
IV-59 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

Beratungen des EU-Ausschusses
des Bundesrates
(Auszugsweise Darstellung)
Mittwoch, 28. November 2012
Beratungen des EU-Ausschusses
des Bundesrates
(Auszugsweise Darstellung)
Mittwoch, 28. November 2012
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Tagesordnung
1. COM(2012) 514 final
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe"EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe"
(91901/EU XXIV.GP)
2. COM(2012) 628 final
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten
(95807/EU XXIV.GP)
3. COM(2012) 595 final
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen
(94857/EU XXIV.GP)
4. COM(2012) 550 final
Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens vom 21. Mai 1963 über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden sind, das Änderungsprotokoll zu diesem Übereinkommen im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren oder diesem beizutreten
(92347/EU XXIV.GP)
Der EU-Ausschuss des Bundesrats befasste sich in seiner Sitzung vom 28. November 2012 mit den Themen
· Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe
· UVP-Richtlinie
· Biosprit und
· Haftung für nukleare Schäden
Als Auskunftspersonen wurden beigezogen:
Mag. Eli Widecki (WKÖ)
Dr. Elisabeth Furherr (WKÖ)
VertreterInnen der Ministerien waren:
MR Mag. Anton Mair (BMeiA)
Dr. Waltraud Petek (BMLFUW)
DI Susanna Eberhartinger-Tafill (BMLFUW)
DI Michael Wolf (BMLFUW)
Mag. Dr. Heinz Bach (BMLFUW)
LStA Dr. Martin Adensamer (BMJ)
Mag. Robert Muner (BMJ)
Am Beginn der Sitzung berichtete Ausschussvorsitzender Bundesrat Edgar Mayer (V/V) kurz über die eingelangten Stellungnahmen bzw. EU-Dokumente:
Von Seiten der Bundesländer sind seit der letzten Sitzung eingelangt:
· Stellungnahme des niederösterreichischen Landtags zum Vorschlag für die Einrichtung eines europäischen Freiwilligenkorps für Humanitäre Hilfe (der heutige Tagesordnungspunkt 1
· Vorschlag der Kärntner Landesregierung für eine Gemeinsame Länderstellungnahme zum Vorschlag betreffend die UVP-Reform (der heutige Tagesordnungspunkt 2).
Folgende Vorschläge der Kommission für Gesetzgebungsakte sind in letzter Zeit unter anderem eingegangen:
· Richtlinienvorschlag zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften
Der EU-Unterausschuss des Nationalrates hat in seiner letzten Sitzung am 20.11. das Bankenaufsichtspaket behandelt.
Schließlich berichtete Bundesrat Edgar Mayer auch über das
am Freitag, dem 23. November 2012 erstmals stattgefundene Treffen der österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments mit MandatarInnen von Nationalrat und Bundesrat. Dieses soll fortgesetzt und ausgebaut werden.
Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe
Bevor die Bundesrätinnen und Bundesräte in die inhaltliche Debatte eingingen, wurde darüber diskutiert, warum keine Sitzung des EU-Ausschusses zustande gekommen ist, um die Frist für eine Subsidiaritätsrüge wahren zu können – diese ist am 20. November 2012 abgelaufen. Aus diesem Grund konnte nämlich nur eine Mitteilung beschlossen werden. Der Niederösterreichische Landtag hatte im Vorfeld dieses Thema des Freiwilligenkorps in einer Sondersitzung behandelt und den Bundesrat ersucht, eine begründete Stellungnahme abzugeben.
Wenn es spezielle Probleme gibt, dann müsse man flexibel agieren, sagte dazu Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V). Es gehe um das Standing des Bundesrats und dessen EU-Ausschuss. In Bezug auf die Subsidiaritätsprüfung habe sich der Bundesrat durch seine Tätigkeit auch international Anerkennung verschafft. In seiner kommenden Präsidentschaft werde er deshalb auch einen Schwerpunkt setzen, um die Kommunikation mit den Ländern und mit den Landtagen zu intensivieren.
Bundesrat Stefan Schennach (S/W) gab zu überlegen, ob man in Zukunft überhaupt mit der strikten Terminplanung zurechtkommt, in anderen Staaten würden die EU-Ausschüsse wöchentlich tagen. Er bestätigte, dass die Arbeit des EU-Ausschusses Beachtung finde und verwies auch auf die Initiative des Ausschusses im Rahmen "ERASMUS für alle", die bei der Kommission auf positives Echo gestoßen sei. Auch die Landeshauptleutekonferenz habe bestätigt, dass der Bundesrat sein Aufgabe hinsichtlich der Subsidiaritätsprüfung hervorragend erfüllt.
