EU-Arbeitsprogramm 2012

 

 

 

Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten

an das österreichische Parlament

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Überblick......................................................................................................................

1

Allgemeine Angelegenheiten........................................................................................

2

Auswärtige Angelegenheiten........................................................................................

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Überblick

 

 

1.                   Dieser Vorschaubericht stellt die wichtigsten Themen dar, die im Jahr 2012 in den Ratsformationen „Allgemeine Angelegenheiten“ und „Auswärtige Angelegenhei­ten“ zu behandeln sind.

 

2.                   Grundlage der Vorschau ist das Achtzehnmonateprogramm des Rates für den Zeitraum Juli 2011 bis Dezember 2012, Dokument 11447/11 vom 17. Juni 2011, welches vom polnischen, dänischen und zypriotischen Vorsitz vorgelegt worden war. Ferner wurde das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2012, Dokument KOM (2011) 777 vom 15. November 2011, als Basis herangezogen. Diese Vorschau berücksichtigt die laufenden Entwicklungen bis zum 31. Jänner 2012.

 


 

Allgemeine Angelegenheiten

 

Institutionelles

 

Vertrag über Stabilität, Koordination und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt)

 

3.                   Am 9. Dezember 2011 kamen die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten, deren Währung der Euro ist, in einer Erklärung überein, eine Reihe von Maßnahmen zu treffen, um die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) zu stärken. Übergeordnetes Ziel ist, die bisherigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Euro-Zone (u.a. Schaffung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF und des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, Steigerung der Effizienz des ESM-Vertrages, Anpassungen des Sekundärrechts zur Verbesserung der Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion) durch zusätzliche, über die bestehenden Verpflichtungen aus den EU-Verträgen hinausgehende Zusammenarbeit im fiskalischen und wirtschaftspolitischen Bereich zu ergänzen.

 

4.                   Da keine Übereinstimmung über eine entsprechende Änderung der Verträge der Union erzielt werden konnte, sollen jene Teile der Erklärung, welche nicht im Rahmen des Sekundärrechts der Union oder des ESM-Vertrages umgesetzt werden können, im Wege eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Euro-Zone sowie weiteren interessierten Mitgliedstaaten der Union umgesetzt werden.

 

5.                   Die Stärkung der wirtschaftspolitischen Säule der Wirtschafts- und Währungsunion, und insbesondere ihres Ziels des nachhaltigen Wachstums und Beschäftigung, soll durch folgende drei Ansätze erzielt werden: Einführung zusätzlicher Regeln für die Budgetdisziplin, engere Koordinierung der Wirtschaftspolitiken untereinander, und Verbesserung der Steuerungsmechanismen (“governance”) innerhalb der Euro-Zone.

 

6.                   Der Vertrag wurde beim informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU am 30. Jänner 2012 finalisiert und soll spätestens im Rahmen des Europäischen Rates (ER) am 1.-2. März 2012 unterzeichnet werden.

 

Wahl des Präsidenten des Europäischen Rates und des Eurozonengipfels

 

7.                  Da im Mai 2012 die Amtszeit des gegenwärtigen Präsidenten des Europäischen Rates Herman van Rompuy ausläuft, hat der Europäische Rat zeitgerecht eine Wahl zur künftigen Besetzung dieser Funktion durchzuführen. Es ist davon auszugehen, dass dies beim Europäischen Rat am 25. Mai erfolgen wird. Zugleich wird voraussichtlich auch die in der Erklärung des Eurogipfels vom 26. Oktober 2011 vorgesehene Benennung eines Präsidenten des Eurogipfels durch die Staats- und Regierungschefs erfolgen. Die ebenfalls für die Jahresmitte anstehende Wahl des Eurogruppen-Präsidenten erfolgt durch die Minister der EU-Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist.

 

Vertragsänderung zur Einrichtung eines permanenten Krisenmechanismus

 

8.                   Zur Einrichtung eines permanenten Stabilitätsmechanismus hat der Europäische Rat bei seiner Tagung am 16. und 17. Dezember 2010 auf Vorschlag des belgischen Vorsitzes das Verfahren zur Ergänzung des Art. 136 AEUV im Wege einer vereinfachten Vertragsänderung gemäß Art. 48 Abs. 6 EUV eingeleitet. Die Vertragsänderung, die der Europäische Rat am 25. März 2011 beschlossen hat, soll die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, dazu ermächtigen, auf Dauer einen Stabilitätsmechanismus einzurichten, der im Bedarfsfall zur Wahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebietes herangezogen werden kann. Die Gewährung von Finanzhilfen auf dieser Grundlage wird strengen inhaltlichen Auflagen unterliegen. Die Vertragsänderung soll nach Zustimmung aller Mitgliedstaaten in Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften wenn möglich bereits Mitte  2012 in Kraft treten. Für das laufende Arbeitsjahr ist daher das parlamentarische Genehmigungsverfahren vorgesehen.

 

Europäische Bürgerinitiative (EBI)

 

9.                   Zu den wichtigen Vorhaben in Zusammenhang mit der Umsetzung des Vertrags von Lissabon zählt die Europäische Bürgerinitiative, welche EU-Bürger/innen neue Möglichkeiten direkter demokratischer Mitgestaltung eröffnet. Entsprechend einem Volks- oder Bürgerbegehren auf europäischer Ebene kann die Europäische Kommission (EK) ersucht werden, neue oder ändernde Gesetzesinitiativen einzubringen. Die näheren Details (u.a. die für eine erfolgreiche Bürgerinitiative notwendige Zahl der Unterstützungserklärungen) wurden in einer am 16. Februar 2011 angenommenen EU-Verordnung festgelegt. Die Verordnung sieht eine 12-monatige Umsetzungsfrist vor, innerhalb derer in allen EU-Mitgliedsstaaten die technischen und legistischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, damit mit 1. April 2012 die ersten Europäischen Bürgerinitiativen eingebracht werden können (u.a. die Festlegung der zuständigen Behörden, Strafbestimmungen, Überprüfung der online-Sammelsysteme für elektronische Unterstützungserklärungen). In einigen EU-Mitgliedsstaaten ist hierfür die Erlassung eines eigenen Durchführungsgesetzes vorgesehen, so auch in Österreich (dzt. in parlamentarischer Behandlung).

 

Finanz- und Wirtschaftskrise: weitere Maßnahmen

 

10.               Wie bereits in den vergangenen zwei Jahren wird das erste Quartal 2012 im Zeichen der Wiederherstellung der Stabilität in der Eurozone stehen. Nach Abschluss der Verhandlungen zum Fiskalpakt und zum Europäischen Stabilitätsmechanismus nach dem Europäischen Rat am 1./2. März 2012 werden sich die Arbeitsschwerpunkte zunehmend in Richtung einer Strategie für Wirtschaftswachstum verlagern – mit Strukturreformen für Wachstum und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Stärkung des Binnenmarktes durch Stimulierung der Nachfrage sowie Beschäftigung mit einem spezifischen Fokus auf Verbesserung der Jugendbeschäftigung. Auftakt dafür ist bereits der informelle Europäische Rat am 30. Jänner 2012, welcher ein starkes politisches Signal in diese Richtung gibt. Daneben werden weiterhin die laufenden Reformen im Bereich der Finanzmarktregulierung prioritär bleiben (Basel III, Verbraucherschutz, Krisenmanagement im Finanzsektor).

 

11.               2012 werden die 2010/2011 durchgeführten Reformen im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion erstmals voll zur Anwendung kommen: Das Europäische Semester wird nach dem Testlauf 2011 in vollem Umfang durchgeführt  (Jahreswachstumsbericht 2012, Vorlage und Beurteilung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme sowie der nationalen Reformprogramme). Das mit 1. Dezember 2011 in Kraft getretene Legislativpaket zur wirtschaftspolitischen Steuerung („Six Pack“) wird erstmals umgesetzt und soll durch ein unter dänischem Vorsitz abzuschließendes weiteres Paket zur Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik in der Eurozone sowie durch die Bestimmungen des neuen Fiskalpaktes weiter verstärkt werden.

 

12.               Ferner soll, wie vom Europäischen Rat im Dezember 2011 beschlossen, das Inkrafttreten des ESM-Vertrags bereits per Mitte 2012 beschleunigt werden. Bis März 2012 soll überdies überprüft werden, ob die derzeit vorgesehene Gesamtausstattung von EFSF und ESM (500 Mrd. Euro) ausreichend ist, außerdem wird die Bereitstellung zusätzlicher Mittel durch den Internationalen Währungsfonds in Höhe von 200 Mrd. Euro weiter geprüft werden.

 

13.               Daneben werden die beim Europäischen Rat am 26. Oktober 2011 beschlossenen Maßnahmen zur Stabilisierung des Bankensektors fortgesetzt (staatliche Garantien zur Belebung des Interbankenmarktes, Anhebung der Kernkapitalquote auf 9 % bis spätestens 30. Juni 2012).

 

EU-Erweiterung

 

14.               EU-Beitrittsverhandlungen sind ein auf Einstimmigkeit basierender, mehrstufiger Prozess, der folgende Hauptphasen umfasst:

 

(1)     Nach einem Beitrittsantrag beauftragt in der Regel der Rat die Europäische Kommission mit der Erstellung eines „Avis“. Diese Stellungnahme der Kommission informiert, inwieweit der Antrag stellende Staat die Beitrittskriterien von Kopenhagen erfüllt. Je nach Erfüllungsstand kann die Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen (unter Umständen versehen mit Bedingungen) oder zunächst nur die Verleihung des Kandidatenstatus empfehlen.

 

(2)     Der Rat beschließt, inwieweit er diesen Empfehlungen der Kommission folgt.

 

(3)     Im Falle eines Beschlusses über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen wird zunächst ein Verhandlungsrahmen festgelegt. Dabei werden Grundparameter bestimmt und der zu übernehmende Rechtsbestand, der „Acquis“, in (derzeit 35) Verhandlungskapitel eingeteilt.

 

(4)     Anschließend nimmt die Europäische Kommission das sogenannte „Screening“ vor. Hierbei stellt die Kommission den Soll- und den Ist-Stand in den einzelnen Verhandlungskapiteln einander gegenüber und legt dazu „Screening-Berichte“ vor – jeweils mit der Empfehlung, ob ein Kapitel eröffnet werden kann oder nicht. In letzterem Fall kann die Kommission auch „Benchmarks“ empfehlen: Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit das betreffende Kapitel eröffnet werden kann.

 

(5)     Die EU-Mitgliedstaaten entscheiden einstimmig über die Eröffnung eines Verhandlungskapitels bzw. über die Festlegung von „Benchmarks“. Im Fall der Eröffnung eines Verhandlungskapitels wird der Beitrittskandidaten aufgefordert, eine nationale Verhandlungsposition vorzulegen.

 

(6)     Auf deren Grundlage entwirft die Kommission die Verhandlungsposition der EU, welche normalerweise ebenfalls „Benchmarks“ für den Abschluss des Verhandlungskapitels enthält. Nach deren Verabschiedung durch die EU-Mitgliedstaaten wird dann das jeweilige Kapitel auf einer Beitrittskonferenz eröffnet, an der die 27 EU-Mitgliedstaaten, die Kommission und der Beitrittskandidat teilnehmen.

 

(7)     Zur provisorischen Schließung eines Verhandlungskapitels kommt es, wenn die Mitgliedstaaten auf Empfehlung der Kommission beschließen, dass die „Abschlussbenchmarks“ erfüllt sind.

 

15.               Dieses Verfahren muss für 33 der 35 Verhandlungskapitel durchlaufen werden. Die Einführung von „Eröffnungsbenchmarks“ und die fast durchgängige Anwendung von „Abschlussbenchmarks“, was eine strenge und kontinuierliche Überprüfung der Fortschritte bei der Übernahme des „Acquis“ erlaubt, ist eine Neuerung gegenüber der Erweiterungsrunde 2004.

 

Kroatien

 

16.               Kroatien konnte sechs Jahre nach Beginn der Beitrittsverhandlungen (Oktober 2005) diese im Juni 2011 erfolgreich abschließen und den Beitrittsvertrag am 9. Dezember 2011 unterzeichnen. Es hat mit diesem Zeitpunkt das Recht, als aktiver Beobachter an den meisten Gremien der EU teilzunehmen.

 

17.               Als Zieldatum für den Beitritt wurde der 1. Juli 2013 festgelegt, was voraussetzt, dass bis dahin die Ratifizierungen in den nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten abgeschlossen sind.

 

Die übrigen Länder des Westbalkans

 

18.               Die westlichen Balkanländer bleiben für Österreich auch 2012 eine außenpolitische Priorität. Die europäische Perspektive dieser Länder muss weiter vorangetrieben werden, denn sie ist für die fortgesetzte Stabilisierung und Entwicklung der Region Westbalkan unersetzlich.

 

19.               Im Oktober 2011 hat die Europäische Kommission erneut ein Maßnahmenpaket zur Erweiterung mit einem Strategiepapier, je einer Stellungnahme zum Beitrittsvertrag mit Kroatien, zum Beitrittsantrag von Serbien sowie Fortschrittsberichte zu Mazedonien, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Montenegro vorgelegt.

