2507/J-BR/2007

Eingelangt am 13.04.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

 

gemäß § 61 Abs. 3 GO-BR

 

 

der BundesrätInnen Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen

 

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend der Verdachtsmomente und Zustände rund um das „kleine Glückspiel“, über verbotenes Glückspiel sowie über mangelnde Aufklärung aufklärungswürdiger Umstände

 

 

Begründung:

 

 

Das Landeskriminalamt Niederösterreich ermittelt gegen Glückspielbetreiber in Niederösterreich und hat der Staatsanwaltschaft St. Pölten am 8.3.2007 eine umfangreiche Strafanzeige übermittelt. Im Raum stehen Betrugsvorwürfe und immer wieder „illegales Glückspiel“.

 

Die Strafanzeige unterstreicht die Kritik an der Praxis, die nur mehr einen Schluss zulässt: das sogenannte „kleine“ Glückspiel gibt es nicht mehr.

 

Es ist nun auch die Polizei, die die Objektivität einzelner gerichtlich beeideter Gutachter massiv in Zweifel zieht und wörtlich von einem „Schutzwall“ spricht, den sich die Firmengruppe mit ihr genehmen Gutachtern aufgezogen hätte.

 

Wiederholt wurde das Lobbying der Novomatic-Gruppe öffentlich bereits thematisiert. Die Strafanzeige spricht nun wörtlich davon, dass „durch die NOVOMATIC Gruppe offensichtlich massives Lobbying (Politik, Beamte, etc) zu Gunsten dieser VNT (Anm.: Video-Network-Terminals) betrieben wird und im Umfeld dieser Firmengruppe Sachverständige durch das Anbieten von gut honorierten Beraterverträgen für objektive Ermittlungen nicht mehr herangezogen werden können“.

 

Besonderes Augenmerk legt die Kripo Niederösterreich auf die sogenannten Hunderennen. In der Strafanzeige heißt es:

 

Zusammenfassend ergibt sich auch im Bezug auf die angef. Hunderennen der Fa. WETTPUNKT der Schluss, dass hier ebenso vorsätzlich ein Spiel (und KEINE Sportwette) gewerbsmäßig veranstaltet wird, bei dem Gewinn oder Verlust ausschließlich vom Zufall abhängen und welches aufgrund der hohen Einsatz- bzw. Gewinnmöglichkeiten auch verboten ist. (§ 168 StGB) Zusätzlich werden die Wettlustigen von den Veranstaltern offensichtlich betrogen, indem ihnen vorgespielt wird, dass anhand der vorgegebenen Quoten Aussagen über etwaige Favoriten getroffen werden können. Sie werden dadurch getäuscht und zu Wetten verleitet, welche die Wettlustigen am Vermögen schädigen wodurch sich die Veranstalter unrechtmäßig u. gewerbsmäßig bereichern…“ (S. 10)

 

„D.h., bei der beschriebenen „Hundewette“ handelt es sich um keine Wette die in der Bewilligung des Amtes der NÖ Landesregierung umfasst ist, sondern um eine andere gewerbsmäßige Wette, welche illegales Glückspiel darstellt und daher verboten ist.“ (S. 26)

 

„Bei einem Wettlokal (Hunderennen Fa. WETTPUNKT) in NÖ/Horn wurden im Zuge einer entsprechenden Amtshandlung der BH Horn zwei PC mit welchen die dort gezeigten Hunderennen offensichtlich ausgestrahlt worden sind, sowie eine darin befindliche DVD sichergestellt und für Verfallen erklärt… (…)… Diese IP Adresse wurde ausgeforscht und wurde der Fa. FGS Inter-Corpo-Holding GmbH in 2320 Schwechat, Hauptplatz 2 (...) zugeordnet. Die angef. Fa. Ist Gesellschafter bei der Fa. Wettpunkt Betriebs GmbH welche ihren Sitz an der selben Adr in Schwechat hat.“ (S. 35)

 

Auszug in Sachen befangene Sachverständige:

 

„Hier wurde vorerst der als neutral geltende, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige Peter L. für die Begutachtung der entsprechenden Automaten vorgeschlagen. Dieser SV wurde jedoch zum selben Zeitpunkt von der Fa. NOVOMATIC quasi „abgeworben“, indem ihm von der Fa. NOVOMATIC ein lukrativer Beratungsvertrag angeboten worden ist und Peter L. dieses Angebot auch angenommen hat…“ (S. 12)

 

„Der gerichtlich beeidete Sachverständige Ing. T ist lt K. [Geschäftsführer der Firma HTM Anm R.L.] seit ca 2-3 Jahren als Gutachter für die Fa AGI/NOVOMATIC tätig.“ (S. 38)

 

Auszug in Sachen „kleines Gückspiel“ versus „normales“ Glückspiel

 

„Lt. SV Ing M. handelt es sich hiebei eindeutig um Glückspiel, welches die Einsatzhöhe von 0,50 € und den Höchstgewinn von 20 € übersteigt, somit nicht vom Bescheid der NÖ Landesregierung umfasst ist und den Tatbestand des § 168 StGB erfüllt.“ (S. 13)

 

Auszug in Sachen Verflechtungen in die Politik und Einschüchterung

 

„Zusätzlich sind im Bereich der Firmengruppe NOVOMATIC AG zahlreiche Verflechtungen zu Politikern etc bekannt, und wird von dieser Firmengruppe massives Lobbying zugunsten des Glückspiels betrieben, bzw werden Kritiker mittels zivilrechtlicher Klagen ‚aus dem Verkehr’ gezogen.

