3839/J-BR/2021
Eingelangt am 09.02.2021
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Anfrage
der BundesrätInnen Korinna Schumann, Stefan Schennach, Wolfgang Beer,
Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
betreffend: „Was tun, wenn das Internet zerreißt?“
Das Ereignis des Blackouts hat sich in den letzten Jahren verstärkt zu einem realen Bedrohungsszenario entwickelt. Einem Bedrohungsszenario, das eine Gefahr für das gesamte europäische Stromnetz und unser ganz alltägliches Leben in all seinen Facetten darstellt und unserem Leben, wie wir es kennen, de facto den Stecker ziehen würde. Dass ein Eintritt nicht unwahrscheinlich ist, darauf weist der Blackout- und Krisenvorsorgeexperte Herbert Saurugg seit langem hin – zuletzt kam es am 8. Jänner 2021 zu einem schweren Zwischenfall im europäischen Stromnetz[1].
Schon im Zusammenhang mit Blackouts wurde immer wieder auch die Frage von Kommunikationsmitteln und der Übertragung von Nachrichten aufgeworfen. Alleine: ausreichende, beziehungsweise tragfähige Antworten finden sich kaum.
Nun berichtete der Standard am 8. Februar 2021 in seiner Onlineausgabe von einem neuen Bedrohungsszenario, nämlich einer schweren Störung des Internets. Das Ministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus beschäftige sich im Rahmen von KIRAS unter dem Arbeitstitel „ISIDOR“ gemeinsam mit der Forschungsförderungsgesellschaft, dem Innenministerium aber auch die Universität für Bodenkultur mit einem derartigen Szenario und versuche Erkenntnisse zu gewinnen[2].
Das sei vor allem dahingehend wichtig, dass es im Gegensatz zu einem Blackout bei einem Ausfall des Internets keine Vorbereitung gibt, wie mit dieser Situation umzugehen ist. Österreich ist für diesen Fall also offenbar gänzlich unvorbereitet. Insbesondere wird in dem Bericht des Standard vor einem Kaskadeneffekt gewarnt. Wenn es zu einem Netz-Blackout kommt, der einen schweren Störfall darstellt, sei möglicherweise auch die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln oder Wasser beeinträchtigt.
Insofern – und das wird ja auch auf der Homepage von KIRAS dargestellt – fallen Kommunikation und Information in den Bereich der kritischen Infrastrukturen[3], die besonders schützenswert und für unser aller Leben essentiell sind. Dass es hier keine ausreichenden Strategien zu geben scheint, stimmt nachdenklich und mit Blick auf die von der Regierung regelmäßig veröffentlichten Schreckensszenarien in verschiedenen Bereichen, als blinder Fleck dieser Bundesregierung.
Zudem überrascht, dass laut der Projektbeschreibung zu „ISIDOR“ zwar das Ministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus mit dem Ministerium für Inneres und jenem für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zusammenarbeitet, nicht jedoch mit jenem für Landesverteidigung. Dabei, so die Projektbeschreibung, liegt der Fokus von „ISIDOR“ auf einer Ereignisabschätzung ab Eintritt des Szenarios und nicht etwa bei der Cyberkriminalität, die zu solch einem Ereignis führen kann.
Konkret wird die Situation folgendermaßen beschrieben:
„Während das Thema Internetausfall bisher primär mit der Brille der Cyber-Security betrachtet wurde, d.h. die Zeitspanne vor einem Ereignis, adressiert ISIDOR die Zeitspanne ab Eintritt eines Ereignisses. Dazu gehört das Aufzeigen von Wirkungszusammenhängen und von (bisher ggf. unerkannten) Kaskadeneffekten innerhalb unterschiedlicher KI Sektoren sowie sektorübergreifend. Solchen vernetzten Krisen liegt eine Komplexität zugrunde, der Organisationen bzw. Regionen im Alleingang nicht gewachsen sind, und es ist zu befürchten, dass eine massive Einschränkung von Internet-basierten Diensten eine Kette von Versorgungsengpässen auslösen könnte, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen.“
Die Bedrohung scheint also durchaus real, die Antworten, die es in solch einer bedrohlichen Situation jedoch bräuchte, sind nirgendwo ablesbar. Aus diesem Grund ergeben sich diverse Fragen, die aus Sicht der SPÖ im Bundesrat keinen Aufschub dulden. Daher stellen die unterfertigten BundesrätInnen folgende
Anfrage
1) Gibt es einen konkreten Anlassfall, um die Frage eines Netz-Blackouts zu untersuchen?
a. Wenn ja: Welchen?
b. Wenn ja: Geben Sie bitte konkrete Informationen zu dem Anlassfall (Datum, Ort, Sachverhalt, etc.)
c. Wenn nein: Aus welchem Grund wird dieses Szenario jetzt verstärkt bearbeitet?
2) Wie hoch sind die Gesamtkosten für das jetzt durch KIRAS gestartete Projekt „ISIDOR“? Aus welchen Budgetmitteln werden diese gedeckt?
3) Liegen Ihnen bereits Erkenntnisse aus dem Projekt „ISIDOR“ vor?
a. Wenn ja: Welche?
b. Wenn nein: Bis wann ist mit ersten Erkenntnissen zu rechnen?