Bundesrat Martin Preineder (V/N) appellierte ebenfalls, mehr Flexibilität walten zu lassen, um sich nicht des Instruments der begründeten Stellungnahme zu
Schließlich wurde zum Vorhaben der EU hinsichtlich der Einrichtung eines Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe ("EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe") in Form einer einstimmig angenommenen Mitteilung an die EU-Institutionen Stellung bezogen. Die Ausschussmitglieder fassen darin nochmals ihre Standpunkte zum diesbezüglichen Vorschlag zusammen und unterstreichen die Notwendigkeit, in diesem Zusammenhang das Prinzip der Freiwilligkeit auf alle Fälle einzuhalten. Jede andere Regelung würde dem Gedanken der Subsidiarität widersprechen, betonte dazu Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V), denn Freiwilligendienste seien stark mit den Regionen und Ländern verbunden und dort auch verankert. Der Bundesrat drängt ferner darauf, jegliche Duplizierungen mit nationalen Aktivitäten zu vermeiden. In diesem Punkt sei die Vorlage derzeit noch unklar, weshalb sich die Länderkammer eine klare Regelung erwartet, um das Prinzip der Subsidiarität und Proportionalität wahren zu können. Bereits am 30. Oktober 2012 hat der EU-Ausschuss darüber diskutiert und dazu erste Vorbehalte geäußert.
Der Experte des Außenministeriums, Anton Mair, informierte daraufhin die Ausschussmitglieder, die zuständige Kommissarin habe vor kurzem klargestellt, dass es sich ausschließlich um Personen handle, die sich für derartige Einsätze freiwillig melden. Das Freiwilligenkorps sei nur für Hilfseinsätze außerhalb Europas vorgesehen, nicht aber für Katastropheneinsätze innerhalb der EU. Weder aus dem vorliegenden Verordnungsentwurf noch aus Art. 214 Abs. 5 des Lissabon-Vertrags könne eine Verpflichtung zur Bereitstellung von Freiwilligen abgeleitet werden.
Der Kommission gehe es vor allem um die Krisenvorsorge und Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung in den betroffenen Ländern, erläuterte er. Wenn ein Einsatz notwendig werden sollte, dann schreibe die Kommission aus und erteile in weiterer Folge den Zuschlag an eine Organisation, die dann eben aus dem Pool von Freiwilligen auswählen könne. Die Kosten, wie sie im derzeitigen Vorschlag enthalten sind, bezifferte Mair auf etwas weniger als 250 Mio. €. Er bekräftigte zudem, dass es zu keiner Verdoppelung der Strukturen kommen werde, da das Freiwilligenkorps auf vorhandene Strukturen zurückgreifen könne. Es sollen Freiwilligenprogramme ergänzt und Synergieeffekte mit bestehenden Freiwilligenorganisationen und -strukturen hergestellt werden.
Der Verordnungsentwurf sieht die Entwicklung von Standards für die Auswahl und das Training von Freiwilligen, die Zertifizierung von Entsendeorganisationen, die Schaffung eines EU-Registers sowie eines Netzwerkes von Freiwilligen, die Unterstützung für Training und Entsendung sowie die Stärkung der Kapazitäten der Organisationen in den Einsatzländern vor.
Ein wesentlicher Aspekt des Vorhabens sei es, präventiv in den Ländern, wo immer wieder Katastrophen passieren, Aufbauarbeit zu leisten und die dortigen Kapazitäten zu stärken, erklärte Mair nach Fragen der BundesrätInnen Stefan Schennach (S/W), Günther Köberl (V/St) und Monika Mühlwerth (F/W). Man wolle in Zukunft so rasch wie möglich entsenden können, die zertifizierten Organisationen außerhalb der EU sollen auf dieses zugreifen können. Die Koordination obliege der Kommission, die europäischen Hilfsorganisationen hätten in den verschiedensten Ländern Partnerorganisationen, mit denen man eng kooperiere. Bei der Ausarbeitung der Standards werde sich die Kommission auf jene der Mitgliedstaaten stützen.
