beratungen des
EU-Ausschusses des Bundesrates

iV-138 der Beilagen zu den
stenografischen protokollen des Bundesrates


Auszugsweise Darstellung

Mittwoch, 3. Juni 2020

 

 


Beratungen des EU-Ausschusses des Bundesrates

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 3. Juni 2020

 

 

Tagesordnung

1.

NON 295/20

A roadmap for recovery/Towards a more resilient, sustainable and fair Europe

(18411/EU XXVII.GP)

2.

COM(2020) 138 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 und der Verordnung (EU) Nr. 1301/2013 im Hinblick auf spezifische Maßnahmen zur Einführung einer außerordentlichen Flexibilität beim Einsatz der europäischen Struktur- und Investitionsfonds als Reaktion auf den Ausbruch von COVID-19

(17412/EU XXVII.GP)

3.

COM(2020) 141 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 223/2014 in Bezug auf die Einführung spezifischer Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Krise

(17413/EU XXVII.GP)

4.

 

COM(2020) 144 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte hinsichtlich des Geltungsbeginns einiger ihrer Bestimmungen

(17277/EU XXVII.GP)

5.

COM(2020) 163 final

Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bereitstellung einer Makrofinanzhilfe für Erweiterungs- und Nachbarschaftspartner vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie

(18644/EU XXVII.GP)

6.

COM(2020) 200 final

Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zwecks Hilfeleistung für Portugal, Spanien, Italien und Österreich

(20037/EU XXVII.GP)


 

 

Am Beginn der Sitzung berichtete Ausschussvorsitzender Christian Buchmann über jüngst eingelangte Vorschläge der Kommission für EU-Gesetzgebungsakte:

·         Vorschlag für eine Änderungsrichtlinie um der dringenden Notwendigkeit einer Verlängerung bestimmter Fristen für die Vorlage und den Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung infolge der COVID-19-Pandemie Rechnung zu tragen

·         Vorschlag für eine Änderungsverordnung des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich spezifischer Maßnahmen zur Gewährung einer befristeten Sonderunterstützung im Rahmen des ELER als Reaktion auf den Ausbruch von COVID-19.

 

 

Den Ausschussmitgliedern standen folgende ExpertInnen zur Verfügung:

·         Herr Dr. Franz Wirtenberger (BKA)

·         Frau Dr.in Andrea Itzlinger (BKA)

·         Frau Mag. Alexandra Deimel (BMLRT)

·         Frau Mag.a Stephanie Mattes (BMSGPK)

·         Herr Mag. Alexander Brantner (BMSGPK)

·         Herr Mag. Thomas Hrdina, PhD (BMF)

·         Herr Mag. Klaus Federmair (BMF)

·         Herr Mag. Siegfried Jachs (BMI)

·         Herr Mag. Norbert Templ (AK)

·         Frau Dr.in Ulrike Hassmann-Vorbach LL.M.Eur. (WKÖ)

 

 

 

 

 

 

Fahrplan für die Erholung

Mit dem Ziel, ein widerstandsfähigeres, nachhaltigeres und faireres Europa aufzubauen haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel infolge der COVID-19-Krise eine Roadmap bzw. den "Fahrplan für die Erholung" der Europäischen Union vorgelegt. Zusätzlich standen im EU-Ausschuss des Bundesrats spezifische EU-Vorschläge zur Bewältigung der Corona-Krise zur Debatte. Zum einen geht es um eine "außerordentliche Flexibilität" beim Einsatz der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI) - unter anderem mit der Möglichkeit der Anhebung der EU-Kofinanzierungsrate auf 100% für Zahlungsanträge, die im Geschäftsjahr 2020 (1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021) bei der Kommission eingereicht werden. Zum anderen geht es der Europäischen Kommission darum, die Verteilung der materiellen Basisgüter und Lebensmittel aus dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD) während des COVID-19-Ausbruches sicherzustellen.

