2562/J-BR/2007
Eingelangt am 30.07.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Sicherheit älterer Atomkraftwerke in Europa
Die aufgedeckten Mängel der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel haben eine
Diskussion über die Sicherheit älterer Atomkraftwerke in Europa ausgelöst.
Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 (wie
er auch in Zwentendorf geplant war) sind
derzeit noch in Deutschland (Brunsbüttel, Phillipsburg Block 1, Isar Block 1,
Krümmel, Gundremmingen Blöcke B und C, Würgassen) und in der Schweiz
(Leibstadt und Mühleberg) in Betrieb.
Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend
und Senioren hat eine
Mängelliste
aus der Periodischen Sicherheitsüberprüfung zum
Reaktor Brunsbüttel
veröffentlicht (http://www.schleswig-
holstein.de/MSGF/DE/Aktuelles/Portalhauptartikel
1
b.html nnn=true), die mehr
als 700 zum Teil schwerwiegende Mängel
auflistet, die nur zum Teil behoben worden
sind.
Nach dem
zuletzt gehäuften Auftreten von Mängeln in
Brunsbüttel und Krümmel
fordert der deutsche Umweltminister, die Restlaufzeiten von alten Kraftwerken
zu
verkürzen.
Bundeskanzlerin Merkel beschränkte sich auf eine Kritik an der
Aufklärungsarbeit und warnt die
Atomkraftwerksbetreiber vor Vertrauensverlust.
Schon 2004 wurde vom Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) in
Salzgitter, Wolfram König, die Schließung der Siedewasserreaktoren Isar 1,
Phillilpsburg und Brunsbüttel (sowie
der KKWs Biblis A und Obrigheim) verlangt. Die
GRS-Studie zum „Schutz der deutschen Kernkraftwerke vor
dem Hintergrund der
terroristischen Anschläge in den
USA am 11. September 2001" stellte fest, dass vor
allem auch die
Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 im Falle eines
Flugzeugangriffes die größte Unsicherheit darstellen.
Von Seiten des Österreichischen Umweltministeriums gab es
dazu keine
Stellungnahme. Auch auf der Seite des Umweltministeriums findet sich unter dem
Suchwort „Brunsbüttel"
lediglich ein Link zum Argumentationsleitfaden „Kernenergie,
Klimaschutz und
Nachhaltigkeit" (in der Referenzliste einer der AutorInnen).
Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende
ANFRAGE:
1) Ist Ihnen die Mängelliste zum KKW Brunsbüttel bekannt und wenn ja, seit wann.
2)
Hat Ihnen ihr deutscher Ressortkollege die Mängelliste
zum KKW Brunsbüttel in
den letzten Jahren
unaufgefordert übermittelt?
3)
Haben Sie im Laufe der Jahre 2005 bzw. 2006, als erste Medienberichte
zur
Existenz dieser Mängelliste in deutschsprachigen Zeitungen
erschienen sind,
diese angefordert?
a) Wenn ja, wann und mit welcher Reaktion?
4) Ist Ihnen bekannt,
dass es zum KKW Brunsbüttel eine Periodische
Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) gegeben hat?
a) Wenn ja, sind ihnen auch offene Punkte aus dieser bekannt gemacht worden?
5) Wurde das Thema
offene Punkte aus der PSÜ zum KKW Brunsbüttel bei
einem
der letzten
bilateralen Expertentreffen besprochen?
a) Wenn ja, mit welchem Erkenntnisgewinn für die österreichische Seite?
b) Wenn nein, warum nicht?
6)
Wie beurteilen Sie die Absicht des KKW Brunsbüttel-Betreibers,
eine
Betriebsverlängerung
anzustreben?
7)
Welche politischen Schritte haben Sie gegen die beabsichtigte Verlängerung der
Lebenszeit des KKW
Brunsbüttel unternommen?
8)
Sollte es zu einem Verfahren bezüglich Verlängerung der
Lebenszeit des KKW
Brunsbüttel kommen: In welcher Form ist eine
Mitwirkung der Österr.
Öffentlichkeit
gesichert?
9)
Wie beurteilen
Sie die angeführten Schwachstellen aus der PSÜ zum KKW
Brunsbüttel, wobei
auf jeden der angeführten offenen Punkte Bezug zu nehmen
wäre.