UVP-Richtlinie
Wie die Vertreterin des Umweltressorts, Waltraud Petek, erläuterte, strebt die EU-Kommission damit eine größere Harmonisierung sowie eine inhaltliche Änderung der geltenden Gesetzesvorschrift an, mit dem Ziel, die Verfahrenseffizienz zu steigern sowie die Qualität der UVP zu verbessern. So ist etwa eine Qualitätssicherung der vom Projektwerber vorzulegenden Unterlagen vorgesehen. Zudem wird der Projektwerber verpflichtet, der Behörde zusätzliche spezifische Informationen für die Einzelfallprüfung, mit der entschieden wird, ob ein Vorhaben der UVP unterliegt, zur Verfügung zu stellen.
Die UVP soll darüber hinaus an aktuelle umweltpolitische Themen angepasst werden. Deshalb will man den Projektwerber verpflichten, auch Informationen betreffend biologische Vielfalt, Klimawandel, Flächenverbrauch, Katastrophenrisiken und den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu liefern. Das unterliege jedoch unterschiedlichen Interpretationen, weshalb die kommenden Verhandlungen eine Konkretisierung der Begriffe bringen müssten, betonte die Beamtin.
Aus österreichischer Sicht wird es laut Unterlage des Ministeriums als problematisch angesehen, dass mit dem Vorschlag wesentliche Aufgaben des Projektwerbers auf die Vollzugsbehörden überwälzt werden sollen, insbesondere die Festlegung des Untersuchungsrahmens für das Projekt (sogenanntes Scoping) und die Auswahl von Alternativen. Außerdem bestehen aus heimischer Sicht Unklarheiten hinsichtlich des Prüfgegenstands und –umfangs, wie Klimawandel oder Ökosystemdienstleistungen. Die Vorlage enthalte zu viele allgemein gehaltene Bestimmungen, die einer Konkretisierung bedürfen, stellte die Ressortvertreterin fest.
Petek kritisierte vor allem das Fehlen von Entscheidungsstandards im Richtlinienvorschlag. Sie bemängelte weiters, dass sich die neuen umweltpolitischen Aspekte bei den Genehmigungsentscheidungen nicht wiederfinden. Österreich trete darüber hinaus für eine Nachprüfungspflicht ein. Nach aktuellem Stand will die Kommission Nachprüfungen nur auf jene Verfahren beschränken, die mit gravierenden Umweltbeeinträchtigungen verbunden sind. Negativ bewerte Österreich ferner die Tatsache, dass hinsichtlich der Öffentlichkeitsbeteiligung keine Änderungen vorgesehen sind. Diese wären jedoch sinnvoll, da es in diesem Zusammenhang immer wieder Vertragsverletzungsverfahren gibt.
Die Diskussion auf EU-Ebene befinde sich aber erst im Anfangsstadium, informierte sie. Es zeichneten sich einige Problemfelder ab, sodass man von keiner raschen Einigung ausgehe.
Auch die Wirtschaftsseite brachte im Rahmen der Ausschussdebatte einige Bedenken an. So meinte etwa Bundesrätin Angelika Winzig (V/O), schnellere, kostengünstigere und nachvollziehbare Verfahren seien zwar grundsätzlich zu begrüßen, aber es müsse auch sichergestellt sein, dass die Vorgaben von den anderen EU-Staaten ebenso eingehalten werden wie in Österreich, um keine Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Dies wurde von der Vertreterin der Wirtschaftskammer, Elisabeth Furherr, bekräftigt, die ausdrücklich auf die Bedeutung effizienter Genehmigungsverfahren für den Wirtschaftsstandort aufmerksam machte. Den Richtlinienvorschlag bewertete sie daher mit Skepsis, weil sie befürchtete, dass man die vielen Vorgaben in kurzer Zeit gar nicht erfüllen könne. Außerdem gebe es sehr unterschiedliche Interpretationen darüber, was etwa unter dem Begriff Ökosystemdienstleistungen zu verstehen ist. Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) übte insbesondere Kritik an den derzeit langen Verfahren, wodurch ihrer Ansicht nach die Lebenssituation betroffener Menschen verschlechtert werde. Sie hält eine Verfahrensbeschleunigung für notwendig, diese müsse aber im Einklang mit den Erfordernissen stehen, sagte sie.
Positiver beurteilten die BundesrätInnen Stefan Schennach (S/W) und Elisabeth Kerschbaum (G/N) die Vorlage, obwohl auch sie Kritik äußerten. Schennach fehlen vor allem eindeutige Mechanismen dafür, damit die Entscheidungen für die umweltfreundlichsten Projekte fallen. Er vermisst einen aufschiebenden Rechtsschutz und eine Nachprüfpflicht sowie eine Untersagungspflicht, sollten Projekte gravierende Auswirkungen auf die Umwelt haben. Kerschbaum wiederum kritisierte den Mangel an Kriterien für die Genehmigung, und sie sprach sich für eine Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung aus.