Als Grundsätze für die Erholungsphase infolge der Corona-Krise werden im gemeinsamen Fahrplan für die Erholung der Europäischen Union vorweg etwa Solidarität, Zusammenhalt und Konvergenz sowie die Wahrung der Werte und die uneingeschränkte Achtung der Rechtsstaatlichkeit genannt. Die Vorhaben basieren auf vier inhaltlichen Säulen: So geht es dabei um die Wiederherstellung und Stärkung des Binnenmarkts, unter anderem mit einem Fokus auf den "grünen Übergang und die digitale Transformation" sowie um die Sicherstellung der strategischen Autonomie. Beispielsweise die Wertschöpfungs- und Lieferketten, die unterbrochen wurden, müssen demnach wiederhergestellt werden. Eine wichtige Rolle komme dem Finanzsektor bei der Sicherstellung des Zugangs zu Finanzmitteln zu. Umso wichtiger sei es demzufolge, die Bankenunion und die Kapitalmarktunion zu vollenden.

Weiters werden im Fahrplan Investitionsbemühungen in der Art eines "Marshallplans" mit Fokus auf den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und die Europäische Investitionsbank (EIB) anvisiert. Dabei soll es sich um koordinierte Bemühungen handeln, bei denen auf öffentliche Investitionen - auf europäischer und nationaler Ebene - sowie auf die Mobilisierung von privaten Investitionen zurückgegriffen werden soll. Es müsse massiv in den Übergang zu einer grünen Wirtschaft und in den digitalen Wandel sowie in die Kreislaufwirtschaft investiert werden, Stichwort Europäischer Green Deal. Demnach sollte so bald wie möglich Einigung über den neuen MFR erzielt werden, um Verzögerungen bei unverzichtbaren Investitionen zu vermeiden. Die EIB-Gruppe als größte öffentliche Investitionsbank soll mit Instrumenten, Unterstützung und Kapital ausgestattet werden, die sie benötige, um dieser Verantwortung gerecht zu werden und gleichzeitig ihren Triple-A-Status beizubehalten.

Dazu komme die globale Dimension, mit einem Fokus insbesondere auf Afrika: In diesem Zusammenhang sei die Wiederherstellung der Handelsströme und Lieferwege von größter Bedeutung. Gleichzeitig müsse die EU den bedürftigen Ländern Hilfe leisten. Besondere Aufmerksamkeit soll der unmittelbaren Nachbarschaft der EU gewidmet werden. Aus Sicht eines Experten des Bundeskanzleramts ist dieser Punkt ein klares Bekenntnis zum Multilateralismus.

Nicht zuletzt stelle ein funktionierendes Governance-System die Schlüsselvoraussetzung für die Überwindung der Krise und die Gewährleistung des Wiederaufbaus dar. So müsse die EU effizienter und wirksamer werden und EU-Institutionen und Mitgliedstaaten auf die wirksamste Weise und unter voller Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zusammenarbeiten, so der Fahrplan.

Im Fahrplan werde mehrfach festgehalten, dass man nicht "business as usual" weitermachen könne, so der Experte des Bundeskanzleramts. Es gehe auch darum, dass in der Strategie zur Bewältigung der Covid-Krise alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Die Roadmap liste grundsätzliche Bereiche auf, wobei in einem weiteren Teil erst die Finanzierungsaspekte angesehen werden müssten. Geprägt sei die Vorlage von Teamgeist und dem Standpunkt, sich auch in Zeiten der Krise an die grundlegenden Werte zu halten. Seit Ende Mai liegen nunmehr auch Vorschläge der Kommission zur Finanzierung vor, diese werden nun in den Gremien beraten, so der Experte.

Während die BundesrätInnen der ÖVP, SPÖ und der Grünen den vorliegenden Fahrplan – wenn auch teils mit Anmerkungen - begrüßten, hinterfragten RednerInnen der FPÖ etwa Hilfsgelder für besonders betroffene Mitgliedstaaten wie Italien. Diese Länder müsse man auch selber in die Pflicht nehmen, so Monika Mühlwerth (FPÖ/W). In Richtung Sonja Zwazl (ÖVP/N) unterstrich der Experte des Bundeskanzleramts, die Bedeutung des Binnenmarkts sei jedenfalls allen bewusst. Eine von Stefan Schennach (SPÖ/W) aufgeworfene umfassende Einbindung von Städten und Gemeinden ist aus Sicht des Experten gegeben, das Thema werde er aber auch nochmals mitnehmen. Die Strategie im Hinblick auf Produktion und Lieferketten beziehe sich aus seiner Sicht sowohl auf die Zusammenarbeit mit Drittländern, als auch auf Produktionsmöglichkeiten am europäischen Markt, so der Experte gegenüber Bernd Saurer (FPÖ/W). Das Hilfspaket ziele grundlegend auf die Realwirtschaft ab und sehe keine Hilfestellungen für Banken an sich vor, ergänzte eine Expertin des Bundeskanzleramts gegenüber Saurer.

