3825/J-BR/2021

Eingelangt am 28.01.2021
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Anfrage

Dringliche Anfrage

§ 61 Abs. 3 GO-BR

 

der Bundesräte Steiner, Ofner

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Herr Bundeskanzler, wieso sperren Sie die Schulen zu?

 

Seit 23. Dezember 2020 sind die Schulen – nach einer kurzen dreiwöchigen Öffnungsphase – nun bereits wieder fünf Wochen lang defacto geschlossen und werden es auch noch etliche Wochen sein. Noch kurz vor den Weihnachtsferien kündigte Bundesminister Faßmann an, dass mit 7. Jänner 2021 die Schulen wieder „starten können“.

 

Auch alle namhaften Experten drängen auf eine Schulöffnung und warnen vor Kollateralschäden. So zum Beispiel die Experten der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde:

 

Die Theorie, dass Kinder und Jugendliche vermehrt von der neuartigen Virusmutation B117 betroffen seien, wurde von der britischen Gesundheitsbehörde inzwischen widerlegt. Und selbst bei einer höheren Ansteckungsrate durch die neue Variante halten die österreichischen Pädiater aufgrund der auch hier durchwegs milden Krankheitsverläufe bei Kindern sowie deren geringere Infektiosität und nicht zuletzt durch die großen Nachteile des Distanzlernens geplante Schulschließungen nur als allerletzte Notmaßnahme für sinnvoll (Kronen Zeitung am 8. Jänner 2021, Seite 6)

 

Bildungspsychologin Christiane Spiel hat in einer Studie erhoben, wie es den Schülerinnen und Schülern im Lockdown ergeht – mit „alarmierenden Ergebnissen“:

 

Viele hätten die Lernfreude verloren, seien verzweifelt und machten sich ernste Sorgen um ihre Zukunft. (orf.at am 11. Jänner, https://orf.at/stories/3196820/)

 

Das ifo Institut warnt vor Einkommensverlusten im Erwerbsleben bei Schülern, deren Schulen in der Coronakrise lange geschlossen waren. „Geht etwa ein Drittel eines Schuljahres an Lernen verloren, so geht dies über das gesamte Berufsleben gerechnet im Durchschnitt mit rund 3 - 4 Prozent geringerem Erwerbseinkommen einher“, schreibt Ludger Wößmann, Leiter des ifo-Zentrums für Bildungsökonomik, in einem Aufsatz für den ifo-Schnelldienst. (https://www.ifo.de/node/55407)

 

Im Ö1-Morgenjournal vom 27.01.2021 schlägt der Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Univ.-Prof. Dr. Paul Plener, MHBA, Alarm:

 

Renner Franz (ORF): Immer stärker treten jedenfalls die negativen Folgen der Pandemie und wohl auch des Tür-auf-Tür-zu an den Schulen zutage. Da schlägt beispielsweise die Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Wiener AKH Alarm. Die Stationen seien überfüllt, es könnten nicht mehr alle Erkrankten behandelt werden. Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden demnach an Essstörungen oder Depressionen. Barbara Reichmann berichtet.

[…]

 

Reichmann Barbara (ORF): Seit Jahresbeginn sehe man ein Muster, dass Essstörungen enorm zunehmen, andererseits erleben viele Jugendliche deutliche depressive Episoden, sagt Paul Plener.



Plener Paul (AKH Wien): Von den Jugendlichen selber hören wir vielfach eine, ja, auch große Erschöpfung, große Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Stimmungsverschlechterung, auch mit Suizidgedanken oder Suizidversuche in der jüngeren Vergangenheit.

[…]

 

Plener Paul (AKH Wien): Vor allem im Bereich acht bis zwölf mit einer deutlichen depressiven Symptomatik, was wir in dieser Stärke bislang nicht beobachtet haben.

Reichmann Barbara (ORF): Es gibt viele Gründe für diesen starken Anstieg, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater. Einen ganz Wesentlichen sieht er jedoch in den Schulschließungen und im sozialen Rückzug.


