3779/J-BR/2020

Eingelangt am 24.06.2020
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Dringliche Anfrage

Gemäß § 61 Abs. 3 GO-BR

der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Korinna Schumann, Andrea Kahofer, Bettina Lancaster,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Gemeindefinanzen krisensicher machen!

 

COVID-19 hat die schlimmste Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise seit dem 2. Weltkrieg ausgelöst, die Regierung hat sie durch den beispiellosen Shutdown massiv verschärft. Diese Krise ist überwältigend, sie stürzt Menschen in Existenzängste und Zukunftssorgen, lässt Firmen in die Pleite schlittern und bringt auch die Bundesländer und Gemeinden in schwere finanzielle Bedrängnis.

Als BundesrätInnen haben wir, ebenso wie unsere KollegInnen im Nationalrat, wichtige Schritte zur Absicherung von Unternehmen und ArbeitnehmerInnen gesetzt – alleine, die Auszahlung lässt bei viel zu vielen Menschen nach wie vor auf sich warten. Bei Unterstützungen für Gemeinden war der Regierung bis vor Kurzem mit keinem Mittel, das uns die Geschäftsordnung in die Hand gibt, beizukommen. Schritte zur Absicherung der Gemeindefinanzen lassen bis heute auf sich warten. Es sind wichtige Initiativen des Parlaments nicht aufgenommen worden, oder unerledigt geblieben.

Ein Beispiel dafür ist der Entschließungsantrag zum Thema „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“, der am 4.4.2020 im Bundesrat bei einer namentlichen Abstimmung eine Mehrheit von 20 zu 15 fand und somit angenommen wurde. Konkret heißt es in der Beschlussformel:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat ehestmöglich, spätestens jedoch zur Beschlussfassung zum Budget für 2020  im April diesen Jahres, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Bund den Gemeinden die sinkenden Ertragsanteile und die reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abgilt, damit die vollständige Aufrechterhaltung der Gemeindeleistungen für die Österreicherinnen und Österreicher in der Krise und der anschließenden Phase der wirtschaftlichen Erholung finanziert werden kann.“

Uns war die namentliche Abstimmung wichtig und letztlich müssen wir festhalten: damals haben namhafte ÖVP-Bundesräte, die auch Bürgermeister sind oder ehemals waren, gegen die Absicherung der Gemeindefinanzen gestimmt. Die selbsternannte Bürgermeisterpartei ÖVP hat hier ihre BürgermeisterInnen vergessen. Wohl vor allem deshalb, weil die Bundesregierung und insbesondere der Finanzminister hier der Opposition nicht folgen wollte, obwohl sie wissen mussten, dass die Gemeinden in ein Finanzdebakel schlittern würden. Es ist also festzuhalten, dass die Regierungsfraktionen hier aus machttaktischem Kalkül und nicht aus Faktenbasis agiert haben und damit dazu beigetragen haben, dass die Situation mancher Gemeinden mittlerweile ähnlich angespannt ist, wie jene von Unternehmen, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Kosten decken sollen.

Und auch ein weiterer Entschließungsantrag, jener vom 4. Juni 2020, mit dem wir SozialdemokratInnen erneut eine Rettung der Gemeindefinanzen forcieren wollten, hat bis heute trotz eines mehrheitlichen Beschlusses in diesem Haus keine Umsetzung gefunden.

Obwohl wir im Bundesrat alle uns möglichen Schritte gesetzt haben, ist in dieser Hinsicht von Seiten der Regierung nichts nennenswertes passiert. Das ist, abseits der Missachtung des Parlaments, ein massives Problem: Während die 2095 Gemeinden stetig hochqualitative Leistungen im Sinne ihrer EinwohnerInnen tagtäglich erfüllen, sinken deren Einnahmen.

Zum Beispiel die Einnahmen aus der Kommunalsteuer. Das stellt eine ganz massive Problematik für die Erhaltung von Infrastruktur, aber auch der Sicherstellung der Daseinsvorsorge dar, die ja trotz niedrigerer Einnahmen funktionieren muss. Letztlich kommen die Gemeinden damit massiv unter Druck und können Angebote für ihre BewohnerInnen nicht länger finanzieren.

Als BundesrätInnen sehen wir uns als den Gemeinden und den Ländern in besonderem Maße verpflichtet, weshalb die langanhaltende Untätigkeit der Bundesregierung für uns unverständlich ist. Der Bundesrat hat mit klarer Mehrheit eine Aufforderung an die Bundesregierung gerichtet, die bis heute nur unzureichend beachtet wurde.