In ihrer Replik auf die Diskussion bemerkte Petek, der Zug der Richtlinie gehe durchaus in Richtung des heimischen UVP-Systems, etwa in Bezug auf die konzentrierten Genehmigungsverfahren. Sie bekräftigte, eine Nivellierung nach unten sei nicht zu erwarten.
Angesichts der Tatsache, dass der Vorschlag nicht auf die unterschiedlichen, damit in Zusammenhang stehenden Verfahren in den Mitgliedstaaten eingeht, regte sie an, sich diesen auch näher im Hinblick auf die Subsidiarität anzuschauen. Dem pflichtete Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) bei und vertrat gemeinsam mit Bundesrat Stefan Schennach (S/W) die Auffassung, dass der Stellungnahme des Kärntner Landtags nicht vollinhaltlich zu folgen sei.
Biokraftstoffe
Höchst unterschiedliche Auffassungen traten bei der Diskussion um den Einsatz von Biotreibstoffen zutage. Um negative Auswirkungen durch eine verstärkte Verwendung derartiger Kraftstoffe zu verhindern, beabsichtigt die EU-Kommission mittels eines Richtlinienvorschlags, den weiteren Ausbau von Biokraftstoffen der ersten Generation einzuschränken sowie den Übergang zu Biokraftstoffen der zweiten und dritten Generation (keine Nahrungsmittel) einzuleiten. Man erwartet sich dadurch erhebliche Treibhausgas-Einsparungen.
Die Diskussion eröffnete die Vizepräsidentin des Bundesrats Susanne Kurz (S/S), die die Pläne der EU als eine erfreuliche Kehrtwende bewertete. Biosprit habe sich nicht als so umweltfreundlich herausgestellt wie erwartet, vielmehr habe der Anbau von Nahrungsmitteln für die Kraftstofferzeugung hohe Lebensmittelpreise verursacht, was moralisch bedenklich sei, hielt sie fest. Es stelle sich immer mehr die Frage, "Tank oder Teller", sagte Kurz und sprach sich dafür aus, die Erzeugung von Biotreibstoffen nicht mehr zu subventionieren, sondern die Produktion jener Stoffe zu fördern, die nicht für die Nahrungsaufnahme (zweite und dritte Generation) geeignet sind.
Ähnlich kritisch nahm dazu Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) Stellung, die nicht von Biotreibstoffen, sondern von "Agrotreibstoffen" sprechen wollte, weil "Bio" dem fälschlicherweise ein zu positives Image verleihe. Den Anteil von 10 % an erneuerbarer Energie im Verkehr könne man auch anders erreichen, meinte sie. Österreich sei weit von einer Selbstversorgung im Lebensmittelbereich entfernt, merkte sie weiters an.
Dem widersprachen die Bundesräte Martin Preineder (V/N) und Ferdinand Tiefnig (V/O) entschieden. Man müsse eine Differenzierung zwischen der österreichischen Situation und jener in der Dritten Welt vornehmen, monierte Preineder. Was in der Dritten Welt passiere, könne und dürfe man selbstverständlich nicht unterstützen, in Österreich mache es aber Sinn, in die Treibstoffproduktion einzusteigen, da es heimische Produkte gebe, die für die Nahrung nicht geeignet sind. Er appellierte, das eigene System nicht zu beschneiden, und erklärte, dass in der heimischen Landwirtschaft rund 25 % für die Nahrung, rund 60 bis 70 % für Futtermittel und rund 5 % für Treibstoff produziert werden. Für die Bäuerinnen und Bauern sei es wichtig, die Chancen zu nützen.
Sein Klubkollege Ferdinand Tiefnig (V/O) wies auf die Ausgangslage im Jahr 2003 hin, die mit der heutigen Situation nicht verglichen werden könne. Die massive Energieproduktion, etwa in Brasilien und in den USA, habe zu einer Verminderung des Getreideangebots geführt, argumentierte er. In Österreich betrage der Anteil an Energieproduktion lediglich um die 5 %. Tiefnig warnte vor der Verunsicherung durch eine Änderung der Politik, denn die Betriebe hätten hohe Investitionen getätigt, ein plötzliches Umlenken würde sich für diese fatal auswirken. Tiefnig plädierte eher dafür, bei den Spekulationen mit Lebensmitteln anzusetzen. Ähnlich argumentierte der Vertreter der Wirtschaftskammer, Eli Widecki, der Planungs- und Rechtssicherheit für Investoren einforderte. Man könne nicht auf halbem Weg ein neue Richtung einschlagen, gab er zu bedenken.
