2799/J-BR/2011

Eingelangt am 01.03.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesräte Mag.a Muna Duzdar
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend gemeinsame Obsorge

In der Debatte um die Ausweitung von Väterrechten bei der gemeinsamen Obsorge
fällt auf, dass häufig die Umsetzung von Kinderrechten als Begründung für die
St
ärkung von Väterrechten herhalten muss. Trotz dieser rhetorischen Überbetonung
von Kinderrechten" in der rechtspolitischen Debatte, bleiben ganz zentrale
Anspr
üche von Kindern, insbesondere Fragen der materiellen Unterhaltsicherung
von Kindern, ebenso au
ßer Betracht, wie die Nichtbeachtung des Rechtes des
Kindes auf famili
ären Umgang durch besuchsunwillige Väter.

Die sehr selektive Berücksichtigung von Kinderrechten bei den jüngsten
Gesetzgebungsinitiativen im Familienrecht veranlassen die unterzeichneten
Bundesr
äte zu nachstehender Anfrage an die Bundesministerin für Justiz.

Anfrage:

1.                            Wie viele alleinerziehende Elternteile gibt es derzeit in Österreich?

2.             Wie viele alleinerziehende Elternteile sind Frauen, wie viele sind Männer?

3.             Wie viele minderjährige uneheliche Kinder gibt es in Österreich?

4.             Wie viele davon leben mit beiden Elternteilen zusammen in einem Haushalt?

5.             Wie groß ist der in Arbeitsstunden bemessene Anteil von Männern bzw. Frauen
an (unbezahlter) familiärer Arbeit (Erziehung, Pflege, Haushalt) und spielen
solche Kennzahlen f
ür Ihre familienrechtspolitischen Vorschläge eine Rolle?

6.             Wie viele Kinder haben nach einer Scheidung ihrer Eltern keinen Kontakt mehr
zu dem Elternteil, der nicht obsorgeberechtigt ist und in wie vielen Fällen ist
dies das Ergebnis der mangelnden Bereitschaft bzw. Interesses des nicht
obsorgeberechtigten Elternteils?

7.             Wie viele uneheliche Kinder haben nach einer Trennung ihrer Eltern keinen
Kontakt mehr zu dem Elternteil, der nicht obsorgeberechtigt ist und in wie vielen
F
ällen ist dies das Ergebnis der mangelnden Bereitschaft bzw. Interesses des
nicht obsorgeberechtigten Elternteils?

8.       Bei wie vielen Kindern ist die Ausübung des Besuchsrechts mit Problemen
verbunden, sei es durch die Nichtwahrnehmung des Kontakts durch den nicht
betreuenden Elternteil, sei es durch Konflikte bei der Aus
übung des
Besuchsrechts?

Gibt es zahlenmäßige Aufschlüsselungen, worin die Probleme bei der
Besuchsausübung bestehen?

9.              Liegen dem Bundesministerium sozialwissenschaftliche Untersuchungen vor,
welche Ursachen derartige Konflikte beim Besuchsrecht haben?

10.          Falls dazu keine konkreten Zahlen verfügbar sind: Wieso wird eine so wichtige
rechtspolitische Debatte ohne ausführliches empirisches Datenmaterial
abgef
ührt?

9.       In den Medien haben Sie angekündigt, Elternteilen, die das Besuchsrecht des
anderen Elternteils verunmöglichen, selbst die Obsorge entziehen zu wollen.
Dies sei eine Ma
ßnahme zum Kindeswohl, man müsse hier ein Umdenken
hervorrufen"[1].

Welche Maßnahmen gedenken Sie zu ergreifen, um ein Umdenken" jener
Elternteile zu erreichen, die sich nicht um ihre Kinder kümmern und ein
Besuchsrecht gar nicht erst beantragen oder ein beantragtes Besuchsrecht
nicht entsprechend aus
üben?

10.          Welche Maßnahmen gedenken Sie konkret zu ergreifen, um die Verweigerung
des Rechtes des Kindes auf famili
ären Umgang durch einen besuchsunwilligen
Elternteil zu p
önalisieren?

11.          Die Weigerung eines desinteressierten Elternteils, dem Recht des Kindes nach
famili
ären Umgang Folge zu leisten, bleibt derzeit ohne Konsequenz. Sie haben
im zitierten Interview ausgeführt, dass die gemeinsame Obsorge sogar dann
m
öglich sein müsse, wenn der Vater erst einige Jahre später draufkommt, dass
er für das Kind Verantwortung übernehmen will".