Adi Gross (Grüne/V) begrüßte, dass mit dem Plan Zukunftsthemen und damit einhergehend auch soziale Absicherung vorangetrieben werden sollen. Der vorliegende Fahrplan, also die Roadmap, sei ein wichtiger Vorstoß. Günther Novak (SPÖ/K) pflichtete dem bei. Wenn man allerdings schon von einem Marshallplan spreche, brauche es auch endlich eine Einigung, was die Finanzierung betrifft, so Novak. Martin Preineder (ÖVP/N) zufolge gilt es jedenfalls, verantwortungsbewusst mit Finanzmitteln umzugehen. Er vermutet, dass zeitnah eine Lösung gefunden wird und sieht insgesamt die Chance - etwa zum Green Deal oder im Zusammenhang mit Digitalisierung - positive Veränderungen herbeizuführen.

Die Krise könne die Chance sein, Europa in einen besseren Zustand zu führen, so ein Experte der Arbeiterkammer – hin zu einem sozialen und klimaneutralen Europa. Der vorliegende Fahrplan enthalte in diesem Sinne wichtige Aussagen, etwa zu massiven Investitionen in das Klima sowie zum digitalen Wandel und bekenne sich zu einem Neustart der Wirtschaft. Aus seiner Sicht fehlt aber der Punkt Steuergerechtigkeit, wie auch Stefan Schennach (SPÖ/W) aufwarf, sowie das Thema öffentliche Investitionen zur Klimaneutralität. Insgesamt werde aber hier ein großer und wichtiger Schritt gesetzt.

Die Corona-Krise habe allen die Wichtigkeit des Binnenmarktes und der Versorgung deutlich vor Augen geführt, sagte eine Expertin der Wirtschaftskammer. Es gelte jetzt, massiv an der Wiederherstellung seiner Funktionsfähigkeit und Integrität zu arbeiten. Das Ziel müsse ein grenzenloser Binnenmarkt sein, der an das digitale Zeitalter angepasst ist. Nur so könne es gelingen, dass schwer getroffene KMU aus der Krise in Richtung der Zukunftsbereiche herauswachsen. In der globalen Dimension gelte es, an offener und transparenter Handelspolitik festzuhalten. Was Abhängigkeiten in der Versorgung – etwa bei medizinischen Produkten – betrifft, müsse verstärkt daran gearbeitet werden, Produktion nach Österreich und Europa zurückzuholen bzw. bestehende hier zu halten.

 

 

 

 

 

 

 

COVID-19-Fonds

Um die sozioökonomischen Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen und abzumildern, hat die EU noch im März mit einem ersten Maßnahmenpaket den Fokus auf Sicherstellung der Liquidität von EU-Mitteln in den Mitgliedstaaten sowie auf die Ergänzung der Interventionsmöglichkeiten der Fonds gelegt. Die Erweiterung betraf u.a. die Stärkung der Gesundheitssysteme, die Kurzarbeit sowie die Finanzierung von Betriebskapital in KMU. Mit dem vorliegenden zweiten Änderungspaket soll nun zusätzliche Flexibilität und Vereinfachung für die Implementierung der Fonds folgen. Neben einer Anhebung der EU-Kofinanzierungsrate auf 100% für das Geschäftsjahr 2020 wird mit Ausnahmen etwa auch die Möglichkeit des Transfers zwischen EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung), ESF (Europäischer Sozialfonds) und Kohäsionsfonds für noch nicht verausgabte Mittel für 2020 vorgesehen. Außerdem geht es unter anderem um Transfermöglichkeiten von noch nicht verausgabten Mitteln für 2020 zwischen ärmeren, Übergangs- und reicheren Regionen, wie eine Expertin des Landwirtschaftsministeriums erläuterte. Zudem soll es eine Fristverschiebung für die Vorlage des Jährlichen Durchführungsberichts 2019 auf 30. September statt 31. Mai geben sowie eine Flexibilitätsklausel für den Abschluss von Programmen aufgenommen werden. In der Regionalfonds-Verordnung ist eine Anpassung der Förderfähigkeit von Unternehmen in Schwierigkeiten an den COVID-19-bedingt temporär angepassten Rahmen für staatliche Beihilfen vorgesehen.

