2748/J-BR/2010

Eingelangt am 29.03.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Prozess gegen TierschützerInnen

Am 21. Mai 2008 kam es im Rahmen einer von der StA Wiener Neustadt angeordneten groß angelegten Polizeiaktion zur Verhaftung etlicher TierschützerInnen und zur Beschlagnahme von Unterlagen und Datenträgern.

In der darauffolgenden öffentlichen Debatte rund um Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit und rechtlicher Fundierung der Maßnahmen stellte sich heraus, dass der Verhaftungsaktion jahrelange intensive Bespitzlungen und Beobachtungen der Tierschutzszene vorangegangen waren.

Diese auf § 278a StGB gestützten Recherchen befragen NICHT nur Einzelpersonen - wie seitens der politisch Verantwortlichen im Bereich des Innen- und Justizressorts vielfach behauptet - sondern ganz im Gegenteil ganze Vereine, derer Kampagnentätigkeit sowie wirtschaftliche Aktivitäten der Tierschutzvereine wie etwa die KAN. Hinsichtlich dieser, auf Dritte bezogenen Recherchen, lag nicht einmal die Behauptung einer konkreten Straftat zugrunde, sondern lediglich der von der Behörde konstruierte Verdacht, dass wirtschaftliche Aktivitäten nicht der Unterstützung der gemeinnützigen Vereinstätigkeit dienen, sondern vielmehr den finanziellen Hintergrund einer unterstellten kriminellen Organisation bilden könnten. Derartige, abstruse Verdachtskonstruktionen hätten durchwegs mit einem simplen Gespräch mit den Präsidentinnen der Tierschutzvereine ausgeräumt werden können. So schüttet etwa die KAN entsprechend Ihrer Satzungen niemals allfällige Überschüsse aus. Die Behörde hat das Gespräch nicht gesucht, den selbst konstruierten Verdacht bewusst köcheln" lassen und durch ausdehnte Recherchen sinnlos hohe Kosten verursacht. Ebenso wurde durch rechtswidrige hingebogene" Gerichtszuständigkeiten eine rasche, kostengünstige und den Rechten der Beschuldigten Rechnung tragende Abwicklung der Verfahren von vornherein unmöglich gemacht.

Das zu erwartende Monsterverfahren kann in Wiener Neustadt nur unter einer De- Facto- Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter/ die gesetzliche Richterin abgehalten werden.


Überdies steht das geplante Verfahren von vornherein im Zwielicht da - jedenfalls in Bezug auf die Person von LT Abg. Klubobfrau Dr. Petrovic - die im Vorfeld des Monsterverfahren offenbar zeitweise auch als Beschuldigte in einem zusammenhängenden Verfahren geführt wurde - das Gericht in Wiener Neustadt als befangen angesehen und Verfahrensschritte nach Eisenstadt abgetreten wurden. Befremdlich auch der Umstand, dass der geplante Beginn der Hauptverhandlung nicht das Ende der Ermittlungen bedeutet, der Banden- Gummiparagraph führt zu parallelen Ermittlungen und zur Verletzung prozessualer Schutzrechte.

 

Die Gefertigte stellt daher folgende

Anfrage

1.               Haben Sie sich als zuständige Ministerin in Sachen des derzeit laufenden Prozesses gegen TierschützerInnen regelmäßig berichten lassen?

2.       Haben Sie in Zusammenhang mit dem derzeit laufenden Prozess gegen TierschützerInnen Weisungen erteilt? Wenn ja, welche?

3.       Warum ist das Verfahren gegen die TierschützerInnen trotz der Causa Podgorski" in Wiener Neustadt verblieben?

4.       Ein im Zusammenhang mit den "Tierschützerlnnenprozessen" eröffnetes Verfahren, in dem Dr. Madeleine Petrovic zunächst als Beschuldigte, dann als Zeugin geführt wurde, wurde wegen Befangenheit von Wiener Neustadt nach Eisenstadt abgetreten. Inwiefern bestehen Unterschiede zu den anderen Personen bzw. Verfahren, wieso gilt Wiener Neustadt im Hinblick auf die Tierrechtlerin Dr. Madeleine Petrovic als befangen, nicht aber hinsichtlich DDr. Balluch und den anderen 12 beschuldigten Personen?

5.       Während der Verhandlung hat Staatanwalt Mag. Handler mit recht theatralischer Geste die Vernehmung von DDr. Balluch unterbrochen, um coram publico im Gerichtssaal mitzuteilen, dass aktuell eine Sachbeschädigung bei einer Kleiderbauer-Filiale in Wien durch unbekannte Personen verursacht worden sei. Dr. Balluch wurde umgehend aufgefordert, sich dazu zu äußern, ohne dass es irgendwelche Ermittlungsergebnisse zu den möglichen Hintergründen des Vorfalls gibt. Das Gericht wies die sarkastisch reagierenden ZuhörerInnen mit dem Hinweis zurecht, dass die Vorkommnisse nicht lustig seien. Wie "lustig" finden Sie es, wenn die Staatsanwaltschaft offenbar die Unschuldsvermutung zugunsten

der Schuldvermutung ersetzt, dass kampagnenmäßig organisierte Tierschutz- Aktivitäten generell als potenzielle Verbrechen einer kriminellen Organisation zu werten sind?

6.       Weltweit wird mit Fassungslosigkeit und Empörung über die Unverhältnismäßigkeit des Monsterverfahrens in Wiener Neustadt berichtet. Fürchten sie keinen Image Schaden für Österreich, wenn NGOs derart kriminalisiert werden?

7.       Wenn Sie die doch sehr unterschiedlichen Praktiken in verschiedenen Gerichtssprengeln in Sachen Untersuchungshaft bzw. Anordnung polizeilicher Überwachungs- und Bespitzelungsmethoden an Hand des Tierschützerlnnen- Prozesses sowie der "Causa Podgorski" vergleichen: Fürchten sie nicht, dass sich ein Wiener Neustädter Partikularrecht übelster Art gegen Oppositionelle, Alternative und Nicht-Konformistlnnen entwickelt?