2523/J-BR/2007

Eingelangt am 21.06.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte (Jürgen Weiss, Edgar Mayer und
Ing. Reinhold Einwallner)

an den Bundesminister für Land-u. Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag

In einem von der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen in Auftrag gegebenen und
kürzlich veröffentlichten Gutachten hat sich Prof. Dr. Bernhard Wegener von der Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die Möglichkeit untersucht, den Euratom-Vertrag
kündigen zu können. Dieses Gutachten ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar:
www.gruene-bundestag.de/cms/publikationen/dokbin/170/170871.pdf

Dieses Gutachten kommt zusammenfassend zu folgenden Ergebnissen:

„1. Die Europäische Atomgemeinschaft ist in ihren Hauptzielsetzungen gescheitert. Weite
Bereiche des primären Euratom-Rechts werden nach einem erklärten Konsens der
Mitgliedsstaaten nicht angewendet.

2.         Die Entscheidungsstrukturen der Atomgemeinschaft entsprechen nicht dem in der
Europäischen Union allgemein erreichten und vom Grundgesetz prinzipiell zur Bedingung
einer Mitwirkung Deutschlands erhobenen demokratischen Standard.

3.         Die unter Berufung auf die überlebten Strukturen des Euratom-Vertrages ermöglichte
traditionelle Ausklammerung der Atomenergiewirtschaft aus dem allgemeinen
Wettbewerbsrecht des EG- Vertrages ist vor dem Hintergrund einer veränderten technischen
und energiepolitischen Situation nicht länger zu rechtfertigen. Der Euratom-Vertrag steht
dem nach dem EG-Recht zu entwickelnden freien Binnenmarkt für Energie entgegen.

4.         Der Euratom-Vertrag verhindert bis heute die Entwicklung eines europaweit einheitlichen
Anlagensicherheitsrechts für Atomenergieanlagen. Seine Auflösung ermöglichte insoweit
die Heranziehung der einschlägigen Kompetenzgrundlagen des EG- Vertrages.

5.         Der Euratom-Vertrag ist ein wesentliches Hemmnis auf dem Weg zu einer einheitlichen und
transparenten Verfassungsordnung der Europäischen Union. Die Kündigung des Euratom-
Vertrages kann als ein Mittel zur überfälligen Reform des Primärrechts der Union
angesehen werden.

6.         Das EU-Recht steht einer Anwendung der allgemeinen völkerrechtlichen Regeln über die
Aufhebung und Kündigung völkerrechtlicher Abkommen jedenfalls hinsichtlich des
Euratom-Vertrages nicht entgegen.

7.         Eine einvernehmliche Aufhebung des Euratom-Vertrages ist zulässig.

8.                   Der Euratom-Vertrag kann unter Berufung auf den ordentlichen Kündigungsgrund des Art.
56 Abs. 1 lit. b der Wiener Vertragsrechtskonvention (Natur des Vertrages) einseitig
gekündigt werden.


9.                  Der Euratom-Vertrag kann unter Berufung auf den außerordentlichen Kündigungsgrund des
Art. 62 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention (Grundlegende Änderung der
Umstände) einseitig gekündigt werden. Mit Rücksicht auf die Nachrangigkeit der außer-
ordentlichen gegenüber der ordentlichen Kündigung sollte Art. 62 Abs. 1 WVK lediglich
hilfsweise geltend gemacht werden.

10.           Das Grundgesetz steht einer Kündigung des Euratom-Vertrages durch die Bundesrepublik
Deutschland nicht entgegen.

11.           Die für eine Kündigung des Euratom-Vertrages erforderlichen formellen Voraussetzungen
können von einem zur Kündigung des Vertrages entschlossenen Mitgliedstaat geschaffen
werden.

12.           Eine Kündigung nur von Teilen des Euratom-Vertrages ist gem. Art. 44 der Wiener
Vertragsrechtskonvention ausgeschlossen.

13.           Erhaltenswerte Regelungsstrukturen des Euratom-Vertrages können und sollten nach einer
Auflösung des Vertrages in den EG-Vertrag bzw. den Vertrag über eine Verfassung für
Europa überführt werden."

Am 9. Mai 2007 hat sich der Vorarlberger Landtag einstimmig dafür ausgesprochen, dass im
Sinne der aktiven Anti-Atom-Politik für den Fall einer ausbleibenden Revision des Euratom-
Vertrages der Austritt aus dem Vertrag konsequent betrieben werden soll.

Daher richten die unterzeichneten Bundesräte an den Bundesminister für Land-u. Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft folgende

Anfrage:

1.              Teilen Sie die von Prof. Dr. Wegener vertretene Auffassung hinsichtlich einer
Kündigungsmöglichkeit des Euratom-Vertrages?

2.              Wie beurteilen Sie die Chancen, eine der Umstellung auf sichere und nachhaltige
Energieträger dienende Revision des Euratom-Vertrages zustande zu bringen?

3.              Sind Sie bereit, andernfalls eine Kündigung des Euratom-Vertrages zu betreiben?