 

Z.B.

 

Klagen gegen die ehemalige NÖ Landesrätin Christa KRANZL

 

Klage gegen einen öffentlich aufgetretenen Spieler, welcher die Fa NOVOMATIC AG in der ORF-Sendung am Schauplatz Manipulationen an Glückspielautomaten vorgeworfen hatte…

 

Durch diese Vorgangsweise werden etwaige Zeugen und Auskunftspersonen dermaßen eingeschüchtert, dass bis dato niemand bereit war offiziell auszusagen.“ (S.40)

 

 

Die angezeigten Sachverhalte und Verdachtsmomente sind nun von den zuständigen Gerichten zu prüfen und selbstverständlich gilt dazu die Unschuldsvermutung.

 

 

Die unterfertigten Bundesräte und Bundesrätinnen stellen daher an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

 

  1. Ist Ihnen - als für das Glückspiel zuständigem Minister – die zitierte Strafanzeige der Kripo Niederösterreich bekannt?
  2. Sind Ihnen die angezeigten Missstände bekannt und wie beurteilen Sie diese?
  3. Liegen Verstöße gegen das Glückspielgesetz vor?
  4. Wie beurteilen Sie die in der Anzeige angeführten Wetten auf Hunderennen, die nur als Aufzeichnung in den Lokalen abgespielt werden?
  5. Handelt es sich bei „Hunderennen“ dieser Art um Sportwetten?
  6. Kennen Sie eine Klarstellung des UVS Niederösterreich aus 2006, wonach diese „Hunderennen“ als Glückspiel zu werten sind?
  7. Ist das Glückspiel „Hunderennen“ durch die gesetzliche „kleine Glückspiel“-Definition legal?
  8. Die Firma Novomatic hat öffentlich behauptet, es würde ein Bescheid der NÖ Landesregierung vorliegen, der die „Wetten“ auf Hunderennen genehmigt. Haben Sie beim Land Niederösterreich Erkundigungen eingeholt? Liegt ein solcher Bescheid vor? Wenn ja, wie beurteilen Sie diesen rechtlich, insbesondere kompetenzrechtlich?
  9. Werden gegen die Glückspielbetreiber in Niederösterreich auch Erhebungen der Finanzbehörden durchgeführt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, in welchem Stadium befinden sich diese?
  10. Wieviele Glückspielautomaten nach landesgesetzlichen Bestimmungen sind in Niederösterreich, in der Steiermark, in Wien und in Kärnten aufgestellt?
  11. Wie viele Glückspielautomaten nach bundesgesetzlichen Bestimmungen sind aufgegliedert nach Bundesländern aufgestellt?
  12. Welche Kontrollkompetenzen liegen beim Bund, um die Einhaltung der Wertgrenzen für das sogenannte „kleine“ Glückspiel zu überprüfen?
  13. Welche Möglichkeiten bestehen für den Bund, technische Einrichtungen vorzuschreiben, damit die Grenzen des sogenannten „kleinen“ Automatenglückspiels durch die Betreiber nicht überschritten werden können und damit Eingriffe in das Glückspielmonopol hintanzuhalten?
  14. Erachten Sie die Kontrollen des Glückspiels durch die Behörden in Niederösterreich, in der Steiermark, in Wien und Kärnten für ausreichend und effektiv?
  15. Halten Sie es im Sinne einer effizienten Kontrolle für sinnvoll, die Kompetenzen im Glückspielwesen zwischen Bund und Ländern aufzuteilen?
  16. Werden Sie mit Ihrem Ressortkollegen für Inneres Gespräche aufnehmen, damit es angesichts dieser Verdachtsmomente zur Bildung einer Sonderkommission kommt?
  17. Bei den konzessionierten Spielbanken besteht ein System von strengen Zugangskontrollen, Zugangsbeschränkungen und Sperrmöglichkeiten zum Schutz der SpielerInnen und zur Spielsuchtprävention. Welche Präventionsmaßnahmen bestehen bei den Ihrer Aufsicht unterliegenden Spielbanken? Bestehen derartige Systeme auch bei den AnbieterInnen von Sportwetten und bei BetreiberInnen von „kleinen“ Glückspielautomaten? Worin liegen die Unterschiede?
  18. Ist Ihnen die Studie von Prof. Scholz bekannt, wonach die Spielsucht etwa in Kärnten um mehrere Hundert Prozent gestiegen ist und vor allem das „kleine Glückspiel“ als Motor von Spielsucht genannt ist?