Plener Paul (AKH Wien): Dem Verlust von positiven Erlebnissen im Alltag, dem Verlust von sozialem Kontakt, was natürlich auch dann eine Abwärtsspirale bedingen kann im Bereich Depressionsentstehung oder eben auch im Bereich der Entstehung von Essstörungen.

 

Massive Zweifel an evidenzbasierten Entscheidungen

 

Auch alle „Corona-Zahlen“ die die Bundesregierung der Öffentlichkeit täglich präsentieren, lassen einen massiven Zweifel an der evidenzbasierten Entscheidung der Schulschließungen aufkommen.

 

So war die Zahl der aktuell Positiven mit etwa 50.000 zum Zeitpunkt der Schulöffnungen nach dem ersten Herbst-Lockdown rund zweieinhalbmal höher als am 7. Jänner mit etwa 21.000. Auch die Zahl der Hospitalisierten war wesentlich geringer und die Zahl jener, die ein Intensivbett belegen mussten, hat sich beinahe halbiert.

 

  

 

Auch der zuständige Bildungsminister Heinz Faßmann trat wiederholt und vehement für geöffnete Schulen ein, wird aber offensichtlich regelmäßig vom Bundeskanzler überstimmt.

 

Am 11. November 2020 waren für Faßmann die Schulschließungen nur eine „ultima ratio“. Am 15. Dezember verkündete er noch, dass die Schulen wie vorgesehen am 7. Jänner starten würden. Am Vormittag des 18. Dezembers hieß es, dass der 7. und 8. Jänner schulfrei seien und wenige Stunden später, dass nun diese beiden Tage doch nicht frei seien, sondern Fernunterricht stattfinden werde.

Anfang Jänner gab es die nächste Diskussion zur Verlängerung der Schulschließungen. Während der zuständige Minister Faßmann am Montag, 4. Jänner 2021, noch davon ausging, dass am 18. Jänner die Schulen wieder geöffnet würden, verkündete ÖVP-Klubobmann August Wöginger zeitgleich, dass das Aussetzen des Präsenzunterrichts noch länger dauern werde.

 

Die renommierte bürgerliche Journalisten Anneliese Rohrer kommentierte das am 22. Jänner in der „Die Presse“ wie folgt:

 

Sorry, Herr Professor: Es ist Zeit zu gehen

Verunsicherung, Widersprüche, Chaos wirken sich im Schulwesen aktuell fatal aus. Man sollte Heinz Faßmann nicht zumuten, das weiter durchzustehen.

[…]

Gute Berater hätten Ihnen die Blamage erspart, eine Schulöffnung zu verkünden, die der Klubobmann der ÖVP, Gustav Wöginger, am gleichen Tag ausschloss. Sie hätten sich vorher in Partei und Klub erkundigt. Sie wären auch akribisch darauf bedacht, dass sich der Eindruck der Hilflosigkeit nicht noch weiter verstärkt – auch durch Aussagen wie: „Man muss auch die Notwendigkeit, Schule als örtliches Ereignis stattfinden zu lassen, einpreisen.“ Wer immer diesen Satz verstanden hat, wird ihn als direkten Widerspruch zu Ihrer Aussage sehen, dass Schulschließungen ein bundeseinheitliches Vorgehen verlangten und dezentrales nur Verunsicherung schaffe.

 

Jetzt ist also schon wieder Chaos ausgebrochen, und die Versendung von Corona-Selbsttests wird als „Gesamtdesaster“ bezeichnet. Das wäre noch erwartbar gewesen, wären wirklich Test-Kids, also Kinder, wie auf der Aufschrift zu lesen war, statt Kits versendet worden.

Auch das ist nicht Ihre Schuld, aber Ihre Verantwortung. Sie wollen, so meinten Sie jüngst, „das bis zum Ende der Legislaturperiode durchstehen“. Bitte nicht. Sorry!

