Menschenrechtsdialog EU-China stattfinden. Dabei soll auf Fortschritte bei der Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte durch China hingearbeitet werden. Auch soll ein Beitrag zur Abschaffung der Todesstrafe durch China geleistet werden.

 

104.           Mit Indien unterhält die EU seit November 2004 eine strategische Partnerschaft. Sie wurde beim bislang letzten Gipfeltreffen im September 2005 weiter vertieft. Insbesondere einigte man sich bei dieser Gelegenheit auf einen umfassenden gemeinsamen Aktionsplan. Die österreichische Präsidentschaft wird sich bemühen, die Umsetzung dieses Planes sicherzustellen.

 

105.           Die EU wird nach den Parlaments- und Provinzwahlen vom 18. September 2005 ihre Unterstützung für den Wiederaufbau eines friedlichen, demokratischen und stabilen Afghanistan fortsetzen. Sie wird daran mitwirken, das internationale Engagement in Afghanistan auch in Zukunft auf eine solide und dauerhafte Grundlage zu stellen.

 

106.           In Bezug auf Afrika wird es der österreichischen Präsidentschaft obliegen, mit der Umsetzung der im Dezember 2005 zu beschließenden EU-Afrika-Strategie zu beginnen. Dabei wird der EU-Dialog mit der Afrikanischen Union sowie mit regionalen Organisationen verbreitert und vertieft und ihr weiterer institutioneller und personeller Aufbau unterstützt. Besonderes Augenmerk soll dabei auf Konfliktprävention und Konfliktlösung, Armutsbekämpfung und gute Regierungsführung gelegt werden.

 

107.           Unter österreichischem Vorsitz werden die Bemühungen der EU zur Unterstützung der Afrikanischen Union bei der Bewältigung akuter Krisen, zum Beispiel im Sudan, in Côte d’Ivoire und in Somalia fortgeführt werden. Ebenso wird die Union weiterhin die schwierigen politischen Übergangsprozesse, etwa in Äthiopien, Uganda, der Demokratischen Republik Kongo und Guinea-Bissau begleiten.

 

108.           Hinsichtlich der Vereinten Nationen wird der Fokus der österreichischen EU-Präsidentschaft auf die Umsetzung der beim Weltgipfel und bei der 60. UN-Generalversammlung im September 2005 erzielten Ergebnisse gerichtet sein. Dazu zählen vor allem die Einrichtung neuer Gremien wie des Menschenrechtsrats und der Kommission für Friedenskonsolidierung.

 

109.           Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa spielt eine wichtige Rolle im Rahmen des europäischen Sicherheitsgefüges. Sie hat sich bereits den neuen Bedrohungen im Kontext eines umfassenden Sicherheitsbegriffs gestellt, wie etwa der Terrorismusbekämpfung bei gleichzeitiger Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, der Bekämpfung des Menschenhandels und dem Kampf gegen Intoleranz und Diskriminierung einschließlich der Verbesserung der Lage der Roma und Sinti. Die OSZE kann gemeinsam mit der EU und dem Europarat in ihrem Wirkungsbereich sowohl bei Demokratisierungsprozessen wie auch beim Aufbau und der Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen wesentliche Fortschritte erzielen. Österreich wird daher bestrebt sein, eine gemeinsame Erklärung von EU und OSZE über ihre Zusammenarbeit initiieren.

 

Verbesserung des konsularischen Schutzes von EU-Bürgern im Ausland

 

110.           In der konsularischen Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten strebt Österreich Verbesserungen an, um den EU-Bürgern besseren Schutz in Drittstaaten anbieten zu können. Wie wichtig dies ist, hat uns vor allem die Tsunami-Katastrophe in Südostasien gezeigt. Die Anstrengungen der österreichischen Präsidentschaft werden sich darauf richten, notwendige Koordinationsstrukturen zu etablieren und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken.