 

20.               Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess stärkt die bilateralen, politischen und wirtschaftlichen Verbindungen der EU mit der Region und bereitet den Weg für weitere Reformen in den Ländern des Westbalkans. Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) sind bereits in Kraft mit Mazedonien (seit 1.4.2004), Kroatien (1.2.2005) und Albanien (1.4.2009). Das SAA mit Montenegro trat am 1. Mai 2010 in Kraft. Abkommen mit Bosnien und Herzegowina sowie mit Serbien wurden bereits unterzeichnet, bis zu deren Inkrafttreten nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten gelten Interimsabkommen.

 

  1. In ihrer Erweiterungsstrategie und im Fortschrittsbericht vom 12. Oktober 2011 empfahl die Europäische Kommission dem Rat wie schon 2009 und 2010 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien (Kandidatenstatus seit 2005). Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien bedarf der Einstimmigkeit aller EU-Mitgliedsstaaten; diese ist nach wie vor aufgrund des griechisch-mazedonischen Namensstreits nicht gegeben. Es besteht die Erwartung, dass die Umsetzung der im Fortschrittsbericht identifizierten Reformen, insbesondere Überprüfung der Wahlgesetzgebung und Reform des Justizwesens fortgeführt wird.

 

22.               Zu Montenegro (Kandidatenstatus seit 16.12.2010) empfahl die Europäische Kommission mit Hinblick auf die erreichten Fortschritte in gewissen Schlüsselbereichen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Noch vor dem für Juni 2012 in Aussicht genommenen Start der Verhandlungen wird die EK einen Bericht mit Fokus auf die Bereiche Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte sowie Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität vorlegen. Parallel dazu wird die EK einen Vorschlag für einen Verhandlungsrahmen erarbeiten.

 

23.               In Albanien könnte nach Beendigung einer zweijährigen Parlamentsblockade im Herbst 2011 eine schrittweise Umsetzung von Reformen einsetzten, die für eine weitere Annäherung an die EU nötig sind. Bisher blieben die von der EU nach dem Beitrittsantrag  2009 formulierten Voraussetzung für solche weiteren Schritte unerfüllt.

 

24.               Nach einer im Dezember 2011 nicht zustande gekommenen Entscheidung über die Verleihung des Kandidatenstatus an Serbien wird der Rat das Engagement des Landes im Dialog mit Pristina sowie bei der Ermöglichung der Mandatsausübung von EULEX und KFOR überprüfen und auf dieser Basis im Februar 2012 über die Verleihung des Kandidatenstatus entscheiden. Diese Entscheidung soll vom Europäischen Rat im März bestätigt werden.

 

25.               Eine weitest mögliche Einbeziehung des Kosovo in den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess stößt nach wie vor auf Widerstand jener EU-Mitgliedstaaten, die den Kosovo nicht anerkennen. Die Fortsetzung des Dialogs mit Belgrad sowie die Umsetzung der Ergebnisse werden weiterhin im Vordergrund stehen. Die Aufnahme des Visadialogs ist für die 1. Jahreshälfte 2012 in Aussicht genommen. Weiters soll in Zusammenarbeit mit der EU eine langfristige Agenda für den Nordkosovo entwickelt werden.

 

26.               In Bosnien und Herzegowina stehen nach wie vor für eine weitere EU-Annäherung wesentliche Reformen an (Verfassungsreform, Umsetzung des EGMR-„Sejdic-Finci“-Urteils, Justizreform, Einigung über die  Staatsbudgets für 2011 und 2012). So hängt auch das vollumfängliche Inkrafttreten des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen weiter von der bis dato nicht gegebenen Einhaltung bestimmter Anforderungen ab. Zwecks noch gezielterer Unterstützung des Landes wird auch die Stärkung der europäischen Präsenz im Fokus bleiben.

 


Island

 

27.               Im Rahmen der 2010 formell eröffneten Beitrittsverhandlungen mit Island fand im Juni 2011 die erste Beitrittskonferenz, bei der vier von 35 Kapitel eröffnet und zwei davon auch gleich provisorisch geschlossen wurden, statt. Dank weiterer Fortschritte konnten bis Jahresende 2011 insgesamt elf Kapitel eröffnet und acht provisorisch geschlossen werden. 2012 ist mit weiterhin guten Fortschritten zu rechnen, da Island aufgrund der Teilnahme am Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und am Schengen-Raum bereits sehr hohe Standards hinsichtlich der Erfüllung der Kopenhagener Beitrittskriterien vorweisen kann.

 

28.               Im EK-Fortschrittsbericht 2011 wurde hervorgehoben, dass sich Island zwar langsam von der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 erholt, aber die Schwäche des Finanzsektors und Arbeitslosigkeit zu den anhaltenden Herausforderungen der isländischen Wirtschaft zählen. Aufholbedarf besteht auch weiterhin bei der Restrukturierung des Bankensektors und der Fischereipolitik. Darüber hinaus ist der EU-Beitritt auch weiterhin innenpolitisch ein kontroverses Thema.

 

29.               Österreich steht den Beitrittsbestrebungen Islands auch 2012 wohlwollend gegenüber, wobei davon auszugehen ist, dass auch weiterhin nach dem herkömmlichen Verhandlungsprocedere vorgegangen und kein abgekürztes Verfahren angewendet wird.

 

Sonderfall Türkei

 

30.               Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei laufen seit Oktober 2005. Das Screening wurde in 23 von 35 Kapiteln abgeschlossen. Aufgrund mangelnder Erfüllung der Verpflichtungen der Türkei aus dem Ankara-Protokoll (die seit 1995 bestehende Zollunion muss auf alle der Union 2004 beigetretenen Staaten ausgedehnt werden) bzw. Verhinderung durch die Türkei von zypriotischen Öl/Gas-Explorationen und Testbohrungen im Meer sind seit Sommer 2010 kaum Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen zu verzeichnen.

 

31.               Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei wurde durch wiederholte türkische Äußerungen, wonach die Beziehungen zur EU unter zypriotischem Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2012 eingefroren werden sollen, weiter belastet. Auch 2012 werden Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen von der Verbesserung des türkisch-zypriotischen Verhältnisses abhängen.

 

32.               Insgesamt wurden die Verhandlungen in 13 Kapiteln eröffnet und in einem Kapitel provisorisch abgeschlossen (Kap. 25/Wissenschaft und Forschung). Acht Kapitel, die mit der Nord-Zypern-Problematik in Verbindung stehen (z.B. Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr), sind eingefroren; zudem kann auch von den übrigen Verhandlungskapiteln keines provisorisch abgeschlossen werden.

 

33.               Im Fortschrittsbericht 2011 werden positive Entwicklungen im Bereich der wirtschaftlichen Beitrittskriterien betont und unter Fortsetzung der Verfassungsreform von 2010 hinsichtlich der Reformen zur Umsetzung der politischen Beitrittskriterien 2012 weitere Fortschritte erwartet. Größter Aufholbedarf besteht weiterhin bei der Verbesserung der Beziehungen zu Zypern sowie der Meinungs- und Pressefreiheit. Die EU will den Dialog zur Türkei in weiteren Bereichen vertiefen um eine konstruktive und positive Beziehung zu ermöglichen. Die wesentlichste Feststellung zur Türkei betrifft die Einschätzung/Ankündigung der EK, dass neben den – da facto zum Stillstand gekommenen Beitrittsverhandlungen – die Zusammenarbeit mit der Türkei in ausgewählten Bereichen (einschließlich solchen von der Teilsuspendierung betroffenen) verstärkt und eine „frische und positive Agenda“ entwickelt werden soll.

 

34.               Österreich sieht die Türkei als einen wichtiger Partner der EU, doch sind ohne Intensivierung der Reformen keine Verhandlungsfortschritte und ohne Normalisierung der Beziehung zu Zypern keine Änderung des Status quo zu erwarten. Die Verhandlungen müssen vor dem Hintergrund der Aufnahmefähigkeit der EU ergebnisoffen bleiben. Es sollte eine maßgeschneiderte Lösung angestrebt werden; ein völliges Einfrieren der Verhandlungen wäre kontraproduktiv.

 

Mehrjähriger Finanzrahmen ab 2014

 

35.               Die Europäische Kommission veröffentlichte am 29. Juni 2011 ihre Mitteilung „Ein Haushalt für Europa 2020“ als Ausgangsbasis für die Verhandlungen zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Jahre 2014 bis 2020. Die unter dem polnischen Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr begonnenen Arbeiten zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 – 2020 waren noch vorwiegend exploratorischer Natur. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Europäische Kommission ihre detaillierten Vorschläge zu den einzelnen Programmen des EU-Haushalts erst bis Jahresende 2011 schrittweise vorlegte.

 

36.               Dänemark ist entschlossen, während seines Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2012 die Beratungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2014 gemäß dem Auftrag des Europäischen Rates vom 9. Dezember 2011 voranzutreiben. Die Diskussionen des RAA am 31. Jänner 2012 werden den Hauptprioritäten der EU-Mitgliedstaaten sowie dem budgetären Rahmen gewidmet sein inklusive den Gesamtdotierungen, welche die Kommission in ihren einzelnen Sektorvorschlägen präsentiert hat. Beim Rat Allgemeine Angelegenheiten im März und April werden Orientierungsdebatten abgehalten werden. Von Mai an wird der Rat Allgemeine Angelegenheiten eine „Verhandlungsbox“ mit Prioritäten und Parametern zu jeder Ausgabenrubrik diskutieren. Zu den sektoriellen Legislativvorschlägen strebt der dänische Vorsitz eine Einigung über deren nicht-budgetäre Aspekte an. Besonderes Augenmerk wird dabei naturgemäß den Vorschlägen zu den beiden mit Abstand größten Ausgabenposten, der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie der Kohäsionspolitik, gewidmet werden. Bei letzterer wird auf der Orientierungsaussprache des am 16. Dezember 2011 in der Besetzung der für die Kohäsionspolitik zuständigen MinisterInnen abgehaltenen Tagung des Rates Allgemeine Angelegenheiten aufgebaut werden. Die MinisterInnen bekannten sich dabei generell zur Mittelkonzentration im Hinblick auf die Erreichung der Europa 2020-Ziele, ergänzt durch den Zusatz, dass für die Abdeckung nationaler/regionaler/lokaler Bedürfnisse eine gewisse Flexibilität gegeben sein müsse.

 

37.               Die „Verhandlungsbox“ soll eine solide Grundlage für eine substantielle Diskussion zum zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen beim Europäischen Rat im Juni 2012 sowie für die sich daran anschließende Endphase der Verhandlungen sein. Die Finalisierung der Verhandlungen ist während der nachfolgenden zypriotischen Ratspräsidentschaft beim Europäischen Rat im Oktober oder Dezember 2012 angestrebt. Wie bereits die polnische Präsidentschaft werden auch die dänische und die zypriotische Präsidentschaft nach einem gemeinsamen Konzept vorgehen, das auch die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament einschließt und dessen Ziel die rechtzeitige Erlassung der Verordnung zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens ab 2014 ist. Der dänische Vorsitz wird daher wie bereits der polnische in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission eine politische Konferenz zum Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2014 organisieren, zu der wiederum Vertreter aller EU-Institutionen sowie der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten eingeladen sein werden.

 

Binnenmarkt

 

38.               2012 feiert der europäische Binnenmarkt sein 20-jähriges Jubiläum. Dänemark plant, die zwölf Initiativen, welche im Rahmen der Binnenmarktakte als prioritär definiert wurden, möglichst weit voranzubringen, wobei Umwelt- und Verbraucherschutz eine wesentliche Rolle spielen und die Digitale Agenda einen weiteren Schwerpunkt darstellen soll. In diesem Bereich werden u.a. die für das 1. Halbjahr von der EK geplanten Vorschläge zum Anlegerschutz, Performance Check für Dienstleistungen und grenzüberschreitende Lizenzen für online Musik diskutiert werden. Zu den Prioritäten zählen auch die Richtlinie zum öffentlichen Vergabewesen, die Revision der Bilanzierungsstandards und das einheitliche Patentwesen. Weitere Themenschwerpunkte werden die Behandlung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Gemeinsamen Fischereipolitik, das Eisenbahnpaket, Seeverkehrspunkte, das Roaming III-Paket, die Behandlung Systeme sozialer Sicherheit, die Richtlinie zu Elektromagnetischen Feldern und die Entsende-Richtlinie sowie im Umweltbereich die Richtlinie über Elektro- und Elektronikaltgeräte und das weitere Vorgehen im Klimabereich zum Durban-Follow-up umfassen.

 

39.               Der Europäische Rat im März wird den Jahreswachstumsbericht der EK diskutieren, der einen Fortschrittsbericht zu wachstumsfördernden Maßnahmen (v.a. der zwölf Prioritäten) im Rahmen der Binnenmarktakte beinhalten wird. Weiters wird sich der ER im März auf Basis eines EK-Fortschrittsberichts mit der Vervollständigung des digitalen Binnenmarkts bis 2015 befassen. Ebenso könnten erneut die erzielten Fortschritte in den Bereichen Energie, Innovation und Forschung und diskutiert werden.

