1259/J-BR BR
 
der Bundesräte Konecny
und Genossen
an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten
betreffend unverständliche Prioritätensetzungen bei der Ausweitung der österreichischen
Auslandsvertretungen
Von einem abstrakten Standpunkt aus gesehen wäre es durchaus wünschenswert, daß
Österreich in allen Staaten, mit denen es diplomatische Beziehungen unterhält, eine
vollwertige diplomatische Vertretung hat. Jede Eröffnung einer österreichischen Botschaft
müßte - für sich gesehen - Anlaß zur Freude sein.
Wie alle vergleichbaren Staaten kann Österreich dieser Zielvorstellung nicht entsprechen und
hat aus budgetären Gründen nur in einem Bruchteil jener Staaten, mit denen diplomatische
Beziehungen bestehen, eine vollwertige Auslandsvertretung.
Wirtschaftspolitische und außenpolitische Interessen Österreichs müssen demnach wichtige
Parameter für die Entscheidung sein, in welchen Staaten Österreich eine Botschaft unterhält,
neu errichtet oder schließt.
Die Errichtung einer Botschaft in einem Staat, in dem die obgenannten Parameter nur in
einem geringen Ausmaß gegeben sind, kann unter der gegebenen Budgetlage demnach nicht
nach dem Prinzip "nützt es nichts, so schadet es auch nicht" begrüßt werden. Vielmehr muß
man sich in diesem Fall bewußt sein, daß im Ausgleich dazu in einem anderen Staat, in dem
die genannten Kriterien in höherem Maß gegeben sind, auf die Errichtung einer Botschaft
verzichtet werden muß. Die geschilderte Abwägung - soll im Staat A oder im Staat B eine
österreichische Mission eröffnet werden, wenn für die Errichtung in A und B das Geld nicht
reicht - bedeutet demnach keineswegs eine Diskriminierung eines Staates oder gar eines
Volkes, sondern ist leider pure Notwendigkeit.
Im Lichte des bisher Ausgeführten scheinen einige Vorhaben des Bundesministers für
auswärtige Angelegenheiten - falls diesbezügliche Meldungen den Tatsachen entsprechen -
bezüglich die Prioritätensetzung bei der Eröffnung neuer österreichischer Botschaften als
unverständlich.
 
So ist nach einer Meldung der "Wiener Zeitung" vom 15. Februar 1997 noch im laufenden
Halbjahr die Errichtung neuer Botschaften in Mazedonien (FYROM) und Litauen geplant und
zu einem späteren Zeitpunkt sollen auch Botschaften in Estland und Lettland folgen. In
diesem Artikel heißt es; "Bezüglich des Baltikums hat man sich zuletzt doch zur Einrichtung
eigener Botschaften in allen drei baltischen Hauptstädten - Vilnius, Riga und Tallinn -
durchgedrungen ... Außenminister Wolfgang Schüssel hat trotz der Sparmaßnahmen im
öffentlichen Dienst im Herbst dafür plädiert, das österreichische Vertretungsnetz in
Osteuropa stufenweise auszubauen und andererseits werden Ausbaupläne des diplomatischen
Netzes im außereuropäischen Raum vorerst wegen der Sparpolitik aufgeschoben.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß Bundespräsident Dr. Thomas Klestil
anläßlich eines Staatsbesuches 1995 in Vietnam sich für die weitere Vertiefung der bilateralen
Beziehungen mit Vietnam ausgesprochen hat und die Errichtung einer Botschaft dortselbst
befürwortete. Der Herr Bundespräsident sprach auch davon, daß Österreich im Vergleich zu
anderen europäischen Staaten "ohnehin schon spät dran" sei.
Der damalige Außenminister Mock meinte in diesem Zusammenhang, sein Ressort habe "die
massiven Argumente der Wirtschaft für die Errichtung einer Botschaft in Hanoi erhört."
(APA vom 25. März 1995).
Zum gleichen Thema erklärte Dr. Mock nach einem APA - Berieht vom 26. März 1995, daß
"Anfang 1996... zumindest ein Geschäftsträger in Hanoi seine Tätigkeit aufnehmen werde."
Nach einer APA - Meldung vom 30. November 1995 verwies der damalige Generalsekretär
des Außenamtes Dr. Schallenberg ,, auf die wachsende Bedeutung Vietnams als künftiger
Tiger‘ in Südost - Asien . " Der Generalsekretär unterstrich den festen politischen Willen des
Außenamtes, eine Botschaft in Hanoi zu eröffnen und bedauerte, daß budgetäre
Schwierigkeiten die Realisierung dieses Vorhabens bisher verzögert hätten. Man wolle aber
versuchen, die diplomatische Vertretung eventuell noch 1996 einzurichten."
Der damalige Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, Mag. Viktor Klima,
erklärte im März 1995 "die österreichische Wirstchaft oft wolle in Vietnam - "das Venture - Land
der Region in diesem Moment ´- aktiv, werden.
Die unterzeichneten Bundesräte bezweifeln, daß die Errichtung einer Botschaft in Tallinn
oder in Skopje wichtiger sei als die Eröffnung einer Botschaft in Hanoi und stellen daher an
den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten nachstehende
 
Anfrage:
1. Aus welchen Gründen erachten Sie die Errichtung einer österreichischen Botschaft in
Tallinn für wichtiger, als die Errichtung einer Botschaft in Hanoi?
2. Sind Sie nicht auch der Auffassung, daß der österreichische Botschafter in Helsinki
in ausreichendem Maße die österreichischen Interessen im nur wenige Kilometer
entfernten Tallinn "mitbetreuen" kann?
3. Aus welchen Gründen halten Sie die Errichtung einer Botschaft in Skopje für
wichtiger als die Errichtung einer österreichischen Botschaft in Hanoi ?
4. Sehen Sie die Gefahr, daß die weitere Nichterrichtung einer österreichischen Botschaft
in Hanoi als Desavouierung des Herrn Bundespräsidenten angesehen werden könnte,
welcher sich anläßlich seines offiziellen Staatsbesuches im Jahr 1995 mit besten
Argumenten für die Errichtung einer österreichischen Botschaft in der Hauptstadt
Vietnams ausgesprochen hat?
5. Wie beurteilen Sie die in der Einleitung zitierten Aussagen Ihres Amtsvorgängers
Dr. Alois Mock in Bezug auf die Notwendigkeit einer Botschaftserrichtung in
Vietnam?
6. Sind Sie der Auffassung, daß der asiatisch - pazifische Raum ein Schwerpunkt der
österreichischen Diplomatie sein sollte und daß es sich dort derzeit um eine der
dynamischsten Wachstumsregionen der Erde handle, die immer mehr in den
Mittelpunkt einer global orientierten Außenpolitik rücken müsse?
7. Nach welchen Kriterien setzen Sie bei der Errichtung neuer österreichischer
Vertretungsbehörden die Prioritäten ?