
IV-125 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

Beratungen des EU-Ausschusses
des Bundesrates
(Auszugsweise Darstellung)
Dienstag, 09. Oktober 2018
Beratungen des EU-Ausschusses
des Bundesrates
(Auszugsweise Darstellung)
Dienstag, 09. Oktober 2018
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Tagesordnung
COM(2018) 639 final
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Abschaffung der jahreszeitlich bedingten Zeitumstellung und zur Aufhebung der Richtlinie 2000/84/EG
(34448/EU XXVI.GP)
COM(2018) 630 final
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Kompetenzzentrums für Cybersicherheit in Industrie, Technologie und Forschung und des Netzes nationaler Koordinierungszentren/Ein Beitrag der Europäischen Kommission zur Tagung der Staats- und Regierungschefs vom 19.-20. September 2018 in Salzburg
(34432/EU XXVI.GP)
COM(2018) 358 final
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ausarbeitung eines EU-Rückkehrausweises und zur Aufhebung des Beschlusses 96/409/GASP
(31899/EU XXVI.GP)
COM(2018) 478 final
Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen (Grenzen und Visa) und zur Änderung der Entscheidung 2004/512/EG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 767/2008, des Beschlusses 2008/633/JI des Rates, der Verordnung (EU) 2016/399, der Verordnung (EU) 2017/2226, der Verordnung (EU) 2018/XX [ETIAS-Verordnung], der Verordnung (EU) 2018/XX [Verordnung über das SIS im Bereich der Grenzkontrollen] und der Verordnung (EU) 2018/XX [eu-LISA-Verordnung]
(31185/EU XXVI.GP)
Am Beginn der Sitzung berichtete Ausschussvorsitzender Christian Buchmann (ÖVP/N) über jüngst eingelangte Dokumente:
Vorschläge der Kommission für Gesetzgebungsakte:
· Vorschlag für eine Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte
· Vorschlag für eine Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache
· Geänderter Vorschlag für eine Verordnung über die Asylagentur der Europäischen Union
· Vorschlag für eine Richtlinie über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Neufassung)
Den Ausschussmitgliedern standen folgende ExpertInnen zur Verfügung:
· Frau Mag.a Katharina-Irene Bointner (BKA)
· Frau Mag.a Astrid Harz (BKA)
· Herr Dr. Christian Prieler (BMDW)
· Herr MMag. Thomas Schlesinger (BMeiA)
· Herr Dr. René Amry (BMeiA)
· Frau Mag.a Barbara Grosse (BMeiA)
· Herr Leonhard Kunz, MA (BMI)
· Michaela Jagersberger, MSc (BMI)
· Mag. Gunther Herbst (BMI)
Zeitumstellung
Geht es nach der Europäischen Kommission, soll die zweimal jährlich stattfindende Zeitumstellung in der Europäischen Union ab 2019 der Vergangenheit angehören. Die Mitgliedstaaten könnten dabei eigenständig entscheiden, ob sie die Sommer- oder die Winterzeit dauerhaft beibehalten wollen. Im EU-Ausschuss des Bundesrats stieß dieser Kommissionsplan auf Zustimmung, vorbehaltlich einer Absprache mit den Nachbarländern für eine einheitliche Zeitzone in Mitteleuropa. Andernfalls würden zwischenstaatliche Zeitunterschiede den Handelsverkehr noch mehr beeinträchtigen. So rief etwa Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) im Sinne des Pragmatismus dazu auf, im Kontakt mit Österreichs Nachbarn eine Lösung der Zeitfrage zu finden.
Als Hauptgrund für den Vorstoß gibt die EU-Kommission tatsächlich an, der zeitlichen Fragmentierung des Binnenmarkts beikommen zu wollen, sodass Handel und Kommunikation zwischen den Mitgliedsländern und ihren nächsten Handelspartnern besser funktionieren. Außerdem führt die Kommission das Ergebnis einer EU-weiten Bürgerbefragung ins Treffen, die mit großer Mehrheit für eine Abschaffung der jahreszeitlich bedingten Zeitumstellung ausging.