Halten Sie es für verhältnismäßig, die reibungslose Durchsetzung väterlicher
Besuchsrechte durch immer schwerwiegendere Konsequenzen für den
haupts
ächlich betreuenden Elternteil - schon bisher durch Verlust des
nachehelichen Unterhalts, nunmehr geplant auch durch Entzug der Obsorge -
abzusichern, die Verletzung des Kinderrechts auf famili
ären Umgang oder auf
Unterhalt durch den besuchsunwilligen Vater aber sogar noch zu belohnen,
indem auch nach jahrelanger Vernachl
ässigung der väterlichen Pflichten die
gemeinsame Obsorge zuerkannt wird?

12.     Der Anspruch auf Gewährung des Unterhalts ist auch ein zentrales Recht des
Kindes.

Sind Sie mit der aktuellen Situation hinsichtlich der Gewährung, der Höhe und
der Durchsetzbarkeit des Kindesunterhalts gegenüber getrennt lebenden
Elternteilen zufrieden?

13.         Wie viele Kinder getrennt lebender Eltern haben derzeit einen rechtlichen
Anspruch auf Geldunterhalt?

14.         Wie viele Kinder getrennt lebender Eltern erhalten tatsächlich Geldunterhalt und
in wie vielen Fällen entspricht dieser von Beginn der Geldunterhaltspflicht weg
der H
öhe nach dem rechtlichen Anspruch?

15.         Wie hoch ist der Anteil an Kindern getrennt lebender Eltern bzw. von
Alleinerziehenden, die weder Unterhalt noch Unterhaltsvorschuss beziehen?

 

15.          In wie vielen Fällen ist die Höhe des zu zahlenden Geldunterhalts strittig?

16.          Wie hoch ist der durchschnittlich geleistete Geldunterhalt von getrennt lebenden
Elternteile an ihre Kinder, gegliedert nach Altersgruppen (3-6-Jährige, 6-10-
J
ährige, 10-15-Jährige, 15-19-Jährige, 19-28-Jährige)?

17.          Auf welcher Grundlage werden die aktuell geltenden Regelbedarfssätze
berechnet und halten sie diese Berechnungsgrundlagen f
ür angemessen?

18.          Halten sie es für rechtspolitisch vertretbar, dass es zwar von der Judikatur
entwickelte
Obergrenzen" für den Kindesunterhalt gibt, die Regelbedarfssätze
bei der Bemessung des Kindesunterhalts jedoch jederzeit unterschritten werden
k
önnen, ein Mindestunterhalt" für Kinder also fehlt?

19.          Durch die Judikatur in Unterhaltsfragen kam es in den letzten zehn Jahren
gerade f
ür besserverdienende Väter zu einer deutlichen Senkung des
Geldunterhalts f
ür Kinder, die den zu leistenden Geldunterhalt in Einzelfällen bis
zur Hälfte herabsetzen kann (vgl. Fallbeispiel Klaar, Retour zum
patriarchalischen Familienrecht, http://diezukunft.at/?p=1508).
Entsprechen derartige Reduktionen des Geldunterhalts Ihrer Auffassung dem
Kindeswohl?

20.      Sehen Sie Änderungsbedarf im Unterhaltsvorschussgesetz und wenn ja,
welchen?

21.      Welche Auswirkungen auf die Höhe des durchschnittlich gezahlten
Kindesunterhalts erwarten Sie sich mittelbar und unmittelbar durch eine
Ausweitung der gemeinsamen Obsorge?

22.          Können Sie ausschließen, dass es durch die geplanten gesetzlichen
Ver
änderungen bei Obsorge und Besuchsrecht unmittelbar oder mittelbar zu
einer Reduktion des tatsächlich geleisteten Geldunterhalts von getrennt
lebenden Elternteilen an ihre Kinder kommen kann?


23.          Welche Maßnahmen planen Sie, um die Durchsetzung von
Unterhaltsanspr
üchen von Kindern gegenüber getrennt lebenden Elternteilen zu
erleichtern?

24.          Welche Maßnahmen planen Sie, um die Verletzung von Unterhaltspflichten
getrennt lebender Elternteilen gegenüber ihren Kindern schärfer zu
sanktionieren?

25.          Bis wann gedenken Sie konkrete gesetzliche Maßnahmen vorzulegen, um die
Sicherung des Unterhalts von Kindern getrennt lebender Eltern zu verbessern?



[1] http://derstandard.at/12978l8979252/Standard-Interview-Bandion-Ortner-Bei-manchen-Vaetern-dauert-es-
etwas-laenger