1505/J-BR BR
 
der Bundesräte Dr. Riess - Passer
und Kollegen
an den Bundeskanzler
 
betreffend den Expertenbericht zur österreichischen Kulturpolitik
 
Nach einem Bericht der "süddeutschen Zeitung" unter den vielsagenden Titel "Metternich
lebt" soll ein dreißigköpfiges Expertenteam vom Herrn Bundeskanzler damit beauftragt
worden sein, die österreichische Kulturpolitik zu analysieren. Das Ergebnis soll
niederschmetternd sein. Der Kulturbetrieb soll ähnlich verkrustet sein wie die ehemals
verstaatlichte Industrie. Die österreichische Kulturpolitik lebe zu sehr von dem Ererbten und
investiere zuwenig in die "kreativen Ressourcen der Gegenwart". Dreißig Jahre
sozialdemokratischer Kulturpolitik in Wien müßten im Falle einer Reform über den Haufen
geworfen werden. Die "bürokratische Fürsoge für die Kunst" hätten viele Künstler als Schutz
vor Haider zähneknirschend in Kauf genommen, doch erweise sich das "kleinere Übel"
immer mehr als Übel.
Nach der "Süddeutschen Zeitung" soll dieser Bericht für eine breite Diskussion ab September
überarbeitet werden, wobei das Blatt anmerkt, daß dies Gedankenfreiheit auf österreichisch
wäre.
 
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Bundesräte an den Herrn Bundeskanzler
nachstehende
 

A n f r a g e:
 
1. Entspricht es den Tatsachen, daß ein Expertenrat zur Analyse der österreichischen
Kulturpolitik einberufen worden ist?
- Wenn ja, wer gehört diesem Expertenrat an?
 
2. Liegt ein Bericht des Expertenrates, wie von der ,‚Süddeutschen Zeitung" verlautet, schon
vor?
- Wenn ja, ist er der Öffentlichkeit oder dem Parlament zugänglich?
- Welchen Inhalt hat der obengenannte Bericht?
 
3. Entspricht es den Tatsachen, daß der Bericht, etwa zu Entschärfung, überarbeitet werden
soll?
- Wenn ja, zu welchem Zweck 5011 die Überarbeitung erfolgen?
 
4. Ist der Expertenrat tatsächlich zu der Auffassung gekommen, daß der Kulturbetrieb
sinngemäß ähnlich verkrustet ist wie die ehemalige verstaatlichte Industrie des Landes?
- Wenn nein, welches Urteil hat er über den österreichischen Kulturbetrieb abgegeben?
 
5. Wird der Bericht des Expertenrates zum Anlaß genommen, die österreichische
Kulturpolitik zu überdenken?
 
6. Ist es Ihrer Meinung nach richtig, daß viele Künstler "bürokratische Fürsoge als Schutz
vor Haider" in Kauf genommen haben?
 
7. Ist es richtig, daß Künstler mit der "bürokratischen Fürsorge" unzufrieden sind?
- Wenn ja, was werden Sie dagegen unternehmen?