 

Energiepolitik

 

40.               Die Trio-Präsidentschaften (Polen, Dänemark, Zypern) haben vereinbart, sich auf die Umsetzung der Energiestrategie 2020 zu konzentrieren.

 

41.               Auf Basis einer Reihe von Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission aus dem 2. Halbjahr 2011 werden die Hauptschwerpunkte der dänischen Präsidentschaft das Vorantreiben der Energieeffizienz-Richtlinie möglichst bis zur Verabschiedung der Infrastruktur-VO sein.

 

42.               Der Vorschlag der Energieeffizienz-Richtlinie der Europäischen Kommission sieht verpflichtende Maßnahmen wie Renovierung von öffentlichen Gebäuden oder Einführung eines Kriteriums der Energieeffizienz bei der öffentlichen Beschaffung zur Erreichung des 2020-Zieles einer Effizienzsteigerung um 20% vor.

 

43.               Der Vorschlag der EK betreffend eine Transeuropäische Infrastrukturverordnung enthält einen neuen Planungsansatz mit dem Ziel, die Abhängigkeit der EU zu vermindern: extern durch die Diversifizierung von Routen und Quellen, intern durch Ausbau der Interkonnexionen und Anbindung von Erneuerbaren, wofür Super- und intelligente Netze erforderlich sind.

 

44.               Von besonderer Bedeutung sind prioritäre Energiekorridore, darunter der südliche Gaskorridor zur Heranführung von Gas aus neuen Quellen (Zentralasien, kaspischer Raum, Naher Osten) und über neue Routen. Österreich verfolgt und unterstützt in diesem Zusammenhang insbesondere das Nabucco-Pipeline-Projekt.

 

45.               Die von der Europäischen Kommission im Dezember 2010 vorgelegte Mitteilung zum Aufzeigen einer Wegskizze hin zu einem kohlenstoffarmen europäischen Energiesystem bis 2050 wird die EU auch 2012 weiter beschäftigen. Grundsätzlich geht die Mitteilung davon aus, dass das Ziel einer Reduktion von Treibhausemissionen bis 2050 um 80% realisierbar erscheint, wobei der konkrete Weg nicht durch technische Machbarkeitsgrenzen, sondern den politischen Willen bestimmt sein wird. Aus österreichischer Sicht haben sich im Zeichen der Nuklearkatastrophe von Fukushima die energiewirtschaftlichen Parameter weitgehend geändert. Österreich lehnt daher dezidiert Nuklearszenarien als Wegskizze zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ab.

 

46.               Die Beratungen zu den vorliegenden Vorschlägen zur Änderung der Grundnormenrichtlinie 96/29/Euratom (zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen), für eine Verordnung des Rates zur Festlegung eines Gemeinschaftssystems zur Registrierung von Beförderern radioaktiven Materials, und für eine Verordnung über die Unterstützung der Hilfsprogramme für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen in Bulgarien, Litauen und der Slowakei durch die Union werden unter dänischer Präsidentschaft begonnen bzw. im Fall zur Grundnormenrichtlinie fortgesetzt.

 

47.               Einen Schwerpunkt werden die umfassende Risiko- und Sicherheitsbewertungen der europäischen AKW, die sog. "Stresstests", bilden. Insbesondere wird die Peer-Review-Phase (Jänner bis Ende April) in die dänische Präsidentschaft fallen. Der Endbericht zu den europäischen Stresstests soll dem Europäischen Rat im Juni 2012 vorliegen.

 

48.               Die Verhütung von Zwischenfällen infolge böswilliger oder terroristischer Handlungen aber auch anderer, im Konzept der nuklearen Sicherheit bisher nicht ausreichend erfasster Gefahren (z.B. Flugzeugabstürze) werden in einem separaten Prozess, dem „Security Track“, durch die für innere und militärische Sicherheit zuständigen Behörden und Experten im Rahmen einer ad hoc Arbeitsgruppe behandelt werden. Auch hier soll bis Juni ein Endbericht vorliegen.

 

Klimawandel und Nachhaltigkeitspolitik

 

49.               Die Herausforderungen des internationalen Klimawandelprozesses durch die Ergebnisse der Weltklimakonferenz von Durban/Südafrika 2011 („Durban-Plattform“) und die politischen Maßnahmen rund um die Weltkonferenz der Vereinten Nationen zur Nachhaltigen Entwicklung (Rio+20, Juni 2012) fordern sowohl den dänischen als auch den zypriotischen Vorsitz.

 

50.               Unter dem Titel „Grünes Europa“ sollen Wirtschaftswachstum und Umweltschutz Hand in Hand gehen. Der Anspruch einer weltweiten Führungsrolle der EU in Bezug auf Umwelt, Energie und Klima erfordert weitreichende Anstrengungen. Maßnahmen für ein „grünes Wachstum“ sollen daher in möglichst vielen Politikbereichen (etwa Agrarpolitik, Kohäsionspolitik, Verkehr und Binnenmarkt) gesetzt werden.

 

51.               Im Rahmen der 2020-Ziele werden daher die Verabschiedung einer Energieeffizienz-Richtlinie vorangetrieben und die Arbeiten an den Roadmaps 2050 in den Bereichen CO2-arme Wirtschaft, Ressourceneffizienz, Energie und Verkehr intensiviert (s. auch oben). Das 7. Umweltaktionsprogramm soll ebenfalls diesem Ziel dienen.

 

52.               Die „Durban-Plattform“ setzt u.a. einen Prozess in Gang, der bis 2015 zur Ausarbeitung eines rechtlich verbindlichen, internationalen Klimaschutzabkommens für alle Vertragsstaaten führen und verpflichtende Maßnahmen festschreiben soll. Die EU hat durch ihre geschickte Verhandlungstaktik (Allianz mit den am wenigsten entwickelten Ländern und den Inselstaaten) entscheidend zum Erfolg beigetragen. 2012 gilt es, diesen Prozess zu entwickeln, den institutionalisierten „Green Climate Fund“ mit Leben zu erfüllen und die grundsätzliche Verpflichtung zur 2. Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll mit konkreten Zielen und einer Laufzeit zu versehen. Die EU wird sich dabei vor allem mit der langfristigen Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen (100 Mrd. USD ab 2020) auseinandersetzen.

 

53.               „Rio+20“ soll einen weiteren Meilenstein in der Verankerung der Nachhaltigen Entwicklung in allen Politikbereichen bilden. Die drei Säulen – ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit – sollen durch die beiden Themen „Green Economy im Zusammenhang mit Nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung (GESDPE)“ sowie „Der institutionelle Rahmen für Nachhaltige Entwicklung (IFSD)“ behandelt werden. Die EU hat ihren Vorschlag für das Schlussdokument bereits 2011 eingebracht und wird sich vor allem durch die Idee einer „Roadmap“ für Schlüsselthemen (Wasser, Abfall, Biodiversität und Ökosystemleistungen, Luft und Böden, Meeresressourcen, Stadtentwicklung) aktiv in die Verhandlungen einbringen.


 

 

Auswärtige Angelegenheiten

 

Donau- und Schwarzmeerraum

 

54.               Ausgehend von dem traditionellen Engagement und Interesse Österreichs in Mittel- und Südosteuropa gelang es Österreich, in einer zusammen mit Rumänien lancierten Initiative, die Europäische Kommission und die EU insgesamt stärker für die Chancen und Herausforderungen des Donauraumes zu sensibilisieren. Die von der EU- Kommission in Zusammenarbeit mit den vierzehn Donauraumstaaten erarbeitete EU-Strategie für den Donauraum (EUSDR) und der dazugehörige Aktionsplan wurden im Juni 2011 durch den Europäischen Rat angenommen. Mit der Auftaktveranstaltung am 4. Juli 2011 begann die konkrete Umsetzung der Strategie in Österreich, die 2012 fortgeführt werden wird.

 

55.               Die vier Säulen des Aktionsplans umfassen elf Prioritätsbereiche, wobei österreichische Institutionen die Prioritätsbereiche „Verbesserung der Mobilität und der Multimodalität – Binnenwasserstraßen“ (zusammen mit Rumänien), „Investitionen in Menschen und Qualifikationen“ (zusammen mit der Republik Moldau), „Verbesserung der institutionellen Kapazität und Zusammenarbeit“ (zusammen mit Slowenien) koordinieren. In den in jedem Prioritätsbereich gebildeten Lenkungsgruppen wird weiter an Arbeitsplänen, Zielvorstellungen, Aktionen und konkreten Projekten zum Wohle der Region gearbeitet werden. Bereits jetzt sind zahlreiche Kooperationen entstanden. Eine der größten inhaltlichen Herausforderungen ist es, eine vernünftige Balance zwischen ökonomischen und ökologischen Zielen zu finden, vor allem wenn es um die bessere Nutzung der Donau als Wasserstraße geht. Bis Dezember 2012 soll ein erster Umsetzungs-Bericht mit konkreten laufenden und künftigen Projekten an den Rat übermittelt werden.

 

56.               Die Entwicklung der Beziehungen zu den Ländern des Schwarzmeerraums ist die logische Fortsetzung der Donauraumstrategie und der von Österreich auf dem Westbalkan gewonnenen Erfahrungen. Der Schwarzmeerraum ist eine Region mit großem wirtschaftlichem Zukunftspotential, die für die österreichische Exportunternehmen von zunehmender Bedeutung ist. Dazu kommt der Rohstoffreichtum der Region, der für österreichische Unternehmen große Chancen (Stichwort: Nabucco) bietet und für die künftige Energieversorgung ganz Europas essentiell ist.

 

57.               Die Vertiefung der Beziehungen zu den Ländern der Schwarzmeerregion bleibt auch 2012 einer der Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik. Mit Verstärkung der Präsenz in der Region wie die Eröffnung einer Botschaft in Baku 2010 sowie der Abhaltung des Wiener Regionalforums des Weltwirtschaftsforums im Juni 2011 wurden wichtige Grundlagen für die weitere Zusammenarbeit in der Region geschaffen.

 

Europäische Nachbarschaftspolitik

 

58.               Die Beziehungen zu den Ländern der östlichen Nachbarschaft (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und Ukraine) werden in Umsetzung des 2009 geschaffenen Konzepts der Östlichen Partnerschaft weiter entwickelt. Dabei konnten zuletzt insbesondere bei den laufenden Verhandlungen über neue Assoziierungsabkommen, die eine größere gegenseitige Öffnung, eine schrittweise Integration in den Wirtschaftsraum der EU sowie eine Annäherung an europäische Standards und Normen bringen sollen, Fortschritte erzielt werden. Die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine konnten so gut wie abgeschlossen werden. Dies war das wichtigste Ergebnis des 15. Gipfeltreffens zwischen der EU und der Ukraine, das in Kiew am 19. Dezember 2011 stattfand. Aufgrund der aktuellen politischen Lage in Belarus sind Verhandlungen über eine weitere Vertiefung der Beziehungen mit diesem Partnerland derzeit nicht möglich.

 

59.               Ein Visaerleichterungsabkommen und Rückübernahmeabkommen mit Georgien trat am 1. März 2011 in Kraft. Ähnliche Abkommen sollen auch mit Armenien, Aserbaidschan und Belarus abgeschlossen werden. Aktionspläne zur schrittweisen Erreichung des Ziels der Visafreiheit werden mit der Ukraine und mit Moldau umgesetzt.

 

60.               Am 29. und 30. September 2011 fand in Warschau ein Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft statt. Die Staats- und Regierungschefs der EU und der Partnerländer bekräftigten in einer Gemeinsamen Erklärung die beim Prager Gipfel 2009 festgelegten Ziele und vereinbarten eine entschlossene Fortführung weiterer Umsetzungsschritte.

 

61.               Die EU-Programme für die südliche Nachbarschaft wurden mit der Vorschau auf die politischen Entwicklungen im Lichte der Ereignisse des Jahres 2011 im Teil „Arabischer Frühling“ zusammengefasst (Punkte 77-87).

 

Beziehungen der EU zu Strategischen Partnern

 

62.               Grundprinzip der Diskussion zu den strategischen Partnern der Europäischen Union ist die Wahrung der europäischen Interessen in einer globalen Welt durch wirksame Nutzung der durch den Vertrag von Lissabon geschaffenen Instrumente.

 

63.               Der Europäische Rat nimmt – nach erstmaliger Diskussion im September 2010 – jährlich eine Bestandsaufnahme der Fortschritte in der Stärkung der Rolle der Union auf der internationalen Bühne vor und gibt erforderlichenfalls Ziele und allgemeine Leitlinien vor. Auch vor wichtigen Gipfeltreffen mit einzelnen Partnerländern will der Europäische Rat Orientierungen geben. Dabei bedarf allerdings jeder strategische Partner eines eigenen Zugangs in der Stärkung der Beziehungen, wobei Außen- und Sicherheitsthemen mit sektoralen Politiken wie Handel, Energie, Klima, Migration zu verknüpfen sind. Ziel ist effektiver Multilateralismus und die Zusammenarbeit bei globalen Themen.

