1166/J-BR
der Bundesräte Karl Pischl
und Kollegen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit Sekten,
pseudoreligiösen
Gruppierungen, Vereinigungen und Organisationen sowie
destruktiven
Kulten
Am 5. Mai 1993 und am 23. September 1993 haben Abgeordnete
der ÖVP an den
damaligen Innenminister Dr.Franz Löschnak Anfragen
zum Thema ,,Sekten"
eingebracht, um nähere Auskünfte über
in Österreich aktive Gruppen zu erhalten.
Der damalige Innenminister Dr.Löschnak konnte
oder wollte darüber keine
detaillierten Auskünfte erteilen.
Zwei besonders aktive Organisationen sind ,,Scientology"
und ,,Zeugen Jehovas".
Diese treten in letzter Zeit mit verstärkter
Werbetätigkeit auf. ln Deutschland prüft
der Verfassungsschutz, ob z.B. Tätigkeiten dieser
Organisationen als
staatsgefährdend einzustufen sind und damit
verboten werden können.
Gerichte in Deutschland haben jetzt bescheinigt,
daß Scientology keine Kirche,
sondern ein Wirtschaftskonzern sei. Das Bundesverwaltungsgericht
in Berlin urteilte
am 16. Februar, Scientology ,,nehme in Gewinnerzielungsabsicht
am
Wirtschaftsleben teil". Nach diesem Urteil muß
Scientology künftig alle Filialen als
Gewerbe anmelden und die Profite aus Buchverkäufen
und Psychokursen
versteuern. ln einem Beschluß des Bundesarbeitsgerichtes
vom 22.3.1995 wurde
festgestellt, daß auch für Scientology
das deutsche Arbeitsrecht gelte.
Die Zeugen Jehovas sind zuletzt durch das Urteil
im Linzer Prozeß um den Tod
eines Zeugen Jehovas-Babys im Gespräch gewesen.
,,lch kann den Zeugen
Jehovas nicht ersparen zu sagen, daß ihr Kind
einer religiösen Überzeugung
geopfert wurde"; mit diesem Satz in seiner Urteilsbegründung
schrieb der Richter
Karl Makovsky Rechtsgeschichte. Sein Urteil bringt
auch ab sofort Licht in die
Grauzone der Sekten: ,,Glaubens- und Gewissensfreiheit
hat ihre Begrenzung dort,
wo sie zum Risiko für das Leben anderer Personen
wird".
Gegen die Chefin der Sekte ,,Fiat Lux'' leitete ein
deutscher Staatsanwalt ein
Verfahren wegen fahrlässiger Tötung ein.
Die ,,Geistheiler" operierten auch von
Kärnten aus.
Die unterfertigten Bundesräte richten daher
in Anlehnung an die Anfrage 5o/J,
XX.GP. vom 31.1.1996 (der Abgeordneten Dr.Höchtl
und Kollegen an den
Bundeskanzler betreffend Entschließungsantrag
des Nationalrates vom 14.7.1994)
an den Bundesminister für Justiz nachstehende
A n f r a g e :
1) Können die Ergebnisse der Verfahren in Deutschland
- vor allem bezüglich
Scientology - für die österreichischen
Justizbehörden richtungsweisend sein?
2) Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang
dem Urteil des
Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 1.8.1995
zu?
3) Welche Maßnahmen sind Ihrerseits zur Bewältigung
von negativen Einflüssen
(wirtschaftliche Ausbeutung, psychische Abhängigkeit
etc.) auf die
Einzelpersonen durch neue religiöse Gemeinschaften
geplant?
4) Welche Anzeigen von Privatpersonen führten
zu gerichtlicher Verfolgung von
verantwortlichen solcher Gruppen?
5) Gegen welche Verantwortlichen von Sekten und destruktiven
Kulten wurde
seitens der Staatsanwaltschaft wegen welcher Tatbestände
ein Verfahren
eingeleitet (bitte um Auflistung)?
6) Ist gegen Verantwortliche von ,,Fiat Lux"
auch in Österreich wegen welchen
Tatbestandes ein Verfahren eingeleitet worden?