Aus österreichischer Sicht wurde die Möglichkeit, auf Antrag 100% Kofinanzierung für alle Ausgaben zu erhalten, etwas kritisch gesehen, so die Expertin des Landwirtschaftsministeriums. Da es sich bei den Regelungen um zeitlich befristete Elemente handelt und die derzeitige Situation außergewöhnliche Maßnahmen erfordert, habe sich Ministerin Elisabeth Köstinger aber für die Flexibilisierungen ausgesprochen. Laut Vorlage lösen die vorgeschlagenen Änderungen keine zusätzlichen Mittel aus bzw. komme es zu keinen Änderungen in den jährlichen Obergrenzen des mehrjährigen Finanzrahmens. Bei den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds handle es sich um Fonds in geteilter Mittelverwaltung. Auch diese Verordnung sei bereits in Kraft und könne von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden, so eine Expertin des Landwirtschaftsministeriums. Im Hinblick auf mehr Flexibilität zur Bewältigung der Corona-Krise gebe es damit bei Regional- und Sozialfonds Transfermöglichkeiten, sofern das Mitgliedsland das für sich selbst beschließt.

Stefan Schennach (SPÖ/W) begrüßte ebenso wie Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) die Flexibilisierung der Mittel "in Zeiten wie diesen". Gegenüber Christoph Steiner (FPÖ/T) sagte die Expertin des Landwirtschaftsministeriums betreffend EFRE, in Österreich fließen in der laufenden Periode etwa 536 Mio. €. Der EFRE stehe zwar für die Themen KMU, Forschung und Innovation zur Verfügung, laufe aber noch nicht unter dem "Deckmantel" Green Deal.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

COVID-19-Maßnahmen

Zur Debatte stand auch die Vorlage der Kommission, die Verteilung der materiellen Basisgüter und Lebensmittel aus dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD) während des COVID-19-Ausbruchs sicherzustellen. Dabei geht es beispielsweise um die Ausgabe von Gutscheinen anstelle der Hilfsgüter, Versand bzw. Zustellung der Hilfsgüter durch die Partnerorganisation sowie Bereitstellung von Sicherungsmaßnahmen wie Desinfektionsmittel und Schutzkleidung. Neben weiteren Erleichterungen wie vereinfachten Prüfverfahren sieht der Vorschlag auch die Möglichkeit der Anhebung der Kofinanzierungsrate auf 100% vor. Nimmt ein Mietgliedstaat dies in Anspruch, werden die zur Verfügung stehenden Gesamtmittel dadurch jedoch nicht erhöht. Es entfällt der nationale Anteil von 15% als Ergänzung.

Etwa im Hinblick auf Schulstartpakete für SchülerInnen in Haushalten mit Bezug von Sozialhilfe sei das Ziel gewesen, die Verteilung auch in Covid-Zeiten aufrechtzuerhalten, so die Expertin des Sozialministeriums gegenüber den BundesrätInnen. Das sei für heuer sichergestellt. Dank der FEAD-COVID-19-Verordnung gebe es dafür auch mehr Flexibilität in der Ausführung. Die Anhebung der Kofinanzierungsrate auf 100% werde von Österreich nicht in Anspruch genommen, da mit einem Entfall der 15%-igen nationalen Kofinanzierung die Gesamtmittel dadurch geringer ausfallen würden. Die Verordnung sei durch ein Schnellverfahren bereits gegen Ende April in Kraft getreten. Aus diesem EU-Programm in geteilter Mittelverwaltung stehen Österreich demnach ca. 21 Mio. € (inklusive nationaler Kofinanzierung) für die Laufzeit 2014 bis 2020 zur Verfügung.