 

64.               Der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, und unter ihrer Leitung dem neugeschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. 2010 wurden die Beziehungen zu den USA, Russland und China, 2011 die Beziehungen zu Indien, Brasilien und Südafrika evaluiert.

 

65.               Unter dem Begriff „Transatlantische Partnerschaft“ wird insbesondere das gegenseitige Geflecht wirtschaftlicher Abhängigkeit und globalpolitischer Zusammenarbeit der EU mit den USA subsumiert. Gemeinsam stellen die EU und die USA 10% der Weltbevölkerung, aber 60% der weltweiten Wirtschaftsleistung. Der bilaterale EU-US-Handel umfasst 40% des Welthandels. Die Herausforderungen, die sich für die transatlantische Partnerschaft – als zentrales Element des internationalen Systems – im Hinblick auf das Hervortreten neuer globaler Akteure und transnationaler Bedrohungen stellen, liegen vorrangig darin, gemeinsam Prioritäten zu definieren und gemeinsame Vorgangsweisen zu erarbeiten.

 

66.               Seit dem Amtsantritt der Regierung Obama ist eine Revitalisierung und signifikante Intensivierung des EU-US-Dialoges und der politischen Zusammenarbeit auf einer breiten Palette gemeinsamer globaler Herausforderungen erfolgt. Diese Intensivierung und weitere Institutionalisierung der Zusammenarbeit wird 2012 weitergeführt werden. Besonderes Augenmerk wird auf die wesentlichen Bereiche multilateraler Zusammenarbeit – Klimawandel, Energie und Energiesicherheit, Wirtschafts- und Finanzkrise, Krisenmanagement, Entwicklungszusammenarbeit, Nonproliferation und Abrüstung – gelegt werden. Diese Themen wurden auch beim letzten EU-US Gipfel am 18. November 2011 in Washington behandelt. Die Hohe Vertreterin Catherine Ashton wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Bemühungen um engere Koordination und Zusammenwirken zur Bewältigung und/oder Lösung von aktuellen oder potentiellen Krisenherden und Herausforderungen fortsetzen. Auch intensives Zusammenwirken in den Bereichen Frieden, Sicherheit und Justiz insbesondere hinsichtlich Terrorismusbekämpfung und Cybersecurity wird weiterverfolgt werden.

 

67.               Im Lichte der Finanz- und Wirtschaftskrise wird auch 2012 eine enge Koordination auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Vordergrund stehen. Die Europäische Kommission wird gemeinsam mit den dänischen und zypriotischen Ratspräsidentschaften die Arbeit des 2007 gegründeten Transatlantischen Wirtschaftsrates (Transatlantic Economic Council, TEC) fortführen.

 

68.               Im Februar 2008 teilten die USA den EU-Mitgliedstaaten mit, dass sie ihr Visa-Waiver-Programm (VWP), das die Staatsangehörigen mancher, aber nicht aller EU-Mitgliedstaaten zur visafreien Einreise in die USA berechtigt, neu gestalten werden. Der Verbleib der einzelnen EU-Mitgliedstaaten im Programm sowie die Aufnahme neuer EU-Mitgliedstaaten wurde gemäß den Vorstellung der USA an einen verstärkten Datenaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den USA gekoppelt („Prüm-like Abkommen“). Zielsetzung eines verstärkten Datenaustausches ist die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Verbrechens. Aus Sicht der EU und der EU-Mitgliedstaaten ist die Gewährleistung eines sachgerechten Datenschutzniveaus für die auf Basis solcher Abkommen zur Verfügung gestellten Daten wesentlich. Die bilateralen Abkommen sind somit in engem Zusammenhang mit den geplanten Verhandlungen zu einem EU-US-Rahmenabkommen zum Datenschutz zu sehen. 2011 wurde auch das EU-US-Abkommen zum Austausch von Fluggastdaten (Passenger Name Record, PNR) verhandelt, für den Abschluss des Abkommens ist noch die Zustimmung des EP erforderlich.

 

69.               Die problemlose und äußerst zufriedenstellende politische Zusammenarbeit zwischen der EU und Kanada (in den Bereichen Multilateralismus, Entwicklungspolitik, Krisenmanagement) wird weitergeführt und zusätzlich durch den Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen verstärkt werden. Die 2009 aufgenommenen Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) sollen im Laufe des Jahres 2012 zu einem Abschluss gebracht werden. Gleichzeitig werden Verhandlungen über ein erneuertes Rahmenabkommen mit Kanada, das aus EU-Sicht untrennbar mit CETA verbunden ist, fortzuführen und abzuschließen sein.

 

70.               Die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Russland wird in der Verwirklichung von „Vier Gemeinsamen Räumen“ (Wirtschaft, innere Sicherheit, äußere Sicherheit sowie Forschung, Bildung und Kultur) ausgestaltet. Parallel dazu sollen auch 2012 die Verhandlungen ein neues EU-Russland-Rahmenabkommen, das das bestehende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen von 1997 ersetzen soll, fortgesetzt werden.

 

71.               Der Beitritt Russlands zur WTO wird eine Intensivierung und Verbesserung der Handelsbeziehungen zur EU ermöglichen. Das Konzept der 2010 gegründeten Modernisierungspartnerschaft wird 2012 weiter umgesetzt. Die EU und Russland einigten sich 2011 über eine Liste „gemeinsamer Schritte“, die im Hinblick auf das Ziel der Visafreiheit umgesetzt werden müssen. Dazu gehören Maßnahmen in den Bereichen Dokumentensicherheit, Grenzkontrolle und Migration. 2012 wird mit der Implementierung dieser Maßnahmen begonnen werden.

 

72.               Die EU wird auch 2012 daran arbeiten, die seit 2003 bestehende Strategische Partnerschaft zu China mit Leben zu erfüllen. Folgende Themen möchte die EU in diesem Rahmen verstärkt ansprechen: Förderung des bilateralen Handels und des Marktzugangs für Waren und Dienstleistungen, verbesserte Investitionsbedingungen, Schutz der geistigen Eigentumsrechte, Öffnung der Märkte für das öffentliche Beschaffungswesen, stärkere Disziplin im Bereich der Exportsubventionen sowie Dialog über Wechselkurspolitik. Die Zusammenarbeit mit China soll auch in überregionalen Fragen (z.B. Iran, Nordkorea) und bei der Lösung globaler Herausforderungen (z.B. Klimawandel, Energieversorgung) intensiviert werden. Die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen laufen weiter. Die EU wird weiterhin die Menschenrechtslage und den Schutz und die Rechte der Minderheiten besonders aufmerksam verfolgen. Im 1. Halbjahr 2012 sollte der EU-China-Gipfel nachgeholt werden, der für 25. Oktober 2011 angesetzt war und von EU-Seite verschoben wurde.

 

73.               An der Vertiefung der seit 2004 bestehenden Strategischen Partnerschaft mit Indien wird die EU auch 2012 weiterarbeiten. Der nächste EU-Indien Gipfel wird am 10. Februar 2012 in New Delhi stattfinden. Ein baldiger Abschluss der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (FHA) wird angestrebt.

 

74.               Japan ist an einem Freihandelsabkommen mit der EU interessiert. Beim EU-Japan-Gipfel im Mai 2011 wurde die Lancierung eines Prozesses zur Aufnahme paralleler Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen und über ein umfassendes Kooperationsabkommen beschlossen. Gespräche mit Japan über den Umfang und das Ambitionsniveau beider Verhandlungen wurden begonnen und werden 2012 fortgeführt werden. Von den Ergebnissen hängt ab, ob Verhandlungen mit Japan tatsächlich aufgenommen werden. Ein Datum für den nächsten EU-Japan-Gipfel ist noch nicht festgelegt (vorgesehen: 1. Jahreshälfte 2012).

 

75.               Brasilien ist seit 2007 ein strategischer Partner der EU. Seit 2008 besteht auch ein konkreter Aktionsplan zur Implementierung dieser strategischen Partnerschaft, die durch die signifikant gewachsene politische Relevanz Brasiliens als globaler Akteur zunehmende Bedeutung erhält. Gipfeltreffen EU-Brasilien finden jährlich statt; zuletzt am 4. Oktober 2011 in Brüssel (Hauptdiskussionsthemen: Klimawandel, Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die biregionalen Wirtschaftsbeziehungen EU-MERCOSUR). Der strategische Dialog zwischen der EU und Brasilien wird auch im Jahr 2012 weitergeführt werden.

 

Europa als Akteur in der Welt

 

Arabischer Frühling

 

76.               Die arabische Welt steht seit 2011 im Zeichen politischer Umwälzungen des sogenannten „Arabischen Frühlings“. Einige Länder wie Tunesien, Ägypten und Libyen oder Jemen befinden sich zu unterschiedlichen Graden bereits im Prozess eines Demokratieaufbaus. Die EU muss diesen Prozessen aktiv behilflich sein. In anderen Ländern wie derzeit Syrien muss die EU weiterhin die Forderung der Bevölkerung nach mehr Demokratie und Einhaltung der Menschenrechte unterstützen. Die Hohe Vertreterin Catherine Ashton und die Kommission legten am 23. Mai 2011 eine Gemeinsame Mitteilung „Eine neue Antwort auf eine Nachbarschaft im Wandel“ vor, in der sie Vorschläge über die künftige Orientierung der ENP vor dem Hintergrund der politischen Umwälzungen in der südlichen Nachbarschaft entwickelten. Auf der Grundlage dieser Gemeinsamen Mitteilung beschloss der Rat am 20. Juni 2011 Schlussfolgerungen zur Überprüfung der ENP. In diesen Schlussfolgerungen sprach sich der Rat für einen neuen Ansatz in der ENP, wonach die Unterstützung der EU effizienter gestaltet und jene Länder, die größere Fortschritte bei demokratischen und marktwirtschaftlichen Reformen realisieren, auch mehr EU-Unterstützung erhalten sollen. Auch die Unterstützung mit Entwicklungskrediten, etwa durch die Europäische Investitionsbank, die eine zusätzliche Milliarde Euro für die südliche Nachbarschaft bereit gestellt hat, soll vermehrt an die Einhaltung derartiger Vorgaben geknüpft werden.

 

77.               Das Programm „Spring“ wurde im September 2011 von der EK verabschiedet und soll mit 350 Mio. Euro für 2011 und 2012 vorerst in Tunesien, Ägypten, Jordanien und Marokko den demokratischen Übergang, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die Korruptionsbekämpfung und Institutionenreform sowie die wirtschaftliche Erholung durch Förderung der Klein- und Mittelbetriebe und Stärkung der Rechtssicherheit unterstützen. Das „Transition Support Programme“ für Tunesien wird von der EK zusammen mit der Weltbank, der Afrikanischen Entwicklungsbank und der französischen Entwicklungshilfeagentur finanziert und soll mit insgesamt 3 Mrd. Euro die Wirtschaft wieder ankurbeln. Kleinere Programme für 2012 sind etwa ein 4 Mio. Euro umfassendes EU-Regionalprogramm zur Förderung politischer und demokratischer Reformen zusammen mit dem Europarat (Straßburg) oder Kooperationsabkommen mit der Anna-Lindh-Stiftung für interkulturellen Dialog (Alexandria) zur Stärkung der Zivilgesellschaften in Ägypten, Libyen und Tunesien.

 

78.               Die Abhaltung von gemeinsamen Task-Force-Treffen mit den südlichen Partnerländern zur besseren Abstimmung auf die lokalen Bedürfnisse und Koordinierung mit anderen Gebern und internationalen Organisationen soll nach dem ersten, sehr erfolgreichen derartigen Treffen mit Tunesien (September 2011) auch mit anderen Staaten der Region fortgesetzt werden. Im ersten Halbjahr 2012 ist ein Task-Force-Treffen mit Jordanien geplant, weitere werden je nach Fortgang der Ereignisse auch mit anderen Ländern stattfinden.

 

79.               In Tunesien muss die neu gewählte Verfassungsgebende Versammlung nun eine neue Verfassung ausarbeiten. Die EU muss wachsam bleiben, dass, auch vor dem Hintergrund des erstarkten politischen Islams, die in Tunesien bisher weitreichenden Frauenrechte und soziale Rechte nicht geschwächt werden. Gleichzeitig muss die EU die neue Regierung bei der Lösung der gravierenden wirtschaftlichen Probleme unterstützen.

