1217/J-BR/96

Die Internationalisierung der organisierten Kriminalität schreitet voran. Als hauptsächlichen Geschäftszweig der grenzüberschreitenden Kriminalität sieht ein Bericht der Vereinten Nationen, vor allem Schmuggel in jeder Form - von Drogen, Waffen und gestohlenen Fahrzeugen bis zu Frauen für internationale Prostitution und illegale Einwanderer. Dazu kommen noch gesetzwidrige "Dienstleistungen" wie Glücksspiel, Auftragsmord, Giftmüllentsorgung, Kreditkartenbetrug und Zinsenwucher.

Die Zahl der Mafia-Organisationen in Rußland explodiert geradezu. Sie hat sich seit 1990 mehr als verzehnfacht: damals gab es 700 kriminelle Organisationen, 1995 waren bereits 8000 am Werk. 140 Banden der russischen Kriminalität operieren im Ausland. Die meisten davon in Deutschland.

Aber auch in Österreich tritt die russische Mafia immer häufiger auf So kam es am 11. 07.1996 zu einem spektakulärem Mord in der Wiener Innenstadt. Das Mordopfer, der 50- jährige David Sanikidze, in seiner Heimat ein prominenter Mann, war den Behörden wohl bekannt. Er war nicht nur Präsident der georgischen Fluglinie Orbi und Freund des georgischen Präsidenten Edward Schewardnadse, sondern er galt auch als Statthalter der georgischen Mafia in Moskau.

Es handelt sich bereits um die zweite Bluttat der "Ost-Mafia" in Wien innerhalb von 14 Tagen. Der Geschäftsmann Izrael Laster wurde in seiner Wohnung in Wien-Floridsdorf hingerichtet. Und auch vor zwei Jahren ist es in Wien zu einem spektakulären Mord am russischen Mädchenhändler Sergej Hodscha Ahmedov, ein "Pate" der "Ost-Mafia", gekommen.

Aus Sorge, daß die Aktivitäten grenzüberschreitender krimineller Organisationen in Österreich überhand nehmen, stellen die unterfertigten Bundesräte an den Bundesminister für Inneres folgende

A n f r a g e

1. Seit wann sind Ihnen die Aktivitäten der sogenannten "Russen-Mafia" bekannt?

2. Welche kriminellen Aktivitäten der "Russen-Mafia" insbesondere betreffend

a) Prostitution, Mädchen-und Frauenhandel

b) Drogenhandel

c) Waffenhandel

d) Autoschieberei

e) Glücksspiel

f) Schutzgelderpressungen

g) Auftragsmord

h.) Geldwäsche

i) Schleppertätigkeiten

waren in Österreich bereits Gegenstand sicherheitsbehördlicher Ermittlungen und welche

Erfahrungen haben die Behörden jeweils mit diesen kriminellen Aktivitäten gemacht?

3. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsbehörden der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion?

Gibt es einen Datenaustausch und/oder persönliche Kontakte von Sicherheitsorganen?

4. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten und Europol?

5. Welche österreichischen Dienststellen waren bisher mit der Aufklärung von "Mafia-Fällen" befaßt, und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen diesen Dienststellen?

6. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und dem Innenministerium, werden wechselseitig Informationen ausgetauscht?

7. Haben bei den Aktivitäten, die von der "Russen-Mafia" in Österreich gesetzt wurden, Verdachtsmomente bestanden, die auf Verbindungen zu ausländischen Regierungen schließen lassen?

8. Waren diese Verdachtsmomente Gegenstand der Ermittlungen?

9. Wie ist der Stand der Ermittlungen im Mord am georgischen Geschäftsmann Sanikidze?

10. Auf Grund welcher Bestimmungen war Sanikidze in Österreich aufhältig; war er im Besitze einer gültigen Aufenthaltsbewilligung?

Wenn ja, seit wann und auf Grund welcher Bestimmungen?

11. War der ermordete sanikidze den österreichischen Sicherheitsbehörden schon in der Vergangenheit als "Pate" bekannt?

12. Ist den Sicherheitsbehörden bekannt, in welcher Beziehung der in den Medien als "Pate" bezeichnete Sanikidze zu kriminellen Organisationen stand?

13. Medienberichten zufolge wurden bereits gegen andere "Mafia-Bosse", die laut Aussagen der Sicherheitsbehörden zu Sanikidze Kontakt hatten und teilweise ebenfalls von Österreich aus agieren, Ermittlungen geführt, konkret gegen Sergej Michailow, Wiktor Awerin, Demion Mogilevich, Alimzan Tochtachunow und Wjatscheslaw lwankow?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

14. Durch in letzter Zeit bekannt gewordene Geschäftsbeziehungen und Kontakten Sanikidzes zu hochrangigen sozialdemokratischen Expolitikern, wie insbesondere Leopold Gratz und Karl Blecha, stellt sich die Frage, ob es zu einer stillschweigenden Duldung der Sicherheitsbehörden kam?