3739/J-BR/2020

Eingelangt am 12.03.2020
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Dringliche Anfrage

§ 61 Abs. 3 GO-BR

der Bundesräte Leinfellner, Ofner, Mühlwerth und weiterer Bundesräte

an den Bundesminister für Inneres

betreffend restriktiver Schutz unserer Staatsgrenze anstatt Willkommenskultur

 

Am 29. Februar 2020 kündigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an, Migranten unkontrolliert über türkisches Staatsgebiet in die Europäische Union (EU) passieren zu lassen. "Wir haben die Tore geöffnet”, so seine Botschaft nicht nur an jene Personen, die von den militärischen Kämpfen um die Jihadisten-Hochburg Idlib (Syrien) betroffen sind, sondern auch an Millionen Migranten, die teilweise schon seit Jahren in der Türkei angesiedelt sind.

Medienberichten zu Folge befindet sich aktuell knapp eine Million Migranten auf dem Weg nach Europa. Griechische Behörden haben nach der türkischen Grenzöffnung innerhalb von zwei Tagen mehr als 24.200 versuchte illegale Grenzübertritte verzeichnet. Die griechische Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, um dem Ansturm der Menschenmenge Einhalt zu gebieten.

Die Regierung in Athen verlautbarte, dass sie keinen illegalen Grenzübertritt dulden werde, und ordnete als Sofortmaßnahme die Aussetzung des Asylrechts an. Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis erklärte dazu am 1. März 2020, dass die Behörden für zumindest einen Monat keine Asylanträge mehr akzeptieren werden. Illegale Migranten, die es trotzdem ins Land schaffen, werden umgehend in ihr Herkunftsland abgeschoben.

Als Reaktion darauf ließ am 5. März 2020 der türkische Innenminister Süleyman Soylu 1.000 Polizisten an die türkische Grenze abkommandieren, um ein Zurückströmen jener Migranten zu unterbinden, die bereits die Türkei in Richtung EU verlassen hatten, aber nicht in Griechenland einreisen konnten. Die türkische Regierung nimmt diese Personen schlichtweg nicht wieder auf. Darüber hinaus gab Soylu bekannt, dass die Türkei ihre Landesgrenze zu Syrien für vermeintliche und tatsächliche Flüchtlinge öffnen werde, sodass diese rasch nach Europa gelangen können.

Darüber hinaus scheint es fraglich, ob die griechischen Sicherheitskräfte dem immer größer werdenden Druck der sich in Bewegung setzenden Migrantenwelle aus Syrien noch lange standhalten werden können.

Trotz dieser prekären Situation, die auch auf Österreich unmittelbare Auswirkungen haben kann - siehe die Massenmigrationswelle 2015 - vermag sich die derzeit amtierende türkis-grüne Bundesregierung nicht zu einer abgestimmten Position durchzuringen. Zu tief sind die Gräben zwischen ÖVP und Grünen in dieser Frage. Zu effektiven Maßnahmen im Sinne eines restriktiven Grenzschutzes sind weder Bundeskanzler Sebastian Kurz noch Innenminister Karl Nehammer bereit. Im Gegenteil: Eine dem Vernehmen nach für diese Woche in Nickelsdorf (Burgenland) geplante Grenzschutzübung von Bundesheer- und Polizeieinheiten soll vor wenigen Tagen abgesagt worden sein - just nachdem FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl eine solche Übung öffentlich gefordert hatte. Informationen dahingehend, wie die österreichische Bundesregierung gedenkt, im Ernstfall die heimischen Grenzen wirksam zu schützen, bleiben Türkis und Grün weitgehend schuldig.

Dass die Bundesregierung in der Frage der aktuellen Migrationskrise nicht mit einer Stimme spricht, kann für Österreich verheerende Auswirkungen haben. Nur zu gut sind die verheerenden Bilder vom Herbst 2015 in Erinnerung: Grenzsturm auf der Murbrücke in Radkersburg, Menschenmassen in Spielfeld, devastierte öffentliche und private Einrichtungen und vieles mehr.