 

80.               Für die libysche Führung besteht die große Herausforderung in der Entwaffnung und Rückführung der Rebellen in das Zivilleben bzw. in die Integrierung in neu aufzubauende Sicherheitskräfte (Armee und Polizei). Gewaltmonopol des Staates muss wieder hergestellt werden. Ferner müssen neue Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden und der Demokratisierungsprozess vorangetrieben werden (Wahlen zu verfassunggebender Versammlung). Die EU ist bereit Libyen bei diesen Herausforderungen zu unterstützen. Erste Gespräche über den Wiederaufbau in Libyen haben im Herbst 2011 begonnen, die EU wird in enger Abstimmung mit den Vereinten Nationen die Betreuung gewisser Bereiche wie Grenzsicherheit, Zivilgesellschaft sowie Medien und Meinungsfreiheit federführend übernehmen, aber auch auf anderen Gebieten eine wichtige Rolle spielen. Im Dezember 2011 hat die EK ein erstes Unterstützungspaket in der Höhe von 10 Mio. Euro zur Stärkung des libyschen Stabilisierungs- und Übergangsprozesses verabschiedet, das die öffentliche Verwaltung und Zivilgesellschaft durch Training und Übertragung von Expertise (Twinning) stärken soll. Auch im Erziehungsbereich soll das Programm durch Lehrerfortbildung und Erstellung neuer Textbücher unterstützend wirken.

 

81.               In Syrien reagierte die EU auf die eskalierende Repressionspolitik des Regimes mit der Aussetzung sämtlicher Kooperationsaktivitäten und der Verhängung von gezielten Maßnahmen gegen führende Personen und Unterstützer der Regierung von Präsident Assad, darunter Einfrieren von Vermögen und Einreiseverbote. Wenn das Regime nicht einlenkt, sind auch 2012 weitere Sanktionen zu erwarten. Die EU wird auch versuchen, durch enge Kooperation mit den Staaten der Arabischen Liga und den Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen einen Beitrag zu einem friedlichen Übergang zu einem demokratischen System zu leisten.

 

82.               In Marokko haben durch den König initiierte Reformen einige Forderungen nach mehr Demokratie erfüllt. Die EU sollte weitere Machtabgaben des Königs in Richtung der gewählten Regierung unterstützen. Gleichzeitig sollte die EU der neuen Regierung bei der Lösung wirtschaftlicher Probleme sowie dem Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft behilflich sein.

 

83.               In Ägypten haben die ersten Wahlen nach dem Sturz des Mubarak-Regimes eine deutliche Mehrheit für islamistisch geprägte Parteien ergeben. Die EU muss zu einem Dialog mit den neuen Entscheidungsträgern bereit sein, der einerseits Respekt vor dem demokratischen Wahlergebnis beweist und gleichzeitig Wachsamkeit bezüglich der Einhaltung anderer menschenrechtlicher Grundprinzipien (Schutz persönlicher Freiheiten, Medienfreiheit, Religionsfreiheit) bzw. völkerrechtlicher und internationaler Abkommen signalisiert.

 

84.               Ein Hauptaugenmerk wird auf die Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung bei gleichzeitig konstruktiver Konditionalität gegenüber einer zukünftigen Regierung zu legen sein. Ohne Rechtsstaatlichkeit und Transparenz der öffentlichen Verwaltung wird die engagierte Zivilgesellschaft in Ägypten ihre Vorstellungen vom Umbau der staatlichen Strukturen nicht erfüllt sehen. Auch die dringend erwarteten privaten Investoren warten auf ein Mindestmaß an politischer Stabilität und Rechtssicherheit vor einer Entscheidung über Neuinvestitionen. Im Rahmen ihrer bisherigen Zusammenarbeit mit Ägypten widmete sich die EU auch bisher schon der Unterstützung der Zivilgesellschaft. Diese Unterstützung hat auch im neuen Ägypten eine hohe Bedeutung, zumal die effizienteste Arbeitsteilung zwischen den staatlichen Institutionen und anderen gesellschaftlichen Akteuren angesichts der bisher autoritären Strukturen noch weit gehend ungeklärt ist.

 

85.               Für Länder der südlichen Partnerschaft sollen neben direkter Unterstützung auch längerfristige Chancen für den Zugang zum EU-Binnenmarkt geschaffen werden. Dazu will die EK 2012 tiefe und umfassende Freihandelsabkommen mit Marokko, Jordanien, Ägypten und Tunesien verhandeln. Auf dem Gebiet der Mobilitätspartnerschaften gibt es ebenfalls schon Vorschläge.

 

86.               Für die Union für den Mittelmeerraum (UfM) war die Bilanz 2011 zwiespältig: Neben gewissen Erfolgen, darunter die ersten Aktivitäten des neuen Generalsekretärs, Yousseff Amrani, der Dialog zwischen den Kulturen (Anna-Lindh-Stiftung) und die Tätigkeit des Ausschusses „Umwelt, Wasser und Energie“ der UfM-Parlamentarischen Versammlung, gab es auch Probleme und Rückschritte. Der Nahostkonflikt hielt die politische Ebene (Ministertreffen) auch weiterhin in Geiselhaft, es gab nur wenige konkrete Projekte, deren Implementierung vorangegangen wären, auch wegen politischer Konflikte über ihre Durchführung. Im Jahr 2012 ist zu hoffen, dass das UfM-Sekretariat in Barcelona zu einem echte Motor der Organisation werden kann und trotz mangelndem politischen Willens vieler UfM-Mitgliedsstaaten Fortschritte bei der Umsetzung von konkreten Projekten erzielt, die im Einklang mit EU-Programmen stehen, einen Mehrwert für die betroffene Bevölkerung haben und die regionale Kooperation der Partnerländer untereinander fördern. Nachdem GS Amrani Anfang Jänner 2012 überraschend in die neue Regierung Marokkos ernannt wurde, ist zudem seine Nachfolge zu klären.

 

Naher Osten

 

87.               Die größte Herausforderung für die internationale Gemeinschaft und mit ihr für die Europäische Union besteht darin, die Konfliktparteien zurück an den Verhandlungstisch zu führen. Dies betrifft die israelisch-palästinensischen Verhandlungen ebenso wie die ungelösten Konflikte Israels mit Syrien und mit dem Libanon.

 

88.               Im Rahmen der Generaldebatte der Generalversammlung der Vereinten Nationen legte das Internationale Nahost-Quartett in seiner Erklärung vom 23. September 2011 einen Vorschlag vor, wie idealerweise bis zum Ende des Jahres 2012 ein Abkommen zur dauerhaften Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts gefunden werden könnte. Der Vorschlag beinhaltet die Unterstützung durch eine internationale Konferenz in Moskau sowie eine Geberkonferenz zur Unterstützung des palästinensischen Staatsbildungsprozesses.

 

89.               Die „Palestine Liberation Organisation“ (PLO) hat im September 2011 einen Antrag auf Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen eingebracht; die EU ist in dieser Frage weiterhin auf der Suche nach einer gemeinsamen Position, die einerseits die palästinensischen Fortschritte im Aufbau der Institutionen eines künftigen Staats honoriert und andererseits auf Grund der erklärten Ablehnung dieses Antrags durch Israel und die USA  nicht zu einer zusätzlichen Blockade im Friedensprozess führt.

 

90.               Die Europäische Union verfügt mit detaillierten Aussagen der Außenminister in ihren Ratssitzungen im Dezember 2009 und 2010 über einen präzisen politischen Rahmen, der als Leitlinie für den EU-Beitrag zur Arbeit des Nahost-Quartetts weiterhin Gültigkeit besitzt. Die EU ist schon jetzt der wichtigste Handelspartner Israels und der wichtigste Partner der palästinensischen Autonomiebehörde bei ihren Anstrengungen um den Aufbau effizienter Institutionen für den zukünftigen Staat.

 

91.               Neben einer Wiederaufnahme ernsthafter israelisch-palästinensischer Verhandlungen fehlt auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung auch eine Überwindung der tiefen inner-palästinensischen Spaltung. Wohl haben die beiden großen politischen Lager innerhalb der palästinensischen Gesellschaft, Fatah und Hamas, im Vorjahr in Kairo ein Versöhnungsabkommen unterzeichnet, in der Umsetzung desselben wurde jedoch noch kein Fortschritt erzielt. Laut Abkommen sollten im Mai Neuwahlen stattfinden, die von einer technokratischen Übergangsregierung organisiert werden sollten. Auch hier ist die Europäische Union aufgerufen, an der Suche nach Auswegen aus der derzeitigen unhaltbaren Situation mitzuwirken, ohne die im internationalen Nahost-Quartett festgelegten Grundsätze außer Acht zu lassen.

 

92.               Ein nachhaltiger Frieden im Nahen Osten und regionale Stabilität erfordern auch Fortschritte in den Bemühungen um Friedenslösungen zwischen Israel und seinen syrischen und libanesischen Nachbarn.

 

93.               Die gegenwärtig wichtigsten Herausforderungen in Syrien bestehen allerdings in einer Beendigung des gewalttätigen Einschreitens der syrischen staatlichen Sicherheitskräfte gegen meist friedliche Demonstranten, die nach dem Beispiel anderer arabischer Staaten ein Ende des autoritären Regimes und den Übergang zu einem demokratischen Rechtsstaat fordern. Die Europäische Union wird gefordert sein, einen aktiven Beitrag zur Beendigung der Gewalt und zum Schutz der Zivilbevölkerung zu leisten, allfällig durch eine Unterstützung der Beobachtermission der Arabischen Liga, zur Unterstützung der demokratisch gesinnten Opposition und zur Sanktionierung der von den Vereinten Nationen festgestellten Menschenrechtsverletzungen durch das syrische Regime. Bereits jetzt versuchen die im VN-Sicherheitsrat vertretenen EU-Mitgliedsstaaten, eine gemeinsame Position des Sicherheitsrats gegen die Gewalt der staatlichen syrischen Sicherheitskräfte zu verhandeln und nach den Entscheidungen über Sanktionen der Europäischen Union gegen die Verantwortlichen für die Gewalt solche auch auf Ebene der Vereinten Nationen zu beschließen.   

 

Iran

 

94.               Die jahrelangen Zweifel am ausschließlich zivilen und friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms konnten bisher nicht beseitigt werden. Die Resolution des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) vom 18. November 2011 forderte Teheran zur Intensivierung des Dialogs mit der IAEO zur dringenden Aufklärung der offenen Fragen sowie zur Schaffung vollständiger Zugangsmöglichkeiten für IAEO-Inspektoren auf.

 

95.               In der EU wurde nach einem Grundsatzbeschluss des RAB vom 1. Dezember 2011 eine Verschärfung der EU-autonomen Sanktionen gegen den Iran vorbereitet, um das Land zu einem Einlenken in der Nuklearfrage zu bewegen. Diese Verschärfung erfolgte am 23. Jänner 2012 durch die Verabschiedung eines erweiterten Sanktionspaketes. Dieses umfasst u.a. die Verhängung eines Erdölembargos, eines Importverbotes für petrochemische Produkte, Finanzsanktionen gegen die iranische Zentralbank sowie ein Handelsembargo für Gold, Edelmetalle und Diamanten.

 

96.               Auch im Jahr 2012 werden die Bemühungen um eine diplomatische Lösung fortgeführt werden. Bis dato hat der Iran aber keine echte Dialogbereitschaft gezeigt. Die Ausweitung der Sanktionen durch die EU ist nicht Selbstzweck, sondern zielt darauf ab, eine Haltungsänderung des Iran herbeizuführen und diesen wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Negative Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sollen bei den Sanktionen möglichst vermieden werden.

 

97.               Österreich ist besorgt über die zunehmende Verschlechterung der Menschenrechtslage im Iran, die Häufung von Todesurteilen und insbesondere die Hinrichtungen jugendlicher Straftäter. Österreich und die EU appellieren regelmäßig an den Iran, die Hinrichtung von Jugendlichen endgültig zu stoppen. Auch die Verfolgung religiöser Minderheiten (insb. der Bahá’ì) hat weiter zugenommen. Österreich und die EU setzen sich für den Schutz ihrer Rechte mit Nachdruck ein.

 

Afghanistan

 

98.               Afghanistan wird weiterhin ein wichtiges Element der Außenpolitik der EU darstellen. Zentral wird die progressive Übernahme der Verantwortung durch die afghanische Regierung sein. Die Umsetzung der Zielvorstellungen der Bonn II-Konferenz wird dabei im Vordergrund stehen. Die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen über Partnerschaft und Entwicklung ist geplant.

 

Pakistan

 

99.               Die EU wird die Entwicklungen in Pakistan weiterhin genau verfolgen und das Land verstärkt unterstützen. Die prekäre innenpolitische Lage und die Bedeutung Pakistans für die Verbesserung der Situation in Afghanistan sind Grund genug, die Bemühungen der EU und den Dialog mit Pakistan - auf Basis des 5-Jahres-Aktionsplanes - weiterzuführen.

 

Zentralasien

 

100.            Die Beziehungen zwischen der EU und Zentralasien sollen durch die Umsetzung der EU-Zentralasien-Strategie in ihren sieben Hauptbereichen (Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Demokratisierung; Erziehung; wirtschaftliche Entwicklung, Handel und Investitionen; Energie und Verkehr; Umwelt und Wasserfragen; gemeinsame Bedrohungen und Herausforderungen; interkultureller Dialog) weiterhin gestärkt werden. Bis Juni 2012 soll eine Bewertung und Überprüfung der EU-Zentralasien-Strategie vorliegen.