In ihrem Richtlinienvorschlag zur Abschaffung der Zeitumstellung legt die Kommission Regelungen für eine reibungslosen Übergang zur Standardzeit fest. So soll jeder Mitgliedstaat bis April 2019 Brüssel informieren, ob Sommer- oder Winterzeit permanent eingeführt wird. Die letzte verbindliche Umstellung auf die Sommerzeit würde dann am Sonntag, den 31. März 2019 erfolgen. Danach könnten die Mitgliedstaaten, die dauerhaft zur Winterzeit zurückkehren wollen, am Sonntag, den 27. Oktober 2019 zum letzten Mal eine jahreszeitlich bedingte Zeitumstellung vornehmen. Falls ein EU-Land nach diesem Datum eine erneute Zeitänderung wünsche, müsste dies Brüssel sechs Monate davor bekanntgegeben werden, erläuterte dem Ausschuss ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums (BMDW), der dabei den vorgegebenen Zeitplan zur Umstellung als sehr ambitioniert bewertete. Nur in Österreich habe sich die Regierung bereits auf eine ganzjährige Sommerzeit ab nächstem Jahr festgelegt, wiewohl das Ergebnis einer Konsultation der heimischen Wirtschaft noch ausständig sei. Von den anderen EU-Staaten habe sich noch keines festgelegt, ob Sommer- oder Winterzeit als Standardzeit eingeführt wird, wenn auch der Kommissionsvorschlag vom Rat grundsätzlich befürwortet werde. Derzeit liefen vielerorts Befragungen zu dem Thema. Finnland wolle sogar mit einer Volksbefragung seine nationale Positionierung finden.
Bei der im Vorfeld von der EU-Kommission durchgeführten öffentlichen Konsultation, die mit 4,6 Millionen Teilnehmenden laut Wirtschaftsministerium die bisher erfolgreichste ihrer Art war, hätten sich immerhin 84% gegen die zweimal jährlich erfolgende Zeitumstellung ausgesprochen, so der Ministeriumsexperte. Etwas relativiert werde das Ergebnis nur durch den Umstand, dass 70% der BefragungsteilnehmerInnen aus Deutschland stammten. Nicht in der Fragestellung inbegriffen sei aber die Präferenz für Sommer- oder Winterzeit gewesen, sagte er an Reinhard Pisec (FPÖ/W) gewandt.
Für eine in wirtschaftlicher Hinsicht tragbare Standardzeit sprachen sich im EU-Ausschuss alle Fraktionen aus. Der Fokus soll dabei auf dem mitteleuropäischen Raum liegen, weswegen Christian Buchmann (ÖVP/St) die zuständigen Ressorts erneut ersuchte, dazu mit den Nachbarstaaten Kontakt aufzunehmen. Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) gab dabei zu bedenken, dass es jetzt schon unabhängig von Sommer- und Winterzeit drei verschiedene Zeitzonen in Europa gibt. Keinesfalls dürfe die Abschaffung der Zeitumstellung daher dazu führen, mahnte Günther Novak (SPÖ/K), zwischen Deutschland und Italien zusätzliche Zeitzonenvarianten zu etablieren. Gleichermaßen sprach sich Christoph Längle (FPÖ/V) für eine mitteleuropäische Einigung auf eine einheitliche Standardzeit aus.
Als Grundlage für ihren Vorschlag führt die EU-Kommission mehrere Studien über die Zeitumstellung aus den Bereichen Gesundheit, Freizeit und Wirtschaft an, erfuhr Hubert Koller (SPÖ/St) vom Vertreter des BMDW. Den Forschungsergebnissen zufolge wirkt sich besonders die Anpassung an die Sommerzeit eher negativ auf den menschlichen und tierischen Biorhythmus aus, wenn auch die Auswirkungen in allen Bereichen eher marginal seien, wie der BMDW-Experte betonte. Beim grenzüberschreitenden Verkehr, bei der Kommunikation und im Handel sieht die Kommission jedoch größere Probleme, zumal mehrere Handelspartner der EU – darunter Island und die Türkei – die Sommerzeit nicht mehr anwenden. Der Hauptzweck, den die Einführung der Zeitumstellung im 20. Jahrhundert hatte, nämlich die Energieersparnis, komme heute kaum noch zum Tragen, erklärte der Experte in Richtung Andrea Karhofer (SPÖ/St). Die Kommission führt dies nicht zuletzt auf energiesparende moderne Beleuchtungskörper zurück.
