1278/J-BR BR
 
der Bundesräte Dr. Riess -Passer
und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Euro - Propaganda
Die Europäischen Union - ein Staatenbund unabhängiger Nationalstaaten - will im Jahr 1999
eine Einheitswährung, den Euro, einführen. Die Schaffung einer Wirtschafts - und
Währungsunion wird von vielen als die große Herausforderung, als d a s Jahrhundertprojekt
schlechthin, ja sogar als das "größte monetäre Experiment der Wirtschaftsgeschichte"
angesehen und mit entsprechendem Nachdruck vorangetrieben. Das heißt, die Währungsunion
wird sowohl innerhalb der europäischen Institutionen - Rat. Kommission und Parlament -, als
auch in nationalen Regierungskreisen als ein Projekt angesehen, welches um jeden Preis
verwirklicht werden soll. Entsprechende Vorbereitungsarbeiten für die operative Umsetzung
der Währungsunion laufen auf Hochtouren, um die im Vertrag von Maastricht "vorgegebene
Marschtabelle" zur Erreichung dieses Ziels einhalten zu können. Auf diesen strikten Kurs
schwören sich beinahe täglich sowohl die Vertreter der EU - Kommission, als auch die
Spitzenpolitiker der EU - Mitgliedsstaaten ein, obwohl
• angesichts der dramatisch hohen Arbeitslosigkeit (EU - weit sind mehr als 18 Millionen
Menschen arbeitslos).
• angesichts des hohen Konsolidierungsbedarfs der einzelstaatlichen Budgets und
• vor dem Hintergrund einer abgebremsten Konjunktur
die Skepsis und Kritik am Fahrplan zur Währungsunion ständig zunehmen.
Durch die zum Teil ,,Euro - bedingten" drastischen budgetären Maßnahmen (Stichwort:
Belastungspakete) und den strikten Sparkurs der öffentlichen Hand mit dem Ziel, die
fiskalischen Konvergenzkriterien innerhalb von zwei Jahren auf Biegen und Brechen zu
erfüllen, wird auch der Bevölkerung immer bewußter, daß die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit
 
in Österreich noch zunehmen und es zu einem weiteren Sozialabbau kommen wird. Die
jüngsten Streiks in den anderen EU - Mitgliedsstaaten müßten der Koalitionsregierung ein
warnendes Zeichen für den Unmut der Regierten sein. Ohne Wenn und Aber binden die
Regierenden hingegen ihre politischen Ressourcen, die sie zweckmäßigerweise besser zur
Bewältigung der wirklichen Probleme der Bürger einsetzen sollten (z.B. Erhalt der inneren
und äußeren Sicherheit, Schaffung von Arbeitsplätzen), an die Einführung der gemeinsamen
Währung.
Das fehlende Vertrauen der Bürger in diesen Weg, für diese Reise ins Ungewisse soll durch
eine mehrere hundert Millionen - teure Werbekampagne auf EU - und nationaler Ebene erkauft
werden. Ob damit das gewünschte Ziel, angesichts der negativen Stimmung in der
Bevölkerung und angesichts der Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, daß nämlich die
Einführung des Euro das Gespenst der Geldentwertung der Nachkriegszeit wieder
heraufbeschwört, erreicht werden kann, ist mehr als zweifelhaft. zumal es offensichtlich nicht
um eine objektive Aufklärung über die Vor - und Nachteile einer einheitlichen Währung und
um eine sachliche Information über ihre Auswirkungen geht, wie folgende Beispiele zeigen:
• Bundeskanzler Mag. Klima meinte als damaliger Finanzminister, daß es bis zur Einführung
des Euro in Österreich darum geht, "gegen die emotionellen Widerstände der
Bevölkerung eine Kampagne zu fahren. um sie überzeugen zu können" (0TS097,
22. 11.1996).
• Die Europäische Kommission nimmt in den Mitgliedsstaaten prominente
Wirtschaftsfachleute unter Vertrag, um für den Euro zu sprechen. Diese engagierten
Wirtschaftsfachleute müssen sich jedoch verpflichten, daß sie bei öffentlichen Aufträgen
als unabhängige Persönlichkeiten auftreten, die ihre eigene Meinung vertreten. Doch
dieselben Experten müssen zudem unterschreiben. daß sie in ihren Äußerungen und
Vorträgen keine Ansichten und Positionen vertreten. die jenen der Kommission
widersprechen.
Diese demokratiepolitisch bedenkliche Vorgangsweise der Bundesregierung, aber auch der
Organe der Europäischen Union beweisen ganz klar, daß fehlendes Vertrauen, wie auch die
mangelnde Zustimmung der Bevölkerung zur geplanten EWU abermals durch billige Slogans
(Stichwort: Ederer - Tausender) erkauft werden soll.
 