Das heute beschlossene Kommunalinvestitionsgesetz über rund 1 Mrd. Euro ist kein großer Wurf, wir erkennen aber an, dass es jenen Gemeinden, die daraus Geld abholen können, hilft – deshalb haben wir diesem auch zugestimmt. Um die Probleme in der Vorlage der Regierung auszuräumen, hat die Sozialdemokratie im Nationalrat einen Abänderungsantrag eingebracht. Zentral in der Kritik stand darin die Co-Finanzierung, die vielen Gemeinden den Zugang zu dem Hilfspaket der Regierung verunmöglicht, weil diese auf Grund fehlender Liquidität die Investitionsvoraussetzung gar nicht erfüllen können. Das Problem: Wer für seine Fixkosten kein Geld mehr hat, kann auch keine Investitionen tätigen. Diese Reparatur wurde aber mit der Mehrheit von ÖVP und Grünen abgelehnt, womit viele Gemeinden weiterhin vor ein großes Finanzierungsproblem gestellt sind – sie werden keinen Anspruch auf Leistungen aus diesem Kommunalinvestitionsgesetz haben.

Als Bundesrat ist die Vertretung der Bundesländerinteressen eine unserer zentralen Aufgaben in der Bundesgesetzgebung, womit wir uns in der aktuellen Situation auch besonders für die Gemeinden verantwortlich fühlen. Letztere werden jedoch – so wie viele Unternehmen und Menschen in unserem Land – von der Regierung vergessen. Wir wollen die Leistungsfähigkeit der Daseinsvorsorge, die Investitionsmöglichkeiten der Länder und Gemeinden sichern und den Jobmotor in den Regionen wieder zum Laufen bringen. Die Strategie der Bundesregierung erschließt sich uns nicht, daher stellen die unterfertigten BundesrätInnen folgende

Dringliche Anfrage

1.             30,6% der Einnahmen von Gemeinden entfallen auf die Ertragsanteile (Anteil der Gemeinden an der Summe der vom Bund eingehobenen Steuern, v. a. Einkommensteuer, Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer), von welcher Höhe an Einnahmeverlusten im Jahr 2020 gehen Sie bzw. Ihr Ministerium für alle Gemeinden aus?

 

2.              11,3% der Einnahmen generieren Gemeinden durch die Kommunalsteuer, von welcher Höhe an Einnahmeverlusten im Jahr 2020 gehen Sie bzw. Ihr Ministerium für alle Gemeinden aus?

 

3.             Haben Sie Ihrem Ministerium den Auftrag gegeben die Finanzsituation der Gemeinden in und nach der Coronakrise zu analysieren und zu bewerten?

a.         Wenn ja, welche Sektion wurde damit betraut?

b.        Wenn ja, was waren die Erkenntnisse der Untersuchung?

c.         In welcher Höhe beziffert Ihr Ministerium den Einnahmenverlust der Gemeinden insgesamt?

 

4.             Das Kommunalinvestitionsgesetz 2020 (KIG 2020) ist kein Konjunkturpaket. Planen Sie bzw. Ihr Ministerium ein Konjunkturpaket für Gemeinden, damit Projekte zur Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft umgesetzt werden können?

 

5.             Ist Ihnen bzw. Ihrem Ministerium bekannt, wie viele der 2095 Gemeinden in Österreich vom KIG real begünstigt sein werden?

a.         Wenn ja: Wie viele Gemeinden sind das?

b.        Wenn ja: Wie sind diese auf die Bundesländer verteilt?

c.         Wenn ja: Bis wann werden diese mit Zahlungen aus dem KIG 2020 rechnen können?

d.        Wenn nein: Auf Basis welcher Faktoren gehen Sie von der für das KIG budgetierten Summe von rd. 1 Mrd. Euro aus?

 

6.             Können Sie einschätzen, wie viel Geld aus dem KIG 2020 tatsächlich abgeholt werden wird?

a.         Wenn ja: Wie hoch ist der Betrag der abgeholt wird?

b.        Wenn ja: Was geschieht mit jenen Mitteln, die nicht abgeholt werden können?

c.         Wenn ja: Wird der Rahmen des KIG 2020 ausreichen, um alle Gemeinden, die förderungswürdig sind, auch tatsächlich zu bedienen?

d.        Wenn nein: Auf Basis welcher Faktoren gehen Sie davon aus, dass das KIG 2020 die Gemeinden tatsächlich unterstützt?

 

7.             Planen Sie bzw. Ihr Ministerium ein Hilfspaket, um die sinkenden Ertragsanteile sowie die reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abzugelten?

a.         Wenn ja, wie könnte ein solches Paket aussehen und wie hoch werden Sie dieses dotieren?

 

8.             Planen Sie bzw. Ihr Ministerium Erleichterungen bei der Darlehensaufnahme und Lösungen bei Leistungsentgelten im Kinderbetreuungsbereich?