 

101.            Für April ist eine CABSI-Konferenz (Central Asia Border Security Initiative) in Wien geplant. Außerdem soll voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte ein EU-Zentralasien Ministertreffen stattfinden.

 

Asien und Ozeanien

 

102.            Das Freihandelsabkommen mit Südkorea ist am 1. Juli 2011 provisorisch in Kraft getreten. In der 1. Jahreshälfte 2012 soll der nächste EU-Südkorea-Gipfel stattfinden.

 

103.            In Bezug auf die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) wird die EU die Entwicklungen nach dem Tod Kim Jong-ils genau beobachten. Die DVRK soll weiterhin zur Aufgabe ihres Atomwaffenprogramms bzw. zur Zulassung von Beobachtern der IAEO aber auch zum bilateralen und multilateralen Dialog (insb. mit Südkorea und mit Japan) bewegt werden. Die Situation der Menschenrechte in der DVRK gibt unverändert Anlass zur Sorge.

 

104.            Die Verhandlungen zu einem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der Mongolei konnten 2011 zügig weitergeführt und abgeschlossen werden. Für 2012 ist die Unterzeichnung geplant.

 

105.            Die jüngste Entwicklungen in Birma/Myanmar (Aufhebung des Hausarrestes von Nobelpreisträgerin Daw Aung San Suu Kyi, Zulassung der NLD zu Wahlen, Freilassung von politischen Gefangenen, Dialog zwischen Regierung und Opposition, verbesserte Pressefreiheit, Gesetzgebung zu Gewerkschaften und Verbot der Zwangsarbeit, temporäre Aussetzung des umstrittenen Staudammprojektes aufgrund von Protesten der Zivilgesellschaft) stimmen positiv. Für die EU sind die Freilassung der nach wie vor in Haft befindlichen politischen Gefangenen und die Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses zentral. Die EU eröffnet ein Büro in Myanmar und bereitet einen baldigen Besuch der Hohen Vertreterin Catherine Ashton vor. Wichtigste Aufgabe der entsprechenden EU-Gremien in den nächsten Wochen wird die Revidierung des Gemeinsamen Standpunktes (Sanktionsmaßnahmen), der mit 30. April 2012 ausläuft, sein.

 

106.            2012 sollen die Verhandlungen für Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) mit Brunei aufgenommen sowie mit Thailand und Malaysia fortgeführt werden. Ausstehend sind die Paraphierung des PKA mit Singapur, die Unterzeichnung der PKA mit Vietnam und den Philippinen sowie die Ratifikation mit Indonesien.

 

107.            Mit Australien haben Ende 2011 die Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen begonnen. Für Ende Februar 2012 ist die 2. Verhandlungsrunde angesetzt. Die EU wird dabei insbesondere den Handelsaspekten Aufmerksamkeit schenken. Auch mit Neuseeland wird längerfristig der Abschluss eines Rahmenabkommens angestrebt. Mit diesem Ziel könnte 2012 das entsprechende Verhandlungsmandat erteilt werden.

 

108.            Die EU wird weiterhin aktiv am ASEM-Prozess („Asia Europe Meeting“) teilnehmen. Am 5. und 6. November 2012 wird der 9. ASEM-Gipfel der Staats- und Regierungsoberhäupter in Vientiane (Laos) stattfinden. 2012 soll u.a. die Frage der Modalitäten von künftigen ASEM-Erweiterungen geklärt werden, insbesondere was die Beitrittsansuchen von Nicht-EU-Mitgliedsstaaten anlangt (Bis jetzt sind auf europäischer Seite nur EU-Mitgliedsstaaten ASEM-Mitglieder.).

 

109.            Die EU wird die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit im Verhältnis zu ASEAN weiterhin fördern. Im Vordergrund wird dabei die Implementierung des EU-ASEAN Aktionsplans und der Beitritt der EU zum „Treaty of Amity and Cooperation“ (TAC) stehen. Kambodscha übernimmt 2012 den ASEAN-Vorsitz von Indonesien. Das EU-ASEAN Außenministertreffen wird Ende April 2012 in Bandar Seri Begawan/Brunei stattfinden. Die 2010 aufgenommenen Verhandlungen mit Singapur und Malaysia über bilaterale Freihandelsabkommen werden fortgeführt werden. Die EU ist auch für die Aufnahme von FHA-Verhandlungen mit anderen ASEAN-Mitgliedern offen. Das  grundsätzliche Ziel eines Freihandelsabkommens mit ASEAN bleibt aufrecht.

 

Lateinamerika und Karibik

 

110.            Lateinamerika und die Karibik (LAK) werden als wichtige und der EU nahe stehende Partnerregion eingestuft. Der seit mehr als zehn Jahren institutionalisierte EU-LAK-Prozess ist ein wichtiger Motor der bi-regionalen Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika. Die EU als einer der größten ausländischen Investoren in der Region hält am Konzept des (sub-)regionalen Ansatzes auf der Basis von Assoziierungs- oder Wirtschaftspartnerschaftsabkommen fest, um damit die regionale Integration der LAK-Partner zu fördern und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Handelsbeziehungen und Investitionen zu verbessern. Zentrale politische Anliegen sieht die Union in der Erbringung eines Beitrags zur Stärkung der Stabilität, des Wohlstands und der sozialen Kohäsion in Lateinamerika und der Karibik sowie in der Schaffung eines gemeinsamen Raums der höheren Bildung und im Kampf gegen Drogen. Zur Förderung dieser Zielsetzungen wird 2012 weiter am EU-LAK-Prozess gearbeitet, in dessen Rahmen alle zwei Jahre ein Gipfeltreffen stattfindet. Der nächste EU-LAK Gipfel wird in Santiago de Chile stattfinden (Ende 2012/Anfang 2013). Österreich als einer der früheren EU-LAK Gipfelgastgeber (2006) unterstützt eine erfolgreiche Fortsetzung des EU-LAK Prozesses. Ein dynamischer Prozess soll unter anderem durch die EU-LAK-Stiftung gefördert werden. Die neu errichtete Stiftung mit Sitz in Hamburg hat im Herbst 2011 ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Hauptaufgabe wird die Stärkung der bi-regionalen Beziehungen insbesondere auch in der Zeit zwischen den Gipfeltreffen sein. Zur Präsidentin der EU-LAK Stiftung wurde Dr. Benita Ferrero-Waldner ernannt.

 

111.            Die EU unterhält ein dichtes Netz an vertraglichen Beziehungen zum LAK-Raum: Assoziierungsabkommen mit Mexiko (2000) und Chile (2002) sowie strategische Partnerschaften und Aktionspläne mit Brasilien (2007) und Mexiko (2008). Beim VI. Gipfeltreffen der EU-LAK am 17./18. Mai 2010 in Madrid konnten die Verhandlungen für ein Assoziierungsabkommens der EU mit Zentralamerika sowie für ein Mehrparteienabkommen der EU mit Peru und Kolumbien zum Abschluss gebracht werden. Weitere wichtige Ergebnisse dieses Gipfeltreffens, das unter dem Thema „Innovation und Technologie für nachhaltige Entwicklung und soziale Inklusion“ stattfand, waren die Gründung der EU-LAK-Stiftung, die Wiederaufnahme der EU-MERCOSUR-Verhandlungen sowie die Errichtung von LAIF („Latin American Investment Facility“).

 

112.            Das Jahr 2012 wird weiterhin von jenen Themen geprägt bleiben, die anlässlich des EU-LAK Gipfels in Madrid initiiert wurden. Dies sind v.a. die Fortsetzung der Verhandlungen über ein EU-MERCOSUR-Assoziationsabkommen sowie die nächsten Schritte hinsichtlich des EU-Zentralamerika-Abkommens sowie des Mehrparteienabkommens der EU mit Peru und Kolumbien. Neben der Vorbereitung des nächsten EU-LAK-Gipfels in Santiago werden die Weiterarbeit an der EU-Karibik-Strategie mit den Karibikstaaten sowie die Umsetzung des beim EU-LAK-Gipfel 2010 beschlossenen Aktionsplans für die EU-LAK-Beziehungen auf der Tagesordnung stehen.

 

Afrika

 

113.            Die Gemeinsame Strategie Afrika-EU, die in Lissabon 2007 verabschiedet wurde, hat eine langfristige Partnerschaft begründet, die eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auf allen Ebenen zwischen der EU und Afrika anstrebt.

 

114.            Die Gemeinsame Strategie baut auf folgenden Pfeilern auf: Friede und Sicherheit, Regierungsführung und Menschenrechte, Handel und regionale Integration sowie Schlüsselfragen nachhaltiger Entwicklung wie u.a. Umweltschutz und Klimawandel, Migration, Landwirtschaft, Infrastruktur, Wasser, Energie und Gleichberechtigung der Geschlechter. Zur Umsetzung dieser Ziele waren im ersten Aktionsplan 2008-2010 acht „Partnerschaften“ mit konkreten Maßnahmen vorgesehen. Auf dem Dritten Gipfeltreffen Afrika-EU 2010 in Tripolis wurden eine Bewertung der Fortschritte sowie eine Straffung der Zielvorgaben vorgenommen und im Zweiten Aktionsplan 2011-2013 festgelegt.

 

115.            Im Bereich Energie erfolgt die Zusammenarbeit im Rahmen der Afrika-EU-Energie-Partnerschaft (AEEP). Aufbauend auf der ersten hochrangigen Ministerkonferenz im September 2010 in Wien und dem Dritten Gipfeltreffen Afrika-EU werden die gemeinsamen Ziele und Maßnahmen im erneuerbaren Energiebereich für weitere 100 Millionen Afrikaner bis 2020 vorangetrieben.

 

116.            In Hinblick auf die Millennium-Entwicklungsziele werden die Europäische Kommission, die EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Investitionsbank ihre Bemühungen um effizientere Leistung der Entwicklungshilfe weiter intensivieren.

 

117.            Die EU wird 2012 ihre Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union (AU) und den afrikanischen Regionalorganisationen weiter verstärken.

 

118.            Die EU wird die „Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas“ (NEPAD) weiter unterstützen und die Integration der afrikanischen Partnerstaaten in die Weltwirtschaft fördern. Die Verhandlungen über umfassende Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den afrikanischen Staaten sollen 2012 weitergeführt werden.

 

119.            Im Bereich der Konfliktprävention unterstützt die EU weiterhin die AU und die afrikanischen Regionalorganisationen bei der Entwicklung der „African Peace and Security Architecture“ (APSA). Österreich ist in diesem Zusammenhang der Schutz von Zivilisten in Konfliktsituationen ein besonderes Anliegen.

 

120.            Die Umsetzung der im März 2011 verabschiedeten EU-Strategie für Sicherheit und Entwicklung im Sahel wird fortgesetzt und soll der Entwicklung eines wirtschaftlich stabilen und sozial sicheren Umfeldes in den Staaten des Sahel dienen. Die Strategie ist unter anderem als Antwort der EU auf die Herausforderungen, die sich durch die infolge der Dürre verursachte Hungersnot in der Region ergeben, zu sehen, aber auch auf die sich häufenden Entführungen europäischer Staatsangehöriger in der Sahelregion.

 

121.            Die vielfältigen Bemühungen der EU um die Erlangung von nachhaltigem Frieden, Stabilität, Sicherheit, Wachstum und verantwortungsvoller Regierungsarbeit am Horn von Afrika sollen durch die im November 2011 angenommen Strategie für das Horn von Afrika und die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für das Horn von Afrika besser koordiniert und zielorientierter gestaltet werden. Neben den komplexen politischen Entwicklungen in dieser Region wird die durch die Dürre und kriegerische Auseinandersetzungen verursachte massive Hungersnot weiter die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erfordern.

 

122.            Nach dem Referendum vom Jänner 2011, bei dem sich eine Mehrheit für die Unabhängigkeit des südlichen Landesteiles des Sudan ausgesprochen hat, entstand am 9. Juli der neue Staat Südsudan. Während die EU den Südsudan beim Aufbau staatlicher Strukturen unterstützen wird, wird sie ebenfalls weiterhin im Sudan engagiert bleiben.

 

123.            Nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Demokratischen Republik Kongo im November 2011, bei denen nationale und internationale Beobachtermissionen schwerwiegende Unzulänglichkeiten feststellten, wird sich die EU im weiteren Prozess um mehr Transparenz und friedliche Streitbeilegung einsetzen.

 

Entwicklungszusammenarbeit

 

124.            Die dänische EU-Präsidentschaft wird sich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit im ersten Halbjahr 2012 auf folgende Schwerpunktbereiche konzentrieren:

 

(1)   Strategische Ausrichtung der EU-Entwicklungspolitik ab 2014 auf Basis der EK Mitteilung „Für eine EU – Entwicklungspolitik mit größerer Wirkung: Agenda für den Wandel“;

(2)   Budgethilfe auf Basis der EK Mitteilung „Der künftige Ansatz für die EU-Budgethilfe an Drittstaaten;

(3)   Inhaltliche Ausgestaltung der EU-Finanzinstrumente für Entwicklungszusammenarbeit (DCI – Development Cooperation Instrument und EDF – European Development Fund) für den neuen EU Budgetzyklus 2014 – 2020;

(4)   Mitarbeit an der Vorbereitung der gemeinsamen EU-Position für die VN Konferenz über nachhaltige Entwicklung (Rio + 20, 20.-22. Juni 2012, Rio de Janeiro).

