2297/J-BR/2005
Eingelangt am 17.03.2005
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DRINGLICHE ANFRAGE
gem.
§ 61 Abs. 3 GO-BR
der Bundesräte Ana Blatnik
und GenossInnen
an den Bundeskanzler
betreffend: Alles unternehmen, um die Fußball-Europameisterschaft 2008 für Österreich zu retten!
Fußball Österreich jubelt. So titelte die
Presse am 13.12.2002 auf Seite 1. Österreich und die Schweiz haben für die
gemeinsame Kandidatur zur Ausrichtung der Fußball-EM 2008 am Tag davor den Zuschlag
erhalten. Für die beiden Alpenländer eine Fußball-historische Entscheidung, die
mit großer Begeisterung aufgenommen wurde.
Gemessen an Zuschauern und TV-Resonanz ist die
Fußball-Europameisterschafts-Endrunde das drittgrößte Sportereignis der Welt.
Österreich wird dabei ins Rampenlicht der Welt gerückt. Die Wirtschaft und der
österreichische Tourismus werden nachhaltige Impulse erhalten. Laut Studien
werden im Vorfeld der EM 6.600 neue Arbeitsplätze entstehen, eine Million
Nächtigungen von Fans werden im Rahmen der EM in Österreich erwartet.
Die EM 2008 wird von geschätzten zehn
Milliarden TV-Zuschauern in über 200 Ländern verfolgt werden, der Werbewert für
Österreich ist nicht zu beziffern.
Am 12.11.2004 überreichte BK Wolfgang Schüssel
gemeinsam mit ÖFB-Präsident Stickler die Stadionverträge für Wien, Salzburg,
Innsbruck und Klagenfurt an UEFA-Präsident Lennart Johansson. Schüssel stellte
zufrieden fest: „Jetzt ist alles unter Dach und Fach und wir können uns auf die
Organisation und die Umbauten konzentrieren.“
Während in Wien, Salzburg und Innsbruck im
Bereich der Stadionumbauten alles im grünen Bereich vorangeht, ist in
Klagenfurt das Gegenteil der Fall.
Erste Vereinbarungen mit der UEFA im November
2003 Klagenfurt betreffend sahen vor, dass mit Baukosten von 33,7 Mio. Euro ein
neues Stadion auf dem Areal des derzeitigen Wörthersee-Stadions errichtet
werden soll. Der Baubeginn war mit Herbst 2004 festgesetzt, die Fertigstellung
sollte im Juni 2006 erfolgen. Diese Vereinbarung fand auch die Zustimmung des
für Sport zuständigen Bundeskanzlers Schüssel.
Seit Ende des Jahres 2004 wurden Details
bekannt, wonach es im Ausschreibungsverfahren zu gröberen Problemen gekommen
sei. Ein erstes Gutachten stellte eine Reihe von Fehlern im Vergabeverfahren
dar. Auf Grund dieses Gutachtens hat die Kärntner Landesregierung über Antrag
von Landeshauptmann Jörg Haider am 21. Dezember 2004 eine Schad- und
Klaglosstellung für das Land durch den Bund und die Stadt Klagenfurt beschlossen.
Auch Sport-Staatssekretär Karl Schweitzer hat
am 23. Dezember 2004 die Mängel im Vergabeverfahren bestätigt (APA Nr. 456).
Und wörtlich: „Es müsse ein sauberes Vergabeverfahren gewährleistet sein, da
nur unter dieser Voraussetzung das EM-Stadion rechtzeitig fertiggestellt werden
könne.“
Ein weiteres eingeholtes Gutachten
(„Obergutachten“) der Universitätsprofessoren Aicher und Holoubek wurde am 11.
Jänner 2005 an Staatssekretär Karl Schweitzer übergeben. Dieses konstatierte
ebenfalls Mängel des Vergabeverfahrens und ging von einer 50 : 50-Chance aus,
dass es zu keinen Einsprüchen der unterlegenen Bewerber komme.
Die erste wirkliche Bombe platzte dann mit der
Veröffentlichung der sechs Anbote betreffend den Stadion-Neubau Klagenfurt in
der Kärntner Woche Anfang Februar 2005. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Streit
öffentlich ausgetragen und endete in einem Polit-Hick-Hack von
Spitzenrepräsentanten der Regierungsparteien.
