3012/J-BR/2014

Eingelangt am 28.05.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Marco Schreuder, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Rehabilitierung von Opfern des anti-homosexuellen § 209 StGB

BEGRÜNDUNG

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Österreich wegen der jahrelangen strafrechtlichen Verfolgung homo- und bisexueller Männer auf Grund des § 209 StGB wiederholt verurteilt, und zwar in folgenden Fällen:

 

 

Besonders kritisiert hat der Gerichtshof die Verweigerung der Aufhebung des § 209 auch noch nach dem Oktober 1995, obwohl damals, durch die ExpertInnenanhörung im Jahre 1995, bereits bekannt war, dass es keinen Grund für das schwule Sondermindestalter gibt (L. & V.: par. 51; S. L.: par. 43).

 

§ 209 StGB ist mit Ablauf des 13.08.2002 außer Kraft getreten (BGBl I 134/2002, Art. I Z. 19b, Art. IX iVm  Art. 49 Abs. 1 B-VG).

 

Personen, die auf Grund des § 209 verurteilt und zum Teil in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher inhaftiert wurden, sind nicht rehabilitiert worden. Ihre Verurteilungen sind nach wie vor aufrecht, oft noch im österreichweiten Strafregister vorgemerkt und die Polizeiakten immer noch vorhanden.

 

Amnesty International forderte in seinen Jahresberichten wiederholt die Rehabilitierung aller § 209-Opfer.

 

Per Erlass wurde die Löschung sämtlicher Vormerkungen nach § 209 im österreichweiten Polizeicomputer EKIS angeordnet (Erlass der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit vom 10.04.2003, 8181/421-II/BK/1/03) und mit Verordnung die Vernichtung sämtlicher erkennungsdienstlichen Daten (Fingerabdrücke, Fotos, Gendaten etc.) der § 209-Opfer (VO vom 12.08.2003, BGBl II 361/2003).

 

Zudem verlangen sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur, dass nicht nur die elektronisch verarbeiteten sondern auch die manuell verarbeiteten Daten in den Polizeidateien (einschließlich der Protokolle) zu löschen sind bzw. waren (VfGH 30.11.2005, B 1158/03; VfGH 15.12.2005, B 1590/03; VfGH 26.01.2006, B 1581/03; VfGH 26.01.2006, B 764/04; VwGH 19.12.2005, 2005/06/0140 u.v.a.m.).

 

Jüngst erkannte der EGMR ausdrücklich in der mangelnden Vernichtung der polizeilichen Erhebungskopienakten (deren Originale ohnehin von den Gerichten und Staatsanwaltschaften aufbewahrt werden) nur deshalb keine Verletzung der EMRK, weil alle elektronisch verarbeiteten Daten vollständig gelöscht worden und die manuellen Protokolle (Indexkarten, Protokollbücher) vollständig anonymisiert worden waren, sodass die Papierakten anhand der Protokolle nicht mehr auffindbar sind (F.J. & E.B. v Austria dec. 25.03.2014, par. 14, 18, 32, 73, 76, 78, 79).

 

Zudem hat der EGMR vor kurzem die fortgesetzte Speicherung von Verurteilungen auf Grund des § 209 StGB im Strafregister als Menschenrechtsverletzung erkannt (E.B. et al v Austria judg. 07.11.2013).

 

2005 (Stichtag 12.07.2005) waren im Strafregister noch immer 1.434 Verurteilungen auf Grund der homophoben §§ 209, 210, 220, 221 StGB (und ihrer Vorgänger §§ 129 I, 500 a, 517, 518 StG) sowie sogar des Totalverbotstatbestandes § 129 I b) StG eingetragen (Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Inneres 26.07.2005 XXII. GP-NR 3039/AB = BMI 4400/613-II/BK/3/05). Nicht bekannt ist, wie viele Strafregistereintragungen wegen derartiger homophober Verurteilungen aktuell noch existieren.

 

Die unterfertigenden BundesrätInnen stellen daher folgende

ANFRAGE

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 209 StGB (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 129 I StG (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 129 I b) StG (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 210 StGB (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 500 a StG (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 220 StGB (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 517 StG (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 221 StGB (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?

 

  1. Wie viele Verurteilungen nach § 518 StG (als alleiniges oder führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik) sind noch im Strafregister eingetragen?