  19. Erachten Sie es im Sinne eines umfassendes Schutzes von SpielerInnen für sinnvoll, ein einheitliches Schutzsystem, zum Beispiel mit anbieterübergreifender Zugangserfassung und Sperrmöglichkeit zu schaffen? Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen hier seitens des Bundes?
  20. Welche Maßnahmen können gesetzlich verankert werden, um die in der Anzeige der Kripo NÖ massiv in Zweifel gezogenen Objektivität von Gutachtern sicherzustellen?
  21. Kennen Sie die Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien vom 10.1.2006, wonach die Probleme mit der Feststellung des Sachverhaltes bei Verwendung von Münzgewinnspielapparaten seit mehreren Jahren bekannt sei?
  22. In derselben Stellungnahme hält die BPD fest: „Das Manipulieren von Apparaten mittels Fernsteuerung oder durch das Abschalten der Stromzufuhr wurden auch in Wien wiederholt beobachtet. Dadurch war es dem Manipulierenden möglich, ein illegales Spiel auf eine erlaubte Spielvariante umzustellen“. Sehen Sie hier einen akuten Handlungsbedarf?
  23. Kennen Sie die Forderung der BPD, wonach Spielapparate nur mehr mit plombierten Elektronik-Komponenten verwendet werden sollen?
  24. Wenn ja, warum wurde keine Gesetzesinitiative bis dato ergriffen?
  25. Nach Meinung der BPD sollte der Betrieb eines Spielapparates ohne plombierte Elektronik verwaltungsbehördlich strafbar sein. Werden Sie sich dieser Auffassung anschließen?
  26. Ist Ihnen bekannt, dass man auf jeder Geldspielmaschine den Einsatz von 12 x 50 Cent pro Spiel (also € 6,-) einsetzen kann?
  27. Ist es richtig, dass ein Spielablauf erst beendet ist, wenn sich die Gewinnsymbole gedreht haben und wieder zum Stillstand gekommen sind?
  28. Gibt es eine klare Definition, wie lange ein Spielablauf dauern muss?
  29. Wann beginnt und wann endet ein Spiel?
  30. Was muss sich zwischen Anfang und Ende eines Spielablaufes ereignen?
  31. Derzeit beginnt ein Spiel, in dem ein Spieler beginnt, den Einsatz 50 Cent zu drücken. Bei diesem Vorgang dreht sich ein Würfel und in dieser Zeit wird der Einsatz vom vorhandenen Guthaben abgezogen (bis zu € 6,- pro Spiel). Erst nachdem der gewählte Einsatz abgezogen ist, beginnt das Spiel durch Drücken der Starttaste. Sollte sich eigentlich die Gewinnsymbole nicht nach jedem Einsatz (also nach 50,- Cent) drehen?
  32. Kann man angesichts der Marktsituation noch von einer Pluralität bzw. einer Konkurrenz auf der Anbieterseite sprechen?
  33. Experten zufolge, entspricht kein einziger Spielautomat mehr den eigentlichen gesetzlichen Intentionen. Teilen Sie diesen Befund bzw.  sehen Sie darin eine weitere Notwendigkeit, dass es zur Bildung einer Sonderkommission sowie der Einsetzung tatsächlich objektiver Gutachter kommt?
  34. Ist Ihnen bekannt, dass immer mehr Pokerspiele wie „Schwammerln aus dem Boden schießen“?
  35. Ist Ihnen bekannt, ob private Pokerbetreiber Gebühren gemäß § 33 TP 17 Zif.7 Gebührengesetz entrichten? Wenn ja, in welcher Höhe? Wenn nein, warum nicht?
  36. Wenn ja, was werden Sie dagegen unternehmen?
  37. Nach Meinung der BPD ist die Regelung des Internet-Glückspiels, soweit überhaupt vorhanden, nicht geeignet, effizient vollzogen zu werden. Welche Maßnahmen plant Ihr Ministerium diesbezüglich?
  38. Welche Maßnahmen werden Sie hinsichtlich jener Verdachtsmomente in der Strafanzeige der Kripo NÖ treffen, in denen von massiven Lobbying gegenüber Politikern und Behörden die Rede ist?
  39. Sind Ihnen PolitikerInnen bekannt, die in einem Vertragsverhältnis zur Novomatic-Gruppe stehen oder standen?
  40. Welche unternehmerische Zusammenarbeit gibt es zwischen der Novomatic-Gruppe und den Casinos Austria?

 

 

 

In formeller Hinsicht wird gemäß § 61 Abs.3 GO-BR die dringliche Behandlung dieser Anfrage verlangt.