 

9.             Wie sollen die Kommunen die Finanzierung der Kinderbetreuung, Rettungs- und Feuerwehrwesen, Schulerhaltung, Spitäler, Abwasserentsorgung und Wasserversorgung aufrechterhalten, wenn ihnen ein erheblicher Einnahmenentfall, aufgrund des reduzierten Steueraufkommens, droht?

a.         Welchen Maßnahmenkatalog planen Sie bzw. Ihr Ministerium, damit die Kommunen nicht in die Zahlungsunfähigkeit schlittern?

 

10.         Welche Maßnahmen planen Sie, um eine Situation wie nach der Finanzkrise 2008, als sich die Investitionen auf Gemeindeebene nur sehr langsam erholten und de facto zehn Jahre brauchten, um wieder an das Vorkrisenniveau anzuschließen, zu verhindern?

 

11.         Können Sie ausschließen, dass es zu Privatisierungen der in der Gemeinde befindlichen Dienstleistungen (z.B. Freibäder, Wohn- und Geschäftsgebäude) kommt?

a.         Wie werden Sie eine mögliche Ausgliederung der Dienstleistungen von der öffentlichen in die private Hand verhindern?

12.         Gibt es konkrete Pläne, wie in Zukunft der Finanzausgleich gestaltet werden soll?

a.         Wenn ja, welche?

b.        Wenn nein, warum nicht?

 

13.         Wie stehen Sie bzw. Ihr Ministerium zu einem aufgabenorientierten Finanzausgleich?

 

14.         Gibt es Überlegungen in Ihrem Haus, dass Gemeinden über die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA), Finanzmittel aufnehmen können?

a.         Wenn ja: Welche?

b.        Wenn nein: Wieso nicht?

 

15.         Gedenkt das Bundesministerium für Finanzen in Zukunft sicherzustellen, dass Gemeinden unabhängig von der politischen Partei des Bürgermeisters, gleichmäßig Landeszuwendungen und -zuschüsse erhalten?

a.         Wenn ja: Wie?

b.        Wenn ja: Bis wann?

c.         Wenn nein: Warum nicht?

 

16.         Vor wenigen Tagen wurden in Niederösterreich die Abrechnung der Abgabenanteile an die Gemeinden übermittelt. Zunehmend wird bekannt, dass hier Rückzahlungen zu leisten sind, während andererseits das Kommunalinvestitionsgesetz 2020 Ausgaben fordert, die dann zu maximal 50 Prozent vom Bund übernommen werden. Ist Ihnen bzw. Ihrem Ministerium dieser Umstand bekannt?

 

17.         Erscheint es Ihnen, als zuständigem Minister, nicht kontraproduktiv, in einer finanziell angespannten Situation, in der Gemeinden um ihre Finanzmittel fürchten, auch noch Rückzahlungen zu fordern?

 

18.         Ist Ihnen als zuständigem Minister bekannt, wie viele Gemeinden in Niederösterreich von solchen Rückforderungen des Landes betroffen sind?

a.         Wenn ja: Wie viele Gemeinden sind von derartigen Rückforderungen betroffen?

b.        Wenn ja: Nennen Sie die Gemeinden, die von Rückforderungen betroffen sind.

c.         Wenn ja: Wie hoch ist das Volumen der Rückforderungen in Niederösterreich gesamt?

d.        Wenn ja: Wie hoch ist das Volumen der Rückforderungen in Niederösterreich pro Gemeinde, listen Sie diese auf.

e.         Wenn nein: Warum nicht?

 

19.         Ist Ihnen als zuständigem Minister bekannt, ob auch in anderen Bundesländern ein derartiges Vorgehen gewählt wird?

a.         Wenn ja: In Welchen?

b.        Wenn ja: Nennen Sie die Beträge, die pro Bundesland zurück zu zahlen sind.

c.         Wenn ja: Nennen Sie die Gemeinden, in denen Rückforderungen gegeben sind und nennen Sie die Höhe derselben.

d.        Wenn ja: Wie gedenken Sie, die Gemeinden zu unterstützen, damit sie hier nicht in einer ohnehin angespannten Situation weiter unter Druck kommen?

e.         Wenn nein: Wieso wählt Niederösterreich hier einen Sonderweg?

f.          Wenn nein: Wieso nicht?

 

20.         Ist es bei einer Rückverrechnung von Ertragsanteilen an das Land nicht so, dass die Gemeinden letztlich Teile des Kommunalinvestitionsgesetz 2020 selbst bezahlen?

a.         Wenn ja: Ist das von Ihrem Ministerium beabsichtigt?

b.        Wenn ja: Zahlen dann nicht benachteiligte Gemeinden die Förderungen für geförderte Gemeinden?

 

 

 

 

 

Unter einem wird in formeller Hinsicht verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 61 Abs. 3 GO-BR vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.