ÖFB-Präsident Friedrich Stickler reagierte
wörtlich auf die Veröffentlichung: „Dieser Sabotage-Akt wurde von Brandstiftern
in einer Größenordnung vorgenommen, wie wir es in der Sportpolitik nicht oft
erleben. Da haben Personen etwas Unfassbares in Bewegung gebracht – hier wurde
versucht, etwas plötzlich in die Luft zu sprengen.“ Nachsatz: „Die Uhr tickt!“
(Die Presse, 4. Februar 2005)
Was ein Scheitern des Vergabeverfahrens
bedeutet, drückte Peter Gattermann, der Verantwortliche für die
österreichischen Spielstätten und Leiter der Stadien-Vergabekommission, aus:
„Ohne Klagenfurt gibt es ganz sicher keine Fußball-Europameisterschaft.“ So
auch der Klagefurter Bürgermeister Harald Scheucher: „Der Täter, der das
gemacht hat, setzt alle Mittel ein, um das Projekt zu verhindern.“ Wer immer
die Unterlagen der Zeitung zugespielt hätte, wollte laut Scheucher das Stadion
„in die Luft sprengen“. (APA 530, 2.2.2005)
Am 7. März 2005 hat die Vergabekommission ihre
schon mit Spannung erwartete Entscheidung getroffen: Die Porr-Alpine-Mayreder
Bietergemeinschaft erhielt als Bestbieter den Zuschlag für den Bau des
EM-Fußballstadions. Diese Vergabeentscheidung wurde einstimmig getroffen.
Bereits am 11. März 2005 hat der Mitbieter
Strabag diese Vergabeentscheidung beeinsprucht. Die Entscheidung ist daher
wieder offen. Die rechtzeitige Fertigstellung des EM-Stadions in Klagenfurt ist
wieder gefährdet und damit auch die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft
durch Österreich.
Was im Detail dazu geführt hat, zeigen die
Aussagen von ÖVP- und FPÖ-Spitzenpolitikern im Vorfeld der Vergabeentscheidung
bzw. des Einspruches gegen diese Entscheidung. Diese stellen einen bisher
unbekannten Höhepunkt an Verantwortungslosigkeit gegenüber den
Österreicherinnen und Österreichern, der österreichischen Wirtschaft, dem
Ansehen Österreichs im Ausland und auch dem österreichischen Fußball gegenüber
dar.
Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider
bezeichnete es schon Anfang Februar als Fehler, das Verfahren in die Hände
einer Bundesbehörde zu geben, wo Leute tätig geworden sind, die versucht haben,
zu mauscheln. „Auf Wiener Ebene ist offenbar die Mauschelei Gang und Gebe.“, so
Haider. Gleichzeitig fordere er den Rücktritt von Gattermann als Vorsitzenden
der Vergabekommission (Mittagsjournal,
8.2.2005). Auch der Sport-Staatssekretär fiel dem Leiter der
Vergabekommission in den Rücken und äußerte sich öffentlich, dass Gattermann
der Sache nicht mehr gewachsen sei.
Als bekannt wurde, dass das Büro für Interne
Angelegenheiten des Bundesministeriums für Inneres in der Angelegenheit
Stadion-Neubau eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachtes der
Parteienfinanzierung, des Amtsmissbrauches und von Verstößen gegen das
Vergaberecht an die Staatsanwaltschaft übermittelt hat, reagierte Jörg Haider
wie folgt: „Durch den Machtrausch der ÖVP ist die Demokratie in ernste Gefahr
gekommen. Niemand ist mehr sicher. Jeder hat zu befürchten, überwacht zu
werden, sofern er nicht das schwarze Parteibuch besitzt.“
Weiters unterstellte Jörg Haider dem Büro für
Interne Angelegenheiten – nach seiner Bezeichnung die Securitate des Ministers
-, dass dieses 32 hochrangige Persönlichkeiten in Kärnten illegal abgehört
habe.
Neben diesen Abhörvorwürfen wurden gegenseitig
Parteienfinanzierungsvorwürfe erhoben. So solle einerseits die Strabag die FPÖ
finanzieren, als Retourkutsche wurde andererseits von Seiten der FPÖ behauptet,
dass die Porr Wahlkampfschulden der ÖVP bezahlen würde.