Darüber hinaus dürfen auch die mittel- und langfristigen Folgen der verhängnisvollen Politik der offenen Grenzen des Jahres 2015 nicht außer Acht gelassen werden. Die Migrationswelle hatte nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf das Sozial-, Bildungs­und Gesundheitswesen des Landes, sondern belastete auch das Budget in einem ungeahnten und nicht vorhergesehenen Ausmaß. Auch in den Jahren danach verursachte die Migrationskrise von 2015 massive Mehrkosten, da ein großer Teil der asylberechtigten Personen Leistungen aus der Mindestsicherung bezog und sich unzählige Verfahren über Jahre erstreckten.

Die Bundesregierung ist daher gefordert, entschlossene und präventive Maßnahmen zu setzen, um den an der griechischen Grenze wartenden Migranten zu signalisieren: „No Way - Versucht es erst gar nicht!“ Die Aussetzung des Asylrechts, wie von Griechenland aktuell praktiziert, die Erhöhung der Zahl der derzeit im Rahmen des laufenden Assistenzeinsatzes eingesetzten Soldaten, die Durchführung einer groß angelegten Grenzschutzübung und ein effektiver Schutz der EU-Außengrenze sind daher das Gebot der Stunde.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Bundesräte nachstehende

Dringliche Anfrage

1.   Welche Maßnahmen bereiten Sie konkret zum Schutz der österreichischen Grenzen vor?

2.    Können diese Maßnahmen sicherstellen, dass illegale Grenzübertritte konsequent verhindert werden?

3.    Sind bauliche Maßnahmen zur Sicherung der Grenzen in Vorbereitung?

4.    Wenn nein, warum nicht?

5.    Wenn ja, welcher Art und in welchem Umfang?

6.    In welchen Bundesländern und wo genau sind bauliche Maßnahmen zur Sicherung der Grenzen geplant?

7.   Werden sich diese baulichen Maßnahmen genau auf der Staatsgrenze oder bereits auf österreichischem Staatsgebiet befinden?

8.   Sollten keine baulichen Maßnahmen geplant sein, wie werden die Grenzen anderweitig vor Übertritten illegaler Einwanderer geschützt?

9.   Welche Maßnahmen sind seitens des Bundesministeriums für Inneres geplant, wenn es zu Grenzstürmen kommen sollte?

10.Welche Maßnahmen sind seitens des Bundesministeriums für Inneres geplant, wenn es zu gehäuften illegalen Übertritten kommen sollte?

11.Wird es zur Abwehr illegaler Grenzübertritte den eingesetzten Beamten erlaubt sein, zum Selbstschutz oder aus anderen notwendigen Gründen, Warnschüsse abzugeben?

12.Wenn   nein, in welchen Situationen darf von der Waffe Gebrauch gemacht werden?

13.Wird   es zur Abwehr illegaler Grenzübertritte erlaubt sein, Wasserwerfer, Tränengas oder Gummigeschosse einzusetzen?

14.Wenn nein, warum nicht?

15.Wie viele Grenzübertritte wurden Ihren Informationen nach in Bulgarien und Griechenland seit der Grenzöffnung durch die Türkei gemeldet?

16.Wie viele Aufgriffe illegaler Migranten gab es seit der Grenzöffnung durch die Türkei in Österreich?

17.Wie viele Asylanträge wurden in Österreich bisher im März 2020 gestellt?

18.Wie viele Asylanträge wurden in Österreich in den Monaten Jänner und Februar 2020 gestellt?

19.Wie verhalten sich die Zahlen aus den bisherigen Monaten des Jahres 2020 im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen?

20.Werden parallel zur Verhinderung von illegalen Grenzübertritten auch Maßnahmen zur Aufnahme von potentiellen Migranten getroffen?

21. Wenn ja, warum?

22. Sind derzeit Maßnahmen geplant, um Migranten davon abzuhalten, österreichisches Staatsgebiet zu betreten?

23. Wenn ja, welche und wann werden diese gesetzt?

24. Sind derzeit verstärkte Maßnahmen geplant, illegale Migranten auf österreichischem Staatsgebiet anzuhalten und zu registrieren?

