1375/J-BR BR
Anfrage
der Bundesräte Univ. - Prof. Böhm, Mühlwerth,
Mag. Gudenus
an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
betreffend Fehler bei der Elefantenhaltung im Tiergarten
Schönbrunn und der Haltung exotischer Tiere
im allgemeinen
Seit mehreren Jahren beobachten freiheitliche Abgeordnete
und Bundesräte mit wachsender Sorge die mit
der Kommerziali -
sierung des Tiergartens Schönbrunn einhergehenden
Fehler
und Nachlässigkeiten bei der Haltung insbesondere
der exoti -
schen Tiere.
Schriftliche Anfragen galten bisher einem disloziert
unter -
gebrachten, entlaufenen und nach dem Abklingen der
Narkose -
wirkung in den reißenden Inn gesprungenen und
dort ertrunkenen
Zebra; zwei neugeborenen sibirischen Tigerbabys,
die qualvoll
verhungern mußten, während gleichzeitig
ein Tigerfest, eine
private Veranstaltung und eine Fotoausstellung im
Tiergarten
stattfanden; sowie den Zu - und Abgängen des
Tierbestandes im
allgemeinen u. dem Erwerb des Ameisenbären Martin
im besonderen.
Der zuständige Bundesminister pflegte die Beantwortung
selbst
äußerst kurz zu halten und in den Details
an das Management
des Tiergartens zu delegieren. Die den Anfragestellern
so ver -
abreichte Beruhigungsdosis wird aber so lange keine
Wirkung
zeigen, so lange immer neue Vorkommnisse Anlaß
zur Kritik geben.
Als besonders empörend empfanden die Anfragesteller
die
Stellungnahme bezüglich der Tigerbabys: "Am
Freitag, dem 14.
November 1997 meldete einer der diensthabenden Reviertiger
-
pfleger, ..., der Direktion, daß während
der Nacht zwei Tiger -
babys zur Welt gekommen sind. Die Jungen seien sehr
klein und
so wie bei der Geburt im Frühjahr zeige die
Tigerin keinerlei
Interesse an ihren Jungtieren. Nach ausführlicher
Beratung
wurde entschieden, auch in diesem Falle zuzuwarten,
in der
Hoffnung, daß vielleicht doch noch beim Muttertier
Milchbildung
einsetzt und dadurch der Mutterinstinkt geweckt wird.
Ich habe mich am Abend des 14. November im Katzenhaus
bei
Herrn O.V. über die Situation informieren lassen
und erfahren,
daß die Jungtiere in ihrem Nest durchaus typisches
Verhalten
zeigen, die Mutter keinerlei Aggressivität oder
Nervosität, al -
lerdings aber auch kein Interesse erkennen läßt.
Am Sonntag,
dem 16. November - ich war als diensthabender Kurator
im Tier -
garten, informierte mich O.V., daß beide Tigerbabys
tot und
bereits kalt seien. Die angeordnete tierärztliche
Sektion der
beiden Jungtiere hat nicht nur, wie erwartet, durch
den leeren
Magen gezeigt, daß keine Nahrungsaufnahme stattgefunden
hat
(dies hat aber aufgrund der kurzen Lebenszeit keinesfalls
etwas
mit Verhungern zu tun), sondern als deutlichen Hinweis
auf die
gegebene Unreife und Lebensschwäche eine weitgehende
Atelektase
der Lunge (Nichtentfaltung und Nichtbeatmung großer
Teile der
Lunge), so daß also ein zwar bedauerlicher,
aber durchaus
biologisch einleuchtender Vorfall stattgefunden hat."
Mangelnde Milchbildung bei Muttertieren kann auf
Stress
zurückzuführen sein. Unterlassene Hilfeleistung
ist im
Bereich der Humanmedizin, aber auch im zwischenmensch
-
lichen Bereich, ein strafbarer Tatbestand.
Exemplare einer Tierart, die es - wie den sibirischen
Tiger -
nur mehr in einer Anzahl von wenigen hundert Individuen
gibt,
absichtlich und jämmerlich durch Nahrungsentzug
und Unter -
lassung tierärztucher Maßnahmen verrecken
zu lassen, obwohl
alle diesbezüglichen Einrichtungen vorhanden
wären, ist ebenso
verwerflich und auf eine pseudodarwinistische wissenschaftliche
Fehlhaltung zurückzuführen.