 

111.           Konkret geht es darum, im Erstfall den Informationsaustausch zwischen den nationalen Krisenzentren zu verstärken und den Einsatz nationaler Krisen- und Unterstützungsteams unter Rückgriff auf die zentrale EU-Koordinations­stellen enger abzustimmen und damit effizienter einzusetzen. Ein österreichisches Anliegen ist in diesem Zusammenhang auch die weitergehende Abstimmung der Außenministerien bei der Veröffentlichung von Reisewarnungen und Reisehinweisen. Augenmerk wird auch auf die weitere Vertiefung der technischen Zusammenarbeit, zum Beispiel im Bereich der eingesetzten Kommunikationsmittel, sowie auf die psychosoziale Ausbildung der Mitglieder der Krisenteams gelegt werden.

 

 

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

 

112.           Für den Bereich des zivilen Krisenmanagements soll unter österreichischer Präsidentschaft ein Mechanismus ausgearbeitet werden, mit dem laufend überprüft werden kann, ob die Kapazitäten für ziviles Krisenmanagement, die die Mitgliedstaaten der Union zur Verfügung stellen, dem entsprechenden „Zivilen Planziel“ entsprechen. Auf diese Weise soll es möglich gemacht werden, Kapazitätslücken rasch zu erkennen und zu schließen.

 

113.           Während der österreichischen Präsidentschaft wird im Bereich des militärischen Krisenmanagements an einem Katalog („Force Catalogue“) zu arbeiten sein, der all jene militärischen Kapazitäten auflistet, die die Mitgliedstaaten als ihre Beiträge zur Erreichung des EU-Streitkräfteziels 2010 deklarieren. Auf Basis dieses Katalogs soll dann in weiterer Folge ermittelt werden, in welchen Bereichen diese Beiträge noch qualitativ oder quantitativ ergänzt werden müssen.

 

114.           Österreich wird während seines Vorsitzes die Arbeiten im Rahmen der EU zum Thema der Sicherheitssektorreform weiterführen und auch in diesem Zusammenhang den Staaten des Westbalkans besondere Beachtung schenken. Die Sicherheitssektorreform soll der dauerhaften Stabilisierung von Krisenregionen dienen und bezieht sich prinzipiell auf alle sicherheitsrelevanten Aspekte staatlichen Handelns (Militär, Polizei, paramilitärische Formationen/Milizen, Grenzschutz, Geheimdienste, Justiz etc.) auf allen seinen Ebenen mit den Zielen Effizienz, Transparenz, Rechtsstaatlichkeit sowie volle zivile und demokratische Kontrolle.

 

115.           Die österreichische Präsidentschaft wird sich außerdem um weitere Verbesserungen des Zusammenspiels zwischen zivilem und militärischem Krisenmanagement bemühen. Es geht dabei darum, die EU in die Lage zu versetzen, auf ein breites Spektrum möglicher Krisen mit dem Einsatz einer Vielfalt an unterschiedlichen, optimal koordinierten Instrumenten reagieren zu können. Humanitäre Aspekte des Krisenmanagements sowie der spezifischen Herausforderung des Terrorismus wird dabei besondere Beachtung zu schenken sein.

 

116.           Unter österreichischem Vorsitz werden die Führung laufender Krisenmanagement-Operationen und, falls nötig, die Vorbereitung neuer Missionen von großer Bedeutung sein. Im ersten Halbjahr 2006 wird die größte Operation der EU, EUFOR Althea in Bosnien-Herzegowina, einer Überprüfung zu unterziehen sein. Ab Dezember 2005 wird Österreich dort für ein Jahr das Kommando über die „Multinational Task Force North“ innehaben. Da während der österreichischen Ratspräsidentschaft die Mandate der EU-Beobachtermission in Aceh (Aceh Monitoring Mission), der EU-Mission zur Unterstützung der Militärreform in der Demokratischen Republik Kongo (EUSEC Kongo) sowie der EU-Rechtsstaatlichkeitsmission zur Ausbildung von irakischen Justizexperten an Ausbildungsstätten außerhalb des Irak (EUJUST Lex) auslaufen, wird über deren Fortsetzung beraten werden.

 

117.           Die fortgesetzte Verbesserung der Zusammenarbeit der EU im Bereich des Krisenmanagements mit anderen internationalen Organisationen – vor allem der UNO, der OSZE und der NATO – wird ein wichtiges Anliegen der österreichischen Präsidentschaft sein.