25.  Werden illegal eingereiste Personen auf Grund des Corona-Virus in Quarantäne genommen?

26.  Wenn nein, warum nicht?

27.  Werden illegal eingereiste Personen auf das Corona-Virus getestet?

28.  Wenn nein, warum nicht?

29.  Welche genauen Befugnisse haben die Soldaten im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz?

30.  Sollen die bestehenden Befugnisse erweitert werden?

31. Wenn nein, warum nicht?

32.  Warum    wurde dem Vernehmen nach eine geplante Grenzschutzübung abgesagt?

33. Wer hat die Entscheidung zur Absage dieser Übung getroffen?

34.  Wie schätzen Sie bzw. Ihre Experten die Gefahr ein, dass - wie bereits im Jahr 2015 geschehen - (potentielle) Terroristen/Jihadisten in die EU einsickern wollen?

35.  Welche    Maßnahmen werden gesetzt, um die Einsickerung potentieller Terroristen zu vermeiden?

36.  Welche   Überlegungen gibt es, die Bekämpfung der illegalen Migration in Kooperation mit Drittstaaten in den Griff zu bekommen?

37. Welche Gespräche führten Sie diesbezüglich bereits mit Vertretern von Staaten, die entlang der der Balkanroute liegen?

38. Welche Ziele verfolgen Sie auf europäischer und zwischenstaatlicher Ebene, um die illegale Einwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen schnellstmöglich einzudämmen?

39.  Ist die von Bundeskanzler Kurz medial geschlossene Balkanroute wieder geöffnet?

40.  Wie viele illegal eingereiste Migranten befinden sich derzeit Ihren Informationen zufolge derzeit in den folgenden Staaten: Griechenland, Bulgarien, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Slowenien, Rumänien, Ungarn?

41.  Wie    viele illegale Grenzübertritte verzeichneten diese Staaten Ihren Informationen zufolge seit Beginn des Jahres 2020, aufgeschlüsselt auf Staaten und die Monate Jänner, Februar und März?

42.  Wird es auf Grund des zu erwarteten neuen Migrationsansturms eine Erhöhung des Budgets „Inneres und Fremdenwesen“ für 2020 geben?

43.  Wenn ja, wie hoch wird dieses ausfallen?

44.  Wenn nein, warum nicht?

45.  Werden Sie die gesetzlichen Grundlagen auf Grund der zu erwarteten Migrationskrise verschärfen?

46.  Wenn ja, wann werden welche Verschärfungen angedacht?

47.  Ziehen Sie eine temporäre Aussetzung des Asylrechts in Betracht?

48.  Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

49. Wenn nein, warum nicht?

50.  Können Sie ausschließen, dass Österreich, wie von Vizekanzler Kogler und von Bundespräsident Van der Bellen gefordert, Minderjährige aus den Migrantenlagern in Griechenland nach Österreich holt?

51. Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen sind geplant?

52.  Können Sie ausschließen, dass Österreich, wie von Vizekanzler Kogler und von Bundespräsident Van der Bellen gefordert, Frauen aus den Migrantenlagern in Griechenland nach Österreich holt?

53.  Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen sind geplant?

54.  Werden Sie sich auf EU-Ebene gegen eine Aufnahme von Migranten aus Griechenland und gegen eine Verteilung auf die EU-Staaten stark machen?

55. Wie viele unbegleitete Minderjährige erhielten, aufgeschlüsselt auf die Jahre 2015 bis 2019, in Österreich Asyl bzw. subsidiären Schutz?

56. Wie viele dieser Minderjährigen waren über 15 Jahre alt?

57.  Wie  viele Familienmitglieder dieser in Österreich mit Asyl oder subsidiärem Schutz versehenen Minderjährigen erhielten, aufgeschlüsselt auf die Jahre 2015 bis 2019, im Wege des Familiennachzugs daraufhin Asyl oder subsidiären Schutz?

58. Wird Österreich im Jahr 2020 Flüchtlinge im Wege von Relocation- oder Resettlement-Programmen aufnehmen?

59.  Wenn   ja, wie viele Personen sollen im Wege dieser Programme nach Österreich kommen?

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 61 Abs 3 GO-BR dringlich behandeln und dem Erstanfragesteiler Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.