Cybersicherheit
Ein Europäisches Kompetenzzentrum für Cybersicherheit regte die Europäische Kommission jüngst beim Europäischen Rat in Salzburg an. Forschung, Industrie und öffentlicher Sektor sollen in dieser neuen Einrichtung gemeinsam an der Abwehr von Bedrohungen im Cyberspace arbeiten, unterstützt von nationalen Koordinierungsstellen in den Mitgliedsländern, so der Kommissionsplan. Gleichzeitig erhofft sich die Union dadurch, autonomer in Hinblick auf IT-Sicherheitsprodukte zu werden. Derzeit sei die EU in diesem Bereich nämlich noch weitgehend von nichteuropäischen Anbietern abhängig, zeigt die Kommission in ihrem Verordnungsentwurf auf.
Einen besseren Schutz der Union vor Cyberattacken fordert auch der EU-Ausschuss des Bundesrats. Einig waren die BundesrätInnen allerdings mit den Vertreterinnen des Bundeskanzleramts, die nationale Koordinationsstelle für Cybersicherheit müsse Behördenstatus haben und das neu geschaffene Kompetenzzentrum brauche ein klares Mandat, ohne Doppelgleisigkeiten mit anderen EU-Stellen. Auch die Finanzierung der künftigen Abwehrstelle gegen Cyberkriminaltität gelte es, unbedingt klarzustellen, betonte Ausschussobmann Christian Buchmann (ÖVP/St) im Einklang mit Georg Schuster (FPÖ/W), der ungeachtet dessen den "EU-weiten Schulterschluss" im effektiven Vorgehen gegen Cybercrime begrüßte.
Die digitale Revolution macht vor kaum einem Lebens- oder Wirtschaftsbereich mehr Halt. Folglich gebe es auch immer mehr Gefahren im Windschatten der Digitalisierung, so die EU-Kommission in ihrem Verordnungsentwurf zum Kompetenzzentrum für Cybersicherheit. Dementsprechend müsse man sowohl die zivile Infrastruktur als auch die militärischen Kapazitäten besser durch digitale Sicherheitssysteme schützen bzw. die Reaktionsfähigkeit auf Bedrohungen im Internet steigern. Gemeinsam mit der bestehenden EU-Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) soll das Kompetenzzentrum nach Ansicht der Kommission die EU-Kompetenzen in diesem Bereich ausbauen, wobei man mithilfe des Kompetenzzentrums besonders auf eine Ausweitung der öffentlich-privaten Partnerschaft für Cybersicherheit (cPPP) setzt. Anders als von Bundesrat Martin Preineder (ÖVP/N) angedacht, werde das Zentrum nicht virtuell, sondern in Brüssel verortet sein, führte eine Expertin aus dem Bundeskanzleramt aus.
Die öffentlich-private Cybersicherheitspartnerschaft wurde 2016 mit dem Ziel gegründet, Käufer von Cybersicherheitsprodukten und -lösungen, darunter öffentliche Verwaltungen sowie kritische Sektoren (Verkehr, Gesundheit, Energie, Finanzen) und die Forschung zusammenzubringen. Das Kompetenzzentrum soll künftig als Plattform für cPPP dienen, um die Voraussetzung für freiwillige Koinvestitionen zu schaffen. Konkret will Brüssel im Kompetenzzentrum das europaweit in vielen IT-Organisationen verstreute Fachwissen sammeln und in marktfähige Produkte überführt wissen, sodass die Union die gesamte Wertschöpfungskette im Bereich der Cybersicherheit eigenständig abdecken kann.