 

 

Entwicklungspolitik

 

118.           Die Arbeit der österreichischen EU-Präsidentschaft im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit wird den Ergebnissen des Weltgipfels vom September 2005 und den dort von der EU gemachten Zusagen folgen. Diese umfassen das Volumen und die Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit, den Afrikaschwerpunkt und die entwicklungspolitische Kohärenz aller EU-Politiken mit Außenwirksamkeit.

 

119.           In multilateralen Foren, vor allem in solchen der UNO, wird es im ersten Halbjahr 2006 Verhandlungen geben, bei denen Österreich für die EU-interne Koordination zu sorgen hat. Behandelt werden Themen wie HIV/Aids, Migration und Bevölkerungsentwicklung, Energie, industrielle Entwicklung, Schutz der Atmosphäre und Klimawandel, Handel und Entwicklung, Arbeit und ländliche Entwicklung. Die österreichische EU-Präsidentschaft wird dabei versuchen, in jenen Bereichen Akzente zu setzen, in denen Österreich über besondere Erfahrung verfügt (z. B. Energie). Auch der Dialog mit den neuen EU-Mitgliedstaaten über den Aufbau ihrer Entwicklungszusammenarbeitsstrukturen wird fortgesetzt.

 

120.           Im Frühjahr 2006 wird in Papua-Neuguinea der EU-AKP-Ministerrat tagen. Es handelt sich dabei um das höchste Gremium der Partnerschaft der EU mit den Staaten des afrikanisch-karibisch-pazifischen Raums. Außerdem ist im kommenden Halbjahr ein EU-AKP-Parlamentariertreffen geplant.

 

 

Handelspolitik

 

121.           Seit Ende 2001 wird in der neunten Verhandlungsrunde in der Geschichte der weltweiten Handelsordnung, der so genannten „Doha-Entwicklungs-runde“, über mehr Marktfreigabe bei Landwirtschaft, Dienstleistungen, Industriezöllen, Sonderbehandlung der Entwicklungsländer, Handelserleichterung und geistigem Eigentum verhandelt. Da die teilnehmenden Staaten ihre Interessen mit unerwarteter Zähigkeit verteidigten, konnte die vorgesehene Verhandlungsdauer von drei Jahren nicht eingehalten werden. Von der 6. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO in Hongkong im Dezember 2005 erhofft man nun Entscheidungen, die einen Abschluss der Runde Ende 2006 oder spätestens Mitte 2007 möglich machen. Vom Ausgang dieser Konferenz wird es abhängen, welche Aufgaben auf den österreichischen EU-Vorsitz im handelspolitischen Bereich zukommen.

 

122.           Österreich hat vor allem auf zwei Gebieten besondere Anliegen: bei Dienstleistungen und bei der Landwirtschaft. Im ersten Bereich will Österreich Film- und Rundfunkerzeugnisse zur Bewahrung der kulturellen Eigenart vor ausländischen Anbietern schützen und wendet sich gegen die Freigabe des Marktes für die so genannte „Daseinsvorsorge“, also Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung und öffentlicher Nahverkehr.

 

123.           Im Bereich der Landwirtschaft hat die EU mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2003 bereits Änderungen vorgenommen, die neben der Rechtssicherheit für den internationalen Handel auch qualitativ hochwertige Produkte für die Endverbraucher sicherstellen. Nun sind andere WTO-Mitglieder gefordert, diesem Beispiel zu folgen und ihre Agrarpolitik ebenfalls zu ändern. Jedenfalls muss für Europa weiterhin ein entsprechender Schutz erhalten bleiben, um die klein strukturierte, bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten. Angemessen berücksichtigt werden müssen die Ernährungssicherheit, die Nahrungsmittelsicherheit, die ländliche Entwicklung, der Tierschutz sowie Umweltanliegen. Österreich will auch jene Beihilfen beibehalten, die Landwirte für die vielfältigen Leistungen, wie naturnahe Landwirtschaft, Landschaftspflege oder Umweltschutz erhalten.

 

 

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