Gegenüber Elisabeth Grossmann (SPÖ/St) bezeichnete die Expertin des Sozialministeriums die Vereinfachungen insofern als spannend, weil die Gutscheinlösung im Grunde genommen auch als Vorgriff auf den in Verhandlung stehenden Europäischen Sozialfonds Plus gesehen werden könne. Dort sei eine solche Möglichkeit der Gutscheine bereits enthalten, so die Expertin.

 

 

 

 

 

Medizinprodukte

Auch im zweiten Teil des EU-Ausschusses der Länderkammer ging es teilweise um europäische Rechtsakte, die im Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie stehen. So macht es etwa die Corona-Krise erforderlich, den Geltungsbeginn einiger Bestimmungen in der geänderten Verordnung über Medizinprodukte, die am 26. Mai in Kraft treten sollten, um ein Jahr zu verschieben. Zur Unterstützung von Drittstaaten mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten, die zudem von der Corona-Krise besonders betroffen sind, stellt die EU eine sogenannte Makrofinanzhilfe in der Höhe von 3 Mrd. € für insgesamt zehn Erweiterungs- bzw. Drittstaaten von Albanien bis zur Ukraine zur Verfügung. Außerdem ging es um die Zuteilung von EU-Geldern aus dem Solidaritätsfonds, wobei Österreich im Zusammenhang mit den im November 2019 vor allem in Kärnten und Osttirol stattgefundenen Unwetterereignissen 2,33 Mio. € erhalten wird.

Die ausreichende Versorgung mit Medizinprodukten wie Handschuhe, OP-Masken oder Material für die Intensivpflege spielten angesichts des COVID-19-Ausbruchs eine entscheidende Rolle, heißt es in der Stellungnahme des Gesundheitsressorts bezüglich des Vorschlags des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Medizinprodukte-Verordnung. Die derzeitige Pandemie stelle eine beispiellose Herausforderung für die Mitgliedstaaten und eine schwerwiegende Belastung für die nationalen Behörden, Gesundheitseinrichtungen, die Bevölkerung sowie die Wirtschaftsakteure dar. Diese Ausnahmesituation habe gravierende Folgen für verschiedene Bereiche, die unter die Verordnung fallen, zumal bei der Beschlussfassung nicht absehbar war, dass zusätzliche Ressourcen sowie eine größere Verfügbarkeit lebenswichtiger Medizinprodukte erforderlich sein werden. Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts, ein hohes Schutzniveau sowie Rechtssicherheit zu gewährleisten, sei es erforderlich, die Anwendung einiger Bestimmungen der Verordnung um ein Jahr zu verschieben.

Die Corona-Krise habe gezeigt, wie wichtig es sei, Produktionsketten in bestimmten Bereichen wieder zurück nach Europa zu holen,  betonte Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S), die auf entsprechende Initiativen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck verwies. Es könne nicht sein, dass lebensnotwendige Operationen nur deshalb verschoben werden müssen, weil OP-Materialen, die nur in China hergestellt werden, fehlen, stimmte Stefan Schennach (SPÖ/W) in diesen Tenor ein. Vereinfachungen sollten zudem bei der Zulassung von Medikamenten vorgenommen werden.

 

Makrofinanzhilfe

Aus österreichischer Sicht positiv bewertet wurde auch die bereits vom Europäischen Parlament und vom Rat beschlossene Makrofinanzhilfe für insgesamt zehn Nachbarschafts- bzw. Drittstaaten, um die Auswirkungen der COVID-19-Krise zu lindern. Die Unterstützung von Albanien, Bosnien, Georgien, Jordanien, Kosovo, Moldawien, Montenegro, Nordmazedonien, Tunesien und der Ukraine diene der wirtschaftlichen Stabilisierung von Ländern in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU. Dies liege auch im Interesse Österreichs, das mit allen Staaten, insbesondere mit jenen auf dem Balkan, teils sehr intensive ökonomische Beziehungen (Handel, Direktinvestitionen) unterhalte.