Wegen der Bedeutung dieser Angelegenheit für
Österreich, aber auch wegen dem verantwortungslosen Verhalten von politischen
Spitzenrepräsentanten der Regierungsparteien stellen die unterzeichneten
Bundesräte daher an den Bundeskanzler nachstehende
Anfrage:
1.
Welchen
Inhalt hat die Grundsatzvereinbarung zwischen Bund, dem Land Kärnten und der
Stadt Klagenfurt betreffend den Neubau eines Fußball-Stadions in Klagenfurt für
die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2008?
2.
Insbesondere,
welche Fristen wurden in dieser Grundsatzvereinbarung von der Planungsphase bis
zur Eröffnung des Stadions vorgesehen?
3.
Wann
muss das Stadion gemäß dem Vertrag EM 2008 mit der UEFA fertiggestellt sein?
4.
Wie
beurteilen Sie als für Sport zuständiger Ressortverantwortlicher nach
gegenwärtigem Stand die Zukunft des Projektes Neubau eines Fußball-EM-Stadions
für Klagenfurt?
5.
Welche
Verfahrensschritte (von der Vergabe bis zur UVP) müssen noch durchgeführt
werden, welche Behörden sind dafür zuständig und wann ist mit den notwendigen
Entscheidungen zu rechnen?
6.
Welche
Kosten werden dem Bund für diesen Neubau, falls er zu Stande kommt, entstehen
und in welchen Budgets sind oder werden diese Kosten veranschlagt?
7.
Wer
hat die Entscheidung getroffen, welche Vertreter der Bund in die
Vergabekommission entsendet?
Wie wurde diese Entscheidung begründet?
8.
Wie
beurteilen Sie nach Ihrer Kenntnis die Entscheidung der Vergabekommission?
9.
Die
Mitglieder der Vergabekommission sind nur an die Ausschreibung und an die
Gesetze gebunden.
Warum hat Ihr Staatssekretär während des Vergabeverfahrens sich öffentlich
dahingehend geäußert, dass der Leiter der Vergabekommission Gattermann der
Sache nicht mehr gewachsen sei?
Wie ist er zu diesen Informationen gekommen und warum soll Gattermann der Sache
nicht mehr gewachsen sein, da es insbesondere auch zu einer einstimmigen
Beschlussfassung in der Kommission gekommen ist?
10.
Im
Nationalrat hat Ihr Staatssekretär ausgeführt, dass die Stadt Klagenfurt,
welcher der ÖVP-Bürgermeister Scheucher vorsitzt und Gattermann an den
Turbulenzen um das Stadion verantwortlich seien und dadurch die Vergabe
gefährdet werde.
Beurteilen Sie das als Bundeskanzler wie Ihr Staatssekretär oder sind für Sie
andere Personen für diese desaströsen Zustände im Vergabeverfahren
verantwortlich?
11.
Haben
Sie als Bundeskanzler einem Beamten Ihres Hauses den Auftrag gegeben, zwischen
Bietern in diesem Vergabeverfahren zu vermitteln?
Wenn ja, wem, warum und mit welcher Zielsetzung?
Wenn nein, hat Ihr Staatssekretär einen diesbezüglichen Auftrag erteilt?
Wenn ja, wem, warum und mit welcher Zielsetzung?
12.
In
welchem Stadium befinden sich die Adaptierungsarbeiten für die
Fußball-Europameisterschaft 2008 der Stadien
a) Wien,
b) Salzburg und
c) Innsbruck?
13.
Welche
Kosten entstehen für den Bund auf Grund dieser Umbauarbeiten?
14.
Welche
nachhaltigen Konzepte werden mit diesen Umbauten auch verfolgt?
15.
Staatssekretär
Schweitzer hat sich auch in die Richtung öffentlich geäußert, dass wegen der
Probleme im Vergabeverfahren Alternativen zu Klagenfurt angedacht werden
müssen.
Welche Alternativen sind das und welches Alternativprojekt könnte rechtzeitig fertiggestellt
werden?
Unter einem wird
gem. § 61 Abs. 3 GO - BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die
Tagesordnung dringlich zu behandeln