10) Wie beurteilen Sie die Zuordnung der, in der Mängelliste angeführten Punkte?
Wäre Ihrer Ansicht nach die Nachweiserbringung konditional VOR
Wiederinbetriebnahme vorzulegen gewesen, da es sich um sicherheitstechnische
Fragestellungen
mit hoher Bedeutsamkeit handelt?
11) Wie beurteilen Sie die Vorgangsweise der
Bundes- und
Landesatomaufsichtsbehörde diesbezüglich?
12) Sind Ihnen die Antworten des KKW-Betreibers zu den, in der Mängelliste
als
„abgearbeitet" gekennzeichneten Punkten bekannt?
a) Wenn ja, zu welchen Punkten und seit wann?
b) Wenn nein, wieso nicht?
13) Inwieweit betreffen die in der Liste angeführten Punkte generische
Problemstellungen
der Siederwasserreaktoren Baulinie 69?
14) Können Sie gemäß ihrem
Wissenstand ausschließen, dass ähnliche,
bzw. allfällig
gleichlautende offene Punkte auch zu anderen deutschen bzw. schweizerischen
KKW's
der Baulinie 69 bestehen?
15) Welche Schritte haben Sie unternommen
sich bezüglich allfälliger
generischer
Schwachstellen von SWR 69 Reaktoren kundig zu machen?
a)
Haben Sie diese auf bilateralem Wege gegenüber
Deutschland bzw. der
Schweiz zur Sprache
gebracht?
b) Wann ist dies erfolgt und mit welchem Ergebnis?
c)
Haben Sie ergänzende Unterlagen angefragt und auch
bekommen? Wenn ja,
welche und wurden diese von Fachleuten beurteilt? Wenn nein, warum nicht?
16)
Ergeben sich aufgrund der, durch die Mängelliste bekannt gewordenen,
Schwachstellen Sicherheitsdefizite, die die
Gefahr für Österreich erhöhen?
a) Wenn ja: welche?
b) Wenn nein: warum nicht?
17) Ist Ihnen die, im November 2002 vom deutschen BMU erstellte Studie über den
„Schutz der deutschen Kernkraftwerke vor dem Hintergrund der terroristischen
Anschläge in den USA am 11. September 2001" bekannt?
a) Wenn ja, seit wann?
18)
Sind Ihnen Maßnahmen bekannt, die seit dieser Studie zur
Verbesserung der
Sicherheit der besonders gefährdeten KKWs unternommen wurden?
a) Wenn ja, welche?
b)
Erachten Sie die, It. Pressemeldungen vorgesehenen,
Vernebelungstechniken
für ausreichend, um generische
Schwachstellen der Siedewasserreaktoren
Baulinie 69 behebbar zu machen?
19) Welche Schritte haben Sie unternommen, um sich bezüglich allfälliger
Schwachstellen von
SWR 69 Reaktoren im Bezug auf Sicherheit vor
terroristischen Anschlägen kundig zu machen?
a)
Haben Sie diese auf bilateralem Wege gegenüber
Deutschland bzw. der
Schweiz zur Sprache
gebracht?
b) Wann ist dies erfolgt und mit welchem Ergebnis?
20) Ist Ihnen das Ergebnis von PSA-Untersuchungen zu
Siedewasserreaktoren der
Baulinie 69 bekannt,
wie sie zusammenfassend im Jahresbericht 2006 des
Bundesamtes für Strahlenschutz dargestellt sind?
a)
Wie beurteilen
Sie die Schlussfolgerungen des BfS aus den PSA-
Untersuchungen, wonach im Falle eines
ernsten Störfalles eine rasche
Freisetzung von
Radioaktivität durchaus möglich erscheint?
b)
Inwieweit
stellt eine rasche Freisetzung von Radioaktivität bei SWR69
Reaktoren eine für Österreich
weit bedeutsamere Gefahr als beispielsweise
das KKW Temelin dar?
c)
Welche
Schlussfolgerungen ziehen Sie aus den Ergebnissen der PSA-
Untersuchungen für die österreichische Notfallschutzplanung, da
sich die
Vorwarnzeiten bedeutend verkürzen
dürften?
21) Würden Sie der Aussage zustimmen, dass
SWR-69-Reaktoren eine, generisch
betrachtet,
schlechtere Anlagenstruktur aufweisen als die Reaktoren vom Typ
WWER1000
a) Wenn ja: in welchen Details?
b) Wenn nein: warum nicht?