Weltweit habe der Cybersicherheitsmarkt derzeit ein Volumen von rund 600 Mrd. €, rechnet die Kommission vor, in den nächsten fünf Jahren erwarte man bei Unternehmen und Beschäftigten in diesem Geschäftsfeld eine Steigerung um durchschnittlich 17%. Angesichts dessen sei man bestrebt, Europa bis 2025 zum Vorreiter in Sachen Cybersicherheit zu machen, zitiert der Richtlinienentwurf aus einer gemeinsamen Stellungnahme der EU-Staats- und Regierungschefs. Bundesrat Hubert Koller (SPÖ/St) lobte vor diesem Hintergrund die Kommissionsinitiative als "vertrauensschaffende Maßnahme für den Binnenmarkt".
Als Verbindungsglied von Wissenschaft und Wirtschaft würde das Kompetenzzentrum die Mitgliedstaaten und andere relevante Akteure durch Beratung, Bereitstellung von Fachwissen und Erleichterung der Zusammenarbeit bei Projekten und Maßnahmen unterstützen. Weiters ist angedacht, dass das Zentrum künftig die Durchführung der "Digital Europe"-Programme und des Forschungsprogramms "Horizont Europa" übernimmt. Zur Finanzierung des Projekts heißt es aus dem Bundeskanzleramt, sowohl die Union als auch ihre Mitgliedstaaten würden Mittel beisteuern, die Höhe der nationalen Beiträge sei aber noch unklar. Viele EU-Länder stünden dem Ansinnen der Kommission, die nationale Beitragshöhe an jene für die Programme "Horizont Europa" und "Digital Europe" anzupassen, derzeit skeptisch gegenüber, da die budgetäre Ausstattung dieser Programme noch nicht ausverhandelt sei. Als nächsten Schritt in den Verhandlungen plane die österreichische Ratspräsidentschaft, zunächst strukturelle Fragen zum Aufbau des Zentrums abzuklären, um Doppelgleisigkeiten mit anderen EU-Agenturen zu vermeiden. Demnächst seien deswegen Gespräche mit der "European Defence Agency" angesetzt.
Informationssysteme zum Grenzschutz
Die Europäische Kommission legte einen Entwurf einer Verordnung vor, durch die unterschiedliche Informationssysteme der EU übergreifend abgefragt und abgeglichen werden können. Derzeit sind die Systeme dem Entwurf zufolge unterschiedlich geregelt, die Datenverwaltungsarchitektur ist fragmentiert. Dem Vorschlag der Kommission liegt ein im Mai 2017 veröffentlichter Abschlussbericht einer hochrangige Expertengruppe zugrunde, die darin gemeinsam mit der EU-Grundrechte-Agentur, des Europäischen Datenschutzbeauftragten und des EU-Koordinators für die Terrorismusbekämpfung eine Reihe von Empfehlungen aussprach.
"Die Polizei muss derzeit sogenannte Kaskadenabfrage durchführen", erläuterte eine Erkennungsdienst-Expertin des Bundeskriminalamts bestehende Probleme. "Das heißt, man muss aus jeder Datenbank extra abfragen und das in einer bestimmten Reihenfolge", ergänzte ein weiterer Experte des Bundeskriminalamts. Mit der Umsetzung der geplanten Verordnung würde jede Behörde auf einen Klick alle Daten auf einmal erhalten. Es würden keine neuen Daten gesammelt, sondern nur bestehende Systeme miteinander vernetzt.
Betroffen von der neuen Regelung wären drei bestehende Systeme, drei weitere sollen geschaffen werden und für die Abfragen werden vier technische Systemkomponenten erstellt. Bei den drei bestehenden, betroffenen Systemen handelt es sich um das "Schengener Informationssystem" (SIS) mit Personen- und Sachfahndungen; das System "Eurodac", mit Fingerabdruckdaten von Asylwerbern und Drittstaatsangehörigen, die eine Außengrenze illegal übertreten haben oder sich illegal in der EU aufhalten; und das "Visa-Informationssystem" (VIS). Daneben sollen die "Interpol-Datenbank für gestohlene und verlorene Reisedokumente" (SLTD) und die "Interpol-Datenbank zur Erfassung von Ausschreibungen zugeordneter Reisedokumente" (TDAWN) mit umfasst sein. Auch Europol-Daten sollen einbezogen werden; dezentrale Systeme, wie etwa die Fluggastdatensätze, hingegen nicht.