 

125.            Darüber hinaus werden sich die Ratsarbeitsgruppen Entwicklungszusammenarbeit und AKP u.a. mit folgenden Themen beschäftigen: Handel und Entwicklung (Vorlage der Mitteilung der EK), Vorbereitung des jährlichen ODA Berichts an den Europäischen Rat, PCD („Policy Coherence for Development“) Report 2011, Migration und Entwicklung, Umsetzung des Cotonou Abkommens, Weiterführung der Verhandlungen zum Abschluss von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit AKP- Regionen, Art. 96 Verfahren.

 

126.            Die Einsetzung der Hohen Vertreterin und die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) haben auch in der EU-Entwicklungszusammenarbeit zu strukturellen Veränderungen geführt, welche jedoch bei weitem nicht abgeschlossen sind. Klärungs- und Verbesserungsbedarf besteht insbesondere bei der Arbeitsteilung zwischen EAD und Europäischer Kommission. Auch die Umstrukturierungen innerhalb der Europäischen Kommission, wie z.B. Fusion von die Generaldirektion Entwicklung und der für die operative Umsetzung zuständige Europe Aid zur Generaldirektion „Entwicklung und Zusammenarbeit – Europe Aid“, müssen sich in der Praxis erst bewähren.

 

Menschenrechte

 

127.            Die EU wird sich weiterhin für einen glaubwürdigen VN-Menschenrechtsrat einsetzen, der rasch und effektiv auf Menschenrechtssituationen und -fragen weltweit reagiert. Österreich wird dabei als Mitglied des VN-Menschenrechtsrates 2011-2014 verstärkt beitragen, wobei die Themen Religionsfreiheit und Schutz religiöser Minderheiten, Medienfreiheit und Schutz von Journalisten, und Kinderrechte und Schutz vor Gewalt und Ausbeutung besondere Schwerpunkte sein werden. Die EU wird sich darüber hinaus weiterhin aktiv um eine objektive, umfassende Menschenrechtsprüfung im Rahmen des „Universal Periodic Review“ bemühen. Im Hinblick auf ein entschiedenes Handeln in den Vereinten Nationen generell setzt die EU auf Gemeinsamkeiten mit Partnerländern und bemüht sich verstärkt darum, mit einer Stimme zu sprechen, wobei sie das gesamte Gewicht und die Ressourcen der Mitgliedstaaten einsetzen und Lasten teilen möchte. Mehr Synergien und eine stärkere Koordinierung zwischen Genf, New York und Brüssel sowie mit EU-Maßnahmen im Rahmen anderer multilateraler Foren wie dem Europarat und der OSZE sind angestrebt.

 

128.            Eine Priorität wird die Umsetzung der neuen EU-Menschenrechtsstrategie für die GASP auf Basis der EK-Mitteilung „Menschenrechte und Demokratie im Mittelpunkt des Auswärtigen Handelns der EU – Ein Wirksamerer Ansatz“ sein. Diese wurde am 14. Dezember durch die Hohe Vertreterin Catherine Ashton dem Europäischen Parlament vorgestellt. Die Strategie sieht Maßnahmen in vier Bereichen vor – Durchführungsmechanismen; Verknüpfung der Politikbereiche; Aufbau von Partnerschaften; Sprechen mit einer Stimme – und soll die Effektivität und Kohärenz der EU als globale Kraft für Menschenrechte weiter stärken. Die Europäische Union strebt dabei die umfassende Einbindung der Menschenrechte als Querschnittsmaterie in alle Arbeitsbereiche an. Ein Schritt in diese Richtung ist die Erstellung von länderspezifischen Menschenrechtsstrategien, welche derzeit für etwa 150 Staaten ausgearbeitet werden und 2012 abgeschlossen werden sollen.

 

129.            Inhaltliche Schwerpunkte der EU-Menschenrechtsaußenpolitik ergeben sich aus den acht Leitlinien des Rates, welche jeweils einen Katalog von Maßnahmen für das ständige Engagement der EU gegenüber Drittstaaten zur Todesstrafe; zu Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe; zum Schutz und zur Förderung der Kinderrechte; zu Menschenrechtsdialogen mit Drittstaaten; zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten; zum Schutz und zur Förderung von MenschenrechtsverteidigerInnen; Leitlinien zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen; und zum humanitären Völkerrecht umfassen. Darüber hinaus bestehen auch ein Aktionsplan zu Religions- und Glaubensfreiheit und ein Toolkit zum Schutz und zur Förderung von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen Personen (LGBT). Österreich setzt sich für die volle Umsetzung und Weiterentwicklung der Leitlinien und anderen Instrumente ein und beteiligt sich derzeit aktiv an der Überarbeitung der Leitlinien zum Schutz und zur Förderung der Kinderrechte. Im Rahmen von COHOM ist Österreich auch ein aktives Mitglied der EU Task Forces zu Religions- und Glaubensfreiheit, zu Kinderrechten, zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sowie zur Umsetzung der Resolution 1325 (2000) des VN-SR zu Frauen, Frieden und Sicherheit.

 

130.            Menschenrechte und Demokratie sind integraler Bestandteil des Dialogs der EU mit anderen Ländern bis hin zur Ebene von Gipfeltreffen. Die Verbesserung der Effizienz und Kohärenz der EU-Menschenrechtsdialoge mit Drittstaaten bildet einen Schwerpunkt der Menschenrechtsaußenpolitik der EU. Aus den Leitlinien der EU für Menschenrechtsdialoge mit Drittstaaten ergeben sich unterschiedliche Dialogformen, nämlich strukturierte Menschenrechtsdialoge, Ad-hoc-Dialoge, Dialoge mit Staatengruppen sowie Expertentreffen mit gleichgesinnten Staaten im Vorfeld von menschenrechtlichen Großveranstaltungen. Die EU hält strukturierte Menschenrechtsdialoge mit über 30 Staaten ab, wobei die jeweils besprochenen Themen, Problembereiche und Kooperationsmöglichkeiten von Fall zu Fall festgelegt werden und u.a. Minderheitenrechte, Frauenrechte, Todesstrafe, Religions- und Gewissensfreiheit, Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit, Kinderrechte und Entwicklung der Zivilgesellschaft umfassen. Die EU ist dabei bemüht, auch die Zivilgesellschaft in diese Dialoge aktiv einzubeziehen, etwa durch Vorbereitungstreffen mit dieser im Vorfeld der Dialoge.

 

Schutz religiöser Minderheiten

 

131.            Religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, sehen sich zunehmend mit Intoleranz konfrontiert und zahlreiche Gläubige wurden 2011 Opfer von schweren Übergriffen, die einhellig verurteilt worden sind. Der Schutz religiöser Minderheiten wird daher zukünftig in der EU einen noch höheren Stellenwert einnehmen, was nicht nur in der deutlich ausführlicheren Bearbeitung dieses Themas im letzten Menschenrechtsbericht der EU ersichtlich wird. Österreich wird auch weiterhin darauf drängen, dass der Religionsfreiheit und dem Schutz religiöser Minderheiten besonderes Augenmerk beigemessen wird, und wird sich im Rahmen der EU insbesondere dafür einsetzen, dass der EAD sein detailliertes Monitoring fortsetzt und ein Frühwarnsystem entwickelt, um zeitgerecht auf religiöse Konflikte reagieren zu können; dass das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der EU im Fall von Übergriffen auf religiöse Minderheiten Vorschläge an den Rat übermittelt, wie auf die Situation bestmöglich reagiert werden kann; und dass EU-Richtlinien zu Religionsfreiheit und zum Schutz religiöser Minderheiten ausgearbeitet werden, um größtmögliche Kohärenz unter den Mitgliedsstaaten in dieser Thematik zu gewährleisten.

 

Dialog der Kulturen und Religionen

 

132.            Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben sich der zunehmenden zivilisatorischen Vielfalt Europas seit Jahren angenommen. Globalisierung und Migration, Erweiterung der EU und internationale Entwicklungen haben zu einer größeren Dynamik von Sprachen und Glaubensbekenntnissen, ethnischen und kulturellen Identitäten geführt.

 

133.            Der Dialog der Kulturen und Religionen gewinnt daher eine immer stärkere Bedeutung für die Förderung der europäischen Identität und Bürgerschaft. Ein ebenso wichtiges Instrument ist der Dialog der Kulturen und Religionen auch in der internationalen Politik: hier kann er einen wesentlichen Beitrag zur Konfliktlösung, Versöhnung und zum nachhaltigen Frieden leisten.

 

134.            Für die EU, ebenso wie für Österreich, bleiben Pluralismus und Dialog auch im Jahre 2012 zentrale Schwerpunkte. Österreich wird seine Schwerpunkte auf die Unterstützung von jungen Führungskräften und Multiplikatoren im Bereich des Dialogs der Kulturen und Religionen, auf die Förderung von Pluralismus und Grundfreiheiten, einschließlich der Religionsfreiheit, auf die erfolgreiche Integration und Partizipation von Migranten sowie die Förderung der Einbindung und des Beitrags von Frauen im Dialog und auf den Bereich Medien legen.

 

Zusammenarbeit EU-Vereinte Nationen

 

135.            Die Mitgliedstaaten der EU sind heute nicht nur die bei weitem größten Beitragszahler zum VN-Haushalt, sondern spielen auch eine wichtige Rolle in der inhaltlichen Arbeit der Vereinten Nationen. In den Bereichen Menschenrechte, Abrüstung und Nonproliferation, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sowie in der Fortführung von Reformthemen (etwa Überprüfung des Menschenrechtsrates) bzw. der Umsetzung von bereits beschlossenen VN-Reformen (z.B. Empfehlungen im Rahmen der Überprüfung der Peacebuilding Commission, systemweite Kohärenz) sind EU-Mitgliedstaaten unerlässliche Unterstützer der Arbeit der Vereinten Nationen.

 

136.            Die EU ist ein wichtiger Partner der Vereinten Nationen in der Konfliktprävention, Mediation, Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung. Die gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Krisenmanagement, deren Umsetzung kontinuierlich vorangetrieben wird, sieht eine enge Abstimmung zwischen EU und VN in diesen Bereichen vor. Mit der Entsendung von militärischem, polizeilichem und zivilem Personal (einschließlich der EU-Sonderbeauftragten) in Konfliktgebiete sowie mit Aktivitäten im Trainingsbereich leistet die EU konkrete Beiträge zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Darüber hinaus unterstützt die EU vollinhaltlich die vom VN-Sekretariat eingeleitete „New-Horizon“ Initiative zur Reform der Friedenserhaltenden Operationen der VN.

 

137.            Insbesondere zeigen Erfahrungen bei der Durchführung von GSVP- und VN-Missionen in derselben Region (z.B. EUSEC und EUPOL RD Congo / MONUC / MONUSCO, EUFOR Tchad/RCA / MINURCAT oder UNMIK / EULEX Kosovo), dass eine effiziente und gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen EU und VN von großer Bedeutung im Hinblick auf eine erfolgreiche Umsetzung der Mandate des VN-Sicherheitsrats ist bzw. dass die EU eine wichtige Aufgabe beim Aufbau und bei der Unterstützung von VN-Operationen spielen kann. Österreich beteiligt sich regelmäßig an solchen Operationen und trägt damit zur Weiterentwicklung des VN-EU-Krisenmanagements bei. Des Weiteren kommt der EU eine bedeutende Rolle in der Umsetzung von thematischen Resolutionen des VN-Sicherheitsrats, etwa zum Schutz der Zivilbevölkerung, insbesondere von Frauen und Kindern, in bewaffneten Konflikten zu.

 

138.            Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon soll die EU mittelfristig kohärenter auftreten und dadurch im VN-Rahmen an Bedeutung gewinnen. Durch die geänderte Außenvertretung ist nunmehr die EU-Delegation (anstelle der bisher zuständigen rotierenden Ratspräsidentschaft) für die Vertretung der EU in den VN zuständig. Die VN-GV nahm am 3. Mai 2011 eine GV-Resolution über die Teilnahme der EU an der Arbeit der VN an. Der Status der EU-Delegation als Beobachter wurde gestärkt und gewisse prozedurale Rechte eingeräumt, u.a. Rederechte, das Recht zu antworten und Dokumente zu verteilen und mündlich Vorschläge und Änderungsanträge einzubringen.

