1182/J-BR
D R I N G L I C H E A N F R A G E
der Bundesräte Dr. Kapral, Mag. Langer, Dr.
Tremmel und Kollegen
an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr
und Kunst
betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland
Wien
Nach einem fast ''Kabaretthaft" zu nennenden
Zwischenspiel, in dessen Verlauf von seiten der
Rathaus-Grünen aber auch seitens des Koalitionspartners
ÖVP polemische Äußerungen wie
"Treppenwitz der Weltgeschichte", "die
große 30 Mrd.-Seifenblase" oder "Paketerl"
gemacht
wurden, soll am kommenden Dienstag das sogenannte
30 Mrd. S-Paket, eine Vereinbarung
zwischen Bund und dem Bundesland Wien über die
Finanzierung verschiedener Investitions-
vorhaben im Ministerrat abgesegnet werden. Bereits
im Vorjahr wurde zwischen Bundeskanz-
ler Vranitzky und dem Wiener Landeshauptmann und
Bürgermeister eine Art Vorvertrag abge-
schlossen. Erst im Mai 1996, also im Vorfeld der
Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl
kam es zu einer Art Schlußvereinbarung, und
zwar im Wege der heute üblichen Vorgangswei-
se, nämlich eines '' Gipfelgespräches"
zwischen dem Bundesminister für Finanzen und den Spit-
zen der sozialdemokratischen Wiener Stadtverwaltung
in trauter altkoalitionärer Einigkeit mit
den Vertretern der Wiener ÖVP.
Derzeit wird der Inhalt des sogenannten "Pakets"
von den Wiener Sozialdemokraten der Be-
völkerung als großer Erfolg ihrer Politik
gegenüber dem Bund zu verkaufen versucht, anschei-
nend um darüber hinwegzutäuschen, daß
in all den Jahren sozialdemokratischer Stadtverwal-
tung und eines sozialdemokratischen Finanzministers
(immerhin seit mehr als 25 Jahren) Wien
vom Bund stets stärker zur Kasse gebeten wurde,
als der Bund nach Wien zahlte. Wien ist im
Rahmen des geltenden bundesweit vereinbarten Finanzausgleichs
nach wie vor Nettozahler.
Trotz der anzuerkennenden Leistung des Bundes z.B.
für das Wiener Kulturleben durch die
Finanzierung der Bundestheater sind die Leistungen
des Bundes z.B. für den Ausbau der In-
frastruktur in Wien bisher unzureichend geblieben.
Auch das sogenannte 30 Mrd. S-Paket
bringt hier keine Änderung. Vielmehr stellt
es, wie auch in zahlreichen kritischen Stellungnah-
men zum Ausdruck gebracht wurde, lediglich eine Fortschreibung
der schon bisher unzurei-
chenden Unterstützung von Investitionen in die
Infrastruktur in Wien durch den Bund dar und
enthält Vorhaben, die als reine Bundessache
zu qualifizieren sind. Laut Presseberichten hat dies
auch der Wiener Stadtrat für Finanzen Edlinger
zugegeben und u.a. erklärt: "Auf genaue
Nachfrage, welche "Paket"-Projekte Wien
ohnehin bekommen hätte, gibt Edlinger zu: Zwei
der drei im Paket enthaltenen Schulneubauten sind
schon im Bundes-Bauprogramm. Auch der
Technologie-Park (Gelände altes Gaswerk Leopoldau)
war bereits ziemlich fix. Die Albertina,
ein reines Bundes-Vorhaben (etwa 300 Millionen) habe
mit Wien nichts zu tun. "Dringliche"
Straßenbau-Vorhaben wie die B 301 oder die
Sanierung der Praterbrücke sollen ins Bundes-
straßen-Budget für Wien einfließen,
eine Trennung sei daher schwer."