Die GIaubwürdigkeit und notwendige Legitimation. welche wesentliche Voraussetzungen und
Grundbedingungen für einen erfolgreichen Start der EWU wären, können nicht durch
einseitige Werbekampagnen erreicht werden. Eine derart weitreichende Entscheidung, die
Ablösung des österreichischen Schillings durch den Euro - eine gemeinsame europäische
Währung - kann nur im Rahmen einer Volksabstimmung durch die allfällige Zustimmung der
österreichischen Bevölkerung legitimiert werden.
Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für Finanzen nachstehende
Dringliche Anfrage:
1. Die Bundesregierung hat beschlossen. eine Werbekampagne für den Euro durchzuführen.
Welches Konzept liegt dieser Kampagne zu Grunde‘?
2. Sind Sie ebenfalls, wie Ihr Amtsvorgänger und derzeitige Bundeskanzler, Mag. Klima, der
Auffassung, daß es bis zur Einführung (des Euro in Österreich darum geht, "gegen die
emotionellen Widerstände der Bevölkerung eine Kampagne zu fahren, um sie überzeugen zu
können"?
• Wenn ja, aus welchen Gründen‘?
• Wenn nein. warum nicht?
3. Über welchen Zeitraum soll diese Werbekampagne ausgelegt sein und welche finanziellen
Mittel sind dafür in welcher Höhe vorgesehen?
4. Wie gliedern sich diese Ausgaben konkret auf?
5. Wird diese Regierungspropaganda seitens der Europäischen Union (der Kommission) finanziell
unterstützt?
• Wenn ja, in welcher Höhe?
• Wenn weiters ja, wann wurde ein diesbezüglicher Vertrag bzw. ein diesbezügliches
Übereinkommen mit der EU unterzeichnet und zu welchen konkreten Bedingungen?
6. Ist es zutreffend wie Kommissär Dr. Fischler Ende Jänner dieses Jahres meinte. daß Österreich
bereits im Jahr 1996 Gelder aus Brüssel für eine Euro - Kampagne anfordern hätte können, diese
jedoch nicht in Anspruch genommen hat‘?
• Wenn ja, warum nicht und auf welche Höhe hätte sich dieser Betrag belaufen?
 
7. Wann genau erlangten Sie das erste Mal Kenntnis darüber, daß österreichische
Wirtschaftsfachleute, die auch für die Bundesregierung Studien über die Auswirkungen des
Euro erstellt haben, von der Kommission für ihre Euro - Propaganda unter Vertrag genommen
werden sollen?
8. Seit wann ist Ihnen konkret bekannt, daß Dr. Raab, der mittlerweile zurückgetretene Euro -
Informationsbeauftragte der Bundesregierung, von der Kommission unter Vertrag genommen
wurde, um in seinem Namen Vorträge über den Euro zu halten, die jedoch nicht der offiziellen
Position der Kommission widersprechen dürfen?
9. Wie bewerten Sie die Tatsache, daß Dr. Raab zwar behauptet hatte den Vertrag mit der
Kommission, noch vor seinem Amtsantritt als Euro - Beauftragter der Bundesregierung, gelöst
zu haben, Dr. Raab jedoch in der Expertenliste der Kommission vom 12.3.1997 mit der
Berufsbezeichnung ,,Projektmanager EURO" der Bundesregierung" und nicht in seiner
früheren Funktion als Generalsekretär des Sparkassenverbandes geführt wird?
10. Wie erklären Sie sich. daß Dr. Raab angeblich am 29. 3. 1997 an die Kommission ein
Schreiben betreffend seine Vertragsauflösung gesendet hat. die Kommission jedoch diesen
Brief von Dr. Raab nie erhalten hat‘?
11. Aufgrund welches Anforderungsprofils und aufgrund welcher Ausschreibungskriterien wurde
Dr. Raab seinerzeit zum Euro - Beauftragten der Bundesregierung ernannt‘?
12. Gab es für den Posten des Euro - Beauftragten der Bundesregierung eine öffentliche
Ausschreibung?
• Wenn ja, wann erfolgte diese‘?
• Wenn nein, warum nicht?
13. Wird es für den Nachfolger für Dr. Raab eine öffentliche Ausschreibung geben?
• Wenn nein, warum nicht?
• Wenn ja, wann wird diese erfolgen‘?
14. Auf wieviele Mitarbeiter kann der Euro - Beauftragte der Bundesregierung zurückgreifen bzw.
wieviele Mitarbeiter sind ihm unterstellt?
15. Wie bewerten Sie die Tatsache, daß die Arbeiterkammer und der Österreichische
Gewerkschaftsbund, trotz vorherigen mehrfachen Eintretens für den Euro, sich nunmehr von
der Werbekampagne der Bundesregierung distanzieren‘?
 
16. Sollte sich Österreich nicht besser für eine Verschiebung des Beginns der 3. Stufe der WWU
einsetzen zumal selbst (regierungs - und kommissionsabhängige) WIFO - Experten davon
ausgehen, daß eine mangelhafte vorbereitete EWU wegen der Vielzahl von bedeutenden
Unwägbarkeiten schwer absehbare Folgen für die europäische Integration nach ziehen würden?
17. Ist es Ihrer Ansicht nach. in Anbetracht der derzeitigen Arbeitsmarktsituation und der
angespannten budgetären Lage, gerechtfertigt, Millionenbeträge mit einer zweifelhaften
Eurokampagne zu verschwenden, anstatt diese für arbeitsplatzschaffende Maßnahmen
einzusetzen?
Wenn ja, aus welchen Gründen?
Wenn nein, warum nicht?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61 der
Geschäftsordnung des Bundesrates dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und
dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.