Zusätzlich schlägt die Kommission die Schaffung dreier neuer Systeme vor: ein "Einreise-/Ausreisesystem" (EES), das "Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem" (ETIAS) und das "Europäische Strafregisterinformationssystem für Drittstaatsangehörige (ECRIS-TCN). Das EES soll das manuelle Abstempeln von Reisepässen ersetzen. Die Namen der Reisenden werden dabei im System aufgenommen, sowie die Art der Reisedokumente, biometrische Daten sowie Zeit und Ort der Ein- und Ausreise von Drittstaatsangehörigen. Das ETIAS soll ein automatisiertes System zur Erfassung und Überprüfung der Angaben von Drittstaatsangehörigen sein, die von der Visumpflicht ausgenommen sind. Das ECRIS-TCN schließlich ist als Vorstrafenregister für Drittstaatsangehörige und Staatenlose konzipiert, die innerhalb der EU von Strafgerichten verurteilt worden sind.
Um die "Interoperabilität", also eine systemübergreifende Datenabfrage der bestehenden und der neuen Systeme zu ermöglichen, schlägt die Kommission vier technische Komponenten vor: ein "Europäisches Suchportal" (ESP), einen gemeinsamen "Dienst für den Abgleich biometrischer Daten" (BMS), einen gemeinsamen "Speicher für Identitätsdaten für biografische Daten" (CIR) und einen "Detektor für Mehrfachidentitäten" (MID). Das ESP soll eine gleichzeitige Abfrage in mehreren Datenbanken ermöglichen. Im gemeinsamen BMS sollen Fingerabdrücke und Gesichtsfeldbilder über eine einzige technische Komponente gleichzeitig abgefragt und abgeglichen werden können. Der CIR ist als gemeinsame Komponente für die Speicherung biografischer und biometrischer Identitätsdaten von Drittstaatsangehörigen vorgesehen, die in Eurodac gespeichert sind, weiters im VIS und in den neu vorgeschlagenen Systemen EES, ETIAS und ECRIS-TCN. Der CIR würde keine SIS-Daten enthalten, da die SIS-Architektur zu komplex ist. Über den MID wird es möglich sein festzustellen, ob Identitätsdaten in mehr als einem der mit dem MID verbundenen System gespeichert sind. "Hat beispielsweise ein Einreisender seinen Pass nach der Passkontrolle weggeworfen und gibt nun andere Identitätsdaten an, so kann über den Abgleich der biometrischen Daten, vor allem der Fingerabdruckdaten, festgestellt werden, dass die neue Identität eine andere ist als ursprünglich angegeben", erklärte ein Experte des Bundeskriminalamts. Der MID würde Systeme umfassen, mit denen Identitätsdaten im CIR gespeichert sein werden, nämlich im Eruodac, VIS, EES, ETIAS und ECRIS-TCN.
Weiters soll ein "Zentraler Speicher für Berichte und Statistiken" (CRRS) eingerichtet werden, in dem statistische und Berichtsdaten anonymisiert gespeichert werden. Für sämtliche Systeme wird ein "Universelles Nachrichtenformat" (UMF) vorgeschlagen. Es soll auch Europol und Interpol als einheitlicher Standard angeboten werden. Assoziierte Schengen-Länder, EU-Agenturen und internationale Institutionen sollen ebenfalls einbezogen werden.