4) Welche Maßnahmen sind von Seiten Ihres Ministeriums für den Fall eines Netz-Blackouts geplant?
5) Welche Maßnahmen setzen Sie bzw. Ihr Ministerium, um Österreich bestmöglich vor einem Netz-Blackout zu schützen?
6) Existieren Zahlen, die eine Abschätzung des Risikos eines Netz-Blackouts zulassen?
a. Wenn ja: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines flächendeckenden NetzBlackouts:
i. In einem einzelnen Bundesland bzw. maximal drei Bundesländern?
ii. Im gesamten Bundesgebiet?
iii. In Teilen Europas?
iv. In ganz Europa?
v. Weltweit?
b. Wenn ja: Nennen Sie bitte die Quelle der Zahlen und den Ort, wo diese abgerufen werden können.
c. Wenn nein: Auf welche Quellenlage stützen Sie sich dann?
7) Gibt es für den Fall eines Netz-Blackouts eine staatliche Backbone-Strategie?
a. Wenn ja: Wie konkret gestaltet sich diese?
b. Wenn ja: Wie rasch ist diese verfügbar?
c. Wenn ja: Welche Ressourcen sind für deren Schaffung und Inbetriebnahme erforderlich und sind diese dauerhaft verfügbar?
d. Wenn ja: Welche Zeitspanne kann mit dieser Ersatz-Infrastruktur überbrückt werden, bevor auch diese zusammenbricht?
8) Ist Österreich im Besitz von Internetadressen oder sind diese mit einem Totalzusammenbruch unwiederbringlich verloren?
9) Das sogenannte Staatsgrundnetz, das völlig – etwa auch von der öffentlichen Energieversorgung – funktionierte, ist seit 2001 nicht mehr vorhanden. Denken Sie an eine Wiedereinführung eines solchen Netzes?
a. Wenn ja: Wie sieht die konkrete Umsetzung aus?
b. Wenn ja: bis wann?
c. Wenn nein: Warum nicht?
10) Welche Backup-Maßnahmen existieren aktuell für ein Netzblackout?
11) Welche Backup-Maßnahmen sind für ein Netz-Blackout geplant und bis wann werden diese umgesetzt?
12) Wieso gibt es laut KIRAS-Homepage keine Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung?
13) Wäre es mit Blick auf die Einsatzbereitschaft in einem Krisenfall nicht dringend erforderlich das Bundesheer und somit auch das Bundesministerium für Landesverteidigung in die Planung einzubeziehen?
14) Welche Kommunikationsmittel stehen für den Fall eines Netz-Blackouts oder eines totalen Blackouts zur Verfügung?
a. Wenn ja: Wer ist mit der Einrichtung der Kriseninfrastruktur betraut?
b. Wenn ja: Wie rasch kann ein flächendeckendes Krisenkommunikationsnetz errichtet werden und für welche Zeitdauer kann es das reguläre Netz ersetzen?
c. Stehen für den Fall eines Totalausfalls der digitalen Kommunikationsinfrastruktur analoge Kommunikationsmittel zur Verfügung? Falls ja: Nenne sie diese bitte vollständig.
15) Ist Österreich auf ein Blackout oder ein Netz-Blackout vorbereitet?
a. Wenn nein: Warum nicht?
16) Wie beurteilen Sie mit Blick auf die Bedenken in der COVID-Krise die Lage bei der Versorgungssicherheit bei einem Netz-Blackout? Ist die Versorgungssicherheit der ÖsterreicherInnen in solch einem Fall gegeben?
a. Wenn ja: Wie lange kann die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser aufrecht erhalten werden?
b. Wenn ja: Wie lange kann die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs aufrecht erhalten werden?
c. Wenn ja: Wie lange kann die Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Produkten aufrecht erhalten werden?
d. Wenn ja: Wie lange kann die Energieversorgung und die Versorgung mit Betriebsmitteln für Verkehrsmittel aufrecht erhalten werden?
e. Wenn ja: Wie lange kann der öffentliche Verkehr aufrecht erhalten werden?
f. Wenn ja: Wie lange kann das Gesundheitssystem aufrecht erhalten werden?
g. Wenn nein: Wieso nicht?
h. Wenn nein: Was werden Sie unternehmen um das zu ändern?
17) Können Sie bei einem Zusammenbruch der digitalen Kommunikation die Sicherheit von Kraftwerken, insbesondere von Kernkraftwerken an den Grenzen Österreichs, garantieren?
a. Wenn ja: Auf Basis welcher konkreten Fakten?
b. Wenn nein: Warum nicht?
c. Wenn nein: Was werden Sie konkret dagegen unternehmen?
18) Ist es mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln möglich, nach einem Zusammenbruch der bestehenden Infrastruktur, ein deutschsprachiges Intranet aufrechtzuerhalten?
a. Wenn ja: Für wie lange?
b. Wenn ja: Welche Mittel stehen Ihnen dafür zur Verfügung und wie rasch können diese eingesetzt werden?
c. Wenn nein: Was werden Sie dagegen unternehmen?