Völlig fehlen in diesem Paket, die u.a. für
Wien im Hinblick auf die drohende Güter- und Per-
sonenverkehrslawine aus dem Osten unbedingt erforderlichen
Investitionsvorhaben in die Um-
fahrung Wiens und die bessere Anbindung Wiens an
das international übergeordnete Verkehrs-
netz, der rasche Ausbau der Telekommunikationseinrichtungen
und vor allem die Vorhaben,
die die Ansiedlung von internationalen Großforschungsvorhaben
zum Gegenstand haben. So
bemüht sich Wien seit längerer Zeit, die
Bundesregierung dazu zu veranlassen, die Bewerbung
Wiens um das sogenannte Eurocrystallprojekt aufzugreifen
und gegenüber der EU zu vertre-
ten. Auch diesbezüglich enthält das 30
Mrd. S-Projekt keine Aussage bzw. keine finanzielle
Vorsorge, wie überhaupt nochmals festgestellt
werden muß. daß dieses Paket lediglich schon
bekannte Vorhaben oder reine Bundesprojekte enthält
und keine Zukunftsperspektiven für den
weiteren Ausbau vor allem der Infrastruktur in der
Bundeshauptstadt eröffnet.
Die in dieser Paketvereinbarung angezogene Finanzierung
des weiteren U-Bahnausbaues in
Wien bzw. der Verlängerung einzelner Strecken
wie der Ul nach Norden und nach Süden oder
der U6 nach Stammersdorf muß als reine Absichtserklärung
gewertet werden, da einerseits der
vorgesehene Betrag von 10 Mrd. Schilling nur in Etappen
zur Verfügung gestellt
(entsprechend den bisherigen Vereinbarungen über
die U-Bahnmitfinanzierung durch den
Bund) wird, andererseits die Vorarbeiten über
die Grobplanung hinaus noch offen sind. An
diesem Beispiel ist ersichtlich, daß auch eine
allfällige Arbeitsplatzwirksamkeit einer solchen
Vereinbarung die im Hinblick auf die über dem
Bundesschnitt liegende hohe Arbeitslosenrate
in Wien von großer Bedeutung wäre, nicht
gegeben ist, sondern mögliche Arbeitsplatzwirkun-
gen erst bei einem allfälligen Baubeginn etwa
um das Jahr 2000 zu erwarten sind. Erst nach
diesem Zeitpunkt ist damit zu rechnen, daß
im Rahmen des Wiener U-Bahnausbauprogramms
neue und größere Vorhaben in Angriff genommen
werden.
Das für den Ost-West-Transit-Verkehr zur Entlastung
der Wiener Südosttangente bedeutende
Projekt der B 301, das mit einem Betrag von 6 Mrd.
Schilling ein weiterer wichtiger Teil des
sogenannten 30 Mrd. Schilling-Pakets darstellt, ist
ebenfalls hinsichtlich der notwendigen Vor-
bereitungsschritte nicht so weit gediehen, daß
in absehbarer Zeit mit dem Beginn der Bauarbei-
ten gerechnet werden kann. Vor allem die erforderliche
Umweltverträglichkeitsprüfung dürfte
sich über einen längeren Zeitraum erstrecken,
da schon jetzt bekannt wurde, daß vor allem von
der Wiener Umweltanwaltschaft erhebliche Einwände
gegen das Projekt zu erwarten sind.
Offen bleiben auch die von den Wiener Sozialdemokraten
immer wieder ins Treffen geführte
EU-Finanzierung (Wien zählt nach der EU-Förderkulisse
nicht zu den Fördergebieten) und die
immer wieder erwähnte Finanzierung von Infrastrukturvorhaben
durch Private.
Alles in allem zeigt diese 30 Mrd. Schilling-Vereinbarung
alle Anzeichen eines Etiketten-
schwindels.
Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher
an den Bundeminister für Wissenschaft, Verkehr
und Kunst nachstehende
Dringliche Anfrage
1. Aufgrund welcher Kriterien wurden die Projekte
aus der großen Zahl anstehender Nahver-
kehrsbauvorhaben für das sogenannte 30-Milliarden-Paket
ausgewählt?