Die Herstellung der Interoperabilität der Systeme werde die Mitgliedstaaten nichts kosten, unterstrich der Experte des Bundeskriminalamts. Er rechnet damit, dass die Verordnung noch während der EU-Präsidentschaft Österreichs vor Jahresende finalisiert werden kann. "Der Zeitplan ist ambitioniert, aber es dürfte sich ausgehen", sagte er. Das Suchportal, das Ein-/Ausreisesystem EES und das Reiseinformations- und -genehmigungssystem ETIAS sollen von 2020 bis 2021 aufgesetzt werden, der Dienst für den Abgleich biometrischer Daten 2021 bis 2023, die CIR-Komponente zwischen 2020 und 2022, und der Detektor für Mehrfachidentitäten (MID) soll zwischen 2021 und 2023 aufgebaut werden.
Georg Schuster (FPÖ/W) begrüßte den Vorschlag der EU seitens seiner Fraktion. "Alles, was zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger beiträgt, ist willkommen." Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ/W) wollte wissen, ob bekannt sei, wie das Europäische Parlament zu dem Verordnungsvorschlag steht. Der Experte berichtete, es gebe lediglich vereinzelt Stimmen, die hinterfragt hätten, ob die Herstellung der Interoperabilität überhaupt notwendig sei. Im Großen und Ganzen jedoch sei die Stimmung positiv. Zudem fragte Beer, ob der freie Reiseverkehr durch die neuen Systeme behindert werde. In eine ähnliche Richtung ging eine Frage des Bundesrats Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O), der wissen wollte, inwieweit der Tourismus betroffen sei und ob die neue Systematik ein Mehr an Bürokratie bedeute. Der Experte aus dem Bundeskriminalamt betonte, es gehe ausschließlich darum, bestehende Datenbanken zu vernetzen, nicht um etwas komplizierter und mühsamer zu machen – "im Gegenteil, die Abfrage, etwa bei der Einreisekontrolle an den Außengrenzen wird erleichtert", betonte der Experte. "Und sie wird sicherer, weil speziell Fingerabdruckdaten unverwechselbar sind."
EU-Rückkehrausweis
Der EU-Rückkehrausweis ist für EU-Bürgerinnen und -Bürger gedacht, deren Reisedokument außerhalb der EU abhandengekommen ist, etwa durch Diebstahl oder Verlust, und deren EU-Heimatstaat im betreffenden Land keine Vertretung hat. Sie können sich an die Botschaft oder ein Konsulat eines jeden anderen EU-Mitgliedlandes im jeweiligen Staat wenden, um vorübergehend ein Reisedokument zu erwerben – den sogenannten EU-Rückkehrausweis. Dieser wurde 1996 eingeführt und seither nicht geändert worden. Die jüngsten Änderungen der EU-Vorschrift über den konsularischen Schutz sind nicht berücksichtigt. Als besonders problematisch wird angesehen, dass der EU-Rückkehrausweis nicht ausreichend gegen Betrug und Fälschung gesichert ist. Der Mangel an Sicherheitsmerkmalen hat dazu geführt, dass ihn manche EU-Mitgliedstaaten gar nicht mehr ausstellen. Die Europäische Kommission schlägt nun eine Straffung des Verfahrens sowie die Einführung von Sicherheitsmerkmalen vor.
Zwar habe es bislang kaum Missbrauchsfälle bei der Ausstellung von EU-Rückkehrausweisen gegeben, merkte der Leiter in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe, Thomas Schlesinger, auf Nachfrage von Georg Schuster (FPÖ/W) an. Der Mitarbeiter des Außenministeriums machte aber darauf aufmerksam, keinesfalls dürften diese Dokumente künftig die Einreise in die Europäische Union für jedermann ermöglichen, daher sei der Kreis der Anspruchsberechtigten genau zu definieren. Überdies müssten die Kosten einer EU-weiten Neugestaltung des Rückkehrausweises noch geklärt werden, so Schlesinger, der nicht von einem Abschluss der Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag unter österreichischem Vorsitz ausgeht.
Die BundesrätInnen Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W), Sandra Kern (ÖVP/N) und Hubert Koller (SPÖ/W) sprachen sich im Sinne der Reisenden für eine praktikable Herangehensweise aus. Christoph Längle (FPÖ/V) begrüßte in diesem Zusammenhang den Vorsatz der Kommission, EU-BürgerInnen beim Verlust des Passes schnelle Hilfe zukommen zu lassen.