2773/J-BR/2010

Eingelangt am 02.08.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Bundesrates Schennach, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend verhallte Anzeigen wegen rechtswidriger Zurückschiebung tschetschenischer Asylsuchender

Im November 2003 kamen 73 tschetschenische AsylwerberInnen zur Grenzstation in Gmünd, um in Österreich um Asyl anzusuchen. Sie wurden aber noch in derselben Nacht ohne Aufnahme ihres Asylantrages durch die zuständigen GrenzbeamtInnen wieder nach Tschechien zurückgeschoben, dies vermutlich aufgrund von Weisung des damaligen Innenministers Strasser, der sich dies als Einladung nach Tschechien zurückzukehren" medial auf die Fahnen heftete. Als die Anwälte Georg Bürstmayr und Nadja Lorenz über das Schicksal der Tschetschenen informiert wurden, brachten sie im Dezember 2003 für 20 von ihnen Beschwerden beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) ein. Wie der Falter nun in seiner Ausgabe 28/2010 bekannt gibt, hat der UVS nach einem sechseinhalbjährigen Verfahren festgestellt, dass diese Abschiebungen rechtswidrig waren. Die damalige stundenlange Anhaltung in durchnässten Kleidern im Winter, so UVS-Richter Marzi, "grenzt zumindest an unmenschliche Behandlung". Der UVS Niederösterreich bestätigte in 20 der Fälle, dass der heutige EU-Parlamentarier und frühere Innenminister Ernst Strasser, sowie seine Beamten im Jahr 2003 insgesamt 74 Tschetschenen das Recht auf einen Asylantrag verweigerten. Stattdessen wurden die Schutzsuchenden rechtswidrig abgeschoben. Auch Falschaussagen des involvierten Innenministers Strasser und seiner BeamtInnen stehen im Raum: Innenminister Ernst Strasser, der Leiter der niederösterreichischen Fremdenpolizei, seine Grenzbeamten, die Dolmetscher - im Ergebnis ist herauszulesen, dass sie alle vor Gericht nicht die Wahrheit gesagt haben", stellte Richter Paul Marzi fest (Falter 28/2010).

Die Flüchtlingshilfsorganisation Asyl in Not als auch SOS Mitmensch hatten nach Bekanntwerden der Einladungen" an die Tschetschenen Strafanzeige wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs eingebracht. Irgendwann trudelte dann ein Einzeiler der Staatsanwaltschaft bei uns ein, dass das Verfahren zurückgelegt worden sei", sagt Asyl-in-Not-Obmann Michael Genner. Auf die Anzeige von SOS Mitmensch gab es überhaupt gar keine Reaktion (Falter 28/2010).

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.  Welche  Anzeigen  wurden  von  wem  anlässlich  der   rechtswidrigen Nichtannahme  des   Asylgesuchs   und   der  Zurückschiebung  der  73

tschetschenischen   AsylwerberInnen   im   November  2003  bei   der Staatsanwaltschaft erstattet und mit welcher Begründung?

2.       Welche  Ermittlungsschritte  setzte  die  zuständige  Staatsanwaltschaft daraufhin?

3.       Was ergaben diese Ermittlungen zu den einzelnen Anzeigen konkret?

 

a)      Welche Personen wurden wozu befragt?

b)      Anhand welcher Beweise wurde die Korrektheit der Vorgehensweise des      
   damaligen Innenministers Strasser und seiner BeamtInnen überprüft?

4.     Wurde der damalige Innenminister Strasser im Zuge der Ermittlungen auch  
    
befragt? Falls nein, weshalb nicht?

5.           Aus welchen Gründen wurde die Anzeige der Organisation Asyl in Not"
   
wegen Amtsmissbrauchs zurückgelegt bzw. Ermittlungen eingestellt?

6.           Unter Bedachtnahme darauf, dass nun ein aktuelles UVS-Erkenntnis vorliegt,
    
das  die  Menschenunwürdigkeit  der  Behandlung  der tschetschenischen
    Asylsuchenden (Anhaltung in durchn
ässten Kleidern etc.) durch den damals
   
amtierenden Innenmisters  Strasse  und  seine   GrenzbeamtInnen  sowie
    DolmetscherInnen feststellt, werden Sie Ermittlungen einleiten bzw.wieder
    
aufnehmen?

 

a)      Falls ja, wann?

b)      Falls nein, weshalb nicht?

7.  Unter Bedachtnahme darauf, dass nun ein aktuelles UVS-Erkenntnis  vorliegt,
  
das die Rechtswidrigkeit der Amtshandlungen (Amtsmissbrauch) des  damals   
  
amtierenden Innenmisters  Strasser und seiner  GrenzbeamtInnen   sowie
  
DolmetscherInnen feststellt (absichtliche Nichtannahme von Asylantr
ägen),
  
werden Sie Ermittlungen einleiten bzw. wieder aufnehmen?

a)      Falls ja, wann?

b)      Falls nein, weshalb nicht?

8.  Unter Bedachtnahme darauf, dass nun ein aktuelles UVS-Erkenntnis vorliegt,
   
aus dem sich die Verabredung zur Falschaussage vor Gericht durch Strasser,
    den Leiter der Fremdenpolizei N
Ö, der GrenzbeamtInnen und der involvierten
    DolmetscherInnen ergibt, werden Sie diesbez
üglich Ermittlungen einleiten?

a)      Falls ja, wann und wie?

b)      Falls nein, weshalb nicht?