2. Welcher Zeitrahmen ist für die Realisierung
der einzelnen Projekte genau vorgesehen?
3. Wie soll die Priorität der Realisierung der
einzelnen Maßnahmen - soweit der Zeitrahmen
nicht bereits feststeht - genau festgelegt werden,
zumal es hier auch bei ÖBB- und HL-AG-
Investitionen stets Probleme wegen des fehlenden
Bundesverkehrswegeplans gab?
4. Wie hoch wird der Finanzierungsanteil des Bundes,
wie hoch der des Landes Wien, wie
hoch der allfälliger Dritter bei den einzelnen
Projekten im Detail sein?
5. Aus jeweils welchen Budgetansätzen bzw. welchen
außerbudgetären Töpfen sollen die In-
vestitionen seitens des Bundes finanziert werden,
zumal das Budget für 1996 und 1997 be-
reits vor dem Paketabschluß beschlossen war?
6. Halten Sie es für korrekt, daß der
Bund seinen Anteil am Wiener U-Bahn-Bau seit Jahren
konstant bei eineinhalb Milliarden hält. obwohl
tatsächlich mehr verbaut wird, was dazu
führte, daß Kredite zur Zwischenfinanziet.ung
aufgenommen werden mußten und ein stei-
gender Teil nun für Zinsen dieser versteckten
Schulden aufgewendet werden muß?
7. Wie hoch ist der aktuelle Schuldenstand aus diesem
Titel?
8. Beabsichtigen Sie, diese Vorgangsweise auch in
Hinkunft - also bei den U-Bahn-Bauten des
30 Mrd.S-Paketes beizubehalten, zumal hier jährlich
3 Mrd.S investiert werden sollen?
9. Wie sollen die ebenfalls dringlich anstehenden
Nahverkehrsprojekte anderer Städte finan-
ziert werden?
10.Wann werden Sie das lange versprochene Nahverkehrsfinanzierungsgesetz
vorlegen und in
welcher Form wird dieses gegebenenfalls auch Investitionen
in Fahrzeuge oder Infrastruktur
berücksichtigen?
11.Wie soll der Betrieb der fraglichen S-Bahn-Strecken
finanziert werden, zumal die ÖBB in
der Vergangenheit erklärten (und dies teilweise
auch durchführten), den Betrieb der beste-
hendne Strecken ohne zusätzliche Zahlungen der
öffentlichen Hand einschränken zu wollen?
l2.Bestehen hier bereits verpflichtende Vereinbarungen
über entsprechende Beiträge Wiens
oder des Bundes; wenn ja, in welcher genauen Form;
wenn nein, halten Sie es für sinnvoll,
Infrastruktur auszubauen, ohne daß ein Betrieb
darauf gesichert ist?
13.In welchem exakten Zeit- und Kostenrahmen soll
die Verlagerung der Wirtschaftsuniversi-
tät auf die WED-PLatte stattfinden; wie hoch
wird der Bundesanteil daran sein und aus
welchem Budget soll dies finanziert werden?
14.Nach welcher Priorität sollen aus Ihrer -
verkehrspolitischen - Sicht die Ausbaumaßnahmen
bei den Bundesstraßen - genannt wurden A23,
A4, A22, B13, B3, B301, B229, B224 und
B225 - in jeweils welchem Zeitrahmen und Umfang erfolgen?
15.Inwieweit haben Sie hierüber mit dem Wirtschaftsminister
sowie der Landesregierung von
Wien bereits eine Einigung erzielt?
Informeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage
im Sinne der Bestimmungen des §61 GO-BR dringlich vor
Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem
Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.
Es wird weiters vorgeschlagen, die Behandlung dieser
Dringlichen Anfrage mit der Dringlichen Anfrage der selben
Fragesteller an den Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten im Sinne von § 61 Abs 6 unter einem durchzuführen.