 

Zusammenarbeit EU- Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

 

139.            Die EU ist einer der wesentlichen Gestalter innerhalb der OSZE und trägt das beim OSZE-Gipfel in Astana Ende 2010 verabschiedete Ziel des schrittweisen Aufbaus einer euro-atlantischen und euro-asiatischen Sicherheitsgemeinschaft voll und ganz mit. Für die EU ist die Umsetzung beschlossener politischer Verpflichtungen in allen drei Dimensionen (politisch-militärische Dimension, Umwelt-Wirtschaft, Menschliche Dimension) sowie Fortschritte bei den ungelösten Konflikten weiterhin von ganz besonderer Bedeutung. Die EU ist größter Beitragszahler innerhalb der OSZE (über 70% des Gesamtbudgets) und unterstützt die Arbeit der OSZE durch Sekundierungen, bei Wahlbeobachtungseinsätzen sowie in Form von extrabudgetären Projekten nachdrücklich.

 

140.            Bei der Umsetzung konkreter Projekte der diversen OSZE-Feldpräsenzen zur Stärkung demokratischer Institutionen sollte die EU noch stärker die im Feld gewonnene Expertise der OSZE nutzbar machen. Eine enge Abstimmung zwischen EU und OSZE bei der Umsetzung konkreter Projekte in den Feldpräsenzen ist deshalb im Interesse beider Organisationen. Die EU wird auch 2012 besonders die Unabhängigkeit und die Aktivitäten der OSZE-Institutionen (Medienbeauftragte in Wien, Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte in Warschau, Hochkommissar für nationale Minderheiten in Den Haag) besonders verteidigen und unterstützen.

 

141.            2012 unter irischem OSZE-Vorsitz wird die EU weiter versuchen, ihre 2010 definierten vier strategischen Prioritäten in Form konkreter Beschlüsse umzusetzen. Diese vier Prioritäten sind:

 

-         Stärkung der OSZE-Instrumente in allen Phasen des Konfliktzyklus (von Frühwarnung bis Konfliktnachsorge) und konkrete Fortschritte bei den ungelösten Konflikten (Berg-Karabach, Transnistrien, Georgien);

-          Rüstungskontrolle und Modernisierung der vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen (angesichts der bestehenden Umsetzungskrise rund um den Vertrag über Konventionelle Rüstung in Europa) insbesondere durch substantielle Fortschritte bei der Modernisierung des Wiener Dokuments zu vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen;

-          Verbesserung der OSZE-Fähigkeiten im Kampf gegen transnationale Bedrohungen (Terrorismus, organisierte Kriminalität und cyber-Kriminalität, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Drogen-, Menschen- und Waffenschmuggel), dabei ist auch die Stabilität und Sicherheit in Afghanistan ein wichtiger Faktor;

-          Weiterentwicklung der Menschlichen Dimension insbesondere im Bereich Medienfreiheit (Schutz von Journalisten, digitale Medien).

 

Abrüstung und Non-Proliferation

 

142.            Im Bereich der Non-Proliferation setzt die EU ihre Bemühungen auf Basis der 2003 vom Europäischen Rat beschlossenen Strategie gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen fort.

 

143.            2012 findet das erste Vorbereitungstreffen zur nächsten NPT-(Non Proliferation Treaty)-Überprüfungskonferenz in Wien statt. Die EU wird sich an diesem Vorbereitungsprozess wieder aktiv einbringen.  

 

144.            Als Follow-up-Maßnahme zur NPT-Überprüfungskonferenz 2010 fand im Juli 2011 in Brüssel ein EU-Seminar zur Errichtung einer kernwaffenfreien Zone im Mittleren Osten statt. Dieses Seminar wurde vom EU-Non-Proliferation Konsortium organisiert und diente der Diskussion auf Experten- sowie Diplomatenebene. 2012 sollen weitere, enger definierte Expertengespräche zu diesem Themenkreis von der EU unterstützt werden. Sie sollen einen Beitrag für die Konferenz über die Errichtung einer Zone im Mittleren Osten frei von Kernwaffen und allen anderen Massenvernichtungswaffen leisten, die 2012 vom VN Generalsekretär in Finnland einberufen werden soll.

 

145.            Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) vor allem in den Bereichen „Nuclear Security“ sowie Aufbau einer „LEU Bank“ (Lager für niedrig angereichertes Uran) , die vorbereitende Kommission für den Atomteststoppvertrag CTBTO, der Haager Kodex gegen die Verbreitung ballistischer Trägersysteme und andere Aktivitäten zum Thema Trägersysteme für Massenvernichtungswaffen sowie die Umsetzung der VN-Sicherheitsratsresolution 1540 werden von der EU weiterhin durch neue gemeinsame Aktionen unterstützt werden.

 

146.            Die Reaktivierung der seit knapp dreißig Jahren existierenden VN-Abrüstungskonferenz hat für die EU Priorität. Primäres Ziel der EU ist der baldige Verhandlungsbeginn für einen Vertrag über ein Verbot der Produktion spaltbaren Materials für Kernwaffenzwecke.

 

147.            Im Bereich der biologischen Waffen fordert die EU Verhandlungen über den Aufbau eines effektiven, rechtlich verbindlichen Verifikationsmechanismus und unterstreicht die Notwendigkeit von nationalen und international koordinierten Exportkontrollen. Die EU setzt Gemeinsame Aktionen zur Biologie- und Toxinwaffenkonvention und zur Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation in den Bereichen der biologischen Laborsicherheit um.

 

148.            Die EU legt besonderes Augenmerk auf das Verifikationsregime der Chemiewaffenkonvention, eine neue Entscheidung des Rates zur Unterstützung der Organisation zum Verbot von chemischen Waffen (OPCW) wurde ausgearbeitet. Die EU unterstützt den Beschluss anlässlich der OPCW-Vertragsstaatenkonferenz, unter Aufrechterhaltung der Berichts- und Kontrollverpflichtungen die Frist für die Vernichtung der C-Waffenbestände der verbliebenen Besitzerstaaten USA, Russland, Irak und Libyen über den 29.4.2012 hinaus zu erstrecken.

 

149.            Im Bereich der Antipersonen-Minen wird die EU die Gemeinsame Aktion zur Unterstützung der Ottawa-Konvention umsetzen und die Implementierung des Artikels 4 der Konvention zur Zerstörung von Lagerbeständen verfolgen. Außerdem wird die 12. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention Ende 2012 vorbereitet.

 

150.            Die EU unterstützt die Konventionalwaffenkonvention (KWK) als essentiellen Teil des humanitären Völkerrechts und setzt die zweite Gemeinsame Aktion zur Unterstützung der KWK um. Thematisch werden die Treffen der Regierungsexperten der KWK zu Protokoll II und V sowie MOTAPM („Mines other than Anti-Personnel Mines“) vorbereitet und die Universalisierung des Protokolls V zu explosiven Kampfmittelrückständen vorangetrieben.

 

151.            Die Umsetzung der EU-Strategie zu Klein- und Leichtwaffen wird auch 2012 fortgesetzt werden. Wichtige Teilbereiche sind die Entscheidung des Rates zur Zerstörung von Klein- und Leichtwaffen in der Ukraine, die Einfügung von Klein- und Leichtwaffen-Elementen in Drittstaatenübereinkommen und eine EU-Initiative zur Verhinderung von Klein- und Leichtwaffen-Handel über Luftwege.

 

152.            Die EU wird auch 2012 die Bemühungen für einen operationellen und universalen Vertrag über den Waffenhandel nachdrücklich unterstützen und sich dafür einsetzen, einen solchen Vertrag  bei der Staatenkonferenz im Juli 2012 zu vereinbaren.

 

Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik

 

153.            Auch 2012 wird im Bereich GSVP den Anforderungen, die sich aus dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ergeben, besondere Beachtung zu schenken sein. Konkreter Arbeitsbedarf in Umsetzung GSVP-relevanter Bestimmungen des Vertrages von Lissabon könnte sich 2012 in folgenden Punkten ergeben:

 

-       Frage der Schaffung einer „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ) im Sinne von Artikel 42 Absatz 6 EUV;

-       Schaffung eines „Anschubfonds“ zur Finanzierung von Vorbereitungsaktivitäten u.a. auch für GSVP-Militäroperationen (Artikel 41 Absatz 3 EUV);

-       Verabschiedung eines Ratsbeschlusses über die Einzelheiten der Anwendung der „Solidaritätsklausel“ des Artikel 222 AEUV, der die gegenseitige Unterstützung im Fall von Terrorangriffen bzw. Natur- oder vom Menschen verursachter Katastrophen regelt.

 

154.            Im Laufe des Jahres 2012 wird über die Fortführung bzw. Beendigung folgender GSVP-Operationen zu entscheiden sein:

-               Grenzüberwachungsmission EUBAM Rafah in den Palästinensergebieten (Ende des aktuellen Mandats am 31.12.2012);

-               Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX im Kosovo (Ende des aktuellen Mandats am 14.06.2012);

-               Rechtsstaatlichkeitsmission EUJUST LEX im Irak (Ende des aktuellen Mandats am 30.06.2012);

-               Polizeireformmission EUPOL RD Congo (Ende des aktuellen Mandats am 30.09.2012);

-               EU-Beobachtermission EUMM Georgia in Georgien (Ende des aktuellen Mandats am 14.09.2012);

-               Polizeireformmission EUPOL COPPS in den Palästinensergebieten (Ende des aktuellen Mandats am 31.12.2012);

-               Militärmission EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina (Ende des aktuellen Mandates 15.11.2012);

-               Beratungs- und Unterstützungsmission in Zusammenhang mit der Sicherheitssektorreform EUSEC RD Congo (Ende des aktuellen Mandates am 30.09.2012);

-               Trainingsmission EUTM Somalia in Uganda (Ende des aktuellen Mandates am 31.12.2012);

-               Militärmission EUNAVFOR Atalanta in Somalia (Ende des aktuellen Mandats am 31.12.2012).

 

155.            Nachdem sich das österreichische Bundesheer im ersten Halbjahr 2011 erstmals an einer EU-Battlegroup beteiligt hatte, wird Österreich in der Battlegroup des zweiten Halbjahres 2012 die logistische Führung übernehmen sowie voraussichtlich mit einer gepanzerten Transportkompanie mit bis zu 350 Soldaten beitragen. An dieser Battlegroup werden neben Österreich auch Einheiten aus Deutschland, der Tschechischen Republik, Kroatien, Irland und Mazedonien teilnehmen. Bei den EU- Battlegroups handelt es sich um Gruppierungen aus ca. 1.500 Soldaten, vorwiegend Infanterie mit Unterstützungselementen. Ihr wesentliches Merkmal liegt im hohen Grad der Einsatzbereitschaft: Erste Teile eines Einsatzverbands sollen fünf Tage nach einem entsprechenden Ratsbeschluss in den Einsatzraum verlegt werden können. Seit Anfang 2007 sind jederzeit zwei solcher Verbände für je sechs Monate in Bereitschaft. Da die Battlegroups bisher noch nie im Einsatz waren, gibt es Diskussionen über eine etwaige Erweiterung ihrer Einsatzmöglichkeiten oder ihre Verwendung als Reservekräfte für GSVP-Missionen (z.B. EUFOR ALTHEA).

 

156.            In Zusammenhang mit der GSVP-Militäroperation zur Stabilisierung von Bosnien und Herzegowina, EUFOR Althea, wird 2012 im Lichte der weiteren innenpolitischen Entwicklung des Landes zu überprüfen sein, ob bzw. wie lange und in welcher Stärke die Aufrechterhaltung einer EU-Militärpräsenz mit exekutivem Mandat noch erforderlich ist. Weiters werden die Vorbereitungen dafür weiterzuführen sein, die Operation bei deutlicher Reduzierung ihrer Personalstärke neu auszurichten, nämlich auf die Unterstützung der Modernisierung der bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte durch Beratungs- und Ausbildungstätigkeiten.

 

157.            Fortschritte werden 2012 auch bei der zivil-militärischen Kooperation sowie bei der Schaffung von permanenten zivil-militärischen Planungs- und Führungskapazitäten (Operational Headquarter) angestrebt, die die wechselnden nationalen operationellen Hauptquartiere ersetzen und für Kontinuität sowie rasche Entscheidungsabläufe sorgen sollen. Die gemeinsame Nutzung von Verteidigungskapazitäten (Stichwort Pooling and Sharing) wird vor dem Hintergrund sinkender Verteidigungsbudgets ebenso im Fokus der Überlegungen stehen.

 

158.            Im Bereich der zivilen GSVP wird Ende Juni 2012 die zivile Polizeimission EUPM in Bosnien und Herzegowina geschlossen, die Unterstützung der Sicherheitskräfte wird danach zum einen von einem Team im Büro des EU Sonderbeauftragten/Missionschefs und zum anderen durch ein Projekt der Europäischen Kommission fortgesetzt. Die Planungen für die Verschmelzung der beiden Missionen in den Palästinensergebieten, EUBAM Rafah und EUPOL COPPS laufen weiter und dürften im Laufe des Jahres abgeschlossen werden. Weiters sind die Arbeiten an der Vertiefung der Kooperation zwischen GSVP und dem Bereich Justiz und Inneres sowie an der Stärkung der zivilen Fähigkeiten (Polizei, Justiz, Zivilverwaltung, usw.) hervorzuheben.