Der Experte des Umweltministeriums, Heinz Bach, teilte diese Kritik, indem er es für falsch hielt, den nächsten Schritt zu setzen, ohne vorher zu wissen, wie der erste funktioniert. Der Vorschlag bringe neue Vorgaben mit sich, betonte er. Er sah auch keinen Zusammenhang zwischen der Produktion von Biokraftstoffen und den Lebensmittelpreisen, was zu einer Replik von Vizepräsidentin Kurz führte. Den Zusammenhang hätten ernstzunehmende Studien festgestellt, führte sie aus und meinte in Richtung Bundesrat Preineder, man müsse auch eine Gesamtverantwortung übernehmen.
Seitens des Umweltministeriums werden die Vorteile von Biotreibstoffen durchaus gesehen. Die angepeilten 10 % Einsparungen setzten sich aus einem Mix aus der Verwendung erneuerbarer Energien, Elektromobilität und Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene zusammen. Ohne den Einsatz von Biokraftstoffen sei das Ziel nicht zu erreichen, hieß es. Außerdem funktioniere die zweite und dritte Generation von Biokraftstoffen im großtechnischen Maßstab nicht, argumentierte der Vertreter des Ministeriums, dafür benötige man hohe Investitionen.
Konkret soll laut Richtlinienvorschlag eine Obergrenze von 5% für Biokraftstoffe aus Nahrungsmittelpflanzen (stärke- und zuckerhaltige Nutzpflanzen sowie Ölpflanzen) am Endenergieverbrauch im Verkehrsbereich in 2020 eingezogen werden. Außerdem soll ein Anreizsystem für Biokraftstoffe geschaffen werden, die geringe indirekte Landnutzungsänderungen verursachen (Z.B. Biokraftstoffe basierend auf bestimmten Abfällen und Reststoffen oder Lignozellulose). Weitere Punkte betreffen die
Berichterstattung von ILUC-Emissionen durch Mitgliedstaaten und Kraftstoffanbieter sowie die Erhöhung der verpflichtenden Mindesteinsparung an Treibhausgasemissionen für Neuanlagen, die nach dem 01.07.2014 in Betrieb gehen. (Unter "ILUC" versteht man die Umwandlung von zuvor ungenutzten Flächen für die Lebens- und Futtermittelproduktion. Der ILUC-Effekt ist ein globaler Markt- bzw. Preiseffekt, ausgelöst durch die steigende Biokraftstoffnachfrage).
Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft will zunächst weitere Erfahrungswerte mit der Umsetzung der Richtlinie für Erneuerbare-Energie sammeln, bevor man konkrete Schritte im Hinblick auf die indirekten Landnutzungsänderungen setzt und allfällige Maßnahmen beschließt. Auch dieser Vorschlag steht ganz am Beginn der Verhandlungen und seitens des Ressorts erwartet man sich keine Einigung von 2014.
Haftung bei Nuklearschäden
Um die Opferentschädigung handelt es sich beim so genannten Wiener Übereinkommen vom 21. Mai 1963 über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden. Nun sollen die Vertragsstaaten des Übereinkommens – das sind Bulgarien, Estland, Litauen, Polen, die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn, nicht aber Österreich – ermächtigt werden, das am 12. September 1997 unter der Federführung der Internationalen Atomenergie-Organisation angenommene Änderungsprotokoll zu dem Übereinkommen im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren beziehungsweise ihm beizutreten. Durch einen Beitritt zum Protokoll von 1997 würde sich laut Kommission die Opferentschädigung innerhalb der Europäischen Union verbessern. Das Änderungsprotokoll enthält u.a. Regelungen zur gerichtlichen Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen.
Österreich steht dem Vorschlag der EU-Kommission grundsätzlich nicht negativ gegenüber, wie der Vertreter des Justizministeriums, Martin Adensamer, informierte, da dadurch eine Verbesserung des Opferschutzes in den entsprechenden Ländern erreicht werden würde. Dennoch enthalte dieser aber Formulierungen, die in der vorliegenden Fassung aus nuklearpolitischer Sicht nicht akzeptabel seien. Es könnte sich der Druck auf Österreich erhöhen, sich einem internationalen Nuklearhaftungsregime zu unterwerfen. Wesentliche Regelungen des österreichischen Atomhaftungsrechts seien für potentiell Geschädigte im Verhältnis zu den internationalen Nuklearhaftungsregimen vorteilhafter. Die Durchbrechung dieser Grundsätze des österreichischen Atomhaftungsrechts sei aus nuklearpolitischer Sicht jedenfalls zu vermeiden. Die Position Österreichs sollte daher in keiner Weise berührt werden, meint man im zuständigen Ministerium.
