2056/J-BR BR

Eingelangt am: 11.03.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesräte Prof. Konecny


und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend „ganz besondere Publizistik-Förderung" für das „Wiener Journal"

Das von Jörg Mauthe gegründete „Wiener Journal" verabschiedete sich im Herbst 2002 von
seinen Lesern mit einem Editorial, in dem es wörtlich heißt: „Pragmatische Lösungen und
Ringen um neue machbare Lösungen sind schließlich auch die Gründe, warum die Leser nun
eine zu dieser Jahreszeit ungewöhnliche Doppelnummer in Händen halten ...Das ,Wiener
Journal' hat nämlich nicht nur einen neuen Platz innerhalb des Verlages der Wiener Zeitung
gefunden, sondern arbeitet fieberhaft an einem Neustart..."

Zu diesem Zeitpunkt kam das monatlich erscheinende Blatt, das von Erhard Busek und Peter
Bochskanl herausgegeben wurde, im „Wiener Journal Zeitschriftenverlag GmbH" heraus.

Trotz seiner relativ langen Geschichte und trotz der Bemühungen der Wiener ÖVP, dem Blatt
eine ausreichende finanzielle Basis zu verschaffen, war der Umfang immer mehr
eingeschränkt worden und man munkelte von einer bevorstehenden Einstellung.

Weit gefehlt: In einem sicherlich absolut zufälligen Zusammentreffen der Amtsübernahme
von Staatsekretär Finz als neuem Obmann der Wiener ÖVP konnte für das defizitäre Blatt
eine neue, sichere Verlagskonstruktion gefunden werden.

Der Verlag der Wiener Zeitung, der zur Gänze im Eigentum der Republik Österreich steht,
hatte ganz offensichtlich kein dringenderes Bedürfnis als eine marode ÖVP-Publikation
herausgeben zu dürfen. In dem in neuer Aufmachung im Dezember 2002 erschienenen ersten,
vom neuen Verlag verantworteten Ausgabe bejubelte die neue Chefredakteurin Marion
Breiter-O'Donovan das nunmehr vierfarbig neugestaltete Blatt. Die beiden bisherigen
Herausgeber beschworen die 22-jährige Tradition des „Wiener Journal" und brachten die
Hoffnung zum Ausdruck, das nun neugestaltete Blatt könne an diese Tradition anschließen.

Es kann also kein Zweifel daran bestehen, dass trotz der optischen Neugestaltung die Absicht
besteht, die bisherige politische Linie des Blattes - als eines bürgerlich-konservativen auf
hohem intellektuellen Niveau - auch unter der neuen Eigentümerschaft fortzusetzen.


Hier ergibt sich aber die Frage, ob dieses - nicht notwendigerweise profitable Unterfangen -
zu den Aufgaben eines zur Gänze im Eigentum der Republik stehenden Unternehmens gehört.

Zeitschriften dieses Typs, die auch von anderen parteipolitischen oder gesellschaftspolitischen
Gruppierungen herausgebracht werden, tun sich auf dem Zeitungsmarkt nicht leicht: Die
zwangsläufig begrenzte Reichweite, die zunehmenden Ansprüche der Leser an Gestaltung
und Farbdruck und die geringe Bereitschaft der Werbewirtschaft, in diesen Medien zu
inserieren, öffnen eine Kostenschere, die durch die bescheidene Publizistik-Förderung des
Bundes nicht annähernd geschlossen werden können.

Die „Verstaatlichung" solcher Publikationen ist ein interessanter medienpolitischer Ansatz,
der aber offensichtlich bisher nur singulär verfolgt wurde. Angebote an andere Verleger
intellektuell anspruchsvoller Zeitschriften, ihre Publikation auf Kosten und Risiko der
Republik Österreich, bzw. ihres Verlages der Wiener Zeitung herauszubringen, sind den
Anfragestellern nicht bekannt.

Während die Mittel der Publizistik-Förderung des Bundes seit Jahren nicht angehoben wurden
und diese selbst wiederholt in politischen Erklärungen von Vertretern der alten und nun nicht
besonders neuen Regierungsparteien in Frage gestellt wurde, konnte sich das „Wiener
Journal" einer überaus gezielten „ganz besonderen Publizistik-Förderung" erfreuen.

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an den Bundeskanzler die nachstehenden

Anfragen:

1.      Durch welchen Rechtsakt gingen die Verlagsrechte an der Zeitschrift bzw. dem Titel
„Wiener Journal" an den Verlag der Wiener Zeitung über?

2.      Wessen Unterschriften trägt dieser Rechtsakt?

3.  Auf wessen Veranlassung erfolgte die Übernahme der Verlagsrechte am „Wiener
Journal" durch den Verlag der Wiener Zeitung, welche Organbeschlüsse erfolgten
hierzu, welche Mitglieder der Bundesregierung waren mit diesem Vorgang befasst?

4.         Handelte es sich dabei um eine entgeltliche Abtretung der erwähnten Rechte an den
Verlag der „Wiener Zeitung"?

4a.    Wenn ja: Wie hoch war diese finanzielle Abgeltung?


4b.    Wenn nein: Wurden in diesem Rechtsakt Verpflichtung irgendwelcher Art -

Verbindlichkeiten, Personal-Verträge, Abfertigungsverpflichtungen usw.- durch den
Verlag der Wiener Zeitung übernommen?

4c.    Fall dies der Fall: In welcher Höhe?

5.      Wurden den bisherigen Eigentümern der Verlagsrechte Zusicherungen vom Verlag der
Wiener Zeitung hinsichtlich der Dauer des Zeitraums gemacht, während dessen das
„Wiener Journal" jedenfalls - unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg - herausgebracht
werden wird?

5a.    Wenn ja: Für welchen Zeitraum?

5b.    Wenn nein: Wurden derartige Verpflichtungen abhängig von einem bestimmten
wirtschaftlichen Erfolg übernommen und ggf. wie lauten diese?

6.      Wurden dem bisherigen Inhaber der Verlagsrechte Zusicherungen hinsichtlich des

Charakters und der politischen Linie des „Wiener Journals" gemacht und ggf. wie lauten
diese?

7.      Welche unternehmerische Konzeption steht hinter der nun durch den Verlag der Wiener
Zeitung erfolgende Herausgabe des „Wiener Journal", welche Gewinne werden durch
dieses zusätzliche Objekt von diesem Verlag erwartet?

8.      Welche anderen intellektuellen Zeitschriften beabsichtigt der Verlag der Wiener Zeitung
zur Abrundung seiner offensichtlich neuen Unternehmens-Strategie zusätzlich noch zu
übernehmen?

9.      Hatten Sie selbst von diesem Vorgang Kenntnis, welche Stellung haben sie hiezu
eingenommen und welche Handlungen haben Sie selbst in diesem Zusammenhang
allenfalls gesetzt?