22) Hat Österreich jemals die Schließung von SWR69-Reaktoren gefordert?
a) Wenn ja: Wann und in welcher Form
b) Wenn nein: warum nicht?
23) Wie beurteilen Sie das Zusammenspiel zwischen
Betreiber - Landes- und
Bundesaufsichtsbehörde in Deutschland aus
sicherheitstechnischer Sicht?
a) Wie beurteilen Sie die Effizienz der deutschen Atomaufsicht (Bund- Land-
Betreiberwechselspiel) aus der Sicht eines betroffenen Nachbarstaates?
24) Wie beurteilen Sie die Qualität der
Expertengespräche gemäß bilateralem
Nuklearinformationsabkommens
vor dem Hintergrund der bedeutenden
Schwachstellen im System der deutschen Atomaufsicht?
25) Ein hoher Beamter der deutschen Atomaufsicht hat
bereits vor Jahren auf diese
bedeutenden
Schwachstellen öffentlich aufmerksam gemacht.
Haben Sie dies
zum Anlass genommen, diese Probleme zu thematisieren und spezifische
Anforderungen aus österreichischer Sicht den
deutschen Bundes- bzw. auch
Landesbehörden zur Kenntnis zu bringen?
a) Wenn ja: Wann und wem?
b) Wenn nein: Warum nicht?
26) Welche anlagenspezifischen Informationen liegen
Ihnen von deutschen
Landesaufsichtsbehörden vor?
a)
Haben Sie anlagenspezifische Informationen von deutschen
Landesaufsichtsbehörden angefordert?
b) Wenn ja: welche?
c) Wenn nein: warum nicht?
d)
Sollten Sie keine anlagenspezifischen Informationen beispielsweise zum
KKW
Isar 1 angefordert
haben: Wie können Sie dann den Stand der
nuklearen
Sicherheit in den Anlagen einschätzen?
27) Haben Vertreter der deutschen Landesaufsichtsbehörden jemals
an den deutsch-
österreichischen Expertentreffen
It. Nuklearinformationsabkommen
teilgenommen?
a) Wenn ja: aus welchen Bundesländern?
28) Haben Vertreter von deutschen KKW-Betreiberfirmen
jemals an den deutsch-
österreichischen Expertentreffen
It. Nuklearinformationsabkommen
teilgenommen?
a) Wenn ja: aus welchen Unternehmen bzw.
Anlagen?
29) Nicht nur die Anzahl an Ereignisse in
deutschen KKWs ist bedeutend hoch und ist
über die letzten Jahre sogar
bedeutend gestiegen, sondern auch das
Zusammenspiel einschlägig befasster Landes- und Bundesbehörden wird immer
öfter öffentlich
kritisiert. Kann Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt
noch ein
hohes Maß an nukleartechnischer Sicherheit in den
Anlagen garantieren?
30) Sind Ihnen Informationen zu Wasserstoffexplosionen
in deutschen KKWs
bekannt, wie sie die
IPPNW kürzlich veröffentlicht hat?
31)
Sind Sie im Besitz von Weiterleitungen des deutschen BMU an die
Landesaufsichtsbehörden bzw. KKW-Betreiber, in
welchen auf Probleme
aufmerksam gemacht wurde und wird, die auch
für andere KKWs von Bedeutung
sind?
32) Haben Sie in den letzten Jahren jemals auf die
Schließung eines deutschen
KKWs gedrängt?
a)
Wenn ja: wann, in welcher Forum und bezüglich welcher Anlage?
33) Erachten Sie die Anhäufung der Ereignisse in deutschen KKWs und
ihre
Bedeutung für aus österreichischer
Sicht gravierend genug, um unmittelbare
politische Treffen
mit der deutschen Bundesregierung zu diesem Thema
anzustreben?
34) Sind Sondertreffen gemäß dem bilateralen
Nuklearabkommen aufgrund der
bekannt gewordenen Mängelliste zum KKW Brunsbüttel bzw daraus
abzuleitenden generischen Schwachstellen bei SWR69 vorgesehen?
a) Wenn ja: Wann wird die nächste Sitzung stattfinden
b) Wenn nein: warum nicht?