 

Möglicherweise besitzt der Bundeskanzler Informationen, die der Öffentlichkeit bis dato verschwiegen wurden, die seine höchstpersönliche Entscheidung, die Schulen dauerhaft geschlossen zu halten, nachvollziehbar begründen können. Es ist nun an der Zeit, die Öffentlichkeit und auch den zuständigen Bildungsminister am Geheimwissen des Bundeskanzlers teilhaben zu lassen, damit nun endlich alle Betroffenen nachvollziehen können, die Entscheidung des Bundeskanzlers, die Schulen geschlossen zu halten, tatsächlich aus nachvollziehbaren Gründen erfolgt und alternativlos ist – oder nicht.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte an den

Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage

 

1.)    Wann haben Sie den Bildungsminister vor Weihnachten über Ihren Wunsch informiert, dass die Schulen am 7. Jänner 2021 nicht aufgesperrt werden sollen?

2.)    Wann haben Sie den Bildungsminister vor Weihnachten informiert, dass der 7. und 8. Jänner nicht unterrichtsfrei sein sollen, sondern dass Fernunterricht sattfinden soll?

3.)    Welche Informationen lagen Ihnen zu diesem Zeitpunkt vor, die begründen, wieso Sie gegen den Willen des zuständigen Bildungsminister diese „Anweisung“ gaben?

4.)    Wieso haben Sie diese Informationen bis dato nicht der Öffentlichkeit bekannt gegeben?

5.)    Haben Sie dem Bildungsminister diese Informationen gegeben?

6.)    Wenn ja, wann?

7.)    Von welchen Personen oder Quellen haben Sie diese Informationen bezogen?

8.)    Wann haben Sie den ÖVP-Klubobmann Wöginger darüber informiert, dass die Schulen auch nach dem 18. Jänner geschlossen bleiben sollen?

9.)    Wann haben Sie den dafür zuständigen Bildungsminister darüber informiert, dass die Schulen auch nach dem 18. Jänner geschlossen bleiben sollen?

10.) Welche Informationen lagen Ihnen zu diesem Zeitpunkt vor, die begründen, wieso Sie gegen den Willen des zuständigen Bildungsminister diese „Anweisung“ gaben?

11.) Wieso haben Sie diese Informationen bis dato nicht der Öffentlichkeit bekannt gegeben?

12.) Haben Sie dem Bildungsminister diese Informationen gegeben?

13.) Wenn ja, wann?

14.) Liegen Ihnen inzwischen neue Informationen vor, die begründen, wieso die Schulen noch immer geschlossen sind?

15.) Kennt diese Informationen auch der Bildungsminister?

16.) Wenn ja, seit wann?

17.) Warum haben Sie diese Informationen bis dato der Öffentlichkeit verschwiegen?

18.) Von welchen Personen oder Quellen haben Sie dies Informationen bezogen?

19.) Hat Sie der Bildungsminister in diese Gesetzgebungsperiode bereits ersucht, ihm zu gestatten, als Minister zurückzutreten?

20.) Wenn ja, zu welchen Zeitpunkten mit welcher Begründung?

21.) Wenn ja, wieso haben Sie ihn gebeten, weiter im Amt zu bleiben?

22.) Würden Sie, wenn der Minister die Aufforderung der Journalistin Rohrer (und auch anderer) zum Anlass nähme, sein Amt zu Verfügung zu stellen, versuchen, ihn umzustimmen?

23.) Wenn ja, warum?

24.) Sollte der Bildungsminister nicht von sich aus zurücktreten, wann werden bzw. würden Sie ihm einen Rücktritt nahelegen?

25.) Welche Begleitmaßnahem wird die Bundesregierung setzen, um den von der Bildungswissenschafterin Spiel erhobenen „alarmierenden Ergebnissen“ entgegenzuwirken?

26.) Welche Begleitmaßnahem wird die Bundesregierung setzen, um den vom ifo-Institut prognostizierten Einkommensverlust entgegenzuwirken?

27.) Wie schaut der konkrete Plan der Bundesregierung für einen normalen Unterricht für alle Schüler im Schuljahr 2020/21 aus?

28.) Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es, wie von einigen Seiten bereits gefordert, eine großflächige Wiederholung des Schuljahres geben wird?

29.) Falls nein, wird es für die betroffenen Schüler Kompensationen geben wie z.B. Zahlungen in die Pensionskasse, Zuschüsse für die betroffenen Familien, etc.?