Zur Unterstützung von Drittstaaten mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten kann die Europäische Union Makrofinanzhilfe (MFH) vergeben. Im Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für 2021-2027 sind dafür 2 Mrd. € pro Jahr vorgesehen. Da die COVID-19-Krise vor allem in den (potentiellen) Beitrittskandidatenländern sowie Staaten der EU-Nachbarschaftspolitik zu schweren Rezessionen führen könne, hat die EU-Kommission am 22. April 2020 einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Um Zahlungsbilanzkrisen zu verhindern, soll gemeinsam mit dem IWF die mögliche Lücke beim externen Finanzierungsbedarf dieser Länder in den Jahren 2020 und 2021 abgedeckt werden. Insgesamt werden 3 Mrd. € in Form von Darlehen (keine Zuschüsse, durchschnittliche Laufzeit 15 Jahre) innerhalb der nächsten zwölf Monate ausbezahlt. Die erste Tranche soll noch im Juni 2020 fließen, eine zweite Tranche im vierten Quartal 2020.

Die Mittel werden von der Kommission auf den Kapitalmärkten durch Begebung von Anleihen aufgenommen. Dies ermögliche es den begünstigten Ländern, von den niedrigen Zinssätzen zu profitieren, die der EU zur Verfügung stehen. Die Auszahlung der zweiten Tranche ist an die Umsetzung von zuvor festgelegten (Reform-)Bedingungen geknüpft, die sich von Land zu Land unterscheiden. Im Konkreten sieht die Zuteilung folgendermaßen aus: Albanien (180 Mio. €), Bosnien-Herzegowina (250 Mio. €), Georgien (150 Mio. €), Jordanien (200 Mio. €; insgesamt 700 Mio. € auf Basis einer Entscheidung aus dem Jänner 2020), Kosovo (100 Mio. €), Moldawien (100 Mio. €), Montenegro (60 Mio. €), Republik Nordmazedonien (160 Mio. €), Tunesien (600 Mio. €) und Ukraine (1,2 Mrd. €). Die Kommission wird nun mit den begünstigten Ländern die Bedingungen aushandeln und in einem Memorandum of Understanding festlegen. Im Falle eines Ausfalls der Darlehen greift die Kommission auf den EU-Garantiefonds bzw. Mittel der EU-Mitgliedstaaten zurück. Es besteht daher keine direkte Haftung der Republik Österreich.

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP/N) begrüßte aus Sicht der Wirtschaft ausdrücklich die Finanzhilfe und machte darauf aufmerksam, dass Österreich etwa in Bosnien oder in Nordmazedonien den ersten Platz bei den Investorenländern belege. Neben den Heranführungsbeihilfen werde damit ein weiteres wichtiges Instrument zum Einsatz gebracht, konstatierte Bundesrat Christian Buchmann (ÖVP/St). Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W) schloss sich seinen VorrednerInnen an und sprach von einem wichtigen Zeichen der Solidarität. Die Ukraine erhalte den größten Betrag, was aber aufgrund der dringend notwendigen Stabilität in der Region zu befürworten sei. Mehr Mittel hätte er sich aber für Moldawien, das als Armenhaus Europas gelte, gewünscht. Der freiheitliche Bundesrat aus Tirol, Christoph Steiner, meldete Zweifel an, ob die Gelder auch wieder zurückfließen. Außerdem sprach er die bedenkliche Menschenrechtssituation etwa in Tunesien an, was auch in Berichten von Amnesty International nachzulesen sei. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Solidaritätsfonds

Im Rahmen des Gesamthaushaltsplans der Union für das Jahr 2020 werden aus dem Solidaritätsfonds der EU Mittel für folgende Länder vergeben: Portugal (8,21 Mio. €), Spanien (56,74 Mio. €), Italien (211,71 Mio. €) und Österreich (2,33 Mio. €). Dies sieht ein Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates vor. Im Fall von Österreich soll dies der Finanzierung von Projekten in der Folge von Unwetterereignissen insbesondere in Kärnten und Osttirol dienen. Der Beitrag Österreichs wiederum für die Hilfeleistungen an die betroffenen Länder beträgt rund 6,6 Mio. €. Es handle sich dabei um ein sehr gutes Beispiel für gelebte Solidarität, die keine Einbahnstraße sein dürfe, urteilten die Bundesräte Martin Preineder (ÖVP/N) und Stefan Schennach (SPÖ/W). Auch Günther Novak (SPÖ/K) begrüßte die Maßnahme, mit der unter anderem wichtige Projekte im Bereich Lawinen- und Wildbachverbauung unterstützt werden können.