Adensamer zeigte sich daher gegenüber dem Vorschlag von Bundesrat Stefan Schennach (S/W), eine Mitteilung zu formulieren, in der man sich für eine europaweites Atomhaftungsgesetz ausspricht, skeptisch. Schennach hatte gemeint, man müsse die tatsächlichen Kosten eines nuklearen Unfalls einbeziehen, denn es gehe um die Gesamthaftung. Der Ressortexperte hielt dem entgegen, er sehe keine Chance, dass die EU das österreichische Modell ohne Haftungsgrenzen übernimmt, was sicherlich wünschenswert wäre. Wenn aber das Optimum unerreichbar ist, solle man eher bei der geltenden rechtlichen Lage bleiben, da Österreich über ein vorbildliches Haftungsrecht verfüge. Die Bunderätinnen Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Ana Blatnik (S/K) unterstützten dennoch den Vorstoß Schennachs, um den österreichischen Standpunkt zu dokumentieren.
Folgender Antrag auf Mitteilung wurde einstimmig beschlossen:
ANTRAG AUF MITTEILUNG
gemäß Art. 23f Abs. 4 B-VG
der Bundesräte betreffend der Vorlage COM (2012) 514 final Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe
(91901/EU, XXIV. GP)
eingebracht in der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 28. November 2012
Der Präsident des Bundesrates wird ersucht, die folgende Mitteilung gemäß § 13b Abs. 9 GO-BR an das Europäische Parlament und den Rat als AdressatInnen sowie an
· die Europäische Kommission,
· den Ausschuss der Regionen,
· den Wirtschafts- und Sozialausschuss und
· COSAC bzw. IPEX
als weitere EmpfängerInnen zu übermitteln.
Der EU-Ausschuss des Bundesrates wolle beschließen:
"Mitteilung gemäß Art. 23 f Abs. 4 B-VG
Diskussionen um die Schaffung eines Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe gab es bereits vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon. Mittlerweile besteht erstmals eine ergänzende und unterstützende Kompetenz der EU im Bereich Katastrophenschutz. Diese Zuständigkeit wird von Seiten der Europäischen Kommission nun in ihrem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" verwendet. Unmittelbar nach Erscheinen des Vorschlags sind unter den Mitgliedstaaten, aber auch von Seiten der relevanten Stakeholder, einige Kritikpunkte laut geworden.
Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission und einem vorgesehenen Budget von ca. 250 Mio. Euro, soll ein umfassender Ausbildungsmodus, die Entsendung von Freiwilligen und flankierende Maßnahmen für diese Tätigkeiten festgelegt und finanziert werden. Es ist von 10.000 Freiwilligen, die entsandt werden sollen, die Rede. Aus Sicht des Bunderates wäre es vor allem abzulehnen, wenn Freiwillige aus einem Mitgliedstaat für Entsendungen auf EU Ebene verpflichtend zur Verfügung stehen. Es ist unerlässlich, dass dem Prinzip der Freiwilligkeit im Vorschlag durchgehend Rechnung getragen wird, da dies auf jeden Fall dem Gedanken der Subsidiarität widerspräche. Darum muss an einer freiwilligen Meldung der Kandidatinnen und Kandidaten - wie es derzeit im Vorschlag vorgesehen ist - unbedingt festgehalten werden. Die jeweiligen nationalen Gesellschaften und das nationale Gemeinwesen sind für die Freiwilligen zuständig. Freiwilligendienste sind stark mit den Regionen und Ländern verbunden und dort verankert. Die notwendigen Dienste werden meist direkt in den Regionen, in denen die Menschen leben, absolviert. Darum muss auch besonders darauf geachtet werden, dass bei den Freiwilligendiensten keine Duplizierungen nationaler Aktivitäten erfolgen. In wie weit eine Verdoppelung der Strukturen verhindert werden kann, ist derzeit noch unklar. Hier erwartet sich der Bundesrat eine klare Regelung, um die Regeln der Subsidiarität und Proportionalität wahren zu können."