Der große Rummel um den Umbau des Elefantengeheges
konnte
anscheinend lange Zeit über Mißstände
bei der Haltung dieser
intelligenten und sensiblen Tiere hinwegtäuschen.
Die alte
Pflegercrew wird vom Geschäftsführer der
Tiergarten GmbH, Dr. P.
des Alkoholismus und der Vernachlässigung der
Tierpflege be -
schuldigt, es kommt zur Auflösung von Arbeitsverhältnissen,
während die zum Teil importierte neue Pflegermannschaft
nach
Aussagen besorgter Zoobesucher angeblich die Elefanten.
mit dem Stock schlägt und den Jungbullen Pambo
seit Wochen
ankettet, um ihn zum Befolgen mündlicher Befehle
per Distanz
zu zwingen.
Schon aus der Literatur ist bekannt, daß z.B.
in Indien
Elefanten ihr ganzes Leben lang denselben Wärter
(Mahout)
haben, eine Umgewöhnung nur in äußersten
Notfällen erfolgen
sollte und sehr viel Zeit braucht. Einen Jungbullen
aus einem
anderen Zoo nach Schönbrunn zu verpflanzen,
ihm mehrmaligen
Wärterwechsel zuzumuten und dann auftretende
Renitenzerschei -
nungen mittes Brutaldressur unterbinden zu wollen,
ist ein
Zeichen für tierhalterische Ignoranz.
Wie ein Arbeitselefantenprojekt im ehemaligen Belgisch
- Kongo
zeigte, ist es trotz einer über tausendjährigen
Tradition
der Elefantenhaltung in Indien sehr schwierig, afrikanische
Elefanten zu zähmen. Trotzdem hat der Tiergarten
Schönbrunn
angeblich einen aus einem Nationalpark stammenden
afrikani -
schen Elefanten erworben, der in eine afrikanische
Station
verbracht wurde, um dort für seinen Aufenthalt
in Österreich
"vorbereitet" zu werden. Die Anfragesteller
wären sehr inter -
essiert, unter welchen Umständen dieses bedauernswerte
Tier
sein Leben fristen muß.
Im Tiergarten Schönbrunn scheint das derzeitige
Management
unter dem Primat des kommerziellen Verwertungsinteresses,
übersteigerten Ehrgeizes und mangelnder Achtung
der Mitgeschöpfe
massive Fehler bei der Haltung exotischer Tiere zu
begehen und
zu dulden.
Der zuständige Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegen -
heiten hätte daher zu prüfen, ob die vor
einigen Jahren
erfolgte Ausgliederung des Tiergartens Schönbrunn
nicht nur
aus Gründen der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit
und Wirtschaft -
lichkeit der Weisheit letzter Schluß war, sondern
auch, ob
diese Neukonstruktion zur Verschärfung von Tierquälereien
beiträgt.
Daher stellen die unterzeichneten Bundesräte
an den Herrn
Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
die
nachstehende
Anfrage:
1. Wieviele Tiere welcher Tierart, die dem Tiergarten
Schönbrunn
gehören, sind derzeit an welchen anderen Stellen
untergebracht
(disloziert) ?
2. Stimmt es, daß ein dem Tiergarten Schönbrunn
gehörender
Elefant, der aus einem afrikanischen Nationalpark
stammt,
sich in einem afrikanischen Lager zur "Vorbereitung"
auf
seinen Europaaufenthalt befindet ?
3. Worin besteht diese "Vorbereitung" im
einzelnen,
bzw. welche Instrumente und Maßnahmen werden
dabei
verwendet ?
4. Welche Personen betreuen diesen afrikanischen
Elefanten ?
5. Wie viele Tiere welcher Tierart hat der Tiergarten
Schönbrunn im Jahre 1997
a) gekauft,
b) getauscht (gegen wieviele Tiere welcher Tierart),
c) verkauft (an wen ?) ?
6. Wo befindet sich derzeit das Ameisenbär -
Weibchen, das aus
Dortmund erworben wurde, obwohl bei Durchführung
eines
gewissenhaften Erhaltungszuchtprogramms bekannt hätte
sein
müssen, daß dieses Tier mit dem Ameisenbär
Martin eng ver -
wandt und daher zur Zucht ungeeignet ist ?
7. Wie viele Jungtiere welcher Tierarten wurden 1997
im
Tiergarten Schönbrunn geboren ?
