2444/J-BR/2006

Eingelangt am 31.08.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesräte Schimböck

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

betreffend disziplinäre Maßnahmen nach kritischen Äußerungen gegen einen ÖVP-Politiker

In dem angeschlossenen ausführlichen Artikel der Profil-Redakteurin Hammerl wird darge-
stellt, wie die Linzer Mittelschulprofessorin Mag. Dr. Edith Friedl nach einem sehr kritischen
Schreiben an den Baureferenten der Oö. Landesregierung Landeshauptmannstv. Hiesl vom
Landesschulrat für Oberösterreich nach dem Disziplinarrecht gemaßregelt wurde. Grundlage
dieser disziplinären Maßnahme gegen die Bundeslehrerin war die Weitergabe des angespro-
chenen Schreibens durch den Landeshauptmannstellvertreter an die Schulaufsichtsbehörde,
der dazu festhielt, dass er als Politiker von Sorge erfüllt sei, ob die jungen Menschen, die wir
dem Schulsystem in Österreich anvertrauen, auch tatsächlich immer den richtigen Lehrern
anvertraut sind, die ihnen auf dem Weg, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden, Vorbild sein
sollen.

Ein Grundpfeiler unserer Bundesverfassung ist die freie Meinungsäußerung. Dieses subjekti-
ve Recht der Normadressaten würde eine völlige Einschränkung erfahren, wenn - wie im ge-
genständlichen Fall - insbesondere Bundesbeamte auf bloßen "Zuruf von außen, wie dies die
Intervention des Landeshauptmannstellvertreters Franz Hiesl zweifelsfrei darstellt, mit dis-
ziplinären Sanktionen rechnen müssen, wenn sie davon Gebrauch machen. Die dargestellte
Amtshandlung der Schulaufsichtsbehörde, für die letztlich der Präsident des Landeschulrates
Fritz Enzenhofer verantwortlich zu machen sein wird, läuft daher auf eine Einschränkung der
verfassungsmäßigen Rechte einer österreichischen Staatsbürgerin hinaus und ist zutiefst abzu-
lehnen.

Es kann auch schon gar nicht Aufgabe der Schulaufsichtsbehörden sein, sich zum Handlanger
von - wie in einem angeschlossenen kritischen Leserbrief eines Obmannes des Christlichen
Lehrervereines angeführten - "wehleidigen Politkern" zu machen.


Die PISA-Studie belegt einwandfrei, dass unser Schulwesen vor großen Aufgaben steht.
Schulbehörden und Lehrerschaft müssen sich daher voll auf ihre eigentlichen Aufgaben kon-
zentrieren. Es ist daher in keiner Weise nachvollziehbar, dass die Ressourcen des Landes-
schulrates für Oberösterreich für die aufgezeigte aufwendige Amtshandlung eingesetzt wer-
den.

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an die Bundesministerin für Bildung, Wissen-
schaft und Kultur nachstehende

Anfrage:

1.    Gibt es einen oder mehrere Disziplinarfälle, die auf einer Meinungsäußerung eines
Bundeslehrers zur Vorgangsweise von politischen Entscheidungsträgern basieren?

2.                                      Bestehen zu solchen Angelegenheiten für die als Bundesorgane tätig werdenden Prä-
sidenten der Landeschulräte Ihrerseits Richtlinien für die Vorgangsweise?

3.                                      Wenn ja, wie sehen diese Richtlinien im Detail aus und wurden sie im gegenständli-
chen Fall beachtet?

4.                                      Wenn nein, war die gegenständliche Amtshandlung völlig der Willkür des Präsidenten
des oberösterreichischen Landeschulrates überlassen?

5.                                      Schließen Sie sich der Meinung an, dass die Vorgangsweise geeignet war, das verfas-
sungsmäßige Recht der freien Meinungsäußerung zu beeinträchtigen?

6.                                      Muss ein Bundeslehrer jederzeit damit rechnen, dass er, wenn er als Privatperson
scharfe Kritik an der Handlungsweise eines ÖVP-Politikers vorbringt, von der zustän-
digen Schulbehörde disziplinär zur Verantwortung gezogen wird?

7.                                      Wenn nein, wie gedenken Sie Amtshandlungen wie die oben dargestellte künftighin
von vornherein abzustellen?


8.                   Wurden von Ihnen in der Angelegenheit Weisungen an den Präsidenten des oberöster-
reichischen Landesschulrates erteilt?

9.                   Wenn nein, haben sie vor, solche Weisungen zu erteilen?

10.                                Welche Weisungen werden Sie im Detail erteilen?

11.                                Wenn die gesamte Vorgangsweise nicht Ihre Zustimmung findet, in welcher Form
wird der betroffenen Bundeslehrerin Genugtuung zuteil werden?