3834/J-BR/2021

Eingelangt am 09.02.2021
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Anfrage

 

der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Stefan Schennach,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

 

betreffend Was geschah mit dem Beitrag von 1 Million Euro für die Betreuung von Geflüchteten in Bosnien-Herzegowina?

 

Seit über einem Jahr machen ExpertInnen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vor Ort, wie Ärzte ohne Grenzen, der UNHCR und das Rote Kreuz, auf die menschenunwürdigen und menschenrechtswidrigen Lebensumstände der geflüchteten Menschen in Griechenland und in Bosnien bzw. Kroatien aufmerksam. Dabei betonen diese immer wieder die Notwendigkeit eines fairen Verteilungsschlüssels als Lösung für eine menschenrechtskonforme EU-Asylpolitik. 

Das Camp Lipa im Nordwesten Bosniens wurde im Dezember von der Internationalen Organisation für Migration geräumt, weil die bosnischen Behörden es nicht winterfest konstruiert hatten. Die geflüchteten und dort beherbergten Menschen mussten bei winterlichen Temperaturen und Regen gänzlich unter freiem Himmel übernachten und haben danach keinen adäquaten Ersatz für ihre Unterbringung erhalten. 

Gleichzeitig dokumentieren Menschenrechtsorganisationen Verstöße der EU-Agentur FRONTEX gegen das in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) festgehaltene Prinzip der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip), wonach Menschen an der Grenze der EU das Recht auf Einreise und Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren, also einem Asylverfahren, haben. Es existieren ebenso ausführliche Berichte von Menschenrechtsorganisationen u.a. von Human Rights Watch oder Amnesty International über illegale Pushback-Aktionen an den EU-Außengrenzen sowohl von kroatischen als auch von bosnischen Behörden. Auch an der österreichisch-slowenischen Grenze soll es zu Zurückweisungen und zu Kettenabschiebungen bis nach Bosnien-Herzegowina gekommen sein. Damit werden von EU-Mitgliedstaaten und EU-Beitrittskandidaten Menschenrechte gebrochen, Menschenrechtsverletzungen toleriert sowie die Genfer Flüchtlingskonvention und damit das Recht auf Asyl ausgehebelt. 

Laut einem Standard Artikel vom 31.12.2020 kündigte das Außenministerium an, dass Österreich eine Million Euro für die Betreuung von Geflüchteten in Bosnien-Herzegowina zur Verfügung stellen wird. Explizit wurde betont, die Hilfe vor allem für die Betreuung von "Frauen, Kindern und unbegleiteten Minderjährigen" aufzuwenden. NGOs haben diese Zweckwidmung sogleich kritisiert, da es sich bei Schutzsuchenden, die seit der Schließung des Lagers Lipa obdachlos sind, mehrheitlich um alleinstehende Männer handeln würde. Der österreichische Beitrag kommt über die Austrian Development Agency (ADA) der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zugute, teilte das Außenministerium mit. Der Beitrag soll "in den nächsten Tagen zur Verfügung stehen", hieß es. "[1]

Die EU kündigte zudem zu Jahresbeginn 3,5 Millionen Euro an humanitärer Hilfe an, an der auch Österreich beteiligt ist.

Offenbar sind die zugesagten Gelder der österreichischen Bundesregierung jedoch nie in Bosnien angekommen.

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.       Neben der zitierten Ankündigung im Standard haben Sie im Rahmen der Beantwortung der Dringlichen Anfrage am 28.1.2021 im Bundesrat von einer Million Euro für die Bewältigung der Flüchtlingssituation in Bosnien gesprochen, die das Außenministerium bereits überwiesen hat. Hilfsorganisationen berichten jedoch, dass dieses Geld nie angekommen ist.

a.       Durch welchen Beschluss erfolgte diese Hilfszahlung?

b.       Handelt es sich dabei um einen Ministerratsbeschluss und wenn ja, wann ist dieser erfolgt?

c.       Handelt es sich dabei um eine ressortinterne Entscheidung?

d.       Wann wurden diese Hilfszahlungen freigegeben?

e.       An wen (welche Organisation/welche NGO‘s/welche Institutionen) wurde dieses Geld überwiesen?

f.        Über welche Organisation bzw. über welche Organisationen wurde dies abgewickelt?

g.       Aus welchem Detailbudget und von welchem Detailkonto wurde dieser Beitrag entnommen?

h.       Wie lautet der genaue Verwendungszweck bzw. welche konkreten Projekte und konkreten Aktivitäten sollen vor Ort finanziert werden?

i.         Wie soll dieser Beitrag konkret vor Ort die Situation der Geflüchteten verbessern?

j.         Wurden damit Hilfsgüter gekauft? Falls ja welche, falls nein was wurde damit konkret finanziert?

k.       Wie wird bzw. wurde sichergestellt, dass der Beitrag dort ankommt, wo es geplant war?

l.         Wie wird bzw. wurde sichergestellt, dass die Hilfszahlungen direkt zur Verbesserung der Zustände in den Lagern rund um Bihac zur Verfügung gestellt werden?

 

2.       Welche Aktivitäten (bilaterale Gespräche, Abstimmung in EU-Gremien, etc.) setzen Sie bzw. Ihr Ressorts für eine mittel- und langfristige Lösung dieses Flüchtlingsdramas, dieser humanitären Katastrophe?

 

3.       Welche Aktivitäten (bilaterale Gespräche, Abstimmung in EU-Gremien, Besuch vor Ort, etc.) wurden bisher schon gesetzt und welche sind noch geplant?

 

4.       Was haben Sie bzw. andere Mitglieder der Bundesregierung bisher bilateral unternommen eine Verbesserung der Situation der Geflüchteten in Bosnien zu erwirken?

 

5.       Was haben Sie bzw. andere Mitglieder der Bundesregierung auf europäischer Ebene bisher getan, um die Zustände in Flüchtlingslagern vor bzw. innerhalb der europäischen Union zu verbessern?

 

6.       Was haben Sie bzw. andere Mitglieder der Bundesregierung auf europäischer Ebene bisher unternommen, um die bekannten Menschenrechtsverletzungen an der bosnisch-kroatischen Grenze, also an der EU-Außengrenze zu stoppen und den geflüchteten Menschen dort ein faires Asylverfahren zu ermöglichen?

 

7.       Ist Ihnen bekannt, dass die Flüchtlinge in Busse verfrachtet wurden und 28 Stunden quer durch das Land gefahren wurden, um letzten Endes wieder am Ausgangsort anzukommen?

 

8.       Laut Medienberichten werden regelmäßig aufgegriffenen Flüchtlingen u.a. ihre Schuhe bzw. auch ihre Mobiltelefone von der kroatischen Grenzpolizei abgenommen[2]. Haben Sie diesbezüglich bereits mit Ihrem kroatischen Amtskollegen Kontakt aufgenommen und dieses Vorgehen verurteilt?

 



[1] https://www.derstandard.at/story/2000122870808/schallenberg-kuendigt-eine-million-euro-fuer-fluechtlinge-in-bosnien-an;
Stand: 04.02.2021

[2] https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5934086/Migrationskrise_Vergessen-hinter-der-Grenze-zu-Bosnien;
Stand: 08.02.2021