Parlament Österreich

 

 

 

IV-29 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Donnerstag, 3. September 2009

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Donnerstag, 3. September 2009

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Tagesordnung

 

 

 

 

1.        

COM KOM (09) 338 endg.

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren

(15573/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat in seiner Sitzung vom 3. September 2009 die am 21. Juli 2009 vertagten Beratungen über den Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren wieder aufgenommen und auf Antrag von SPÖ und ÖVP einstimmig eine ablehnende Stellungnahme verabschiedet.

 

Die Ausschussmitglieder melden Zweifel an der Behauptung der EU-Kommission an, der vorgeschlagene Rechtsakt würde das Vertrauen in die jeweils andere Rechtsordnung stärken und zur Verbesserung der gegenseitigen Zusammenarbeit beitragen. Im Wesentlichen schreibe der Vorschlag lediglich die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fest, dessen Urteile für die EU-Mitgliedstaaten ohnedies maßgeblich seien. Da nur wenige EGMR-Urteile zum Thema Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren vorliegen, sehen die Bundesrätinnen und Bundesräte keinen Bedarf für einen Rechtsakt auf diesem Gebiet.

 

An der Sitzung nahmen Ronald Faber (Bundeskanzleramt) und Bernhard Weratschnig (Justizministerium) als Experten teil.

 

 


Folgender Antrag auf Ausschussfeststellung wurde einstimmig angenommen:

 

 

 

Antrag

 

 

betreffend COM KOM (2009) 338 endg.

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren

 

 

Der EU-Ausschuss wolle beschließen:

 

 

Ausschussfeststellung:

 

Stellungnahme an die Europäische Kommission

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat den Vorschlag der Kommission COM KOM (2009) 338 endg., Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren in öffentlicher Sitzung am 21. Juli 2009 beraten und kommt zu folgendem Ergebnis:

 

Zur Frage der Subsidiarität beschränkt sich der Vorschlag der EK auf die Behauptung, dass der Rechtsakt das Vertrauen in die jeweils andere Rechtsordnung stärken und damit zu einer Verbesserung der gegenseitigen Zusammenarbeit beitragen würde.

Wenn man berücksichtigt, dass der Vorschlag im Wesentlichen eine Festschreibung der Rechtssprechung des EGMR beinhaltet, so ist fragwürdig, ob eine dringende Notwendigkeit für den Erlass des Rahmenbeschlusses besteht, da die Mitgliedstaaten ohnedies allgemein verpflichtet sind, sich nach den Urteilen des EGMR zu richten.

Die geringe Anzahl der Urteile des EGMR, die sich mit einer Verletzung des Artikels 6 Abs. 3 lit. a und e EMRK befassen, deutet auch nicht auf einen unbedingt erforderlichen Bedarf eines Rechtsaktes auf diesem Gebiet hin (10 Urteile, die sich mit Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers auseinandersetzen und 37 Urteile, die sich mit dem aus Artikel 6 Abs. 3 lit. a ergebenden Recht befassen, in möglichst kurzer Frist in einer für den Beschuldigten verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden.).

 

Im Zusammenhang mit dem Umfang der durch den RB gewährten Rechte werden den MS erhebliche Kosten auferlegt. Das betrifft insbesondere die Erstreckung des Rechts auf den der verdächtigen Person gewährten Rechtsbeistand, sofern der Verteidiger eine Sprache spricht, die die verdächtige Person nicht versteht. Es besteht kein Grund, in Fällen, in denen der Beschuldigte über einen frei gewählten Verteidiger verfügt, die Kosten der Übersetzung der zwischen ihnen geführten Gespräche auf den Staat zu überwälzen; das ist nur in Situationen gerechtfertigt, in denen dem Beschuldigten Verfahrenshilfe gewährt wird.

 

Die Verpflichtung nach Artikel 3 Abs. 2 des Vorschlags zur schriftlichen Übersetzung derselben geht unter Berücksichtigung der EGMR Rechtsprechung entschieden zu weit. Man denke nur an eine mögliche Verlängerung der Untersuchungshaft, weil eine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift erfahrungsgemäß in wenigen Tagen nicht zu bewerkstelligen ist. 

 

Unklar ist auch, was unter der Verpflichtung der Schulung von Richtern und Staatsanwälten gemäß Artikel 5 des Vorschlags zu verstehen ist; auszugehen davon ist, dass in jedem MS entsprechende Fortbildungsangebote bestehen; will man jedoch erreichen, dass die Fremdsprachenkenntnisse der Richter und Staatsanwälte auf ein Niveau angehoben werden, welches die Beiziehung eines Dolmetschers erübrigt, so wird in die nationale Aus- und Fortbildungsvorschriften eingegriffen.

 

Insgesamt erscheint der Vorschlag daher im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip äußerst problematisch, weil er die MS einseitig mit Kostenfolgen belastet, ohne endgültig den Nachweis zu erbringen, dass die Bestimmungen des RB neben den ohnedies nach Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK garantierten Rechten notwendig und erforderlich ist, um die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden zu verbessern. Dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren kann daher in der vorliegenden Form nicht zugestimmt werden.

 

 

 

 

Der EU-Ausschuss übergibt dem Präsidenten des Bundesrates diese Ausschussfeststellung gem. § 34 Abs. 6 GO-BR zur Veröffentlichung als Kommuniqué und ersucht den Präsidenten des Bundesrates, dieses Kommuniqué an die Europäische Kommission, an die österreichische Bundesregierung, an den Ausschuss der Regionen, an die COSAC bzw. IPEX und an das Europäische Parlament zu übermitteln.