8. Wie viele dieser Jungtiere der einzelnen Tierarten
wurden
a) behalten,
b) verkauft,
c) getauscht,
d) verspeist,
e) verfüttert,
f) sonstigen Zwecken (welchen ?)
zugeführt ?
9. Da Sie die Stellungnahme des stellvertretenden
Direktors
und wissenschaftlichen Kurators zum Tod der beiden
sibiri -
schen Tigerbabys als "hinreichende Beantwortung"
bezeichnen:
(1245/AB - BR/98 zu 1343/J - BR/97)
Wieso akzeptieren Sie die Anordnung der Tiergartenleitung,
die beiden neugeborenen Tigerbabys
a) nicht zu füttern, obwohl das Muttertier schon
bei der
vorigen Geburt keine Laktation hatte,
b) keine tierärztliche Untersuchung und Behandlung
vorzunehmen,
obwohl es sich um kleine und schwache Exemplare einer
Tierart handelt, von der es nur mehr wenige hundert
Indi -
viduen gibt,
c) die Tigerbabys also lieber verhungern zu lassen,
als sie
ordnungsgemäß zu versorgen, weil dies
vielleicht den
Veranstaltungsrummel dieses Wochenendes gestört
hätte
(Tigertaufe, Fotoausstellung u.a.) ?
10. Welche Anordnungen haben Sie getroffen, daß
sich solch ein
skandalöses, tierquälerisches Vorgehen,
noch dazu bei
eines bestandesbedrohten Tierart, nicht mehr wiederholt
?
11. Sollten Sie gegenüber dem Tiergartenmanagement
kein
Anordnungsrecht mehr haben:
Haben Sie überprüft, ob die vor einigen
Jahren erfolgte
Ausgliederung des Tiergartens Schönbrunn aus
Ihrem Ressort
der Weisheit letzter Schluß war ?
Wenn ja: was hat diese Überprüfung ergeben
?
12. Stimmen die Vorwürfe des Geschäftsführers
der Tiergarten
Schönbrunn GmbH Dr. P., Wärter der früheren
Elefantencrew
hätten die Pflege der Tiere vernachlässigt
?
13. Wenn ja: worin bestanden diese Vernachlässigungen
im einzelnen ?
14. Welche Tiere waren von dieser Vernachlässigung
betroffen ?
15. Aus wievielen Personen bestand diese Crew ?
16. Wie viele Personen dieser Crew sind noch im Tiergarten
Schönbrunn beschäftigt (in welchen Bereichen)
?
17. Stimmen die Vorwürfe von Tiergartenbesuchern,
die z.T. von
Dr. P. bestätigt wurden,
a) daß Elefantenkühe mit Stöcken
geschlagen werden,
b) daß eine ältere Elefantenkuh an einem
eitrigen Stoßzahn
leidet und nicht operiert wird,
c) daß ein Elefanten - Jungbulle seit mehreren
Wochen angekettet
gehalten wird,
d) daß fallweise auch ein Eisenhaken zur "Disziplinierung"
der Elefanten eingesetzt wird, wobei manchmal Blut
fließt ?
18. Wie oft wurden seit der Ausgliederung der Tiergarten
Schönbrunn
GmbH aus Ihrem Ressort Wärterwechsel im Elefantenhaus
vorge -
nommen ?
19. Wie viele Wärterwechsel mußte der
Elefanten - Jungbulle Pambo
bereits hinnehmen ?
20. Wann erfolgte die erste Ankettung Pambos ?
21. Wie viele Tage war Pambo seither angekettet ?
22. Welche Vorgänge waren die Ursache für
den Schlag Pambos
gegen einen Wärter ?
23. Handelte es sich um einen Wärter aus der
alten oder aus
der neuen Crew ?
24. Werden Sie das Tiergartenmanagement anweisen,
statt einer
offenbar überforderten und zu tierquälerischen
Mitteln
greifenden Crew einen erfahrenen indischen Mahout
zu
konsultieren, um eine Fehlentwicklung des jungen
Elefanten -
bullen Pambo zu vermeiden ?
25. Sollten Sie nach der Ausgliederung kein Anweisungsrecht
mehr haben:
In welcher Weise werden Sie die für massive
und in letzter
Zeit immer wieder auftretende Fehler bei der Haltung
ins -
besondere exotischer Tiere verantwortlichen Leiter
der
Tiergarten Schönbrunn GmbH zur Verantwortung
ziehen ?